1.

Die Verhältnisse, unter welchen Mozart in Salzburg lebte, entsprachen dem was er bedeutete und leistete weder in seiner Stellung als Künstler noch im geselligen Verkehr, er konnte dort, seitdem er seiner Selbständigkeit sich bewußt wurde, nicht glücklich oder zufrieden sein. Was ihm das Leben dort allein möglich und erträglich machte, war das gesunde und tüchtige Familienleben, in welchem von früher Kindheit an seine gemüthliche und sittliche Existenz mit festen und starken Wurzeln gegründet war. Die herzliche, in einer langen Ehe stets befestigte Zuneigung der Eltern zu einander und zu den Kindern, die strenge Zucht eines auf kirchlicher Religiosität und bewußter Sittlichkeit beruhenden, in echt bürgerlicher Beschränkung geordneten Hausstandes bildeten die gesunde Luft, in welcher Mozart herangewachsen war. »Nach Gott kommt gleich der Papa«, das war der Wahlspruch des Knaben und des Erwachsenen, es war der Grundsatz des ganzen Hauses und Leopold Mozart verdiente, wie wir sahen und sehen werden, dieses Vertrauen in vollem Maaß. Denn hingebendes Vertrauen, nicht scheue Furcht war es, welche Frau und Kinder zu ihm hegten, und Offenheit und Wahrheit gaben den Grundton des Verkehrs in der Familie an. So wie Eltern und Kinder, waren auch die Geschwister einander herzlich zugethan; die gleiche Richtung ihres Talents, weit entfernt Spannung und Eifersucht hervorzurufen, führte [3] sie nur näher zusammen, und die Schwester sah den glänzenden Erfolgen des jüngern Bruders mit ebenso neidloser Freude zu als sie seine Neckereien gleichmüthig ertrug, da sie seiner herzlichen Theilnahme in großen und kleinen Freuden und Nöthen gewiß sein konnte. Dieses treue Zusammenleben der Familie, an welchem alle Hausgenossen, nicht allein die Mägde1, sondern auch die Hausthiere2 zu ihrem Theil ein Recht erhielten, wurde um so viel fester und inniger, da äußere wie innere Verhältnisse den Kreis desselben eng begränzten.

Zunächst war es der ernste pflichtgetreue Sinn des Vaters, der von seinen Kindern angestrengte Arbeit und regelmäßigen Fleiß unnachsichtig forderte, wie er ihnen darin mit einem musterhaften Beispiel voranging. Er sah die Leistungen des Künstlers nicht bloß als ein heiteres Spiel glücklicher Stunden, als einen seligen Rausch schwärmerischer Begeisterung an, sondern als die reife Frucht unablässiger Arbeit, unermüdeten Fortschreitens in sittlicher und künstlerischer Selbsterkenntniß. In dem außerordentlichen Genie seines Sohnes, in der bewundernswerthen Leichtigkeit, mit welcher dieser sich aneignete was zu lernen war und das Gelernte zu eigener Production frei verwandte, erkannte er nicht den Freibrief für ein bequemes sich Gehenlassen, sondern die strenge Pflicht[4] Alles anzuwenden, was zu seiner Ausbildung irgend ersprießlich sein könnte. Von Jugend auf gewöhnte er die Kinder an Arbeit, und setzte Alles darein daß sie auch in den äußeren Verhältnissen keinerlei Entschuldigungen finden könnten sich an müßige Stunden zu gewöhnen; »die Gewohnheit« sagte er »ist ein eiserner Pfad« (I S. 69). Er gab daher außer den Verpflichtungen, welche sein Amt ihm auferlegte, alle Beschäftigungen auf welche ihn seinen Kindern entzogen, namentlich allen Unterricht, obgleich er sich bei sehr beschränkten Umständen dadurch eine wesentliche Einnahmequelle entzog, die durch den Ertrag der ersten Kunstreisen gewiß nur vorübergehend ersetzt werden konnte. Allein er hatte ein so festes Vertrauen auf die Zukunft Wolfgangs, er hatte dieses Ziel so sicher und klar ins Auge gefaßt, daß er um dasselbe zu erreichen sich in keiner Weise beirren ließ. Er hatte mit seinem Sohn auch keine Noth; Wolfgang war ihm kindlich ergeben, von Natur lenksam und hatte einen brennenden Eifer für seine Kunst, so daß es nicht nöthig war ihn zum fleißigen Studiren anzuhalten; wie denn auch der Vater seine Thätigkeit und Arbeitsamkeit oft rühmt. Nur darin werden wir den wohlthätigen Einfluß des Vaters zu erkennen haben, der ja nicht allein Sorgfalt und Aufmerksamkeit in der Erziehung über haupt sondern Einsicht und Verständniß für die künstlerische Ausbildung im vollen Maaß mitbrachte, daß Wolfgang nicht – wie es der Jugend um so mehr eigen zu sein pflegt je talentvoller und lebhafter sie ist – augenblicklichen Anregungen leidenschaftlich sich hingab und durch unstetes und einseitiges Verfolgen verschiedenartiger Richtungen Zeit verlor, sondern in stetiger und folgerichtiger Ausbildung aller Kräfte gerade auf das Ziel zuschritt. Vergegenwärtigen wir uns die große Anzahl seiner Compositionen auf den verschiedensten Gebieten seit dem Jahr 1770, so geben uns schon diese von [5] seiner Arbeitsamkeit keine geringe Vorstellung; und doch muß man sich sagen, daß diese Leistungen nur möglich waren auf der Grundlage und im Zusammenhang fortgesetzter Studien und Uebungen, von welchen unmittelbar gar Nichts zum Vorschein kam, so wie auch wenigstens die größeren Werke ohne Vorarbeiten, Entwürfe und Skizzen, die mehrfach aus- und umgearbeitet werden mußten, nicht so geworden sind, wie sie jetzt vorliegen3. Dazu kommen die fortgesetzten Uebungen im Technischen des Orgel-, Klavier- und Violinspiels, die ihn zum Virtuosen machten, ferner die Beschäftigungen in der Kirche und bei Hofe, welche ihm seine Anstellung in der Kapelle auferlegte, ungerechnet die nicht seltenen Veranlassungen in Privatcirkeln sich hören zu lassen, endlich die Unterrichtsstunden, wel che er, seitdem er herangewachsen war, zu ertheilen hatte – in der That, man begreift kaum, woher er die Zeit nahm, da doch sein Tag auch nur vier und zwanzig Stunden hatte. Gewiß war es allein die anomale Verbindung des außerordentlichsten Genies mit der planmäßigsten Ordnung und Thätigkeit, welche so anomale Resultate möglich machte. Uebrigens war der Vater zu einsichtig und gebildet, um mit der ausschließlich musikalischen Ausbildung des [6] Sohnes Alles gethan zu glauben4. Er sorgte dafür daß er in Sprachen Uebung und Gewandtheit erhielt; Lateinisch hatte er, wie wir sahen (I S. 78), bereits in früher Jugend gelernt, auch war ihm einige Kenntniß desselben schon als Kirchencomponisten unentbehrlich5; Französisch und Italiänisch war ihm auf seinen Reisen geläufig geworden und der Vater sorgte mit Eifer dafür ihn in der Kenntniß derselben zu erhalten. Auch was sonst geschehen konnte ihn durch gemeinnützige Kenntnisse und durch Lectüre zu bilden, wurde, so weit das in damaliger Zeit in Salzburg thunlich war, nicht versäumt6. Charakteristisch ist es daß der Vater beide Kinder anhielt jeden Abend in einem Tagebuch kurze Rechenschaft über das abzulegen, was sie den Tag über gelernt und erfahren hatten, um sie auch dadurch zur Aufmerksamkeit auf sich und ihr Leben anzuleiten7.

[7] Da der Vater sehr wohl erkannte, daß überreizte Treibhauspflanzen keine Dauer haben, so hielt er in der Anspannung der Kräfte seines Sohnes vorsichtig Maaß und war ebenso sehr darauf bedacht durch angemessene Zerstreuung und Aufheiterung seinen Körper gesund und stark, seinen Sinn frisch und lebendig zu erhalten, und ihm im geselligen Verkehr mit Menschen aller Art Sicherheit und Unbefangenheit zu geben, womit es ihm bei Wolfgangs liebenswürdiger Gemüthsanlage ungleich besser gelang als mit dem Bemühen ihm Vorsicht und Zurückhaltung einzuflößen, welche auch nach bitteren Lebenserfahrungen ihm stets fremd geblieben sind. Bei den Bestrebungen nach diesen Richtungen hin für Wolfgangs Ausbildung zu sorgen, welche nicht wie die musikalische allein in seiner Macht lag, fühlte sich aber der Vater durch seine Stellung und die Salzburger Verhältnisse in jeder Weise gehemmt und beschränkt. Eins konnte ihm nicht verkümmert werden, die wunderbare Schönheit der Natur. Zwar wird derselben nirgends Erwähnung gethan, aber in der Regel fangen ja die Bewohner schöner Gegenden erst dann von ihnen zu reden an, wenn Fremde ihnen dazu Veranlassung geben. Allein ausgesprochen, mit klarem Bewußtsein empfunden oder nicht, der Einfluß einer so herrlichen und reichen Gegend auf eine für die Empfindung des Schönen sein und zart organisirte Seele kann nicht ausbleiben, und das Glück unter solchen Eindrücken der umgebenden Natur die Jugend zu verbringen ist nicht geringer zu schätzen als irgend eine jener günstigen Fügungen, welche die noch schlummernden Seelenkräfte durch hellen Sonnenschein und milde Wärme zum Leben erwecken.

Desto schwerer war es die Vorzüge zu erringen, welche allein ein freier Verkehr mit gebildeten und kunstliebenden Menschen darbieten konnte. An solchen fehlte es freilich damals [8] in Salzburg nicht völlig, allein sie fanden sich fast ausschließlich nur unter dem hohen Adel. Zwei Grafen Firmian, Brüder des Generalgouverneurs der Lombardei (I S. 190), werden als Männer von lebhaftem Interesse und Verständniß für Wissenschaft und Kunst gerühmt; der eine, Vigilius Maria, welcher Domprobst war, besaß eine ausgesuchte Bibliothek und war heimisch in der französischen, italiänischen, englischen und deutschen Litteratur, der andere, Franz Lactantius, Obersthofmeister des Erzbischofs, war ein Kenner der Malerei und selbst im Besitz einer trefflichen Gemäldesammlung8. Der Domherr Graf Anton Wilibald Wolfegg hatte weite Reisen gemacht, um Manufacturen und Industrie kennen zu lernen und namentlich die Baukunst gründlich studirt; der Oberstallmeister Graf Leopold Joseph Küenburg war ein Mann von Geist und umfassender Belesenheit; der Bischof von Chiemsee Graf Ferdinand von Zeil durch Verstand und Bildung gleich ausgezeichnet wie durch edlen Charakter9. Wir erfahren, daß alle diese Männer Mozart zugethan und wohlgeneigt waren; auch der Oberstkämmerer Graf Georg Anton Felix von Arco, der Obersthofmarschall Graf Nicolaus Sebastian von Lodron, der Hauptmann der Leibgarde Graf Leopold von Lodron gehörten zu seinen Gönnern. [9] Er erhielt in ihren Häusern Zutritt, durfte in ihren Gesellschaften sich hören lassen und den Töchtern Unterricht geben, auch wandten die alten und jungen Damen dem ausgezeichneten Virtuosen wohl eine gnädige Attention zu10; allein der Unterschied des Standes, die persönlichen Verhältnisse ließen es zu keinem geselligen Verkehr kommen, der den Menschen und Künstler wesentlich hätte fördern können11.

