93. Mozarteum.

[129] Mannheim 14. Febr. 1778.

Aus Ihrem letzten Briefe vom 9. Febr. habe ich ersehen, daß Sie meine 2 letzten Briefe noch nicht erhalten haben. Hr. Wendling und Hr. Ramm gehen morgen frühe von hier ab. Wenn ich wüßte daß es Sie sehr verdrießt, daß ich nicht auch mit ihnen nach Paris bin, so würde es mich reuen, daß ich hier geblieben bin; ich hoffe es aber nicht. Der Weg nach Paris ist mir ja nicht vergraben. Hr. Wendling hat mir versprochen sich gleich um Mr. Grimm zu erkundigen und mir sogleich Nachricht davon zu geben. Wenn ich diesen Freund zu Paris habe, so komme ich gewiß nach, denn der wird mir schon etwas zuwege bringen. Die größte Ursache warum ich nicht mit bin, war auch diese. Wir haben noch nichts ausfindig machen können, um meine Mama nach Augsburg zu bringen. – – Von hier bis Augsburg wird es nicht viel kosten. Denn es gibt sicher so Leute hier die man Hauderer nennt, welche die Leute wohlfeil führen. Bis dahin hoffe ich doch so viel zu bekommen, daß meine Mama nach Haus reisen kann. Jetzt wüßte ich wirklich nicht wie es möglich wäre. Der Hr. de Jean der auch morgen nach Paris reist, hat, weil ich ihm nicht mehr als 2 Concerte und 3 Quartette fertig gemacht habe, mir nur 96 Fl. (er hat sich um 4 Fl. daß es die Hälfte wäre, verstoßen) gegeben; er muß mich aber ganz zahlen, denn ich habe es mit den Wendlingschen abgemacht, ich werde das übrige nachschicken. Daß ich es nicht hab fertig machen können, ist ganz natürlich, ich habe hier keine ruhige Stunde. Ich kann nichts schreiben, als nachts; mithin kann ich auch nicht früh aufstehen. Zu allen Zeiten ist man auch nicht aufgelegt zum Arbeiten. Hinschmieren[129] könnte ich freilich den ganzen Tag fort, aber so eine Sache kommt in die Welt hinaus, und da will ich halt, daß ich mich nicht schämen darf, wenn mein Name drauf steht. Dann bin ich auch, wie Sie wissen, gleich stuff, wenn ich immer für ein Instrument, das ich nicht leiden kann schreiben soll. Mithin habe ich zu Zeiten um abzuwechseln was anders gemacht, – als Clavier-Duette mit Violine und auch etwas an der Messe. Jetzt setze ich mich aber in allem Ernst über die Clavier-Duette, damit ich sie stechen lassen kann. Wenn nur der Churfürst hier wäre, so machete ich geschwind die Messe aus. Was aber nicht ist, das ist nicht.

Ich bin Ihnen mein lieber Papa sehr verbunden wegen dem väterlichen Brief den Sie mir geschrieben, ich werde ihn wie ein Schatz aufheben und allzeit Gebrauch davon machen. Ich bitte Sie also nicht zu vergessen wegen meiner Mutter ihrer Reise von Augsburg bis Salzburg und mir die Zeit accurat zu bestimmen. Dann bitte ich die im letzten Briefe angemerkten Arien nicht zu vergessen. Wenn ich mich nicht irre, so sind auch Cadenzen da die ich einmal aufgesetzt habe und aufs wenigste eine Aria cantabile mit ausgesetztem Gusto? – Das bitte ich mir am ersten aus. Das ist so ein Exercitium für die Weberin. Ich habe ihr erst vorgestern ein Andantino cantabile vom Bach ganz gelernt. Gestern war eine Academie beim Cannabich. Da ist, bis auf die erste Sinfonie von Cannabich alles von mir gewesen. Die Rosl hat mein Concert in B gespielt, dann hat der Hr. Ramm (zur Abwechslung), fürs 5. Mal mein Oboe-Concert für den Ferlendi gespielt, welches hier einen großen Lärm macht. Es ist auch jetzt des Hrn. Ramm sein Cheval de bataille. Hernach hat die Mademoiselle Weberin die Aria di bravura von der de' Amicis ganz vortrefflich gesungen. Dann habe ich mein altes Concert in D gespielt, weil es hier recht wohl gefällt. Dann habe ich eine halbe Stunde phantasirt und hernach hat die Mademoiselle Weber die Arie Parto m'affretto von der de' Amicis gesungen, mit allem Applaus. Zum Schluß dann war meine Sinfonie vom Rè pastore. Ich bitte Sie um alles, nehmen Sie sich der Weberin an; ich möchte gar zu gern daß sie ihr Glück machen könnte. Mann und Weib,[130] 5 Kinder und 450 Fl. Besoldung! – – Vergessen Sie nicht wegen Italien, auch wegen meiner nicht, Sie wissen meine Begierde und meine Passion. Ich hoffe es wird alles recht gehen, ich habe mein Vertrauen zu Gott, der wird uns nicht verlassen. Nun leben Sie recht wohl und vergessen Sie nicht auf meine Bitten und Recommandationen.

Diese Briefe setzten den Vater sehr in Schrecken. Er erließ ein langes und sehr ernstes Schreiben. »Die Reise ging auf die Absicht, Deinen Eltern beizustehen und Deiner lieben Schwester fortzuhelfen, vor Allem aber Dir Ruhm und Ehre in der Welt zu machen, welches auch theils in Deiner Kindheit schon geschehen, theils in Deinen Jünglingsjahren und jetzt nur ganz allein auf Dich ankommt in eins der größten Ansehen, die jemals ein Tonkünstler erreicht hat, Dich nach und nach zu erheben. Das bist Du Deinem von dem gütigsten Gott erhaltenen außerordentlichen Talente schuldig und es kommt nur auf Deine Vernunft und Lebensart an, ob Du als ein gemeiner Tonkünstler, auf den die Welt vergißt, oder als ein berühmter Capellmeister, von dem die Nachwelt auch noch in Büchern lieset, – ob Du von einem Weibsbild etwa eingeschäfert mit einer Stube voll nothleidender Kinder auf einem Strohsack oder nach einem christlich hingebrachten Leben mit Vergnügen, Ehre und Reichthum, mit Allem für Deine Familie wohl versehen bei aller Welt in Ansehen sterben willst?« Darauf stellt er ihm vor, wie wenig er bis jetzt noch diesen Zweck der Reise erreicht habe und vor Allem, welcher Unsinn es sei, ein so junges Mädchen als Primadonna auf eine italienische Bühne bringen zu wollen; dazu gehöre Zeit und große Vorbereitung. Auch sei es seiner völlig unwürdig, so mit fremden Leuten in der Welt umherzuziehen und auf gut Glück ums Geld zu componiren. »Fort mit Dir nach Paris und das bald! Setze Dich großen Leuten an die Seite – aut Cæsar aut nihil! Der einzige Gedanke Paris zu sehen hätte Dich vor allen fliegenden Einfällen bewahren sollen.« Darauf antwortet nun Wolfgang.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 129-131.
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