67. Mozarteum.

[70] Augsburg 17. Oct. 1777.

Nun muß ich gleich bei den Steinischen Pianofortes anfangen. Ehe ich noch von Stein seiner Arbeit etwas gesehen habe, waren mir die Späth'schen Claviere die liebsten; nun muß ich aber den Steinischen den Vorzug lassen; denn sie dämpfen noch viel besser, als die Regensburger. Wenn ich stark anschlage, ich mag den Finger liegen lassen oder aufheben, so ist halt der Ton in dem Augenblick vorbei, da ich ihn hören ließ. Ich mag an die Claves kommen wie ich will, so wird der Ton immer gleich sein, er wird nicht scheppern, er wird nicht stärker nicht schwächer gehen oder gar ausbleiben; mit einem Wort, es ist alles gleich. Es ist wahr, er gibt so ein Pianoforte nicht unter 300 Fl., aber seine Mühe und Fleiß die er anwendet, ist nicht zu bezahlen. Seine Instrumente haben besonders das vor andern eigen, daß sie mit Auslösung gemacht sind. Da gibt sich der Hundertste nicht damit ab; aber ohne Auslösung ist es halt nicht möglich, daß ein Pianoforte nicht scheppere oder nachklinge. Seine Hämmerl, wenn man die Claves anspielt, fallen in dem Augenblick, da sie an die Saiten hinauf springen, wieder herab, man mag den Clavis liegen lassen oder auslassen. Wenn er ein solches Clavier fertig hat (wie er mir selbst sagte), so setzt er sich erst hin und probirt allerley Passagen, Läufe und Sprünge, und schabt und arbeitet so lange bis das Clavier[70] alles thut; dann er arbeitet nur zum Nutzen der Musik und nicht seines Nutzens wegen allein, sonst würde er gleich fertig sein. Er sagt oft: Wenn ich nicht selbst ein so passionirter Liebhaber der Musik wäre und nicht selbst etwas weniges auf dem Clavier könnte, so hätte ich gewiß schon längst die Geduld bei meiner Arbeit verloren; allein ich bin halt ein Liebhaber von Instrumenten die den Spieler nicht ansetzen und die dauerhaft sind. – Seine Claviere sind auch wirklich von Dauer. Er steht gut dafür, daß der Resonanzboden nicht bricht und nicht springt. Wenn er einen Resonanzboden zu zu einem Clavier fertig hat, so stellt er ihn in die Luft, Regen, Schnee, Sonnenhitze und allen Teufel, damit er zerspringt, und dann legt er Späne ein und leimt sie hinein, damit er recht stark und fest wird. Er ist völlig froh wenn er springt; man ist halt hernach versichert, daß ihm nichts mehr geschieht. Er schneidet gar oft selbst hinein und leimt ihn wieder zu und befestigt ihn recht. Er hat drei solche Pianofortes fertig, ich habe erst heute wieder darauf gespielt.

Wir haben heute beim jungen H. Gassner gespeißt, der von einer jungen, schönen Frau ein junger hübscher Wittwer ist; sie waren erst 2 Jahre mit einander verheirathet. Er ist ein recht braver höflicher junger Mann. Man tractirte uns köstlich. Es speiste auch da ein College vom H. Abbé Henri, Bullinger und Wishofer, ein Exjesuit, welcher dermalen hier im Dom Capellmeister ist. Er kennt den Hrn. Schachtner [salzb. Hoftrompeter] gar gut, er war zu Ingolstadt sein Chorregent; er heißt Pater Gerbl. H. Gassner und eine von seinen Mademoisellen Schwägerinnen, Mama, ich und unser Bäsle gingen nach Tisch zum H. Stein. Um 4 Uhr kam der H. Capellmeister und H. Schmittbauer Organist zu St. Ulrich, ein glatter alter braver Mann auch noch, und da spielte ich just eine Sonate prima vista von Becke, die ziemlich schwer war, miserabel al solito. Was sich da der Hr. Capellmeister und Organist verkreuzigten, ist nicht zu beschreiben. Ich habe hier und in München schon alle meine 6 Sonaten recht oft auswendig gespielt; die 5te aus G habe ich in der vornehmen Bauernstub-Academie gespielt, die letzte aus D kommt[71] auf den Pianofortes von Stein unvergleichlich heraus. Die Maschine, wo man mit dem Knie drückt, ist auch bei ihm besser gemacht als bei den andern; ich darf es kaum anrühren, so geht es schon, und sobald man das Knie nur ein wenig weg thut, so hört man nicht den mindesten Nachklang.

