107. Mozarteum.

[163] Paris 3. Juli 1778.

Monsieur mon très cher Père!

Ich habe Ihnen eine sehr unangenehme und traurige Nachricht zu geben, die auch Ursache ist, daß ich auf Ihren letzten vom 11. datirt, nicht eher habe antworten können. – Meine liebe Mutter ist sehr krank, – sie hat sich, wie sie es gewohnt war, zur Ader gelassen, und es war auch sehr nothwendig; es war ihr auch ganz gut darauf, doch einige Tage darauf klagte sie Frost und auch gleich Hitze, bekam den Durchlauf, Kopfweh; anfangs brauchten wir nur unsere Hausmittel, antispasmotisch Pulver, wir hätten auch gerne das schwarze gebraucht, es mangelte uns aber, und wir konnten es hier nicht bekommen. Weil es aber immer ärger wurde, sie hart reden konnte, das Gehör verlor, so daß man schreien mußte, so schickte der Baron Grimm seinen Doctor her. Sie ist sehr schwach, hat noch Hitzen und phantasirt, man gibt mir Hoffnung, ich habe aber nicht viel, ich bin nun schon lange Tag und Nacht zwischen Furcht und Hoffnung, ich habe mich aber ganz in den Willen Gottes gegeben und hoffe, Sie und meine liebe Schwester werden es auch thun; was ist denn sonst für ein Mittel um ruhig zu sein? – Ruhiger, sage ich, denn ganz kann man es nicht sein; ich bin getröstet, es mag[163] ausfallen, wie es will, weil ich weiß, daß es Gott, der alles (wenn es uns noch so quer vorkömmt) zu unseren Besten anordnet, so haben will; denn ich glaube (und dieses lasse ich mir nicht ausreden), daß kein Doctor, kein Mensch, kein Unglück, kein Zufall einem Menschen das Leben geben, noch nehmen kann, sondern Gott allein; das sind nur die Instrumente, deren er sich meistentheils bedient, und auch nicht allzeit; wir sehen ja, daß Leute umsinken, umfallen und todt sind. Wenn einmal die Zeit da ist, so nützen alle Mittel nichts, sie befördern eher den Tod, als daß sie ihn verhindern; wir haben es ja am seligen Freund Hefner gesehen. Ich sage dessentwegen nicht, daß meine Mutter sterben wird und sterben muß, daß alle Hoffnung verloren sei, sie kann frisch und gesund werden, aber nur wenn Gott will. – Ich mache mir, nachdem ich aus allen meinen Kräften um die Gesundheit und Leben meiner lieben Mutter zu meinem Gott gebetet habe, gerne solche Gedanken und Tröstungen, weil ich mich hernach mehr beherzt, ruhiger und getröstet finde, denn Sie werden sich leicht vorstellen, daß ich dieß brauche! Nun etwas anderes, verlassen wir diese traurigen Gedanken, hoffen wir, aber nicht zu viel, haben wir unser Vertrauen auf Gott und trösten wir uns mit diesem Gedanken, daß alles gut gehet, wenn es nach dem Willen des Allmächtigen gehet, indem er am besten weiß, was uns Allen, sowohl zu unserm zeitlichen und ewigen Glück ersprießlich und nutzbar ist.

Ich habe eine Sinfonie, um das Concert spirituel zu eröffnen, machen müssen. – Am Frohnleichnamstag wurde sie mit allem Applause aufgeführt. Es ist auch so viel ich höre, im Courier de l'Europe eine Meldung davon geschehen, sie hat also ausnehmend gefallen. Bei der Probe war es mir sehr bange, denn ich habe mein Lebtag nichts schlechteres gehört. Sie können sich nicht vorstellen, wie sie die Sinfonie zweimal nacheinander heruntergehudelt und heruntergekratzet haben; mir war wahrlich ganz bang, ich hätte sie gerne noch einmal probirt, aber weil man allzeit so viel Sachen probirt, so war keine Zeit mehr, ich mußte also mit bangem Herzen und mit unzufriedenem und zornigem Gemüth ins Bett gehen. Den andern Tag hatte ich mich entschlossen gar nicht ins[164] Concert zu gehen, es wurde aber Abends gut Wetter und ich entschloß mich endlich mit dem Vorsatz, daß, wenn es so schlecht ginge, wie bei der Probe, ich gewiß aufs Orchester gehen werde und dem Hrn. La Houssaye, erstem Violin, die Violine aus der Hand nehmen und selbst dirigiren werde. Ich bat Gott um die Gnade, daß es gut gehen möchte, indem alles zu seiner größten Ehre und Glorie ist, und ecce, die Sinfonie fing an, Raaff stand neben meiner und gleich mitten im ersten Allegro, war eine Passage, die ich wohl wußte, daß sie gefallen müßte, alle Zuhörer wurden davon hingerissen – und war ein großes Applaudissement; – weil ich aber wußte, wie ich sie schrieb, was das für einen Effect machen würde, so brachte ich sie auf die letzt noch einmal an, – da gings um Da capo. Das Andante gefiel auch, besonders aber das letzte Allegro – weil ich hörte, daß hier alle letzten Allegro wie die ersten mit allen Instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen, so fing ichs mit den 2 Violinen allein Piano nur 8 Tacte an, – darauf kam gleich ein Forte, – mithin machten die Zuhörer, wie ichs erwartete, beym Piano sch, – dann kam gleich das Forte. – Sie das Forte hören und die Hände zu klatschen war Eins. – Ich ging also gleich für Freude nach der Sinfonie ins Palais Royal – nahm ein gutes Gefrorenes – bat den Rosenkranz den ich versprochen hatte – und ging nach Haus, wie ich allzeit am liebsten zu Hause bin und auch allzeit am liebsten zu Hause seyn werde oder bey einem guten wahren redlichen Deutschen – der wenn er ledig ist für sich als ein guter Christ gut lebt, wenn er verheyrathet ist, seine Frau liebt und seine Kinder gut erzieht.

