Liebstes, bestes Weibchen!

[27] Liebstes, bestes Weibchen!


Warum habe ich denn gestern Abends keinen Brief bekommen?[27] damit ich länger des Baades wegen in Aengsten leben muß? – dieses und noch etwas verdarb mir den ganzen gestrigen Tag; – ich war Vormittag bei N.N. und er versprach mir Parole d'honneur zwischen 12 und 1 Uhr zu mir zu kommen, um alles in Ordnung zu bringen. Ich konnte also deßwegen nicht bey Puchberg speisen, sondern mußte warten, – ich wartete – es schlug halb 3 Uhr, – er kam nicht, ich schrieb also ein Billet und schickte das Mensch zu seinem Vater, – ich gieng unterdessen zur ungarischen Krone, weil es überall zu spät war – sogar da mußte ich alleine essen, weil die Gäste alle schon fort waren – in den Aengsten, die ich Deinetwegen hatte und dem Unwillen des N.N. wegen, kannst Du Dir mein Mittagessen vorstellen, – hätte ich doch nur eine Seele gehabt zu einem kleinen Trost. – Für mich ist es gar nicht gut alleine zu seyn, wenn ich etwas im Kopf habe, – um halb 4 Uhr war ich schon wieder zu Hause – das Mensch war noch nicht zurück – ich wartete – wartete – um halb 7 Uhr kam sie mit einem Billet. – Warten ist gewiß allezeit unangenehm – aber noch viel unangenehmer wenn die Folge davon der Erwartung nicht entspricht – ich las lauter Entschuldigungen, daß er noch nichts bestimmtes hätte erfahren können, und lauter Betheuerungen, daß er mich gewiß nicht vergessen und ganz gewiß Wort halten würde, – ich gieng dann um mich aufzuheitern zum Kasperl in die neue Oper der Fagottist,1 die so viel Lärm macht – aber gar nichts daran ist. – Im Vorbeigehen sah ich nach ob nicht Löbel2 im Kaffeehause sey – aber auch nicht. – Zu Nacht esse ich (um nur nicht alleine zu seyn)[28] wieder bey der Krone, – da hatte ich doch wenigstens Gelegenheit zu reden – gieng dann gleich zu Bette – um 5 Uhr früh war ich wieder auf – zog mich gleich an – gieng zu Montecuculi – diesen traf ich – dann zu N.N. der war aber schon ausgeflogen – mir ist nur leid daß ich unverrichteter Sache wegen Dir nicht heute früh schreiben konnte – ich hätte dir gerne geschrieben! –

Nun gehe ich hinaus zu den Rehbergischen, zur großen Freundschaftstafel – hätte ich es nicht so feyerlich versprochen und wäre es nicht so äußerst unhöflich auszubleiben, so würde ich auch da nicht hinausgehen – doch was würde es mir auch nützen? – nun fahre ich auf Morgen weg von hier und zu Dir hinaus! – wenn nur meine Sachen in Ordnung wären! – wer wird nun anstatt meiner den N.N. stupfen? – wird er nicht gestupft, so wird er kalt – ich war nun alle Morgen bey ihm sonst würde er nicht einmal das gethan haben, – ich bitte Dich gehe heute nicht auf die Casino wenn auch die Schwingenschu hinaus kommen sollte. – Spare es bis ich bey Dir bin. – Wenn ich nur schon Nachricht von Dir hätte! – nun ist es halb 11 Uhr und um 12 Uhr wird schon gespeist! – nun schlägt es 11 Uhr! – nun kann ich nicht mehr warten! – Adieu liebes Weibchen, liebe mich wie ich Dich, ich küsse Dich 2000mal in Gedanken.


Sonntag.

Ewig Dein

Mozart.

Fußnoten

1 Kaspar der Fagottist, Oper von Wenzel Müller, zum ersten Mal aufgeführt am 8. Juni 1791.


2 Vielleicht Loibl, Freimaurer und Freund Mozart's.


Quelle:
Mozartiana. Nach aufgefundenen Handschriften herausgegeben von Gustav Nottebohm, Leipzig 1880, S. 29.
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