Auch mit anderen adelichen Familien12, und namentlich mit den jüngeren Mitgliedern derselben finden wir Wolfgang [10] in näherem Umgang, meistens aber erscheint dies wie ein oberflächlicher Verkehr unter jungen Leuten, der ohne tieferen Grund und nachhaltigen Einfluß in reiferen Jahren still zurücktritt. So finden wir als einen Jugendfreund Wolfgangs und unglücklichen Anbeter seiner Schwester Marianne Herrn v. Mölk erwähnt13, den Sohn des Hofkanzlers14, der aber in München sich über die Aufführung der Oper so verwunderte und verkreuzigte, daß Mozarts sich seiner schämten, weil Jedermann klar daraus sah daß er sein Lebtag nichts als Salzburg und Insbruck gesehen hatte15. Besser gefiel ihm, wenigstens in früheren Jahren, das Fräulein W. v. Mölk, der er sagen läßt, er freue sich darauf wieder von ihr ein Präsent, wie für die letzten Menuette zu bekommen; sie wisse schon welches16. Als andere Jugendfreunde lernen wir Herrn [11] v. Hefner17, v. Schiedenhofen, über den sich Mozart später sehr ereiferte, weil er eine Geldheirath gemacht habe18, und v. Aman kennen, zu dem er als Knabe eine große Zuneigung hatte, welche ebenfalls in reiferen Jahren nicht Bestand hatte19.

Der Umgang mit Familien aus dem Bürgerstande20, auf welchen Mozarts durch ihre eigene Stellung angewiesen waren und der an einem Ort, wo sie viele Jahre heimisch waren, [12] nicht ausbleiben konnte, war doch gewiß mehr für einen mäßigen Zeitvertreib, eine leidliche Erholung in müssigen Stunden als für geistige Ausbildung geeignet; einzelne gelegentliche Aeußerungen über den Ton der Unterhaltung in Salzburg erwecken nicht eben ein günstiges Vorurtheil21. Unter den Personen, welche uns genannt werden als im Verkehr mit der Familie Mozart stehend, tritt der Kaufmann Hagenauer hervor, ihr langjähriger Hauswirth22. Aus den vertrauten Briefen, welche Leop. Mozart auf den ersten Reisen an ihn richtete, können wir entnehmen daß er nicht nur Mozarts aufrichtig zugethan und ihnen mit Rath und That beizustehen stets bereit war, sondern daß er auch Bildung und Interesse, die über seinen nächsten Beruf hinausgingen, gehabt haben muß. Seine Frau war nach einigen Andeutungen Leop. Mozarts zu schließen einigermaßen bigott und unterhielt einen lebhaften Verkehr mit Geistlichen23. Der genaueste Hausfreund aber, der das Vertrauen der Kinder und des Vaters [13] in gleichem Maaße besaß, war Bullinger, ein Geistlicher, der in München im Jesuiterseminarium seine Bildung erhalten hatte und in Salzburg im Hause des Grafen Arco Instructor war. Der »getreue« Bullinger war im Mozartschen Hause »allemal eine Hauptperson«; in den Briefen, welche Wolfgang nach Salzburg schreibt, läßt er nicht allein seinen »besten Freund Bullinger« stets grüßen, er setzt voraus daß sie diesem mitgetheilt werden, wendet sich mitunter an ihn und bittet wichtige Geheimnisse Niemand als die Nannerl und Bullinger wissen zu lassen. Nachdem die Mutter in Paris gestorben ist, wendet Wolfgang sich an ihn mit der Bitte, seinem Vater die Trauerbotschaft auf schonende Weise mitzutheilen, was er mit so viel Klugheit als Theilnahme ausführt; und als Wolfgang dann den schweren Entschluß fassen muß wieder nach Salzburg zurückzukehren, so ist es Freund Bullinger gegen den er sein gepreßtes Herz ausschüttet (7. Aug. 1778). Mit gleicher Liebe ist dieser auch seinem Wolfgang zugethan. Da auf seiner Rückreise von Paris lange Zeit keine Nachricht von ihm einlief, so daß die Seinigen in die größte Unruhe um ihn geriethen, beichtete und communicirte der Vater sammt der Schwester und bat Gott inständigst um die Erhaltung des Sohnes, für den »der beste Bullinger täglich in der heil. Messe betete« (19. Oct. 1778). Auch der Vater hatte Ursache zu rühmen, daß Bullinger sein bester und wahrer Freund sei, von dem er »so viel Höflichkeit und Güte genossen habe«, und der ihn, als er während Wolfgangs Reise in große Verlegenheit gerieth, durch ein verhältnißmäßig nicht unbedeutendes Darlehen unterstützte. Er schenkte ihm daher auch das vollste Vertrauen, theilte ihm Alles mit was Wolfgang anging, seine Befürchtungen wie seine Wünsche, und berieth mit ihm was zu thun sei. Man kannte auch in Salzburg dies nahe Verhältniß sehr wohl und als man darauf [14] dachte Wolfgang wieder dorthin zu ziehen, wandte man sich, wie Leop. Mozart berichtet (11. Juni 1778), an Bullinger um zu vermitteln und zu unterhandeln. Auch an Sinn für Musik scheint es ihm nicht gefehlt zu haben; wenigstens finden wir ihn als Theilnehmer einer Privatmusik, welche alle Sonntag um 11 Uhr Statt hatte, und Wolfgang bittet ihn nach seiner Abreise (11. Oct. 1777) »eine auctoritätische Anrede zu halten und ihn den Mitgliedern der Akademie zu empfehlen«24.

Es fehlte in dem vergnügungssüchtigen Salzburg unter der Regierung des Erzbischofs Hieronymus, der auch in Beziehung auf öffentliche Lustbarkeiten freier und aufgeklärter dachte als sein Vorgänger Sigismund, nicht an Gelegenheit zu munterer Unterhaltung25, sowohl im Fasching, wo auf dem Rathhaus Bälle und Redouten gegeben wurden26 und [15] die Münchner oder auch wandernde Schauspielergesellschaften sich einfanden27, Schlittenfahrten28 und Assembleen gegeben wurden, als überhaupt das ganze Jahr hindurch29. Allein die Theilnahme an solchen Vergnügungen war für Mozarts etwas Seltenes30. Wenn auch der Vater den häufigen Genuß derselben für sich und seine Kinder angemessener gehalten hätte als es wahrscheinlich der Fall war31 – obgleich er als einverständiger Mann, der den Sinn der Jugend richtig beurtheilte, seinen Kindern, denen er angestrengte Arbeit zumuthete, auch Zerstreuungen gönnte32 –, so würde seine beschränkte [16] Lage ihm dieselben versagt haben, die ihm bei zunehmender Theuerung33 eine strenge Ordnung und verständige Sparsamkeit zur Pflicht machte34. Wie einfach die Lebensweise, [17] wie bescheiden die Vergnügungen in diesem Hause waren davon giebt uns die Unterhaltung einen deutlichen Beweis, welche in dem ganzen Kreise mit einer gewissen Wichtigkeit als eine Hauptlustbarkeit behandelt wird, das sogenannte Botzelschießen. Eine Anzahl genauerer Bekannten hatten sich zu einer Art kleiner Schützengilde vereinigt, welche jeden Sonntag sich abwechselnd bei den verschiedenen Familien versammelte. Der Reihe nach hatte jeder die Verpflichtung eine Scheibe zu liefern und dies gab zu mancherlei Scherzen Veranlassung. Man setzte seinen Ehrgeiz darin die Scheibe mit irgend einer Darstellung zu schmücken, welche sich auf die kleinen Vorfälle und die Eigenschaften der Theilnehmenden bezog. Verse mußten dieselbe erläutern, und die salzburgische Neigung zu Spaß und Spott fand dabei ihre Befriedigung je nach den Kräften des »Bestgebers«35. Nach dieser Scheibe wurde dann mit Bolzen aus einer Armbrust geschossen, mäßige Einsätze bildeten eine Gesellschaftskasse, aus der von Zeit zu Zeit Festivitäten bestritten wurden. Es läßt sich begreifen daß durch längere Gewohnheit sich ein heiterer, scherzhafter Verkehr bildete, der die Theilnehmer in lebhaftem Interesse eng verband; und so wird im Briefwechsel der Familie das Botzelschießen nie vergessen, besonders unterhaltende Scheibengemälde [18] werden mitgetheilt und, da die Abwesenden Mitglieder bleiben und ihren Stellvertreter erhalten, über Gewinn und Verlust die Kreuzerrechnung sorgfältig geführt36.

Unter diesen Umständen hätte Wolfgang die Aufmunterung, deren er bedurfte um mit Lust und Befriedigung unausgesetzt zu arbeiten, nur noch im Verkehr mit seinen Fachgenossen und in der Anerkennung und Belohnung seiner Leistungen suchen können. Allein, waren die Verhältnisse in Salzburg nach anderen Seiten hin nicht günstig, so wurden sie in dieser Beziehung allmählich unerträglich. Einzelne der Musiker, wie der treue Schachtner, welche frei von Neid waren und Bildung und Strebsamkeit genug besaßen um den Verkehr im Mozartschen Hause seinem wahren Werth nach zu würdigen, schlossen sich eng an die Familie an und hielten treu zu derselben. Allein mit der Mehrzahl der Musiker war, auch wenn sie wie Mich. Haydn und Adlgasser als Künstler alle Anerkennung verdienten, doch aus mancherlei Gründen kein eigentlicher Umgang zu pflegen37. Nicht ohne Beziehung auf die Salzburger Zustände rühmte Leop. Mozart von dem Mannheimer Orchester (19. Juli 1763) es seien »lauter junge Leute, durchaus von guter Lebensart, weder [19] Säufer noch Spieler, noch liederliche Lumpen, so daß sowohl ihre Conduite als ihre Productionen hoch zu schätzen sind.« Dieselbe Betrachtung stellte dort später Wolfgang an und schrieb seinem Vater (Paris 9. Juli 1778), wie dort unter Cannabichs Leitung Alles ernsthaft betrieben werde, die größte Subordination herrsche und jeder anständig lebe; ganz anders als in Salzburg. »Das ist auch eine von den Hauptursachen, was mir Salzburg verhaßt macht – die grobe, lumpenhafte und liederliche Hof-Musique – es kann ja ein honetter Mann, der Lebensart hat, nicht mit ihnen leben – er muß sich ja ihrer schämen; dann ist auch die Musique nicht beliebt und in keinem Ansehen«38. Man kann begreifen, daß die Familie Mozart Menschen von geringer Bildung und untergeordneter Gesinnung vielfachen Anstoß gab. Der wunderbar begabte Knabe mit seiner kindlichen Offenheit und treuherzigen Anhänglichkeit war ihnen unterhaltend gewesen39, der heranwachsende Jüngling wurde ihnen durch seine Leistungen eine drückende Last, deren Gewicht die Beweise glänzender [20] Anerkennung, welche ihm im Auslande zu Theil wurden, nicht verminderten. Dazu konnte ihnen die Zurückhaltung der Mozartschen Familie, ihre Ansprüche auf feinere Bildung und wohl auch das gelegentliche Geltendmachen derselben leicht als beleidigend erscheinen; und wenn sich bei der Vorsicht des Vaters und der Gutmüthigkeit der Mutter auch erwarten läßt, daß die Sorge für ein anständiges und schickliches Vernehmen mit den Fachgenossen nicht außer Acht gelassen wurde, so ist doch unverkennbar Neigung zur Kritik, die sich bald in spaßhaftem Ton, bald in Sarkasmen ausspricht, allen Mozarts eigen. Wenn man nach den zahlreichen Aeußerungen in den Briefen auf den mündlichen Verkehr schließen darf – und Wolfgangs Sache war vorsichtige Zurückhaltung gewiß nicht –, so mochte man sich in Salzburg vor der Mozartschen Zunge wohl etwas scheuen.

