§. 14.

[107] Zur Gleichheit und Reinigkeit des Tones trägt auch nicht wenig bey, wenn man vieles in einem Bogenstriche weis anzubringen. Ja es läuft wider das Natürliche, wenn man immer absetzet und ändert. Ein Singer der bey ieder kleinen Figur absetzen, Athem holen, und bald diese bald jene Note besonder vortragen wollte, würde unfehlbar jedermann zum Lachen bewegen. Die menschliche Stimme ziehet sich ganz ungezwungen von einem Tone in den andern: und ein vernünftiger Singer wird niemal einen Absatz machen, wenn es nicht eine besondere Ausdrückung, oder die Abschnitte und Einschnitte erfordern3. Und wer weis denn nicht, daß die Singmusik allezeit das Augenwerk[107] aller Instrumentisten seyn soll: weil man sich in allen Stücken dem Natürlichen, so viel es immer möglich ist, nähern muß? Man bemühe sich also, wo das Singbare des Stückes keinen Absatz erfordert, nicht nur bey der Abänderung des Striches den Bogen auf der Violin zu lassen und folglich einen Strich mit dem andern wohl zu verbinden; sondern auch viele Noten in einem Bogenstriche und zwar so vorzutragen: daß die zusammen gehörigen Noten wohl aneinander gehänget, und nur durch das forte und piano von einander in etwas unterschieden wer den.

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 107-108.
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