XIX.

[476] 1.


Prag am Charfreitage den 10. April 1789.


Liebstes bestes Weibchen!


Heute Mittag um 1/22 Uhr sind wir glücklich hier angekommen; unterdessen hoffe ich, daß Du gewiß mein Briefchen aus Budwitz wirst erhalten haben. – Nun folgt der Rapport von Prag. – Wir kehrten ein beym Einhorn; nachdem ich balbirt, frisirt und angekleidet war, fuhr ich aus in der Absicht, beym Canal zu speisen; da ich aber bei Duschek vorbeymußte, frug ich erstens dort an – da erfuhr ich daß die Madame gestern nach Dresden abgereist seye!!! – – – Dort werde ich sie also treffen. Er speiste bey Leliborn, wo ich auch öfters speiste – ich fuhr also gerade dahin. – Ich ließ Duschek (als ob jemand etwas mit ihm zu sprechen hätte) herausrufen; nun kannst Du Dir die Freude denken. – Ich speiste also bey Leliborn. – Nach Tische fuhr ich zu Canal und Pachta, traf aber Niemand zu Hause an; – ich ging also zu Guardassoni, welcher es auf künftigen Herbst fast richtig machte mir für die Oper 200 Duk. und 50 Duk. Reisegeld zu geben. – Dann ging ich nach Haus um dem lieben Weibchen dieß alles zu schreiben – Noch was; – Ramm1 ist erst vor 8 Tagen wieder von hier wieder nach Hause, er kam von Berlin und sagte daß ihn der König sehr oft und zudringlich gefragt hätte, ob ich gewiß komme, und da ich halt noch nicht kam, sagte er wieder: ich fürchte er kommt nicht. –[476] Ramm wurde völlig bange, er suchte ihn des Gegentheils zu versichern. – Nach diesem zu schließen sollen meine Sachen nicht schlecht gehen. – Nun führe ich den Fürsten zu Duschek, welcher uns erwartet und um 9 Uhr abends gehen wir nach Dresden ab, wo wir morgen abends eintreffen werden. – Liebstes Weibchen! ich sehne mich so sehr nach Nachrichten von Dir. – Vielleicht treffe ich in Dresden einen Brief an. – O Gott! mache meine Wünsche wahr! Nach Erhaltung dieses Briefes mußt Du mir nach Leipzig schreiben, poste restante versteht sich. Adieu Liebe, ich muß schließen, sonst geht die Post ab. – Küsse tausendmahl unsern Karl, und ich bin Dich von ganzem Herzen küssend


Dein ewig getreuer Mozart.


PS. An Hr. und Fr. v. Puchberg alles erdenkliche, ich muß es schon auf Berlin sparen ihm zu schreiben, um ihm auch schriftlich unterdessen zu danken. Adieu, aimez moi et gardez votre santé si chère et precieuse à votre époux.


2.


Um 7 Uhr früh.


Dresden den 13. April 1789.


Liebstes bestes Weibchen!


Wir glaubten Samstags nach Tisch in Dresden zu seyn, kamen aber erst gestern Sontags um 6 Uhr Abends an; – so schlecht sind die Wege. – Ich ging gestern noch zu Neumanns, wo Mde. Duschek wohnt, um ihr den Brief von ihrem Manne zu geben. – Es ist im dritten Stock auf dem Gange, und man sieht vom Zimmer jeden der kömmt; als ich an die Thüre kam, war schon Hr. Neumann da und fragte mich, mit wem er die Ehre hätte zu sprechen. Ich antwortete: Gleich werde ich sagen wer ich bin, nur haben Sie die Güte Mde. Duschek herausrufen zu lassen, damit mein Spaß nicht verdorben wird – in diesem Augenblick stand aber schon Madame Duschek vor meiner, denn sie erkannte mich vom Fenster aus und sagte gleich, da kommt jemand der aussieht, wie Mozart. – Nun war alles voll Freude. – Die Gesellschaft war groß und bestund aus lauter meist häßlichen Frauenzimmern, aber sie ersetzten den Mangel [477] der Schönheit durch Artigkeit. Heut geht der Fürst und ich zum Frühstück hin, dann zu Naumann, dann in die Kapelle. – Wir werden morgen oder übermorgen von hier nach Leipzig gehen. Nach Empfang dieses Briefes mußt Du schon nach Berlin poste restante schreiben. Ich hoffe, Du wirst mein Schreiben von Prag richtig erhalten haben. Neumanns lassen sich alle Dir sammt Duschek empfehlen – wie auch dem Hr. und Fr. Schwägerin Langens. –

