Der kunstreiche Hund.

[6] Ein Gedicht.


O Musen! ich will Euch ein Dankopfer bringen,

Helft mir nur den Groß-Buzigannerl besingen,

Von dem man so Vieles und Schönes erzählt,

So daß seines gleichen ist nicht in der Welt.


Ich hab ihn, den Gott aller Hunde, gesehen

Und kann, ohne Furcht eine Sünde zu begehen,

Euch schwören, daß ich seines gleichen nie fand,

Und dieß sey gesagt allen Hunden zur Schand.


Nun werdet Ihr wohl vor Begierde fast brennen,

Den Phönix der Hunde genauer zu kennen,

Ihr sollt alles wissen; nur laßt mir auch Zeit.

Das Sprichwort sagt: Ja, nach und nach kommt man weit.


Drum bitt' ich recht sehr, meine Herren und Damen,

(Denn glaubt, selbst mein Herz ist schon vollends in Flammen,)[6]

Doch lagert Euch nur unterdessen ins Gras,

Ich nehm eine Prise und putz meine Nas'.


Und fang unsern Helden dann an zu besingen

So rührend, daß es Euch aus Herze wird dringen;

Nur bitt' ich, seyd stille und redet kein Wort,

Sonst bleib ich Euch stecken – und kann nimmer fort.


Nun dann, Buzigannerl, der König der Hunde,

Ist eine Frucht Wiens, doch ich weiß nicht die Stunde,

Noch Monath, noch Tag, als Zemir, die Mamma,

Zur Welt ihn gebracht; von dem gnädigen Papa

Ist uns nichts bewußt, weder Stand noch Name,

Nur daß er vom östreich'schen Adel herstamme.


Die Mutter Zemir hat das Tages-Licht erblickt

Dort, wo es Columben zum ersten geglückt,

Ein Land zu entdecken. Sie hatte an Jahren

Das sechzehnte kaum, ganz die Welt umfahren

Als ächte Vestalin, viel frischer als Eis

Und reiner als Schnee; denn ich mach Euch nichts weis.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


In diesem so unschuld'gen, glücklichen Stand

War es, daß sie eben im leichten Gewand

Am Ufer des Meeres ganz einsam spazierte,

In Grillen vertieft, mit sich selbst discurirte,

Als plötzlich ein Mann von sehr hübscher Gestalt

Und mittlerm Wuchs, nicht zu jung und nicht zu alt,

Ihr gen überstand. – Denkt Euch einmal den Schrecken! –

Sie zitterte – floh – und o Himmel! – blieb stecken

Im Roth – wollt sich helfen, – umsonst – denn sie fiel –

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


Denn Leser, du brauchst Mädchenkenntniß nicht viel,

Um leichtlich zu schließen, daß sie, da sie fiel[7]

Und in so sehr kritischer Lage sich wissen,

Sich wenigstens ohnmächtig anstellen müssen.


Als sie nun erwachte, sprang sie plötzlich auf

Und lies ganz dem Zorn und der Wuth vollen Lauf,

Sie nahm ihn beym Schopf – warf ihn nieder und ratschte,

Beohrfeigt' und maulschellte ihn, daß es klatschte.


Der arme Herr Ritter litt alles getrost,

Obwohl ihm nicht sonderlich schmeckte die Boßt;

Er dacht sich, sie wird sich doch endlich ermüden,

Es dauert ohnehin ja nichts ewig hienieden;

Und wie er dachte, so fügt' es sich's ietzt.

(Denn nur die Geduld hat ihn dies 'mal geschützt:)

Sie konnt' die Gelassenheit nimmer ertragen;

Mit liebvollem Bratzerl faßt sie ihn beim Kragen

Und küßt die noch brennenden Backen ohn' Maas

So daß er gar leicht all die Watschen vergas,

Womit die Schöne ihn so gnädig beehrte

Und, in der Geduld sich zu üben, ihn lehrte.

Er küßt ganz entzückt ihr dann Hand und Gesicht,

Läßt sie dann auf seinem Schoos sitzen und spricht:

O Schönste der Schönsten! – ich bitte, verzeihe

Mir doch das Verbrechen, denn sieh' ich bereue

Von Herzen die That, ach! die Schuld war nicht mein.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Quelle:
Mozartiana. Nach aufgefundenen Handschriften herausgegeben von Gustav Nottebohm, Leipzig 1880, S. 6-8.
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