§. 9.

[221] Man muß vor allem sich üben einen langen Triller mit Zurückhaltung des Striches zu machen. Denn manchmal muß man eine lange Note aushalten die mit einem Triller bezeichnet ist: und es würde eben so ungereimt lassen dabey abzusetzen, und den Bogen zu ändern; als wenn ein Sänger mitten in einer langen Note Athem holen wollte. Es ist auch nichts abgeschmackters, als wenn bey einer Cadenze, wo man an das Zeitmaaß nicht gebunden ist, der Triller so schnell und unerwart abgebrochen wird, daß die Ohren der Zuhörer mehr beleidiget als belustiget werden. Es wird in solchem Falle dem Gehör etwas entrissen; und man bleibt eben deßwegen unvergnügt, weil man noch eine längere Aushaltung erwartet hat: gleichwie es den Zuhörern gewiß[221] ungemein hart fällt, wenn sie den Mangel des Athems an einem Singer bemerken. Doch ist auch nichts lächerlicheres, als ein über die Maase langer Triller. Man gehe demnach den mittern Weeg, und mache einen solchen Triller, welcher dem guten Geschmacke am nächsten kömmt.

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 221-222.
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