Liebstes Weibchen, hätte ich doch auch schon einen Brief von Dir! Wenn ich Dir alles erzählen wollte was ich mit Deinem lieben Portrait anfange, würdest Du wohl oft lachen. – Zum Beyspiel wenn ich es aus seinem Arrest herausnehme; so sage: grüß Dich Gott Stanzerl! – grüß Dich Gott Spitzbub – Krallerballer – Spitzignas – Bagatellerl.– schluck und Druck!2 – und wenn ich es wieder hineinthue so lasse ich es so nach und nach hineinrutschen, und sage immer Nu – Nu – Nu – Nu! aber mit dem gewissen Nachdruck den dieses so vielbedeutende Wort erfordert und bey dem letzten schnell: Gute Nacht, Mauserl, schlaf gesund! – Nun glaube ich so ziemlich was dummes (für die Welt wenigstens) hingeschrieben zu haben, für uns aber, die wir uns so innig lieben, ist es gerade nicht dumm – Heute ist der sechste Tag daß ich von Dir weg bin, und bey Gott mir scheint es schon ein Jahr zu sein. – Du wirst wohl oft Mühe haben, meinen Brief zu lesen weil ich in Eile und folglich etwas schlecht schreibe. – Adieu liebe einzige – der Wagen ist da.– da heißt es nicht brav und der Wagen ist auch schon da – sondern – male. – Lebe wohl und liebe mich ewig so wie ich Dich; ich küsse Dich millionenmahl auf das zärtlichste und bin ewig


Dein Dich zärtlich liebender

Gatte W.A. Mozart.


PS. Wie führt sich unser Carl auf? Ich hoffe gut – küsse ihn statt meiner. An Hrn. und Fr. v. Puchberg alles Schöne. NB. Du mußt in Deinen Briefen nicht das Maaß nach den meinigen nehmen, bey mir fallen sie nur deswegen etwas kurz aus, weil ich pressirt bin, sonst würde ich einen ganzen Bogen überschreiben, Du hast aber mehr Musse. – Adieu.


[478] 33.


Dresden den 16ten April 1789.

Nachts um halb 12 Uhr.


Liebstes bestes Weibchen!


