81. Mozarteum.

[105] Mannheim 3. Dez. 1777.

Noch kann ich gar nichts Gewisses schreiben wegen meinen Umständen hier. Vergangenen Montag hatte ich das Glück nachdem ich 3 Tage nach einander Vor- und Nachmittag zu den natürlichen Kindern hingegangen, den Churfürsten endlich anzutreffen. Wir haben zwar alle geglaubt, es wird die Mühe wieder umsonst sein, weil es schon spät war; doch endlich sahen wir ihn kommen. Die Gouvernante ließ gleich die Komtesse zum Clavier sitzen; und ich setzte mich neben ihr und gab ihr Lection, und so sah uns der Churfürst als er herein kam. Wir standen auf, aber er sagte wir sollten fortmachen. Als sie ausgespielt hatte, nahm die Gouvernante das Wort und sagte, daß ich ein so schönes Rondo geschrieben hätte. Ich spielte es, es gefiel ihm sehr. Endlich fragte er: »Wird sie es aber wohl lernen können?« »O ja«, sagte ich, »ich wollte nur wünschen daß ich das Glück hätte ihr es selbst zu lernen.« Er schmuzte und sagte: »Mir wäre es auch lieb, aber würde sie sich nicht verderben wenn sie zweierlei Meister hätte?« »Ach nein, E.D.« sagte ich, »es kommt nur darauf an ob sie einen guten oder schlechten bekömmt; ich hoffe E.D. werden nicht zweifeln, werden Vertrauen auf mich haben.« – »O, das ganz gewiß«, sagte er. Nun sagte die Gouvernante: »Hier hat auch Mr. Mozart Variationen über den Menuet von Fischer für den jungen Grafen geschrieben.« Ich spielte sie; sie haben ihm sehr gefallen. Nun scherzte er mit der Komtesse. Da bedankte ich mich für das Präsent; er sagte: »Ich werde darüber denken; wie lang will Er denn hier[105] bleiben?« – Antwort: »So lange E.D. befehlen. Ich habe gar kein Engagement, ich kann bleiben, so lang E.D. befehlen.« – Nun war alles vorbei. Ich war heute Morgens wieder dort. Da sagte man mir, daß der Churfürst gestern abermals gesagt hat: »Der Mozart bleibt diesen Winter hier.« Nun sind wir mitten drin. Warten muß ich doch.

Heut (zum 4. Mal) hab ich bei Wendling gespeist. Vor dem Essen kam Graf Savioli mit dem Capellmeister Schweitzer, der gestern abends angekommen, hin. Savioli sagte zu mir: »Ich habe gestern abermals mit dem Churfürsten gesprochen, er hat sich aber noch nicht resolvirt.« Ich sagte zu ihm: »Ich muß mit Ihnen ein paar Worte sprechen.« Wir gingen ans Fenster. Ich sagte ihm den Zweifel des Churfürsten, beklagte mich, daß es gar so lange hergeht, daß ich schon so viel hier ausgegeben, bat ihn er möchte doch machen, daß mich der Churfürst auf beständig nehme, indem ich fürchte, daß er mir den Winter so wenig geben wird, daß ich etwa gar nicht hier bleiben kann. »Er soll mir Arbeit geben, ich arbeite gern.« Er sagte mir, er wird es ihm gewiß so proponiren; heute Abends könne es zwar nicht sein, indem er heute nicht nach Hof kömmt; aber morgen verspricht er mir die gewisse Antwort. – Nun mag geschehen, was will. Behält er mich nicht, so dringe ich auf ein Reisegeld, denn das Rondo und die Variationen schenke ich ihm nicht. Ich versichere Sie, daß ich so ruhig bei der Sache bin, weil ich gewiß weiß, daß es nicht anders als gut gehen kann, es mag geschehen was will. Ich habe mich völlig in den Willen Gottes gegeben.