Die übelste Stellung ergab sich den Italiänern gegenüber, welche im Dienste des Erzbischofs standen. Fast in ganz Deutschland glaubte man bis dahin für den Glanz der Kapellen nur durch Berufung von italiänischen Componisten und Virtuosen wirksam sorgen zu können40, und die natürliche [21] Folge waren unausgesetzte Reibungen zwischen den deutschen Musikern, die sich zurückgesetzt und verachtet sahen und den Italiänern, welche ihnen ihre Ueberlegenheit mit dem größten Uebermuth fühlbar machten41. Vielfache Intriguen in Folge der Mißgunst gegen einen deutschen Componisten hatte Mozart nicht allein bei seiner ersten Oper in Wien (I S. 90f.), wiederholt in Mailand (I S. 212f. 232) und, wie es scheint auch in München42 erfahren, sondern auch in Salzburg hatte er darunter zu leiden. Erzbischof Hieronymus, der Alles gering schätzte was in Salzburg einheimisch war43, zog um seine Kapelle zu verbessern Italiäner herbei44 [22] . Da der Kapellmeister Lolli nicht mehr tüchtig war, wurde Fischietti (I S. 430) neben ihm berufen; eine Kränkung für Leop. Mozart, der auf diese Stelle gegründete Ansprüche hatte; als Solisten wurden Brunetti für die Geige, Ferlendi für die Oboe, später auch der Castrat Ceccarelli angestellt. Diese Italiäner wurden nicht allein unverhältnißmäßig viel besser als die einheimischen Künstler bezahlt45, sie erlaubten sich auch Ungebührlichkeiten und Ungezogenheiten46 [23] , weil sie sich der Gunst des Erzbischofs sicher wußten, der freilich auch sie gelegentlich hart behandelte47. Daß beide Mozarts die Kränkung schwer empfinden mußten Fremden, die in ihren Leistungen wie in ihrem Lebenswandel tief unter ihnen standen, in jeder Beziehung nachgesetzt zu werden, während sie doch wo es galt alle Arbeit thun mußten, das läßt sich begreifen. Während von Compositionen Fischiettis nichts verlautet, fanden wir Wolfgang in der Oper wie in der Kirche thätig, wo es darauf ankam etwas Neues zu geben. Für Sänger und Instrumentalisten war er stets bereit zu componiren; auch Brunetti verschmähete es nicht sich Solosachen von Wolfgang schreiben zu lassen, die der gutmüthige ganz für dessen eigenthümliche Weise setzte, und da jener Salzburg verlassen hatte, aber auch erst da, lobte er gewaltig sein Violinspiel (I S. 601). So setzte sich denn von früher Jugend an eine Abneigung gegen die Welschen in Mozarts Gemüth fest, welche zu verstärken die Begegnungen mit ihnen während seines späteren Lebens nur [24] zu sehr geeignet waren. Allein das künstlerische Element seiner Natur war zu stark und zu rein um dieser persönlichen Empfindung einen Einfluß auf die Auffassung und Beurtheilung der italiänischen Musik ihrer künstlerischen Bedeutung nach zu gestatten; sein Herz war so wohlwollend und gut, daß er dem Individuum gegenüber in der Regel seine Abneigung gegen die Nation überwand – nur in einzelnen Fällen sehen wir sie entschieden hervortreten.

Man kann nach Allem, was bemerkt ist, schon annehmen, daß Mozarts, Vater und Sohn, bei Hofe nicht in sonderlichen Gnaden standen. Von der Beziehung zum Erzbischof Sigmund ist nichts Näheres bekannt; daß er nicht eben sehr zufrieden war mit der wiederholten längeren Abwesenheit Leop. Mozarts auf seinen Kunstreisen, und dieser sich alle Mühe geben mußte seine Urlaubsüberschreitungen zu rechtfertigen, läßt sich begreifen48. Wolfgang gab er freilich schon vor dem Jahr 1770 eine Anstellung und den Titel als Concertmeister (I S. 173), aber keinen Gehalt, und auch nach der Aufführung der SerenataAscanio in Alba fand Leopold Mozart es sehr zweifelhaft ob der Erzbischof seines Sohnes gedenken werde, wenn ja eine Besoldung erledigt werden sollte (I S. 220f.). Wir wissen auch nicht, ob die Besoldung von 12 Gulden 30 Kreuzern monatlich, 150 Gulden jährlich, welche er als salzburgischer Concertmeister bis zum Jahr 1777 bezog, ihm von Erzbischof Sigmund oder seinem Nachfolger ertheilt worden ist49.

Unter diesem gestaltete sich die Lage Mozarts immer ungünstiger. [25] Hieronymus, der gegen den Wunsch der Salzburger zum Erzbischof gewählt wor den war, konnte den Eindruck der ihm abgeneigten Stimmung, welche sich bei seinem Regierungsantritt deutlich ausgesprochen hatte, nie vergessen. Er wußte, daß er in Salzburg nicht beliebt war, und legte es nicht darauf an, beliebt zu werden, sondern ließ die Salzburger empfinden, daß er sie seinerseits geringschätzte50. Er war ein Mann von scharfem Verstand, aufgeklärt und einsichtig, der mit fester Hand in wesentlichen Punkten die Regierung des Landes wohlthätig reformirte, aber eigenwillig und karg, hart und rücksichtslos51. Das hatten besonders die Beamten zu empfinden, denen er selten seine Zufriedenheit bezeigte. Das gebieterische Er, dessen er sich selbst gegen seine Räthe, überhaupt gegen Alle die nicht vom höheren [26] Adel waren, bediente, der aufregende Ton seiner Sprachweise hielten die meisten der vor ihn gerufenen Untergebenen in scheuer Entfernung. Auch sein Aeußeres – obgleich er von mittlerem schmächtigem Wuchs und kränklich blasser Gesichtsfarbe war – flößte durch den scharfen Blick der grauen Augen, von denen das linke selten ganz geöffnet war, und den strengen Zug um den Mund ehrfurchtsvollen Respect ein52. Beide Mozarts ihm nicht beliebt zu machen mochten außer dem Umstande daß sie Deutsche und Salzburger waren noch verschiedene Ursachen zusammenwirken. Graf Ferdinand von Zeil, später Bischof von Chiemsee, dessen edelmüthigem Zurücktreten Hieronymus die Wahl zum Erzbischof verdankte53, war einer der treuesten und wärmsten Gönner Mozarts, die an ihm mit gleicher Liebe und Verehrung wie ganz Salzburg hingen: das war nicht der Weg zu Hieronymus Gunst. Die selbständige Haltung Leopold Mozarts, der allgemein geachtet seine Pflicht that und ohne unterthänigste Schmeichelei seines Weges ging, die jugendlich unbefangene Rücksichtslosigkeit Wolfgangs, der in übermüthiger Ausgelassenheit gelegentlich vergessen mochte, daß er als Mitglied der Kapelle im Staatskalender stand, waren dem Erzbischof Herausforderungen sie seine fürstliche Oberherrlichkeit um so herber fühlen zu lassen. Dazu kam noch eine Eigenheit, daß er sich durch große wohlgebildete Gestalten imponiren ließ, während er kleine, unansehnliche Leute nicht achtete54; und Mozart mit seiner schmächtigen Figur, seinen noch nicht männlich ausgeprägten [27] Gesichtszügen konnte von dieser Seite her gar keinen Anspruch auf die Achtung seines Fürsten machen. So glaubte sich dieser denn auch berufen und berechtigt Wolfgangs musikalischen Leistungen seine Anerkennung zu versagen; was er componirte war ihm nicht recht und wurde heruntergemacht, und nicht in schonenden Ausdrücken55; er sagte ihm, daß er nichts von seiner Kunst verstehe und erst nach Neapel ins Conservatorium gehen müsse, um dort etwas zu lernen56. Das war für einen Akademiker von Bologna und Verona, für einen Mann, der in Italien als Virtuos und Componist Triumphe gefeiert hatte, eine starke Zumuthung. Zwar achtete Mozart die musikalische Bildung des Erzbischofs, wenn derselbe auch die Violine spielte, nicht so hoch, daß er sich durch solche Aeußerungen hätte beirren lassen (I S. 543f.); allein im Munde seines Fürsten erhielten sie eine für ihn sehr unerfreuliche Bedeutung. Denn in der That erkannte Hieronymus das Genie und die Leistungen Wolfgangs sehr gut –, wie er denn ja auch nicht verfehlte ihn mit Aufträgen zu beehren, so oft neue Compositionen nöthig waren57; [28] auch seine Umgebung konnte ihn darüber, wenn es Noth that, eines Besseren belehren –, er behandelte ihn aus Berechnung so schnöde. Je stärker er seinen jungen Concertmeister seine Geringschätzung empfinden ließ, um so weniger, meinte er, konnte dieser es wagen für seine Leistungen einen höheren Gehalt als 150 Gulden in Anspruch zu nehmen.

Es bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung, in welchem Grade Vater und Sohn eine solche Zurücksetzung und fortdauernde Mißhandlung, einer für den anderen empfanden58, und wie sie unter diesen Verhältnissen von allen Seiten her Feindseligkeiten, offen und versteckt, durch Grobheit oder Intriguen zu erdulden hatten. Der Vater, der von Anfang an vorausgesehen hatte, daß Salzburg nicht der Ort sei, wo Wolf gang die verdiente Anerkennung und Stellung finden würde, suchte jede Gelegenheit auf, um sich und seinem Sohn oder doch diesem eine Anstellung an einem anderen Hofe zu verschaffen; allein die deshalb in Florenz (I S. 231), Wien (I S. 234), München (I S. 239) zu verschiedenen Zeiten gemachten Versuche schlugen sämmtlich fehl, und dazu mußte [29] er die äußerste Vorsicht anwenden um nicht seinen Feinden in Salzburg die willkommene Gelegenheit zu bieten, ihm zu schaden oder ihn völlig aus dem Sattel zu heben59. Daß er als Familienvater die wenngleich kümmerliche doch gesicherte Stellung in Salzburg nicht aufgeben dürfe war ihm völlig klar, und so suchte er die wachsende Ungeduld des Sohnes zu beschwichtigen und hinzuhalten. Dieser wünschte nichts mehr, als daß sie ihren Dienst aufgeben möchten; die ganze Familie sollte dann Salzburg verlassen und auf einer großen Kunstreise wie früher durch Concerte so lange ihre Existenz gewinnen, bis sich eine sichere und bessere Anstellung irgendwo finden würde. Der erfahrne Vater aber wußte richtiger zu erwägen, wie sehr sich ihre Verhältnisse seit den Kinderjahren geändert hätten, wie schwer es halten würde auf diese Weise den Unterhalt für eine Familie zu gewinnen, wie unsicher die Aussicht auf eine feste Versorgung sei und würdigte auch die Bedenklichkeiten und Gefahren eines herumziehenden [30] Lebens nach Gebühr60. Ebensowenig konnte er sich entschließen den Sohn allein ziehen zu lassen. Er fürchtete nicht allein die Unbeholfenheit und Ungeschicklichkeit desselben in allem was das praktische Leben erforderte, besonders auf der Reise, die damals noch mit mehr Schwierigkeiten verbunden war61, oder die Hindernisse, welche jeder junge Mann überwinden muß, der sich auch durch hervorragendes Talent und bedeutende Leistungen eine Stellung in der Welt erwerben will62. Er kannte die Natur seines Sohnes, er wußte daß dieser durch seine arglose Offenheit und gutmüthige Hingebung ebensowohl als durch seine leicht erregte Reizbarkeit und Schlagfertigkeit mit Wort und Witz die wehrlose Beute für Jeden werden [31] würde, der ihn gebrauchen oder ihm schaden wollte63; er wußte daß er über seiner Kunst alles andere, zuerst seinen Vortheil und die besterwogenen Pläne für die Zukunft vergessen würde. Er zitterte vor den Gefahren, welche den lebhaften, erregbaren Jüngling um so mehr bedrohten, je unerfahrner er aus den engen Schranken der bürgerlichen Familie den Verlockungen der großen Welt entgegen trat. Er war daher fortdauernd bemüht ihn in der Geduld zu erhalten, er stellte ihm vor, wie er die Prüfungszeit in Salzburg zu seiner [32] Ausbildung und als Vorbereitung auf eine Reise nützen müsse, die um so mehr Aussicht auf Erfolg haben werde, wenn er dem Alter wie der Bildung nach eine höhere Reise er langt habe.