Wie? – noch in Dresden? – Ja, meine Liebe, – ich will Dir alles haarklein erzählen; – Montags den 13., nachdem wir bei Neumanns Frühstück genommen hatten gingen wir alle nach Hof in die Kapelle; die Messe war von Naumann (welcher sie selbst dirigirte) – sehr mittelmäßig; – Wir waren in einem oratoire der Musik gegenüber; auf einmal stupfte mich Neumann und führte mich dem Herrn von König, welcher, Directeur des plaisirs (der traurigen Churfürstlichenplaisirs) ist; – er war außerordentlich artig und auf die Frage, ob ich mich nicht wollte bei Seiner Durchlaucht hören lassen, antwortete ich, daß es mir zwar eine Gnade seye, ich mich aber, da ich nicht von mir allein abhänge, nicht aufhalten kann. – So blieb es. – Mein fürstlicher Reisegefährte lud die Neumannschen samt Duschek zu Mittage; unter dem Essen kam die Nachricht, daß ich den folgenden Trg als Dienstag den 14 Abends um halb 6 Uhr bei Hofe spielen sollte. Das ist ganz was außerordentliches für hier; denn hier kommt man sonst sehr schwer zu Gehör, und Du weißt daß ich gar keinen Gedanken auf hier hatte. – Wir hatten bei uns à l'hôtel de Boulogne ein Quartett arrangirt. – Wir machten es in der Kapelle mit Antoine Teyber (welcher wie Du weißt hier Organist ist) und mit Hrn. Kraft (Violincellist von Fürst Esterhazy), welcher mit seinem Sohn hier ist, aus; ich gab bey dieser kleinen Musik das Trio welches ich H. v. Puchberg schrieb; – es wurde so ganz hörbar exekutirt – Duschek sang eine Menge von Figaro und Don Juan. Des andern Tages spielte ich bei Hofe das neue Concert in D; folgenden Tags Mittwochs den 15 vor Mittag erhielt ich eine recht schöne Dose; – wir speisten dann beim Russischen Gesandten, alwo ich viel spielte. – Nach Tisch wurde ausgemacht auf eine Orgel zu gehen; um 4 Uhr fuhren wir hin; Naumann war auch da. – [479] Nun mußt Du wißen daß hier ein gewißer Häßler (Organist von Erfurt) ist; dieser war auch da; – er ist ein Schüler von einem Schüler von Bach; – seine Force ist die Orgel und das Clavier. Nun glauben die Leute hier, weil ich von Wien komme, daß ich diesen Geschmack und diese Art zu spielen gar nicht kenne. – Ich setzte mich also zur Orgel und spielte. – Der Fürst Lichnowsky (weil er Häßler gut kennt) beredet ihn mit vieller Mühe auch zu spielen, – die Force von diesem Häßler besteht auf der Orgel in Füßen, welches, weil hier die Pedale stuffenweise gehen, eben keine so große Kunst ist; übrigens hat er nur Harmonie und Modulationen vom alten Sebastian Bach auswendig gelernt, und ist nicht im Stande eine Fuge ordentlich auszuführen, und hat kein solides Spiel – ist folglich noch lange kein Albrechtsberger. – Nach diesem wurde beschlossen noch einmal zum Russischen Gesandten zu gehen, damit mich Häßler auf dem Fortepiano hört. – Häßler spielte auch. – Auf dem Fortepiano finde ich nun die Aurnhammer ebenso stark, Du kannst Dir nun vorstellen daß seine Schaale ziemlich sank. – Nach diesem gingen wir in die Oper, welche wahrhaft elend ist. – Weißt Du wer auch unter den Sängerinnen ist? die Rosa Manservisi4. – Ihre Freude kannst Du Dir vorstellen. – Uebrigens ist aber die erste Sängerin die Allegrandi viel besser als die Ferrarese; – das will zwar nicht viel gesagt haben. – Nach der Oper gingen wir nach Hause. Nun kömmt der glücklichste Augenblick für mich; – ich fande einen so lange mit heisser Sehnsucht gewunschenen Brief von Dir liebste! beste! – Duschek und Neumanns waren wie gewöhnlich da; ich ging gleich im Triumphe in mein Zimmer, küßte den Brief unzähligemahle, ehe ich ihn erbrach, dann – verschlang ich ihn mehr als ich ihn las. – Ich blieb lange in meinem Zimmer; denn ich konnte ihn nicht oft genug lesen, nicht oft genug küßen; als ich wieder zur Gesellschaft kamm fragten mich Neumanns, ob ich einen Brief erhalten hätte, und auf meine Bejahung, gratulirten Sie mir alle herzlich dazu, weil ich täglich darüber klagte, daß ich noch keine Nachricht hätte. – Die Neumannschen sind herrliche Leute. – Nun über Deinen lieben Brief; denn die Fortsetzung meines hiesigen Aufenthalts bis zur Abreise wird nächstens folgen.


[480] Liebes Weibchen ich habe eine Menge Bitten an Dich; –

1mo bitte ich Dich daß Du nicht traurig bist;

2do daß Du auf Deine Gesundheit achtest und der Frühlingslust nicht trauest.

3tio Daß Du nicht alleine zu Fusse, am liebsten aber gar nicht zu Fusse ausgehest.

4to Daß Du meiner Liebe ganz versichert seyn sollst; – keinen Brief habe ich Dir noch geschrieben, wo ich nicht Dein liebes Portrait vor meiner gestellt hätte. –

5to bitte ich Dich nicht allein auf Deine und meine Ehre in Deinem Betragen Rücksicht zu nehmen sondern auch auf den Schein. – Seye nicht böse auf diese Bitte. – Du mußt mich eben dieshalb noch mehr lieben, weil ich auf Ehre halte.