Gestern haben wir den Brief vom 27. Nov. erhalten. Ich hoffe Sie werden das Allegro und Andante von der Sonate empfangen haben. – Hier folgt das Rondo. Hr. Capellmeister Schweitzer ist ein guter braver ehrlicher Mann, trocken und glatt wie unser Haydn, nur daß die Sprache feiner ist. In der zukünftigen Opera sind sehr schöne Sachen, und ich zweifle gar nicht daß sie gewiß reussiren wird. Die »Alceste« hat sehr gefallen und ist doch halb nicht so schön wie die »Rosamunde«. Freilich hat das viel beigetragen, weil es das erste deutsche Singspiel war. Nun macht es, NB. auf die Gemüther, die nur durch die Neuheit hingerissen werden, lange den[106] Eindruck nicht mehr. Hr. Wieland, der die Poesie gemacht hat, wird auch den Winter hierher kommen. Den möchte ich wohl kennen; wer weiß es? – Vielleicht! – Wenn der Papa dieses liest, so ist, wills Gott, alles vorbei.

Wenn ich hier bleibe so soll ich in den Fasten en compagnie mit Hrn. Wendling, Ramm Oboist, welcher sehr schön bläst, Hrn. Balletmeister Cauchery nach Paris. Hr. Wendling versichert mich, daß es mich nicht gereuen wird, er war 2 Mal in Paris, er ist erst zurückgekommen. Er sagt: »Das ist noch der einzige Ort, wo man Geld und sich recht Ehre machen kann. Sie sind ja ein Mann der alles im Stande ist, ich will Ihnen schon den rechten Weg zeigen. Sie müssen opera seria, comique, oratoire und alles machen. Wer ein paar Opern in Paris gemacht hat, bekommt etwas Gewisses das Jahr. Hernach ist das Concert spirituel, Academie des amateurs, wo man für eine Sinfonie 5 Louisd'ors bekömmt. Wenn man eine Lection gibt, so ist der Brauch für 12 Lectionen 3 Louisd'or. Man läßt hernach Sonaten, Trios, Quatuors stechen per souscription. Der Cannabich, Toeschi, die schicken viel von ihrer Musik nach Paris.« – Der Wendling ist ein Mann der das Reisen versteht. Schreiben Sie mir Ihre Meinung darüber, ich bitte Sie. Nützlich und klug scheint es mir. Ich reise mit einem Mann, der Paris (wie es jetzt ist) in- und auswendig kennt, denn es hat sich viel verändert. Ich gebe noch so wenig aus, ja ich glaube daß ich nicht halb so viel depensire, weil ich nur für mich zu bezahlen habe, indem meine Mama hier bleiben würde und glaublicher Weise bei Wendling im Hause.

Den 12. dieses wird Hr. Ritter, der den Fagott sehr schön bläst, nach Paris reisen. Wenn ich nun allein gewesen wäre, hätte ich die schönste Gelegenheit gehabt. Er hat mich selbst angesprochen. Der Ramm (Oboist) ist ein recht braver lustiger ehrlicher Mann, etwa 35 Jahre, der schon viel gereist ist, und folglich viel Erfahrung hat. Die Ersten und Besten von der Musik hier haben mich sehr lieb und eine wahre Achtung. Man nennt mich nie anders als Hr. Capellmeister. Ich kann sagen, daß mir sehr leid ist, daß ich nicht aufs wenigste eine abgeschriebene Messe bei mir habe, ich hätte doch[107] eine produzirt; denn ich habe neulich eine von Holzbauer gehört, welche auch nach unserm Geschmack ist. Wenn ich doch nur das Misericordias abgeschrieben hätte! – Jetzt ist es einmal so. Das kann man nicht anders machen. Ich hätte mich entschlossen eine copiren zu lassen, aber das Copiren kostet hier gar zu viel. Vielleicht hätte ich nicht einmal soviel für die Messe bekommen, als ich für die Copiatur hätte zahlen müssen. Denn man ist hier so freigebig nicht. –

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 105-108.
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