Nun gebe ich Ihnen eine Nachricht, die Sie vielleicht schon wissen werden, daß nemlich der gottlose und Erz-Spitzbub Voltaire so zu sagen wie ein Hund – wie ein Vieh crepirt ist. – Das ist der Lohn! – Daß ich hier nicht gern bin werden Sie schon längst gemerkt haben, – ich habe so viel Ursachen und die aber, weil ich jetzt schon einmal da bin, zu nichts nutzen. – Bei mir fehlt es nicht und wird es niemals fehlen, ich werde aus allen Kräften meine Möglichkeit thun. – Nun, Gott wird alles gut machen! – ich habe etwas im[165] Kopf dafür ich Gott täglich bitte. Ist es sein göttlicher Wille so, so wird es geschehen, wo nicht, so bin ich auch zufrieden, – ich habe dann aufs wenigste doch das meinige gethan. Wenn dieß dann alles in Ordnung ist und so geschieht wie ich es wünsche, dann müssen Sie erst das Ihrige darzu thun, sonst wäre das ganze Werk unvollkommen. Ich hoffe auch von Ihrer Güte, daß Sie es gewiß thun werden. Machen Sie sich nur jetzt keine unnütze Gedanken, denn um diese Gnade will ich Sie schon vorher gebeten haben, daß ich meine Gedanken nicht eher ins Klare setze, als bis es Zeit ist.

Mit der Opera ist es dermalen so, man findet sehr schwer ein gutes Poëme. Die alten, welche die besten sind, sind nicht auf den modernen Styl eingerichtet, und die neuen sind alle nichts nutz, denn die Poesie, welches das einzige war, wo die Franzosen haben darauf stolz seyn können, wird jetzt alle Tage schlechter, – und die Poesie ist eben das einzige hier, was gut seyn muß, weil sie die Musique nicht verstehen. Es sind nun 2 Opern in Aria, die ich schreiben könnte, eine en deux acts, die andere en trois. Die en deux ist »Alexander und Roxane«, der Poet aber, der sie schreibt, ist noch in der Campagne: die en trois ist Demofont (von Metastasio) übersetzt und mit Chören und Tänzen vermischt und überhaupt auf das französische Theater arrangirt. Von dieser habe ich auch noch nichts sehen können.

Schreiben Sie mir doch, ob Sie die Concerte von Schrötter zu Salzburg haben? – die Sonaten von Hüllmandel? – ich wollte sie kaufen und Ihnen überschicken. Beide Oeuvres sind sehr schön. Wegen Versailles war es nie mein Gedanke, ich habe auch den Rath des Baron Grimm und anderer guter Freunde darüber gehört, sie dachten alle wie ich. Es ist wenig Geld, man muß 6 Monate in einem Ort verschmachten, wo nichts sonst zu verdienen ist und sein Talent vergraben. Dann wer in königlichen Diensten ist, der ist zu Paris vergessen; und dann Organist! – Ein guter Dienst wäre mir sehr lieb, aber nicht anders als Capellmeister und gut bezahlt.

Nun leben Sie recht wohl – haben Sie Sorg auf Ihre Gesundheit, verlassen Sie sich auf Gott, da müssen Sie ja Trost finden; meine liebe Mutter ist in Händen des[166] Allmächtigen, – will er sie uns noch schenken, wie ich es wünsche, so werden wir ihm für diese Gnade danken, will er sie aber zu sich nehmen, so nutzt all unser Aengsten, Sorgen und Verzweifeln nichts, – geben wir uns lieber standhaft in seinen göttlichen Willen, mit gänzlicher Ueberzeugung, daß es zu unserm Nutzen seyn wird, weil er nichts ohne Ursache thut. – Leben Sie also wohl, liebster Papa, erhalten Sie mir Ihre Gesundheit.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 163-167.
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