6to et ultimo bitte ich Dich in Deinen Briefen ausführlicher zu seyn. – Ich mochte gern wissen ob Schwager Hofer den Tag nach meiner Abreise gekommen ist? ob er öfters kommt so wie er mir versprochen hat; – ob die Langischen bisweilen kommen? – ob an dem Portrait fortgearbeitet wird? – wie Deine Lebensart ist? – lauter Dinge die mich natürlicherweise sehr interessiren. – Nun lebe wohl, Liebste, Beste! – Denke daß ich alle Nacht ehe ich ins Bette gehe eine gute halbe Stunde mit Deinem Portrait spreche, und so auch beym Erwachen. – Übermorgen den 18 gehn wir ab; – Du schreibst nun immer nach Berlin poste restante.


O stru! stri! ich küsse und drücke Dich 1095060437082 mahl (hier kannst Du Dich im aussprechen üben) und bin ewig


Dein treuester Gatte und Freund

W.A. Mozart.


Der Beschluß des Dresdner Aufenthalts wird nächstens folgen. – Gute Nacht!


45.


Berlin den 23. May 1789


Liebstes bestes theuerstes Weibchen!


Mit außerordentlichem Vergnügen habe Dein liebes Schreiben vom 13 hier erhalten; diesen Augenblick aber erst Dein vorhergehendes [481] vom 9, weil es von Leipzig retour nach Berlin machen mußte. – Das erste ist daß ich Dir alle Briefe, so ich Dir geschrieben, herzähle, und dann die Deinigen so ich erhalten. Ich schrieb Dir den 8 ten April von der Post-Station Budwitz

den 10 – von Prag

den 13 – von Dresden

den 17 – von Dresden

den 22 – französisch de Leipzig

den 28 April und den 5. May von Potsdam

den 9 und den 16 von Leipzig

den 19 von Berlin

und itzt den 22ten – das sind also 11 Briefe.

Ich erhielt von Dir

den vom 8 April (den 15 April in Dresden)

den vom 13 April (den 21 April in Leipzig)

den vom 24 April (den 8 May in Leipzig bey meiner retour)

den vom 5 May (den 14 May in Leipzig)

den vom 13 May (den 20 May in Berlin)

den vom 9 May (den 22 May in Berlin)

also 6 Briefe. Zwischen dem 13 und 24 April ist wie Du siehst eine Lücke. Da muß nun ein Brief von Dir verlohren gegangen seyn. Durch dies mußte ich 17 Tage ohne Briefe seyn! Wenn Du also auch 17 Tage in diesen umständen leben mußtest, so muß auch einer von meinen Briefen verlohren gegangen seyn. – Gott lob wir haben diese Fatalitäten nun bald überstanden; an Deinem Halse hängend werde ich es Dir dann erst recht erzählen wie es mir damals war! – Doch – Du kennst meine Liebe zu Dir! – Wo glaubst Du daß ich dieses schreibe? – im Gasthofe auf meinem Zimmer? – nein! – im Thiergarten in einem Wirthshause (in einem Gartenhause mit schöner Aussicht), allwo ich heute ganz allein speise, um mich nur ganz allein mit Dir beschäftigen zu können. – Die Königin will mich Dienstag hören; da ist aber nicht viel zu machen. Ich ließ mich nur melden, weil es hier gebräuchlich ist, und sie es sonst übel nehmen würde – Mein liebstes Weibchen, Du mußt Dich bey meiner Rückkunft schon mehr auf mich freuen, als auf das Geld. 100 Friedrichsd'or sind nicht 900 fl. sondern 700 fl., wenigstens hat man mir es hier so gesagt; – 2ts hat Lichnowsky mich weil er eilen mußte früh verlassen, und ich folglich (in dem theuren Orte Potsdam) selbst zehren müssen; 3ts habe ich *** 100 fl. lehnen müssen weil [482] sein Beutel abnahm – ich konnte es nicht grade abschlagen, Du weißt warum –; 4ts ist die Accademie in Leipzig so wie ich es immer sagte schlecht ausgefallen, habe also mit Rückwege 32 Meilen fast umsonst gemacht. Daran ist Lichnowsky ganz allein schuld, denn er ließ mir keine Ruhe, ich mußte wieder nach Leipzig – doch davon das mehrere mündlich. – Hier ist erstens mit einer Accademie nicht viel zu machen und 2ts siehts der König nicht gern. Du mußt schon mit mir, mit diesem zufrieden seyn, daß ich so glücklich bin beym Könige in Gnaden zu stehen; – was ich Dir da geschrieben bleibt unter uns. Donnerstag den 28 gehe ich nach Dresden ab, allwo ich übernachten werde; den 1 Juny werde ich in Prag schlafen, und den 4? den 4? bey meinem liebsten Weiberl6. – Ich hoffe doch Du wirst mir auf die erste Post entgegenfahren, ich werde den 4 zu Mittag ein treffen; – Hofer (den ich 1000 mal umarme) wird wohl hoffe ich auch dabey seyn – wenn Hr. und Fr. v. Puchberg auch mitfahren, dann wäre alles beysammen was ich wünschte. Vergesse auch den Karl nicht. – Nun aber das Nothwendigste ist: – Du mußt einen vertrauten Menschen, Salzmann oder sonst jemand mitnehmen, welcher dann in meinem Wagen mit meiner Bagage auf die Mauth fährt, damit ich nicht diese unnöthigen Seccaturen habe; sondern mit euch lieben Leute nach Hau se fahren kann. – aber gewiß! – nun adieu – ich küße Dich Millionen mahl und bin ewig