Indessen auch diese Geduld mußte ihre Grenzen finden. Seitdem Wolfgang Anfang 1775 die Finta giardiniera in München aufgeführt hatte, war er nicht wieder von Salzburg fortgekommen; er mußte sich, da kein Auftrag zu einer Oper gekommen war, auf einer Reise als Componist und Virtuos wiederum zeigen, wenn er nicht in Vergessenheit gerathen wollte. Zu einer solchen Kunstreise hatte er sich durch die angestrengtesten und beharrlichsten Studien auf dem Klavier und der Violine und durch eine Reihe von Solocompositionen vorbereitet. Auch die zahlreichen Reinschriften von Compositionen aller Art in den oft genannten kleinen Büchern waren zu diesem Zweck veranstaltet; sie waren bequem zu verpacken und allenthalben zur Hand um sie bei Aufführungen zu gebrauchen oder zum Verschenken copiren zu lassen. Nachdem so Alles gerüstet war, reichten Vater und Sohn ein Gesuch beim Erzbischof um Urlaub zu einer Kunstreise ein; es wurde rundweg abgeschlagen – wie der Erzbischof später um sich zu entschuldigen erklärte, weil er es nicht leiden könne, wenn man so ins Betteln herum reise. Nun war das Maaß gefüllt; nach mancher Ueberlegung bat Wolfgang um seinen Abschied aus salzburgischen Diensten und der Erzbischof, ganz entrüstet daß man es wage ihm so den Stuhl vor die Thür zu schieben, gab ihm denselben in den ungnädigsten Ausdrücken. Ja, man erwartete daß sein Zorn auch den Vater treffen würde und es hieß, er habe Befehl gegeben ihn aus der Reihe der Kapellisten zu streichen. Dies war allerdings nicht der Fall,[33] mit einer ungnädigen Aeußerung wurde er in seinem Amt belassen64.

Die Verabschiedung Wolfgangs erregte in Salzburg großes Aufsehen und Bedauern65, auch in der nächsten Umgebung des Erzbischofs. Der Obersthofmeister Graf von Firmian, der Wolfgang von Herzen liebte, hatte, wie Leop. Mozart erzählt (4. Oct. 1777), vier Pferde gekauft und freuete sich auf das Vergnügen das sein junger Freund an den neuen Reitpferden haben würde, als er bei seiner Heimkehr zu seinem unaussprechlichen Verdruß die Historie erfuhr. Da er dem Erzbischof seine Aufwartung machte, sagte dieser zu ihm: »Nun haben wir eine Person weniger bei der Musik.« Er antwortete aber: »Ew. Hochfürstl. Gnaden haben einen großen Virtuosen verloren.« – »Wie so?« – »Er ist der größte Klavierspieler, den ich in meinem Leben gehört habe. Bei der Violine hat er Ew. Hochfürstl. Gnaden gute Dienste gethan und war ein recht guter Componist.« – Worauf der Erzbischof still schwieg. Auch der Domherr Graf Joseph Starhemberg, dem Leop. Mozart später in einer Unterredung freimüthig Alles heraussagte was mit ihnen vorgegangen sei (29. Juni 1778), gestand zu, daß alles die vollkommene Wahrheit sei und daß alle Fremde, die an den salzburgischen Hof gekommen wären, nichts anderes als den jungen Mozart bewundert hätten, für den auch er ganz eingenommen sei.[34] Der Erzbischof selbst, der recht gut wußte, was ihm Mozart werth sei, war gewiß mit dieser Wendung der Dinge unzufrieden.

Aber auch Leop. Mozart war dadurch in schwere Sorgen versetzt; alle Schwierigkeiten und Bedenklichkeiten einer solchen Reise drängten sich ihm jetzt, wo sie unter keineswegs günstigen Umständen unternommen werden mußte, mit verdoppelter Kraft auf. Allein sie war nun nicht mehr zu vermeiden; durch eine freiwillige, unerhörte Demüthigung vor dem Erzbischof das Bleiben Wolfgangs in seiner alten Stellung zu erkaufen erlaubte weder sein Stolz noch seine Klugheit. Es galt nun mit Einsicht und Energie die gegenwärtigen Umstände so zu benutzen, daß dem Erzbischof gegenüber die Ehre und Selbständigkeit gewahrt und für Wolfgang eine gesicherte Stellung gewonnen werde. Um dieses Ziel zu erreichen mußte die Reise auf die größeren, namentlich die Residenzstädte gerichtet werden, wo durch Concerte zunächst die Kosten der Reise gedeckt werden konnten und Aufträge zu Compositionen zu erwarten waren, die einen vorläufigen Aufenthalt ermöglichten, während dessen er sich so nachdrücklich durch seine Leistungen empfehlen konnte, daß eine definitive Anstellung in ehrenvoller Weise zu erreichen wäre. Nach diesem Gesichtspunkt entwarf der Vater den Reiseplan und ward nicht müde dem Sohn einzuprägen, daß sich einen Namen zu machen, Geld zu verdienen und eine sichere Anstellung zu gewinnen die einzigen Rücksichten seien, von denen er sich bei seiner Reise leiten lassen dürfte, denen namentlich persönliche Annehmlichkeit, gute Unterhaltung jederzeit nachstehen müßte66. Durch seine ausgebreiteten Verbindungen und [35] große Localkenntniß konnte Leop. Mozart seinem Sohn fast allenthalben Zugang verschaffen und den Weg bahnen, und sein Eifer wie seine Thätigkeit waren unermüdlich; des Sohnes Aufgabe war es, die Personen und Verhältnisse, wie er sie fand, genau kennen zu lernen, von den Aussichten, welche sich ihm darboten, von den Mitteln, welche zu benutzen waren, rasch sich Einsicht zu verschaffen und demgemäß je nach Umständen Alles aufzubieten um aus Ziel zu gelangen oder ohne unnütz Zeit zu verlieren den ungünstigen Ort zu verlassen. Allein Wolfgang fehlte nicht nur die Lebenserfahrung des Vaters, er besaß überhaupt den Sinn und Blick für die praktischen Verhältnisse nicht, der dem Menschen von Natur eigen sein muß, wenn er diese zu seinem eigenen Vortheil benutzen und beherrschen soll; er fühlte sich sicher in seiner Kunst, sie war die Welt in der er eigentlich lebte, und so meinte er, das Uebrige werde sich ja finden; die Aussicht endlich aus dem verhaßten Salzburg ins Freie zu kommen ließ ihn wahrscheinlich auf die Ermahnungen seines Vaters noch weniger Acht geben. Das wußte auch der Vater recht [36] gut und hätte ihn freiwillig gewiß nicht allein reisen lassen; ihn selbst begleiten, wie es seine eigentliche Absicht gewesen war, konnte er jetzt nicht, so faßte er den schweren Entschluß sich von seiner Frau zu trennen, damit sie mit dem Sohne reisen könne.

Daß sie, schon als eine Frau, ihm nicht in ähnlicher Weise mit Rath und That zur Seite stehen könne, wie er selbst, das sah er wohl ein, auch entging ihm schwerlich, daß sie bei großer Liebe für Wolfgang nicht Energie und geistige Ueberlegenheit genug besaß um ihm zu imponiren und ihn zu leiten. Allein sie hatte Lebenserfahrung, sie hatte namentlich Erfahrung im Reisen und so erwartete er daß sie der Unerfahrenheit und Sorglosigkeit des Sohnes zu Hülfe kommen, das Rechnungswesen beaufsichtigen und in den kleinen Angelegenheiten des täglichen Lebens strenge Ordnung wie zu Hause halten werde; er machte ihr namentlich zur Pflicht genau aufzuschreiben und Rechenschaft abzulegen und den Mann von allen Vorkommnissen rechtzeitig in Kenntniß zu setzen, damit er rathend und fördernd eingreifen könne67. Wenn sie hierin, [37] theils weil sie der Lebhaftigkeit des Sohnes nicht immer Widerstand zu leisten wußte, theils weil sie eigener Bequemlichkeit nachgab68, seine Erwartungen nicht stets befriedigte, so war er ihres Einflusses nach einer anderen Seite hin gewiß, die ihm sicherlich noch mehr am Herzen lag. Die Gegenwart der Mutter war ihm eine Bürgschaft, daß der sorgsam erzogene, ihr kindlich ergebene Sohn in seiner Lebensweise Sorge für seine Gesundheit tragen würde69, und daß die Gefahr leichtsinniger Gesellschaft oder gar sittenlosen Umgangs, die dem aufgeweckten Jüngling ohne alle Erfahrung drohte, von ihm abgewendet bliebe70.

[38] Die Trennung von der Frau war nicht das einzige Opfer, welches der Vater dem Wohlergehen des Sohnes brachte. Er sah voraus daß es mit dem Gelderwerb, für den Wolfgang so wenig eingerichtet war, schwerlich so rasch und regelmäßig gehen werde, daß die Reisekosten immer gedeckt würden; er mußte sich daher darauf einrichten die Reisenden nicht allein für den Anfang auszurüsten, sondern Summen bereit zu halten um sie durch ungünstige Umstände nicht in Verlegenheit kommen zu lassen. Eigenes Vermögen besaß er nicht; [39] was die früheren Reisen etwa eingebracht hatten, war bei ihrer kärglichen Stellung in Salzburg darauf gegangen: er mußte zum erstenmal in seinem Leben Schulden machen, was dem gewissenhaften Mann sehr schwer fiel, und wir erfahren, daß die treuen Freunde Hagenauer und Bullinger ihm bereitwillig aushalfen. Nun schränkte er sich nicht allein mit Nannerl, die ihm seine Haushaltung führte, aufs äußerste ein71, sondern er entschloß sich auch wieder Unterricht zu geben um seine Einnahme etwas zu verbessern72. Ein Vater, der sich in solcher Weise jedes Opfer auferlegte um seine Pflichten gegen den Sohn zu erfüllen, war berechtigt auch von diesem zu verlangen, daß er – nicht ihm volle Liebe beweisen und als Künstler sich auszeichnen solle, denn dazu bedurfte es keines Antriebs73, sondern sich zusammennehmen um den Anforderungen [40] des praktischen Lebens zu genügen, und wir dürfen uns nicht wundern, daß er den Sohn ernsthaft und selbst streng an seine Pflicht erinnerte, wenn dieser sich gehen ließ anstatt seine Natur zu bezwingen.

