245. Wiener Hofbibliothek.99

[440] Prag 4. Nov. 1787.

Liebster, bester Freund!

Ich hoffe Sie werden mein Schreiben erhalten haben. Den 29. October ging meine Opera D. Giovanni in Scene, und zwar mit dem lautesten Beifall. Gestern wurde sie zum vierten mal (und zwar zu meinem Benefice) aufgeführt. Ich gedenke den 12. oder 13. von hier abzureisen, bei meiner Zurückkunft sollen Sie also die Arie gleich zu singen bekommen. N.B. unter unsich wollte meinen guten Freunden (besonders Bridi100 und Ihnen) wünschen, daß Sie nur einen einzigen Abend hier wären, um Antheil an meinem Vergnügen zu nehmen! – Vielleicht wird sie doch in Wien aufgeführt? – ich wünsche es. – Man wendet hier alles mögliche an um mich zu bereden, ein paar Monate noch hier zu bleiben und noch eine Oper zu schreiben; ich kann aber diesen Antrag, so schmeichelhaft er ist, nicht annehmen. –

Nun, liebster Freund, wie befinden Sie sich? Ich hoffe, dah Sie sich alle so wohl und gesund befinden mögen wie wir; am vergnügt sein kann es Ihnen, liebster Freund, wohl nicht fehlen, da Sie alles besitzen, was Sie sich in Ihren Jahren und in Ihrer Lage nur wünschen können! besonders[440] da Sie nun von Ihrer vorigen etwas unruhigen Lebensart ganz zurückzukommen scheinen. Nicht wahr, Sie werden täglich mehr von der Wahrheit meiner kleinen Strafpredigten überzeugt? Ist das Vergnügen einer flatterhaften launigten Liebe nicht himmelweit von der Seeligkeit unterschieden, welche eine wahrhafte, vernünftige Liebe verschafft? Sie danken mir wohl gar öfters so in Ihrem Herzen für meine Belehrungen! Sie werden mich noch ganz stolz machen! – Doch, ohne allen SpaßSie sind mir doch im Grunde ein bischen Dank schuldig, wenn sie anders der Frl. N. würdig geworden sind, denn ich spielte doch bei Ihrer Besserung oder Bekehrung gewiß nicht die unbedeutendste Rolle.

Mein Urgroßvater pflegte seiner Frauen – meiner Urgroßmutter, diese ihrer Tochter, meiner Großmutter, diese wieder ihrer Tochter, meiner Mutter, diese abermals ihrer Tochter – meiner leiblichen Schwester zu sagen: daß es eine sehr große Kunst sei, wohl und schön zu reden, aber wohl eine nicht minder große zur rechten Zeit aufzuhören. Ich will also dem Rathe meiner Schwester, Dank unserer Mutter, Großmutter und Urgroßmutter folgen – und nicht nur meiner moralischen Ausschweifung sondern meinem ganzen Briefe ein Ende machen.

Den 9. Mit überraschendem Vergnügen erhalte ich Ihren 2. Brief. Wenn es erst Noth hat Sie durch das Lied en question meiner Freundschaft zu versichern, so haben Sie weiter keine Ursache daran zu zweifeln. Hier ist es! [Köchel Nr. 530]. – Ich hoffe aber, daß Sie auch ohne diesem Liede von meiner wahren Freundschaft überzeugt sind, und in dieser Hoffnung verharre ich ewig Ihr aufrichtiger Freund

W.A. Mozart.

P.S. Daß sich Ihre Eltern, Ihre Frl. Schwester und Hr. Bruder meiner gar nicht sollten erinnert haben? – das ist mir unglaublich! Ich schiebe es ganz auf Ihre Vergessenheit, mein Freund! und schmeichle mir mich nicht zu betrügen.

Wegen dem doppelten Petschier ist es also: das rothe Wachs taugte nichts – ich petschirte also schwarz darauf, und mein gewöhnlich Siegel habe in Wien vergessen.

Adieu – ich hoffe Sie bald zu umarmen.[441]

An Ihr ganzes Haus und an Nattorps unsere beiderseitige Complimente.

Die glänzende Aufnahme des Don Juan und der Tod des Hofcapellmeister Gluck (15. November 1787) sowie das allgemein verbreitete Gerücht von Mozarts beabsichtigter Uebersiedlung nach England waren vielleicht die Ursachen, daß er am 7. Dezember dieses Jahres zum k.k. Kammermusikus ernannt wurde. Allein das Gehalt von 800 Gulden jährlich, von dem er selbst einmal als er fatiren mußte, in bitterm Unmuth, daß er nicht mehr beschäftigt werde, schrieb: »Zuviel für das was ich leiste und zu wenig für das was ich leisten könnte« – war nicht genügend, seinen stets mißlicher werdenden pecuniären Verhältnissen aufzuhelfen, und trotz all seines Fleißes sah er sich genöthigt, im folgenden Sommer, nachdem der Don Juan auch in Wien über die Bretter gegangen war und ihm einige hundert Gulden eingebracht hatte, seinen Freund und Freimaurer-Ordensbruder (O.B.), den Kaufmann Puchberg, in Wien wiederholt um baare Darlehen anzusprechen.

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Wiener Zeitschr. für Kunst etc., 1842, Nr. 79, S. 625 f.

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Ein junger Bankier von Roveredo, der mit Mozart genau befreundet war und im März 1786 sogar in einer Privataufführung des Idomeneo mit aufgetreten war. Später errichtete er in seinem Garten in Roveredo Mozart ein Monument mit der Aufschrift: Herrscher der Seele durch melodische Denkkraft. A.M.Z., XXVI, S. 92.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 440-442.
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