Dein getreuester Gatte

W.A. Mozart7.


[483] 58.


Prag den 31 May 1789.


Liebstes bestes Weibchen!


Den Augenblick komme ich an. – Ich hoffe, Du wirst meinen letzten vom 23 erhalten haben. Es bleibt also dabey; – ich treffe Donnerstag den 4 Juny zwischen 11 und 12 Uhr richtig auf der ersten oder letzten Post-Station ein, wo ich Euch anzutreffen hoffe. Vergiß nicht Jemand mitzunehmen, welcher dann anstatt meiner auf die Mauth fährt. Adieu! – Gott, wie freue ich mich Dich wieder zu sehen! In Eyle.

Mozart.


6.


Frankfurt am Mayn den 29. Sept. 1790.


Liebstes bestes Herzens-Weibchen!


Diesen Augenblick kommen wir an – das ist um 1 Uhr Mittag – wir haben also nur 6 Tage gebraucht. Wir hätten die Reise noch geschwinder machen können, wenn wir nicht dreymahl Nachts ein bischen ausgeruht hätten. – Wir sind unterdessen in der Vorstadt Sachsenhausen in einem Gasthof abgestiegen, zu Tod froh, daß wir ein Zimmer erwischt haben. Nun wissen wir noch unsere Bestimmung nicht, ob wir beysammen bleiben oder getrennt werden; – bekomme ich kein Zimmer irgendwo umsonst und finde ich die Gasthöfe nicht zu theuer, so bleibe ich gewiß. Ich hoffe Du wirst mein Schreiben aus Esserding richtig erhalten haben; ich konnte Dir unterwegs nicht mehr schreiben, weil wir uns nur selten und nur so lange aufhielten um nur der Ruhe zu pflegen. – Die Reise war sehr angenehm; wir hatten bis auf einen einzigen Tag schönes Wetter – und dieser einzige Tag verursachte uns keine Unbequemlichkeit, weil mein Wagen (ich möcht ihm ein Busserl geben) herrlich ist. – In Regensburg speisten wir prächtig zu Mittag, [484] hatten eine göttliche Tafel-Musik, eine englische Bewirthung uneinen herrlichen Mosler-Wein. Zu Nürnberg haben wir gefrühstückt – eine häßliche Stadt. – Zu Würzburg haben wir unsere theuern Magen mit Kaffee gestärkt, eine schöne, prächtige Stadt. – Die Zehrung war überall sehr leidentlich, nur 2 und 1/2 Post von hier in Aschaffenburg beliebte uns der Herr Wirth erbärmlich zu schmieren. – Ich warte mit Sehnsucht auf Nachricht von Dir, von Deiner Gesundheit, von unsern Umständen l.l. – Nun bin ich fest entschlossen meine Sachen hier so gut als möglich zu machen und freue mich dann herzlich wieder zu Dir. – Welch herrliches Leben wollen wir führen, – ich will arbeiten – so arbeiten, – um damit ich durch unvermuthete Zufalle nicht wieder in so eine fatale Lage komme. – Mir wäre lieb, wenn Du über alles dieses durch den Stadler den *** zu Dir kommen ließest. Sein letzter Antrag war, daß Jemand das Geld auf den Hoffmeister seinen giro allein hergeben will – 1000 fl. baar und das übrige an Tuch; – somit könnte alles und noch mit Ueberschuß bezahlt werden und ich dürfte bey meiner Rückkunft nichts als arbeiten. – Durch eine charta bianca von mir könnte durch einen Freund die ganze Sache abgethan seyn. Adieu ich küsse Dich 1000 mal.


