Liebstes, bestes Weibchen! [4]

[88] Samstags Nachts um 1/211 Uhr.


Liebstes, bestes Weibchen! –1


Mit größtem Vergnügen und Freuden-Gefühle fand ich[88] bey meiner Zurückkunft aus der Oper Deinen Brief. Die Oper ist, obwohl Samstags allezeit wegen Posttag ein schlechter Tag ist, mit vollem Theater mit dem gewöhnlichen Beifall und Repetitionen aufgeführt worden. Morgen wird sie noch gegeben aber Montag wird ausgesetzt – folglich muß Süßmayer den Stoll Dienstag herein bringen, wo sie wieder zum ersten mal gegeben wird; ich sage zum ersten male, weil sie vermuthlich wieder etliche mal nach einander gegeben werden wird. Jetzt habe ich eben ein kostbares Stück Haasen zu Leib genommen, welches mir D. Primus (welcher mein getreuer Kammerdiener ist) gebracht hat – und da mein Appetit heute etwas stark ist, so schickte ich ihn wieder fort mir noch etwas, wenn es möglich ist, zu bringen. In dieser Zwischenzeit fahre ich also fort Dir zu schreiben. Heute früh habe ich so fleißig geschrieben, daß ich mich bis 1/22 Uhr verspätet habe – lief also in größter Eile zu Hofer (nur um nicht alleine zu essen wo ich die Mamma auch antraf. Gleich nach Tisch gieng ich wieder nach Hause und schrieb bis zur Operzeit. Leitgeb bat mich ihn wieder hinein zu führen und dies that ich auch. Morgen führe ich die Mamma hinein; das Büchel hat ihr schon vorher Hofer zu lesen gegeben. Bei der Mamma wirds wohl heißen, die schauet die Oper, aber nicht die höret die Oper. N.N. hatte heute eine Loge. N.N. zeugten über alles recht sehr ihren Beifall, aber Er, der Allwissende, zeigte so sehr den Bayern, daß ich nicht bleiben konnte, oder ich hätte ihn einen Esel heißen müssen. Unglückseeligerweise war ich eben drinnen als der 2te Act anfieng, folglich bei der feyerlichen Scene, – er belachte alles. Anfangs hatte ich Gedult genug ihn auf einige Reden aufmerksam machen zu wollen, allein – er belachte alles; – da wards mir nun zu viel – ich hieß ihn Papageno [89] und gieng fort – ich glaube aber nicht daß es der Dalk verstanden hat. Ich gieng also in eine andere Loge, worinn sich Flamm mit seiner Frau befand. Da hatte ich alles Vergnügen und da blieb ich auch bis zu Ende. Nur gieng ich auf das Theater bey der Aria, des Papageno mit dem Glockenspiel, weil ich heute so einen Trieb fühlte es selbst zu spielen; – da machte ich nun den Spaß, wie Schikaneder einmal eine Haltung hat, so machte ich ein Arpeggio – der erschrack – schauete in die Scene und sah mich – als es das 2te mal kam machte ich es nicht – nun hielte er und wollte gar nicht mehr weiter – ich errieth seine Gedanken und machte wieder einen Accord – dann schlug er auf das Glöckchenspiel und sagte halts Maul – alles lachte dann – ich glaube daß Viele durch diesen Spaß das erste mal erfuhren daß er das Instrument nicht selbst schlägt. Uebrigens kannst Du nicht glauben, wie charmant sich die Musik ausnimmt in einer Loge die nahe am Orchester ist – viel besser als auf der Gallerie. Sobald du zurück kömmst must Du es versuchen. –

Sonntag um 7 Uhr früh. – Ich habe recht gut geschlafen, hoffe daß Du auch recht gut wirst geschlafen haben. Ich habe mir mein halbes Kapaunerl, so mir Freund Primus nachgebracht hat, herrlich schmecken lassen. Um 10 Uhr gehe ich zu den Piaristen ins Amt, weil mir Leitgeb gesagt hat, daß ich dann mit dem Directeur sprechen kann, – bleibe auch beym Speisen da.

Primus sagte mir gestern Abends daß so viele Leute in Baaden krank seyen, ist das wahr? – Nimm Dich in Acht; traue nur der Witterung nicht. – Nun kömmt eben Primus mit der Ochsen-Post zurück, daß der Wagen heute schon vor 7 Uhr weggefahren ist und daß bis Nachmittag keiner abgehet – folglich hat all mein Nacht- und Frühschreiben nichts[90] genützt, Du bekömmst den Brief erst Abends, welches mich verdrüßt. Künftigen Sonntag komme ich ganz gewis hinaus – dann gehen wir alle zusammen auf das Casino – und dann Montag zusammen nach Hause. – Lechleitner war schon wieder in der Oper; wenn er schon kein Kenner ist, so ist er doch wenigstens ein rechter Lieb haber, das ist aber N.N. nicht – der ist ein wahres Unding – dem ist ein Dinée lieber. – Lebe wohl, Liebe! – ich küsse Dich Millionen mal und bin ewig Dein

Mozart.


P.S. Küsse die Sophie in meinem Namen; dem Süßmayer schicke ich ein paar gute Nasenstüber und einen braven Schopfbeitler, dem Stoll 1000 Complimente. Adjeu. Die Stunde schlägt – – lebe wohl! – wir sehen uns wieder!2

NB. Du must vermuthlich die 2 paar gelbe Winterhosen zu den Stiefeln in die Wäsche geschickt haben, weil ich und Joseph sie vergebens suchten. – Adjeu.

Fußnoten

1 Vgl. O. Jahn, 2. Ausg. II. 724.


2 Worte aus der Zauberflöte. (Nr. 19. Terzett.)


Quelle:
Mozartiana. Nach aufgefundenen Handschriften herausgegeben von Gustav Nottebohm, Leipzig 1880, S. 91.
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