So war denn Alles erwogen und berathen, die nöthigen Mittel herbeigeschafft, die Ausrüstung besorgt, und eine Chaise angeschafft, welche für die beiden Reisenden und ihr Gepäck, Kleidung74 und Musikalien75, passend war. Das war damals die einzige Art um anständig zu reisen und als einen Künstler, der auf Achtung und ehrenvolle Behandlung auch durch sein äußeres Auftreten Anspruch machte, nicht als einen herumziehenden Musikanten wollte Leopold Mozart seinen Sohn in die Welt treten lassen.

Fußnoten

1 In den Briefen, die auf der Reise nach Hause geschrieben sind, werden Grüße und Glückwünsche zum Namenstag an die Mägde nie vergessen. Als später die Rückkehr Wolfgangs von der Pariser Reise bevorsteht, laßt ihm die Theresel wiederholt melden, wie viel Kapaunen sie schon für ihn angekauft habe.


2 Außer dem Canarienvogel, an den Wolfgang auf seinen Reisen sich wiederholt erinnert (Beil. V, 14. 49), ist es besonders der Hund Bimperl, von dessen Befinden und Benehmen detaillirter Bericht erstattet wird, und dem Mutter und Sohn Grüße und Busserln schicken. Mozart blieb auch in späteren Jahren ein großer Thierfreund, wovon noch einige artige Geschichtchen zu erzählen sein werden.


3 Die lange Reihe der oft erwähnten Hefte, in welcher Compositionen jeder Gattung in der saubersten Reinschrift von Mozarts Hand, vom Vater geordnet und mit Titeln versehen uns vorliegen, sind der sprechendste Ausdruck für den emsigen Fleiß und für das Behagen an Ordnung und Sauberkeit, zu welchem Wolfgang durch seinen Vater erzogen war. Auch geben gerade diese Reinschriften gegenüber den flüchtigeren Entwürfen anderer Compositionen dem, der dessen bedarf, den klaren Beweis daß Mozart seine Compositionen ausarbeitete und nicht immer gleich ins Reine schrieb, wie man wohl annimmt, um seiner Genialität ein Compliment auf Kosten seines Fleißes und seiner Sorgfalt zu machen. Doch davon wird auch später noch die Rede sein.


4 »Ich stellte Dir oft vor«, schreibt Leopold seinem Sohn (18. Dec. 1777) »daß Du (wenn Du auch bis Du ein paar Jahre über das zweinzigste hinaus bist in Salzburg bleibst) nichts verlierst, da Du unterdessen Gelegenheit hast Dich in andern nützlichen Wissenschaften in Etwas umzusehen und durch Lesung guter Bücher in verschiedenen Sprachen die Vernunft mehr auszubilden und Dich in Sprachen zu üben.«


5 Während der Pariser Reise erinnerte er Wolfgang sich des lateinischen Gebetbuches zu bedienen, um so wenigstens einigermaßen in der Uebung des Lateinischen zu bleiben (15. Oct. 1777).


6 Wolfgang erwähnt einmal in einem Briefe (20. Dec. 1777) daß er Abends nach dem Nachtessen während die Familie sich anderweitig untere hielt, ein Buch zur Hand zu nehmen pflegte. Was für Gegenstände der Lectüre ihn besonders anzogen, wissen wir freilich nicht. Wir sehen, daß Leop. Mozart Gellert hochschätzte (I S. 21), auch Wieland war ihm wie dem Sohn wohl bekannt. Später werden wir in kritischen Bemerkungen über Operntexte und verwandte Gegenstände die Belege finden, daß er auch nach dieser Richtung hin im väterlichen Hause sehr gut ausgerüstet worden war.


7 Vgl. I S. 140.


8 Von Musik aber scheint er keine Einsicht gehabt zu haben, denn obgleich er Wolfgang herzlich zugethan war, so schreibt dieser doch seinem Vater (9. Juli 1778), daß aus der Salzburger Musik nicht eher etwas werden könne bis sie ganz dem Kapellmeister untergeben sei, so daß der Obersthofmeister nichts mehr darin zu sagen habe. »Denn ein Cavalier kann keinen Kapellmeister abgeben, aber ein Kapellmeister wohl einen Cavalier.«


9 Man vergleiche die Charakteristik dieser Männer bei K. R[isbeck] Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland 1784 I S. 155f., und über Graf Zeit [Koch-Sternfeld] Die letzten dreißig Jahre S. 40.


10 »Der Wolfgang läßt Ihro Excellenz der Gräfin Arco die Hände unterthänigst küssen und dankt für den geschickten Kuß, der ihm viel angenehmer ist als viele junge Busserl« schreibt Leop. Mozart von Mailand (17. Febr. 1770).


11 Nicht ohne deutliche Beziehung schreibt Wolfgang (2. Oct. 1777): »Sie können sich nicht einbilden, was der Graf Salern für eine Freude hatte: er versteht doch die Musik, denn er sagte allezeit Bravo, wo andere Cavaliers eine Prise Taback nehmen – sich schneuzen, räuspern – oder einen Discours anfangen.«


12 »Der kleine Adel« heißt es in Risbecks Briefen (I S, 156f.) im Gegensatz gegen den gebildeten hohen Adel »macht sich durch seine erbärmliche Titelsucht und seinen elenden Stolz lächerlich. Du findest hier gegen 400 gnädige Herren, die von 3 bis 490 Gulden auf Gnade des Hofes leben und die Du nicht gröber beleidigen kannst als wenn Du zu ihnen: Mein Herr und zu ihren Weibern: Madame sagst. Man muß sich hier angewöhnen immer über das dritte Wort Euer Gnaden zu sagen, um nicht für einen Menschen ohne Lebensart gehalten zu werden. – Sie beklagen sich alle, daß ihnen der Hof keine hinlängliche Besoldung giebt, um ihrem Stand gemäß leben zu können. – Ihr Stand ist nichts als der gute Wille des Hofes eine große Menge unnützer Bedienten zu ernähren und ihr kühnes Vertrauen auf diesen guten Willen. Wenn man ihnen übrigens die gehörige Titulatur giebt, so sind sie die artigsten, geselligsten und dienstfertigsten Geschöpfe von der Welt. Sehr viele beschäftigen sich auch mit der Lectüre der deutschen und französischen Dichter, besonders jener, die für das Theater gearbeitet haben.« Vgl. [Koch-Sternfeld] Die letzten dreißig Jahre des Erzstiftes Salzburg S. 256f.: »Seit 230 Jahren standen die Beamten der salzburger Landesstellen in der Hauptstadt auf ein und demselben unmunären Einkommen. Hieronymus ließ es dabei bewenden: während die Beamten aller Privatherrschaften Zulagen erhielten und jenes ängstliche, kostbare, die Urproductien des Volks druckende System der Nahrungspolizei doch nicht vor Armuth und Erniedrigung schützte. Die alte Wohlhabenheit vieler angesehener, einst begüterter Familien verblutete sich bei diesen Mißverhältnissen auf eine erbärmliche Weise, die selbst wieder auf die Cultur und auf die Staatscassen sehr nachtheilig zurückwirkte.«


13 Beil. V, 2. 23.


14 Er war Hofkanzler unter Sigismund geworden sowie Direktor des Hofraths; dies letztere Amt legte er 1772 nieder (Koch-Sternfeld S. 65), und wurde 1774 vom Hofkanzler zum salzburgischen Gesandten am Reichstag befördert (ebend. S. 60).


15 Beil. V, 55. Wolfgang wußte auch von einem Salzburger, der Paris nicht recht hatte sehen können, weil die Häuser da zu hoch wären (Beil. V, 42).


16 Beil. V, 38. Daß es nicht an Gelegenheit zu jugendlichen Inclinationen fehlte sehen wir aus den geheimnißvollen Andeutungen, welche Wolfgang seiner Schwester macht (Beil. V, 36. 37. 45. 46. 47. 48. 53. 54), sie möge ja – sie wisse schon wen – besuchen, zärtlich grüßen u.s.w. Als er im Jahr 1772 nach Italien ging, war einer Andeutung in einem Briefe des Vaters zufolge, eine Tochter des Dr. Barisani seine Herzenskönigin.


17 Beil. V, 35. 48. 52. Leopold Mozart war von früherer Zeit her mit dem Vater dieses Herrn v. Hefner wohl bekannt (Brief 25. Sept. 1777).


18 Vgl. Beil. V, 6. 14. 23. Joachim Schiedenhofen Stumm, später fürsterzbisch. Hofrath und Landschaftskanzler, führte in seiner Jugend ein »Diarium über seine eigenen Verrichtungen«, aus welchem mir Auszüge die Jahre 1774 bis 1777 betreffend durch Herrn Schallhammer gütigst mitgetheilt sind. Er hat alle Besuche der Mozartschen Familie notirt. Man sieht daraus, daß namentlich die Mölksche, Barisanische, Gilowskysche und Schiedenhöfsche Familien lebhaft mit der Mozartschen verkehrten, indem man sich gegenseitig Abends auf einige Stunden zu besuchen pflegte. Neben dem gleich zu erwähnenden Bölzlschießen wird auch eine Spielgesellschaft erwähnt, die sich regelmäßig versammelte. Außer diesem ziemlich häufigen geselligen Umgang, der offenbar einen sehr einfachen und bürgerlichen Charakter hatte, werden hie und da auch Akademien, an denen Mozart betheiligt war, und Redouten namhaft gemacht.


19 Beil. V, 8.


20 Bei dem Oekonomieinspector des St. Peterstiftes Mayer verkehrte der Kreis der Mozartschen Bekannten besonders gern und Mozart erinnerte sich später oft der fröhlichen Stunden, die er dort verlebt hatte.


21 Seiner Schwester schrieb Wolfgang (Beil. V, 49) von Mailand, er habe eine neue Sprache gelernt, sie sei etwas kindisch, aber gut für Salzburg. Später schrieb er an Bullinger (7. Aug. 1778), er könne unmöglich in Salzburg vergnügt leben, wo gar kein Umgang zu haben sei, und an seinen Vater (8. Jan. 1779): »Ich schwöre Ihnen bei meiner Ehre, daß ich Salzburg und die Einwohner (ich rede von geborenen Salzburgern) nicht leiden kann – mir ist ihre Sprache, ihre Lebensart ganz unerträglich.«


22 Belege von Wolfgangs Anhänglichkeit an diese Familie s. I S. 639. Später schreibt Leop. Mozart (26. Dec. 1772): »Das Unglück des Hrn. Hagenauer geht uns sehr zu Herzen. Wir haben heute in der Kirche beyde für seine Besserung Gott inständigst gebeten.«


23 Charakteristisch ist Leop. Mozarts Brief an Mad. Hagenauer über die Zustande in Paris (bei Nissen S. 50ff.), sowie die Aeußerung über das Consistorium (I S. 134). Von Neapel aus schreibt er (25. Mai 1770): »Die Frau Hagenauer wird wohl zu Zeiten ein Vaterunser für uns beten. Es thut wirklich Noth, denn wir beten nicht gar viel.«


24 Dies war eine andere Gesellschaft als die der Dilettanten, welche bald nach Wolfgangs Weggehen zu einem regelmäßigen Concert sich vereinigte, von der Leop. Mozart ihm wiederholt erzählt.