Nun morgen komme ich vielleicht auf seine Orgeln, das heißt, ich komme darüber zu schreiben; und auf die letzt spare ich mir seine kleine Tochter. Als ich Hrn. Stein sagte, ich möchte gern auf seiner Orgel spielen, denn die Orgel sei meine Passion, so verwunderte er sich groß und sagte: »Was? ein solcher Mann wie Sie, ein solcher großer Clavierist will auf einem Instrument spielen, wo keine Douceur, keine Expression, kein Piano noch Forte Statt findet, sondern immer gleich fortgehet?« – »Das hat alles nichts zu bedeuten; die Orgel ist doch in meinen Augen und Ohren der König aller Instrumente.« – »Nu, meinetwegen!« – Wir gingen halt miteinander; ich merkte schon aus seinen Discursen, daß er glaubte ich würde nicht viel auf seiner Orgel machen, ich würde par Exemple völlig claviermäßig spielen. Er erzählte mir er hätte auch Schobert auf sein Verlangen auf die Orgel geführt; »und es war mir schon bange«, sagte er, »denn Schobert sagte es allen Leuten, und die Kirche war ziemlich voll; denn ich glaubte halt, der Mensch wird voll Geist, Feuer und Geschwindigkeit sein, und das nimmt sich nicht aus auf der Orgel; aber wie er anfing war ich gleich anderer Meinung.« Ich sagte nichts als dieß: »Was glauben Sie H. Stein, werde ich herumlaufen auf der Orgel?« – »Ach Sie, das ist ganz was Anderes.« Wir kamen auf den Chor, ich fing zu präludiren an, da lachte er schon; dann eine Fuge. »Das glaube ich«, sagte er, »daß Sie gern Orgel spielen; wenn man so spielt.« – Vom Anfang war mir das Pedal ein wenig fremd, weil es nicht gebrochen war; es fing c an, dann d e etc. in einer Reihe; bey uns ist aber D und E oben, wie hier Es und Fis. Ich kam aber gleich darein.

Ich war auch zu St. Ulrich auf der alten Orgel; die Stiege ist was Abscheuliches. Ich bat es möchte mir auch wer drauf spielen, ich möchte hinabgehen und zuhören; dann oben macht die Orgel gar keinen Effect. Ich nahm aber[72] nichts aus; dann der junge Regenschori, ein Geistlicher, machte Läufe auf der Orgel herum, daß man nichts verstand; und wenn er Harmonien machen wollte, waren es lauter Disharmonien, denn es stimmte nicht recht. Wir mußten hernach in ein Gastzimmer, denn meine Mama und Base und Hr. Stein waren auch dabei. Ein gewisser Pater Emilian, ein hofärtiger Esel und ein einfältiger Witzling seiner Profession, war gar herzig; er wollte immer seinen Spaß mit dem Bäsle haben, sie hatte aber ihren Spaß mit ihm. – Endlich als er rauschig war (welches bald erfolgte), fing er von der Musik an; er sang einen Canon und sagte: »Ich habe in meinem Leben nichts Schöneres gehört.« Ich sagte: »Mir ist leid, ich kann nicht mitsingen, dann ich kann von Natur aus nicht intoniren.« – »Das thut nichts«, sagte er; er fing an, ich war der dritte, ich machte aber einen ganz andern Text darauf: »P.E. o du Sch – du, – – –« (sotto voce zu meiner Base). Dann lachten wir wieder eine halbe Stunde. Er sagte zu mir: »Wenn wir nur länger beysammen seyn könnten, ich möchte mit Ihnen von der Setzkunst discuriren.« »Da würden wir bald ausdiscurirt haben«, sagte ich. Schmecks Kropfeter. Die Fortsetzung nächstens.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 70-73.
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