Ewig Dein Mzt.


7.


Herzallerliebstes Weibchen!


Wenn ich nur schon einen Brief von Dir hätte, dann wäre Alles recht. – Ich hoffe Du wirst mein schreiben aus Efferding und das aus Frankfurt erhalten haben. – Ich habe Dir in meinem letzten geschrieben, Du sollst mit dem ... sprechen; mir wäre Sicherheitshalber recht lieb, wenn ich auf des Hofmeisters seinen giro 2000 fl. bekommen könnte; – Du mußt aber eine andere ursache vorwenden, nemlich daß ich eine Speculation im Kopf hätte, die Dir unbewußt wäre. – Meine Liebe, ich werde zweifelsohne gewiß etwas hier machen – so groß aber wie Du und verschiedene Freunde es sich vorstellen wird es sicherlich nicht seyn. – Bekannt und angesehen bin ich hier genug, das ist gewiß. – Nun – wir wollen sehen. – Ich liebe aber in jedem Falle das Sichere zu spielen, darum möchte ich gerne das Geschäft [485] mit Hoffmeister machen, weil ich dadurch Geld bekomme und keines zahlen darf; sondern blos arbeiten, und das will ich ja meinem Weibchen zu Liebe gern. – Wo glaubst Du daß ich wohne? – bei Böhm im nämlichen Hause; Hofer auch. Wir zahlen 30 fl. das Monath, und das ist noch außerordentlich wenig – wir gehen auch zu ihnen in die Kost. Wen glaubst Du daß ich hier angetroffen? – Das Mädchen, welches so oft mit uns im Auge Gottes9 Verstecken gespielt hat – Buchner glaub ich hieß sie – sie heißt nun Mad. Porsch und ist zum zweytenmale verheurathet. – Sie hat mir aufgetragen alles Schone von ihr an Dich zu schreiben. –

Da ich nicht weiß ob Du in Wien oder in Baaden bist, so adressire ich diesen Brief wieder an die Hofer. – Ich freue mich wie ein Kind wieder zu Dir zurück; – wenn die Leute in mein Herz sehen könnten, so müßte ich mich fast schämen, – es ist alles kalt für mich – eiskalt. – Ja wenn Du bey mir wärest, da würde ich vielleicht an dem artigen Betragen der Leute gegen mich mehr Vergnügen finden, – so ist es aber so leer –. Adieu – Liebe – ich bin ewig


Dein Dich von ganzer Seele liebender

Mozart.


Frankfurt am Mayn den 30 September 1790.


P.S. Als ich die vorige Seite schrieb, fiel mir auch manche Thräne auf's Papier; nun aber lustig – fange auf – es fliegen erstaunlich viele Busserl herum .... was Teufel! .... ich sehe auch eine Menge ..... ha! ha! .... ich habe drey erwischt – die sind kostbar! –

Du kannst mir auf diesen Brief noch antworten, aber Du mußt die Adresse à Lintz poste restante machen, das ist das sicherste. – Da ich noch nicht gewiß weiß, ob ich nach Regensburg gehe oder nicht, io kann ich auch nichts bestimmen. – Schreibe nur darauf, daß man den Brief liegen lassen soll, bis er abgeholt wird. – Adieu – liebstes, bestes Weiberl – gieb auf Deine Gesundheit Acht – und gehe nur nicht zu Fuß in die Stadt. – Schreib mir doch wie Du mit dem neuen Quartier zufrieden bist. – Adieu, ich küsse Dich Millionenmahl. –


[486] 8.


[München Nov. 1790.]


Liebstes bestes Herzensweibchen.