25 K. R[isbeck] Briefe I S. 159: »Alles athmet hier den Geist des Vergnügens und der Luft. Man schmaust, tanzt, macht Musiken, liebt und spielt zum Rasen, und ich habe noch keinen Ort gesehen, wo man mit so wenig Geld so viel Sinnliches genießen kann.« [Koch-Sternfeld] Die letzten dreißig Jahre S. 157: »In der Hauptstadt, wo der Adel nicht zahlreich, die Beamten nicht wohlhabend und aus dem geachteten Bürgerstande die Kaufleute mehr für sich vereinigt waren, den Geist des Vergnügens zu wecken und zu leiten, ward im Rathhause ein geräumiger Saal mit einigen Nebenzimmern (1775) erbaut; da hatten im Carneval regelmäßig maskirte Bälle unter Regie des Magistrats, auch sonst Concerte, Gesellschaften und Spiele statt. Die Laune des Fürsten sprach sich bei diesen Vergnügungen verschieden aus. Fanden sich Beamte und Bürger dabei ein, so sagte er, sie hätten ihr Geld und beklagten sich doch. Blieben sie weg, so meinte er, sie liebten ihn nicht.«


26 Mozart, der gern tanzte und Possen trieb, pflegte sich auf Maskeraden auszuzeichnen; Schiedenhofen erwähnt, wie er in einer Bauernhochzeit und ein andermal als Friseurjunge Alle unterhalten habe.


27 K. R[isbeck] Briefe I S. 157: »Die Theaterwuth herrscht hier so stark als zu München, und man lechzt nach der Ankunft einer fahrenden Schauspielergesellschaft wie im äußersten Sibirien nach der Wiederkehr des Frühlings.« [Koch-Sternfeld] a.a.O. S. 157: »Die ziehenden Schauspieler hatten bisher zu ihren Vorstellungen im Wintersemester keine bleibende Stätte gefunden; die Hofkammer erbaute in der jenseitigen Stadt am rechten Ufer der Salzach ein den damaligen Bedürfnissen angemessenes Theater, das der berühmte Wahr eröffnete.«


28 Beil. V, 2.


29 K. R[isbeck] Briefe I S. 159: »Einer der Haupttummelplätze der öffentlichen Lustbarkeit ist der eine Stunde von hier entlegene fürstliche Garten Hellbronn, wo Bier und Wein geschenkt wird«; mit einer Beschreibung des Parks.


30 »Du mußt doch auch auf eine Redoute nicht versäumen« schreibt Leop. Mozart seiner Frau von München (15. Febr. 1775), wo er selbst mit seinen Kindern die Freuden des Carnevals reichlich genoß.


31 Es ist wohl etwas Taktik dabei, wenn er die Salzburger Herrlichkeiten seinem Sohn aufzählt, als er diesen wieder in seine Heimath zu ziehen wünscht und bemerkt, wenn sie einen guten Gehalt hätten, könnten auch sie in Zukunft dergleichen oft mitmachen (3. Sept. 1778).


32 So konnte er mit Recht seinem Sohn schreiben (12. Febr. 1778): »Denke nach, ob ich Dir nicht allezeit – alle mögliche Unterhaltung verschafft und zu allem ehrlichen und wohlanständigen Vergnügen, oft mit meiner eigenen großen Unbequemlichkeit geholfen habe.«


33 Leopold schreibt seiner Frau (5. Juni 1770): »Ich kann mich nicht genug wundern daß in Salzburg Alles theuer wird. Man denkt dort halt nicht daran, daß, wenn das System in einer Weise ändert, man darauf bedacht seyn muß, auf einer anderen Seite ein System zu formiren, so daß sich das Ganze in seinem nöthigen Gleichgewicht erhält.« Näheres hierüber giebt [Koch-Sternfeld] a.a.O. S. 28ff.


34 Diese Verhältnisse legt Leop. Mozart in einem Brief an seinen Sohn (16. Febr. 1778) klar vor: »Ich habe seit Eurer Geburt und auch schon vorhero, seitdem ich verheurathet bin, mir es gewiß sauer genug werden lassen um nach und nach einer Frau und sieben Kindern, zwei Ehehalten und der Mama Mutter mit etlichen und 20 Fl. monatlichen gewissen Einkommen Unterhalt zu verschaffen, Kindbetten, Todfälle und Krankheiten auszuhalten, welche Unkösten, wenn Du sie überlegst, Dich überzeugen werden, daß ich nicht nur allein nicht einen Kreuzer auch nur zu meinem mindesten Vergnügen angewendet, sondern ohne sonderbare Gnade Gottes bey aller meiner Speculation und sauren Mühe es niemals hätte dahin bringen können ohne Schulden zu leben. Ich habe dann alle meine Stunden Euch zwey aufgeopfert, in der Hofnung es sicher dahin zu bringen, nicht nur daß Ihr Beide seiner Zeit auf Eure Versorgung Rechnung machen könntet, sondern auch mir ein geruhiges Alter zu verschaffen, Gott für die Erziehung meiner Kinder Rechenschaft geben zu können, ohne fernere Sorge nur für mein Seelenheil sorgen und mit Ruhe meinem Todt entgegensehen zu können.« Daß er, der sich bei der »närrischen Ausgabe« Maskenkleider anzuschaffen damit tröstete, »daß man sie zu allerhand Sachen wieder brauchen und wenigstens zu Kleiderfutter, Fürtuch u.s.w. gebrauchen könne« (17. Febr. 1770), mit Verstand sparsam war, mag ein Brief an seine Frau zeigen (26. Oct. 1771): »Wenn Du Kleidung nöthig hast, so laß machen, was nothwendig ist. Weder Du noch Nannerl soll sich die Nothwendigkeit abgehen lassen. Was seyn muß, das muß seyn. Und nimm Dir nichts Schlechtes: man macht keine Ersparung, wenn man etwas Schlechtes kauft.« Dergleichen Züge können daran erinnern helfen, daß unsere großen Künstler aus dem Bürgerstande hervorgegangen sind, daß sie unter den Entbehrungen beschränkter Verhältnisse, unter dem Eindruck der Sorge und Mühe um ein ehrliches, anständiges Auskommen aufgewachsen – und groß geworden sind; während man heutzutage die Bedingungen künstlerischer Genialität nur zu oft ganz anderswo sucht.


35 Als ein charakteristischer Zug für den Ton, der bei solchen Späßen für erlaubt galt, mag folgendes Beispiel dienen, das Leopold seinem Sohn erzählt (11. Nov. 1780). Eine Theilnehmerin, die Gilowsky-Catherl – die übrigens als ein Mädchen, das sich gern den Hof machen ließ und es nicht allzu genau nahm, mitunter einen kleinen Seitenhieb bekommt – hatte das Malheur bei hellem Tag »über eine Staffel zu fallen« und dabei in eine sehr unerwünschte Positur zu gerathen. In dieser wurde sie nun mit entsprechenden Versen auf die Scheibe gebracht, und zugleich den Scherzen und den Schüssen der Gesellschaft rücksichtslos Preis gegeben.


36 Von Wien aus schreibt Mozart seiner Schwester (4. Juli 1781): »Nun wird wohl bald das Schützenmahl sein? Ich bitte solemniter die Gesundheit eines getreuen Schützen zu trinken; wenn mich einmal wieder das Best-Geben trifft, so bitte es mir zu schreiben, ich will eine Scheibe malen lassen.«


37 I S. 430ff. Von der Frau Adlgasser giebt uns eine beiläufige Erwähnung derselben in einem Brief aus Wien (22. Aug. 1781 ) keine günstige Vorstellung: »Von der Mutter [der Fräul. Auerhammer] will ich gar keine Beschreibung machen; genug, daß man über Tisch genug zu thun hat um das Lachen zu halten; basta, Sie kennen die Frau Adlgasserin, und dieses meuble ist noch ärger, denn sie ist dabei Medisante, also dumm und boshaft.«


38 Auch später (Paris 7. Sept. 1778) hebt er es hervor, was ihn in Salzburg degoutire sei hauptsächlich daß man mit den Leuten dort keinen rechten Umgang haben könne, die Musik nicht angesehen sei und der Erzbischof verständigen gereisten Leuten kein Gehör schenke.


39 In den Reisebriefen der früheren Zeit fehlt es nicht an Beweisen solcher Anhänglichkeit. So schreibt Leopold Mozart (20. Aug. 1763): »Einmal auf der Reise fing der Wolfgangerl bey dem Erwachen an zu weinen. Ich fragte um die Ursache. Er antwortete, es wäre ihm so leid, die Herren Hagenauer, Wenzl, Spitzeder, Deibl, Leitgeb, Vogt, Cajetan [Adlgasser], Nazerl [Lipp] und andere Freunde nicht zu sehen.« Wenzl (I S. 33), Deibl und Vogt (Beil. V, 23) waren Violinisten in der Kapelle, Leitgeb Hornist, Spitzeder Tenorist, auch Klavierspieler. – Ein andermal hören wir, wie Wolfgang sich eine Oper ausdachte, die er von lauter Salzburgern ausführen lassen wollte und sich von seinem Vater alle herzählen ließ, die er zum Orchester aufschreiben könne (28. Mai 1764).


40 Als Wolfgang seinem Vater von München aus schrieb (29. Sept. 1777): »Da haben wirs! Die meisten großen Herren haben einen so entsetzlichen Welschlands-Paroxismus!« antwortete ihm der Vater zum Trost (4. Oct. 1777): »Der Paroxismus für die Italiäner geht eben nicht mehr gar weit und schließt sich fast mit München; das ist der übertriebene Paroxismus. Denn in Manheim ist schon Alles deutsch, ein Paar Castraten ausgenommen. In Trier bei Sr. Königl. Hoheit dem Churfürsten Prinz Clemens von Sachsen ist nur der Maestro Sales, das Uebrige ist deutsch; in Mainz [wohin später Righini berufen wurde] ist Alles deutsch; in Würzburg nur der Sgr. Fracassini, ein Violinist und jetzt glaube ich Concertmeister oder Kapellmeister, und das wegen seiner deutschen Frau, einer Sängerin und Würzburgerin. Bei allen kleineren protestantischen Fürsten sind gar keine Welsche.« In Stuttgart war allerdings 1768 die Oper und Kapelle reducirt und die bedeutendsten Mitglieder entlassen, aber Sinn und Geschmack wie der größte Theil des Personals blieb italiänisch (Burney Reise II S. 77); in Bonn bestand die Hofmusik unter der Leitung von Lucchesi fast nur aus Italiänern (Burney Reise II S. 57). Ben Norddeutschland spricht Leop. Mozart nicht, weil es außer Wolfgangs Reiseplan lag.


41 Burney Reise III S. 275f.: »Die Musiker fast einer jeden Stadt und jede Kapelle eines deutschen Fürsten, dessen Staaten auch noch so klein sein mögen, werfen sich zu einer musikalischen Monarchie auf, beneiden einer den andern und alle beneiden einmüthiglich die Italiäner, welche in ihr Land kommen. – Indessen muß man eingestehen, daß man den Italiänern liebkoset, schmeichelt, und oft zweimal soviel Gehalt bezahlt als selbst denen unter den Einheimischen, die größere Verdienste besitzen. Bei solchen Reizungen muß man es also den Deutschen nicht gar zu übel nehmen, wenn sie manchen italiänischen Meister zu gering schätzen und ihnen mit solcher Verachtung und Strenge begegnen, als nur die plumpste Unwissenheit und Dummheit verdient.«


42 Auf das Uebelwollen der Darsteller allein kann man wohl Mozarts Aeußerung (Beil. V, 56) beziehen, er müsse nothwendig bei der zweiten Aufführung seiner Oper selbst gegenwärtig sein, sonst würde man sie nicht mehr kennen, weil es dort gar kurios sei. Denn die hohen Herrschaften und das Publicum hatten ihn mit Beifall überschüttet und den Intendant Graf Seeau spricht er ausdrücklich von jeder Ungunst frei.


