231. K.K. Hofbibliothek in Wien.

[417] Wien 24. Dez. 1783.

Ich habe Ihr Letztes vom 19. dieses sammt dem Einschluß von der Opera richtig erhalten. Nun von der Opera[417] als das Nothwendigste. – Hr. Abbate Varesco hat zu der Cavatina der Lavina extra geschrieben: à cui servirà la musica della cavatina antecedente, – nemlich der Cavatina von der Celidora. – Das kann aber nicht seyn. – Denn in der Cavatina der Celidora ist der Text sehr trost- und hoffnungslos, und in der Cavatina der Lavina ist er sehr trostreich und hoffnungsvoll. – Uebrigens ist auch das eine sehr ausgepeitschte und nimmer gewöhnliche Mode, daß ein Anderer dem Andern sein Liedchen nachlallt. – Höchstens kann es so bey einer Soubrette mit ihrem Amanten nemlich bey den ultime parti gelten. – Meine Meynung wäre daß die Scene mit einem schönen Duett anfinge, welches mit dem nemlichen Text durch eine kleine Aggiunta für die Coda sehr gut angehen kann. – Nach dem Duett folgt die Unterredung wie sonst: – e quando s'ode il Campanello della Custode, so wird Mademoiselle Lavina anstatt Celidora die Güte haben, sich wegzubegeben, damit Celidora als Prima Donna Gelegenheit hat eine schöne Bravour-Aria zu singen. – Auf diese Art dächte ich wäre es für den Compositeur, für die Sängerin und für die Zuschauer und Zuhörer besser, und die ganze Scene würde unfehlbar dadurch interessanter werden. – Ferners würde man schwerlich die nemliche Aria von der 2. Sängerin ertragen können, nachdem man sie von der ersten hat singen hören. – Nun weiß ich nicht wie Sie es beyde mit nachfolgender Ordnung meynen. – Zu Ende der neu eingeschaltenen Scene der zwei Frauenzimmer im ersten Act schreibt Hr. Abbate: – siegue la scena VIII che prima era 1a VII, ecosì cangiansi di mano in mano i numeri. – Nach dieser Beschreibung muß ich ganz wider Verhoffen vermuthen, daß die Scene nach dem Quartett, allwo beyde Donne eine nach der andern ihr Liedchen am Fenster herabsingen, bleiben solle. – Das kann unmöglich seyn. – Dadurch würde der Act nicht allein umsonst um nichts verlängert, sondern sehr abgeschmackt. – Es war mir immer sehr lächerlich zu lesen: – Celidora: Tu qui m'attendi, amica. Alla Custode farmi veder vogl'io; ci andrai tu puoi. Lavina: Si dolce amica, addio. (Celidora parte.) Lavina singt ihre Aria. (Celidora kommt wieder und sagt):Eccomi, or[418] vanne etc. und nun geht Lavina, und Celidora singt ihre Aria, – sie lösen einander ab, wie die Soldaten auf der Wacht. – Ferner ist es auch viel natürlicher daß, da sie im Quartett alle einig sind, ihren abgeredeten Anschlag auszuführen, die Männer sich fort machen um die dazugehörigen Leute aufzusuchen und die zwei Frauenzimmer ruhig sich in ihre Clausur begeben. Alles was man ihnen noch erlauben kann, sind ein paar Zeilen Recitativ. Doch ich glaube auch ganz sicher, daß es niemalen darauf angesehen war, daß die Scene bleiben soll, sondern daß es nur vergessen worden anzuzeigen, daß sie ausbleibt. – Auf Ihren guten Einfall den Biondello in den Thurm zu bringen, bin ich sehr begierig; – wenn er nur komisch ist, wir wollen ihm gerne ein bischen Unnatürlichkeit erlauben. – Wegen einem kleinen Feuerwerk bin ich gar nicht in Sorgen; – es ist hier so eine gute Feuerordnung daß man sich vor einem Theaterfeuerwerk gar nicht zu fürchten hat. – Dann wird ja hier Medea so oft gegeben, worin zuletzt die Hälfte des Palastes zusammenfällt, die übrige Hälfte in Feuer aufgeht. –

Morgen werde ich mich um die Bücheln des »Rauchfangkehrers« [von Salieri] umsehen. – Die »Contessina« (oder die Gräfin) habe noch nicht erfragen können; – sollte sie nicht zu haben seyn, würde etwann »das Irrlicht« von Umlauf; – »die schöne Schäferin« von Umlauf; – »die Pilgrimme von Mekka« [von Gluck] anständig seyn? – Besonders sind die zwei letzteren Opern sehr leicht aufzuführen. – Kühne wird sie halt vermuthlich schon haben. – Bitte von uns beyden an ihn und sie unsere Empfehlung zu machen. – Meinen letzten kurzen Brief werden Sie hoffentlich erhalten haben. – Bitte nochmal mir die 2 Duetten, Bach's Fugen, und besonders den Idomeneo zu schicken. – Sie wissen warum – es liegt mir viel daran, daß ich diese Opera mit dem Graf Sickingen [vgl. S. 148 ff.] am Clavier durchgehe. – Wenn Sie mir nach Gelegenheit die Fugen (ich glaube es sind 6) von Emanuel Bach abschreiben ließen und schickten, würden Sie mir auch eine große Gefälligkeit thun, – ich habe vergessen Sie in Salzburg darum zu ersuchen. – Nun leben Sie unterdessen wohl. – Vorgestern als Montag war[419] wieder die große Academie der Societät, – ich spielte in ihr ein Concert und Adamberger sang ein Rondo von mir [Köchel Nr. 431]. – Gestern wurde sie repetirt, – nur daß ein Violinist anstatt meiner Concert spielte. – Vorgestern war das Theater voll, – gestern aber leer. – NB. der Violinist ließ sich zum erstenmale hören. –

Trotz aller dieser Vorschläge von Seiten des Componisten scheint Varesco auf eine solche totale Umänderung des Textes nicht haben eingehen zu wollen, und so blieb die Oper, von der nur wenige Sätze im Partiturentwurf erhalten sind, gänzlich liegen. Um so mehr mußte sich Mozart jetzt von neuem auf Arbeiten für Verleger und Concerte werfen. Wir erfahren, welche Academien er in den nächsten Fasten gab und was für einen glänzenden Kreis von Zuhörern er um sich versammelte. Es zählten dazu außer seinen bekannten Gönnern und Gönnerinen Gräfin Thun, Baronin Waldstädten, Graf Zichy, van Swieten, auch der Herzog von Würtemberg, Prinz von Mecklenburg, die Fürsten L. Liechtenstein, Auersperg, Kaunitz, Lichnowsky, Lobkowitz, Paar, Palm, Schwarzenberg, ferner die Familien Bathiany, Dietrichstein, Erdödy, Esterhazy, Harrach, Herberstein, Keglewicz, Nostiz, Palfy, Schafgotsch, Stahremberg, Waldstein und andere, sodann die Gesandten von Rußland, Spanien, Sardinien, Holland, Dänemark und die angesehenen Bankiers-Familien Fries, Hönikstein, Arenfeld, Bienenfeld, Ployer, dessen Tochter Barbara Mozarts Schülerin war und von ihm sogar Paisiello als solche vorgeführt wurde, Wetzlar [der »reiche Jud«, bei dem Mozart wohnte, vgl. S. 307], endlich hohe Staatsbeamte und Gelehrte wie Isdenczy, Bedekovich, Nevery, Braun, Greiner, Keeß, Puffendorf, Born, Martini, Sonnenfels. Vgl. Jahn III, 205, Anm. 79.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 417-420.
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