Was mir das weh thut daß ich bis Linz warten muß um von Dir Nachricht zu haben das kannst Du nicht glauben. Geduld, wenn man nicht weiß wie lange man sich an einem Orte aufhalten wird, so kann man auch keine bessern Anstalten treffen. – Ich habe (ohngeachtet ich gern lange bey meinen alten Mannheimer Freunden bleiben möchte) nur einen Tag hier bleiben wollen, nun muß ich aber bis den 5 oder 6 bleiben, weil mich der Churfürst wegen des Königs von Neapel zur Accademie gebeten hat. Das ist wirklich eine Distinction. – Eine schöne Ehre für den Wiener Hof, daß mich der König in fremden Landen hören muß! – Daß ich mich mit Cannabichschen, la bonne Ramm, Marchand und Brochard10 gut unterhalte und recht viel von Dir, meine Liebe, gesprochen wird, kannst Du Dir wohl einbilden. – Ich freue mich auf Dich, denn ich habe viel mit Dir zu sprechen. Ich habe im Sinne zu Ende künftigen Sommers diese Tour mit Dir, meine Liebe, zu machen, damit Du ein anderes Bad versuchest, dabey wird Dir auch die Unterhaltung, Motion und Luftveränderung gut thun, so wie es mir herrlich anschlägt; da freue ich mich recht darauf und Alles freuet sich.

Verzeihe, wenn ich Dir nicht so viel schreibe als ich gern möchte; Du kannst Dir aber nicht vorstellen wie das Gereiß um mich ist. – Nun muß ich zu Cannabich, denn es wird ein Concert probiert. Adieu, liebes Weibchen; auf diesen Brief kann ich nach meiner Rechnung keine Antwort hoffen. Leb wohl, meine Liebe, ich küsse Dich Millionenmahl und bin ewig


Dein Dich bis in den Tod liebender

Mozart.


[487] P.S. Die Grethel11 ist nun mit der Lebrun12 ihrem Bruder verheurathet, heißt also Mad. Danzi. Das Brochard Hannchen13 ist nun 16 Jahre alt und ist leider durch die Blattern häßlich geworden. – Schade! – Die kann nicht genug von Dir sprechen. Sie spielt ganz artig Clavier.

Fußnoten

1 Der Oboist Ramm aus München (II S. 99f.).


2 Anspielung auf einen scherzhaften Canon Mozarts, s.o. S. 333; ebenso im Folgenden.


3 Nach dem Original (im Archiv des Preßburger Kirchenmusik-Vereins) abgedruckt Wien. Musik Zeitg. 1843 N. 88. N. Zeitschr.f. Mus. XIX S. 51ff.


4 Rosa Manservisi war früher bei der Oper in München (Burney Reise II S. 109) und kam dann nach Dresden, wo sie bejahrt gestorben ist.


5 Das Original ist im Besitz der Frau Baroni-Cavalcabo.


6 Hier sind mehrere Zeilen im Original unleserlich gemacht.


7 Die Adresse ist:

à Madame Costance de Mozart née de Weber

Vienne.


auf dem hohen Markt

im Malseckischen Hause

bei Hrn v. Puchberg.


8 Nach dem Original auf der k.k. Hofbibliothek in Wien gedruckt Wien. Zeitschr. 1842 N. 79 S. 628.


9 Das Haus, in welchem Constanzes Mutter wohnte,f. S. 161.


10 Frau Eva Brochard, geb. 1752, zeichnete sich durch Spiel und Gesang in den Operetten aus; sie kam mit Marchands Gesellschaft 1777 nach Mannheim und später nach München (Devrient Gesch. d. deutsch. Schauspielkunst II S. 304. 401).


11 Margarethe Marchand, Tochter des Schauspieldirectors, geb. 1762, als Sängerin und Klavierspielerin ausgezeichnet, war im Jahr 1782 zu ihrer Ausbildung bei Leop. Mozart in Salzburg (I S. 139), und wurde dann Hofsängerin in München. Sie verheirathete sich 1790 mit Franz Danzi, damals Violoncellist in der Kapelle, später Vicekapellmeister und starb 1798.


12 Vgl. II S. 85.


13 Maria Johanna Brochard (später verehl. Renner), geb. 1775, wurde zu ihrer musikalischen Ausbildung ebenfalls Leop. Mozart übergeben, bei welchem sie sich 1783 und 1784 aufhielt (Lipowsky Bayersch. Mus. Lex. S. 36), und dann von Marchand für die Bühne vorbereitet, welche sie im August 1790 in München zuerst betrat.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 3, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1858, S. 1.
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