43 [Koch-Sternfeld] Die letzten dreißig Jahre S. 233: »Der Erzbischof selbst hielt nichts auf inländische Fabrikate; er wollte seine Bedürfnisse aus Wien und Paris haben, ob er sich gleich, wie bemerkt wurde, in seinen Equipagen, Meubeln, Gewehrkammern, sogar in der Garderobe mit salzburgischen Erzeugnissen unter fremden Namen sehr befriedigt fand.« Vgl. S. 172: »Er hatte Vorliebe fürs Ausland, und manches einheimische Product fand nur Beifall, wenn es von auswärts kam; worüber viele Anecdoten erzählt werden.«


44 Burney (Reise III S. 260ff.), nach dem Bericht eines Correspondenten, der für Mozart nicht übermäßig eingenommen war (I S. 230): »Der Erzbischof, Fürst von Salzburg verwendet Summen auf die Musik, und halt eine Kapelle von ungefähr hundert Personen an Sängern und Instrumentalisten. Er hat sich neulich viele Mühe gegeben seine Kapelle auf einen besseren Fuß zu setzen, weil ihr der Vorwurf gemacht wurde, daß ihre Execution mehr rauh und rauschend als delicat und im besten Geschmack wäre. Signor Fischietti ist gegenwärtig [1773] Director dieser Kapelle.« Dieses Urtheil war nicht allgemein. Nach Schubart (Aesthetik S. 157) war es Leop. Mozart, der die Musik in Salzburg auf einen trefflichen Fuß gestellt hatte; und Koch-Sternfeld (a.a.O. S. 255) sagt: »Die Hofmusik zeichnete sich aus, soll aber die verhältnißmäßig besser bezahlte des Erzbischofs Sigmund nicht erreicht haben.«


45 [Koch-Sternfeld] a.a.O. S. 172: »Die Musik hielt nicht sowohl der Fürst fest, der sie schlecht bezahlte, als die Umgebung des Hofes und das behagliche Leben in Salzburg.« Leop. Mozart schreibt seinem Sohn (27. Sept. 1777): »Es macht dem Fürsten keine Ehre, daß er Dir einen so schlechten Gehalt gab und Dir keine Ehre, daß Du ihm so lange um dieses Bagatelle gedient hast. Wenn Dich Jemand fragt, was Du für einen Gehalt gehabt, so würdest Du besser thun geradezu zu antworten, Du wärest um Deinen Vater zu Liebe da geblieben, bis Du etwas älter geworden, indem der Gehalt in Salzburg nur 3–400 fl. wäre, außer den Welschen die der Fürst itzt stärker bezahlt.«


46 In einem Brief Leop. Mozarts (25. Sept. 1777) heißt es: »Gestern war ein Lärm zwischen dem Haydn und dem Kapellmeister. Nach der Vesper sollte abermal das englisch Horn-Concert probiert werden, das doch schon einmal gemacht worden, und Ferlendi und Brunetti waren nicht da; Haydn wurde böse und sagte, die Probe wäre ohnehin unnöthig und sie sollten auf die welschen Esel warten. Der sagte, er habe zu befehlen u.s.w.«


47 Meißner, der in Italien gebildet (I S. 129), auch später wieder in Neapel gewesen war – er traf 1770 mit Mozarts in Rom zusammen –, gehörte zu den Lieblingen des Erzbischofs, und auch ihm mußte der Obersthofmeister, wie Leop. Mozart berichtet (6. Oct. 1777), sagen als er eines Catarrhs wegen einigemal nicht gesungen hatte, er solle singen und die Kirchendienste fleißiger verrichten, sonst werde man ihn wegjagen. »Das ist die Belohnung der großen Favoriten!«


48 Vgl. I S. 63. 68. 92ff.


49 Die Gräfin Schönborn, die Schwester des Erzbischofs, erfuhr auf der Durchreise in München daß Mozart Salzburg verlassen habe. Sie wollte absolument nicht glauben schreibt er (26. Sept. 1777), »daß ich 12 fl. 30 kr. seligen Angedenkens gehabt habe.«


50 [Koch-Sternfeld] a.a.O. S. 44: »Als die Kunde Hieronymus! vom Balcon des Kapitelhauses herab dem harrenden Volke erscholl, wollte es seinen Sinnen nicht trauen; die Höhern des Landes verstummten. Als sich der feierliche Zug des Kapitels, den blassen, schwächlichen Neugewählten in seiner Mitte, in den Dom zum Tedeum bewegte, herrschte eine düstere Stille. Es war Jahrmarkt; ein Gassenjunge jauchzte durch das schauende in sich gekehrte Volk, als ihm ein fremder nebenstehender Kaufmann eine Ohrfeige mit den Worten gab: Bube, du jauchzest, da das Volk weint. – So unendlich viel liegt in der Meinung des Volkes einen Fürsten sein nennen zu können, und niemals hatte sich diese inniger ausgesprochen. Hieronymus empfand diesen Ausdruck tief; in der Zeit seines ganzen Lebens trat ihm dieses Bild zwischen sich und den Salzburgern; er erfuhr ähnliche im Innern der Familien stattgehabte Vorgänge und Aeußerungen, und manche Einladung nach Hof unterblieb für lange.« K. R[isbeck] Briefe eines reisenden Franzosen I S. 158: »In Rücksicht auf den Kopf kann man von dem jetzigen Fürsten nicht Gutes genug sagen, aber – sein Herz kenne ich nicht. Er weiß daß er den Salzburgern nicht sehr angenehm ist, und verachtet sie daher und verschließt sich.«


51 Die folgende Charakteristik ist [Koch-Sternfeld] a.a.O. S. 312f. entlehnt; an einzelnen Zügen zum Beleg wird es im Folgenden nicht fehlen.


52 »Ich getraute mir nicht recht zu widersprechen«, schreibt Wolfgang seinem Vater (19. Febr. 1778) »weil ich schnurgerade von Salzburg herkam, wo man einem das Widersprechen abgewöhnt.«


53 [Koch-Sternfeld] a.a.O. S. 43.


54 [Koch-Sternfeld] a.a.O. S. 313.


55 Ironisch schreibt Wolfgang seinem Vater aus Mannheim (4. Nov. 1777): »Ich habe ihm [Ramm] das Concert heute auf dem Pianoforte bei Cannabich vorgespielt, und obwohl man wußte daß es von mir ist, so gefiel es doch sehr. Kein Mensch sagte, daß es nicht gut gesetzt sei; weil es die Leute hier nicht verstehen – sie sollen nur den Erzbischof fragen, der wird sie gleich auf den rechten Weg bringen.«


56 So meldet Leop. Mozart dem Padre Martini Beil. VI, 4.


57 »Ich habe dem Baron Grimm« schreibt Leop. Mozart (6. April 1778) »alle unsere Umstände in zween langen Briefen geschrieben und mich in vielen Stücken, die Verfolgung und die Verachtung, die wir vom Erzbischof ausgestanden, betreffend auf Deine mündliche Erzählung berufen. Ich habe ihm erzählt, daß er nur dann höflich geschmeichelt, wenn er etwas nöthig hatte, und er Dir für alle Compositionen nicht einen Kreuzer bezahlt hat.«


58 »Ich hoffe auch« schreibt Wolfgang seinem Vater (8. Nov. 1777) »daß Sie jetzt weniger Verdruß haben als da ich noch in Salzburg war; denn ich muß bekennen daß ich die einzige Ursache war. Man ging mit mir schlecht um; ich verdiente es nicht; Sie nahmen natürlicherweis Antheil – – aber zu sehr. Sehen Sie, das war auch die größte und wichtigste Ursach, warum ich so von Salzburg wegeilte.« Darauf antwortet ihm der Vater (17. Nov. 1777): »Du hast wohl Recht daß ich den größten Verdruß wegen der niederträchtigen Begegnung, die Du erdulden müssen, empfunden habe; das war es, was mir das Herz abnagte, was mich nicht schlafen ließ, was mir immer in Gedanken lag und mich am Ende verzehren mußte. – Mein lieber Sohn, wenn Du glücklich bist, so bin ich, so ist Deine Mutter, so ist Deine Schwester, so sind wir alle glücklich; und das hoffe ich von der Gnade Gottes und durch das Vertrauen, so ich in Deine vernünftige Aufführung setze.«


59 »Sie sehen aus Allem« schrieb er an Hagenauer schon aus Wien (30. Juli 1768) »daß meine Feinde in Salzburg es gut mit uns meinen, da sie daselbst aussprengen, der Wolfgang hätte 2000 fl. für die Oper bekommen.« Von Mailand aus schreibt er (14. Nov. 1772): »Ich komme zu Zeiten in salzburgische Gedanken, in denen ich eine Zeit stecke ohne es zu merken, die ich mir denn geschwinde ausschlage oder wenigstens auszuschlagen mir Mühe gebe, geschwinder als alle bösen Gedanken, die mir der Teufel in meinen jungen Jahren eingab.« Als er darauf in Wien war, wo er ohne Zweifel ein Unterkommen für Wolfgang suchte, schrieb er seiner Frau (21. Aug. 1773): »Es sind viele Sachen, die man nicht schreiben kann, und über das muß man Alles verhindern, was einiges Aufsehen oder einigen Argwohn sowohl hier als NB. in Salzburg machen kann, und welches Gelegenheit giebt Prügel unter die Füße zu werfen.« Aus derselben Gesinnung gehen die Worte in einem Münchner Briefe (21. Jan. 1775) hervor: »Daß die Herren Salzburger soviel Gewäsche machen und glauben daß der Wolfgang in churfürstl. Dienste getreten, kömmt von unseren Feinden und von denen, denen ihr Gewissen sagt daß er es zu thun Ursache hatte.«


60 Als Wolfgang eine Zeitlang auf der Reise gewesen war, rief ihm der Vater seine früheren Bedenklichkeiten ins Gedächtniß (18. Dec. 1777): »Du weißt, wie viele Jahre man unsere Geduld in Salzburg auf die Prob gesetzt, Du weißt, wie oft Du und ich davon zu gehen Lust hatten. Es wird Dir noch erinnerlich sein, was ich für Einwendungen machte, die uns verhinderten Salzburg alle zu verlassen. Du hast nun die Probe davon – große Unkosten auf den Reisen, und nicht viel oder wenigstens nicht hinlängliche Einnahme, solche mit einer ganzen Familie zu bestreiten.«


61 »Du weißt« heißt es in demselben Briefe »daß Du auf Alles allein Acht zu haben – Dir selbst ein und anderes ohne fremde Hilfe zu thun nicht gewöhnt – mit den Geldsorten wenig, mit auswärtigen aber gar nicht bekannt warst, vom Einpacken und derley vielen auf Reisen vorkommenden Nothwendigkeiten nicht den mindesten Begriff hattest.«


62 »Ich stellte Dir ferner vor« schreibt er ebendaselbst »daß ein junger Mensch, wenn er auch vom Himmel gefallen über alle Meister hinwegsehete, doch die verdiente Achtung niemals erwerben wird, die er verdient; dazu will es gewisse Jahre haben, und so lange man unter zwanzig Jahren ist, wissen die Neider, Feinde und Verfolger den Stoff ihres Tadels und ihrer zu machenden Ausstellungen aus der Jugend, den wenigen Jahren, zu wenigem Ansehen und Erfahrenheit herauszuziehen.«


63 »Mein Sohn!« schreibt Leop. Mozart (16. Febr. 1778) »in allen Deinen Sachen bist Du hitzig und jähe. Du hast von Deiner Kindheit und Knabenjahren an nun Deinen ganzen Charakter geändert. Als Kind und Knab warst Du mehr ernsthaft als kindisch, und wenn Du beim Clavier saßest oder sonst mit Musik zu thun hattest, so durfte sich niemand unterstehen Dir den mindesten Spaß zu machen. Ja, Du warest selbst in Deiner Gesichtsbildung so ernsthaft, daß viele einsichtsvolle Personen in verschiedenen Ländern wegen dem zu früh aufkeimenden Talent und Deiner immer ernsthaft nachdenkenden Gesichtsbildung für Dein langes Leben besorgt waren. Jetzt aber bist Du, wie mir scheint, zu voreilig jedem in spaßhaftem Ton auf die erste Herausforderung zu antworten – und das ist schon der erste Schritt zur Familiarität etc., die man bey dieser Welt nicht viel suchen muß, wenn man seinen Respekt erhalten will. – Dein gutes Herz ist es, welches macht daß Du an einem Menschen, der Dich wacker lobet, der Dich hochschätzet und bis in den Himmel erhebt, keinen Fehler mehr siehest, ihm all Deine Vertraulichkeit und Liebe schenkest; wo Du als ein Knab die übertriebene Bescheidenheit hattest gar zu weinen, wenn man Dich zu sehr lobte.« Dagegen gab er ihm als Resultat seiner Lebenserfahrung den Rath (18. Oct. 1777): »Ich bitte Dich halte Dich an Gott; Du mußt es thun, denn die Menschen sind alle Bösewichter ! je älter Du wirst, je mehr Du mit den Menschen Umgang haben wirst, je mehr wirst Du diese traurige Wahrheit erfahren. Denke nur auf alle Versprechen, Maulmacherey und hundert Umstände, die mit uns schon vorgegangen, und mache den Schluß selbst, wie viel auf Menschenhilf zu bauen ist, da am End jeder geschwind eine scheinbare Ausflucht weiß oder erdichtet, um die Verhinderung seiner guten Gesinnung auf die Schuld eines Dritten hinüberzuwälzen.«


64 Es muß damals auch in der Kapelle selbst unangenehme Reibungen gegeben haben; denn in dem Decret hieß es, wie Leop. Mozart seinem Sohn berichtet (28. Sept. 1777), der Erzbischof wolle Frieden in seiner Kapelle haben, in dieser Zuversicht wolle er ihn in seinem Amt belassen.


65 Selbst Brunetti meinte, wie Leop. Mozart schreibt (9. Oct. 1777): Questo era del Principe un puntiglio mal inteso, col suo proprio danno.


66 »Aufs Geldeinnehmen« schreibt Leop. Mozart (15. Oct. 1777) »muß alle Bemühung gehen und aller Bedacht aufs Wenigausgeben, soviel es möglich ist; sonst kann man nicht mit Ehren reisen, ja sonst bleibt man gar sitzen und setzt sich in Schulden«; und etwas später (27. Nov. 1777): »Die Absicht der Reise, und zwar die nothwendige Absicht war, ist und muß seyn einen Dienst zu bekommen oder Geld zu erwerben; bis jetzt hat es weder zu dem einen noch zu dem anderen einiges Ansehen, es wäre denn daß es nur für mich ein Geheimniß seyn müßte.« Ueber die Anstellung schreibt er (18. Dec. 1777): »Daß ich Dir jetzt einen Platz gewunschen hatte, hat seine Richtigkeit, aber nur einen solchen Platz wie München oder Mannheim, oder auch einen anderen NB. wo Du zu Zeiten eine Reise zu machen Picht gehindert wärest; auch meinethalben keinen Platz per decretum auf Lebenslang. Hättest Du einen solchen Platz auch nur auf ein Paar Jahre, so würden Dir die Reisen nach Frankreich und Italien nicht ausbleiben. Man kömmt durch die Jahre und den Titel in mehr Ansehen und Respect etc., das weißt Du selbst.«


67 Mangel an Achtsamkeit in dieser Beziehung machte ihn begreiflicherweise verdrießlich. »Ich bitte Dich, mein Wolfgang«, schreibt er (4. Dec. 1777) »überleg doch Alles und schreib nicht immer die Sachen, wenn sie vorbey sind, sonst sind wir alle unglücklich.« Ein andermal giebt er ihnen förmliche Anweisung (28. Mai 1778): »Uebrigens würde ich hundert Sachen, die ich Euch schreiben will, vergessen, wenn ich nicht einen Bogen Papier hergerichtet hätte, wo ich, so oft etwas geschieht oder mir einfällt, das ich Euch schreiben will, solches alsogleich mit ein paar Worten aufnotirte. Schreibe ich Euch nun, so nehme ich den Bogen her und schreibe die Neuigkeiten, und dann lese ich Euren letzten Brief und antworte. Das könnt Ihr wohl auch machen. Was ich Euch schreibe, streiche ich auf dem Bogen aus, damit ich das Uebrige ein anderesmal schreiben kann, was noch da steht. Und Du, mein liebes Weib, mußt sein die Zeilen recht enge aneinander schreiben. Du siehst ja, wie ich es mache.«


68 Sie klagt zwar in einem Brief aus Augsburg (10. Oct. 1777): »Ich bin mit dem Einpacken beschäftiget, welches mir viele Mühe macht, denn ich bin ganz allein dazu, der Wolfgang kann mir nicht im mindesten helfen. – Ich schwitze daß mir das Wasser über das Gesicht läuft vor lauter Ermühung mit dem Einpacken – ich meine, ich muß die Füße ins Maul schieben vor Müdigkeit.« Allein Leop. Mozart fand sich doch zu einer Erinnerung veranlaßt (24. Nov. 1777): »Mein liebes Weib hat sich gerühmt daß sie früh aufstehen, sich nicht aufhalten und alles geschwind und hauswirthschaftlich machen werde«; worauf eine ironische Berechnung der Zeit, die sie bis dahin verbraucht hatten, folgt.


69 »Nur bitte ich Dich, mein lieber Wolfgang«, schreibt der Vater (23. Sept. 1777) »keinen Exceß zu machen, Du bist an die gute Ordnung von Jugend auf gewöhnt, und Dich vor hitzigem Getränk zu hüten, dann Du weißt daß Du gleich erhitzet bist und die Kälte Dir lieber als die Wärme ist, ein klarer Beweis, daß Dein Geblüt zur Hitze geneigt gleich in Wallung kommt; die starken Weine und vieles Weintrinken ist Dir also schädlich. Stelle Dir nun vor, in was Unglück und Betrübniß Du Deine liebe Mutter in einem weit entfernten Lande setzen könntest; von mir will ich nicht einmal eine Meldung machen.« Der Sohn beruhigt ihn deshalb. »Ich iß wenig«, schreibt er ihm (2. Oct. 1777) »trinke Wasser und zuletzt zur Frucht ein Gläschen Wein.«


70 Ueber die Vorsicht, welche im Umgang anzuwenden sei, spricht Leop. Mozart, indem er seinen Sohn an die Art und Weise erinnert, wie er es auf seinen Reisen gehalten habe (16. Febr. 1778): »Ich machte nur Bekanntschaft und suchte nur die Freundschaft mit Personen von höherem Stande – und auch unter diesen nur mit gestandenen Leuten und nicht mit jungen Burschen, und waren sie auch vom ersten Range. Ich lud Niemand ein mich in meiner Wohnung öfters zu besuchen, um in meiner Freyheit zu bleiben, und hielt es immer für vernünftiger Andere, wenn's mir gelegen zu besuchen. Dann, gefällt mir der Mann nicht, oder ich hab Arbeit und Verrichtung, so kann ich wegbleiben; im Gegentheile, kommen die Leute zu mir und sind von schlechter Aufführung, so weiß ich nicht, wie ich sie los werde; und oft eine mir sonst nicht unangenehme Person hindert mich an meiner nothwendigen Arbeit. Du bist ein junger Mensch von 22 Jahren; hier ist also keine Ernsthaftigkeit des Alters, die einen jungen Burschen, wessen Standes er auch immer seyn mag – einen Aventurier, einen Schwenkmacher, einen Betrüger – er mag alt oder jung seyn, abhalten könnte Deine Freundschaft und Bekanntschaft zu suchen, um Dich in seine Gesellschaft und dann nach und nach in seine Absichten zu ziehen. Man kommt so ganz ohnvermerkt hinein und weiß alsdann nicht mehr zurück. Vom Frauenzimmer will ich gar nicht einmal sprechen, denn da braucht es die größte Zurückhaltung und alle Vernunft, da die Natur selbst unser Feind ist, und wer da zur nöthigen Zurückhaltung nicht aller seiner Vernunft aufbietet, wird sie alsdann umsonst anstrengen, sich aus dem Labyrinth herauszuhelfen: ein Unglück, das sich meistens erst mit dem Todt endet. Wie blind man aber oft durch anfangs nichts zu bedeutende Scherze, Schmeicheleyen, Späße etc. anlauffen kann, darüber sich die nach der Hand erwachende Vernunft schämt, magst Du vielleicht selbst schon ein wenig erfahren haben. Ich will Dir keinen Vorwurf machen. Ich weiß daß Du mich nicht allein als Deinen Vater, sondern auch als Deinen gewissesten und sichersten Freund liebst.«


71 Als Wolfgang ihm von München her Kostgänger anbot, antwortete er (13. Oct. 1777): »Ihr wißt daß wir sehr sparsam leben, und diese Leute sind gewohnt gut zu fressen.« Später klagte er daß seine Kleider übel mitgenommen seien, daß er sich aber nicht getraue neue anzuschaffen (25. Febr. 1778). Diese Bedrängniß hielt den wackern Mann nicht ab Anderen Wohlthaten zu erweisen; er erzählt (29. Nov. 1777) daß er einer armen Haubenhefterin ein Nebenzimmer überlassen habe, der auch sonst geholfen werden müsse.


72 »Die Fügung und der Wille Gottes hat es so geordnet«, schreibt er (16. Febr. 1778) »daß ich nun erst von Neuem der gewiß sauern Arbeit Lectionen zu geben mich unterziehen muß, und zwar an einem Ort, wo diese schwere Bemühung so schlecht belohnt wird, daß man doch alle Monate seinen und der Seinigen Unterhalt nicht herausbringt; und dennoch muß man noch frohe seyn und sich eine Brustkrankheit an Hals reden, um wenigstens doch Etwas einzunehmen.«


73 »Ich habe nun in Dich, mein lieber Wolfgang«, heißt es in demselben Briefe (16. Febr. 1778) »nicht nur allein kein, auch nur das geringste Mißtrauen, sondern ich setze in Deine kindliche Liebe alles Vertrauen und alle Hoffnung. Es kommt nur auf Deine gesunde Vernunft, die Du gewiß hast, wenn Du sie hören willst, und auf glückliche Umstände an. Das letzte läßt sich nicht zwingen, Deine Vernunft aber wirst Du immer zu Rathe ziehen, das hoffe ich und das bitte ich Dich.«


74 Trotz alles Aufpassens war doch, wie wir erfahren die Hofe zum hechtgrauen Kleide zurückgeblieben. So weit ging die Aufmerksamkeit des Vaters, daß er Wolfgang erinnerte, allezeit, wenn er wo bliebe, durch den Hausknecht die Hölzer in die Stiefel stoßen zu lassen (25. Sept. 1777).


75 Von Musikalien war ebenfalls Einiges vergessen, das nach Augsburg nachgeschickt wurde. Auch hierüber gab er die Anweisung (25. Sept. 1777): »Der Musikpack kann allezeit voran im Magazine bleiben; nur solltet Ihr noch eine große Wachsleinewand kaufen und ihn sammt der alten noch einmal damit recht einschlagen, um ihn recht gut zu versichern.«


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 2, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Titan

Titan

Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.

546 Seiten, 18.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon