VIII.

Koncertreisen.

(Frühjahr 1824 – Herbst 1825.)

Franz beginnt eine Operette in Musik zu setzen. Wolken. Kabalen. Reiseprojekte. Frau Liszt kehrt nach Österreich zurück. England. Auftreten in London. In den Salons; im Koncertsaal. Beendigung der Operette. Rückkehr nach Paris. Freuden. Reise in die französischen Departements. Zum zweiten Mal England. Erwachendes Selbstbewußtsein. Seine Reife. Widerwillen gegen den Virtuosenberuf. Pièrre Rode. Seines Vaters Gesundheit wird schwankend.


Adam Liszt bemerkte mit freudiger Genugthuung die sich entwickelnde Künstlerkarrière seines Sohnes. So hatten sie seine künstlerischen Träume nicht zu hoffen gewagt. Franz stand auf der Höhe damaliger Virtuosität. Ruhm und Auszeichnungen strömten ihm zu und auch an pekuniären Erfolgen fehlte es nicht; er hatte sogar Ersparnisse machen und seine ersten tausend Gulden an die fürstlich Esterhazy'sche Kasse zur Verzinsung senden können.

Und zu diesem äußern Glück trat noch hinzu, daß Franz's künstlerische Entwickelung, trotz seiner Nichtaufnahme am Konservatorium, nicht nur in kein Stocken gerathen war, sondern einen großen Ausschwung nahm. Sein Kompositionslehrer Paër fand feine Übungen in der Komposition so vielversprechend, daß er nach Verlauf einiger Monate den Knaben zum Komponiren eines kleinen Librettos ermunterte, was von diesem mit Feuereifer ergriffen und von seinem Vater nicht minder freudig begrüßt wurde. Hatte doch auch Mozart ein solches als Knabe komponirt: »La finta semplice«.

Schon in den ersten Monaten dieses Jahres (1824) wurde der wiener »Allgemeinen musikalischen Zeitung« aus Paris geschrieben:


[66] »Der junge Ungar, der seit einiger Zeit ganz Paris durch sein musikalisches Talent in Erstaunen setzt, der elfjährige1 Franz Liszt, will eine Oper komponiren. Mehrere von unsern dramatischen Dichtern haben sich eifrigst bestrebt sich den Triumphen, die seiner auf der Bühne warten, zuzugesellen.«


Dem war so. Kaum, daß des Knaben Wunsch nach einem Operntext laut geworden, als sich auch verschiedene Dichter einfanden ihm ihre Libretti zu empfehlen. Er entschied sich für einen einaktigen, von dem fruchtbaren, jetzt aber vergessenen Dichter Théaulon verfaßten Operntext. Théaulon war wohl kein Dichtergenie, aber ein tüchtiger Reimschmied, der die allgemeinen Forderungen des Tages verstand und für die Bühne viel gearbeitet hatte – nicht weniger als dreihundert Stücke! Darunter ein im Auftrag des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen gedichteter und von Spontini in Musik gesetzter Operntext.

Der Titel des von Franz Liszt gewählten Textes war: »Don Sancho ou Le Château de l'Amour«.

Es läßt sich kaum denken, daß Théaulon's Dichtung großen Anspruch an Poesie erhob – leider ist keine Spur mehr von ihr aufzufinden – dagegen läßt sich mit Gewißheit annehmen, daß sie regelrecht nach den dramatischen Gesetzen des klassischen Parnasses der Académie Française verfaßt war, und die im »Liebesschloß« sich bewegenden Figuren hübsch wie aus Holz gedreht einher stolzirten. Für die jugendliche Einbildungskraft des Knaben war die Dichtung jedenfalls sehr anziehend und mit dem stürmischen Enthusiasmus seines Wesens begann er sie unter Paër's Leitung in Musik zu setzen.

Diese Freuden blieben Adam Liszt nicht ungetrübt. Er war nicht eitel genug und dabei zu klug, vor allem ein zu gewissenhafter Vater, um sich ihnen blind hingeben zu können. Einestheils stiegen Besorgnisse in ihm auf, das gegenwärtige, wenig gesammelte Leben könne verflachend auf Franz zurückwirken und späteren höheren Zielen entgegentreten, anderntheils war er nicht gern in Paris. Als Ungar hierher verpflanzt war er überhaupt viel zu sehr Neuling im Welttreiben, speciell im musikalischen Leben, wie es ihm hier entgegentrat, wo sich Hunderte von Fäden tagtäglich[67] zufällig durchkreuzen und Hunderte tagtäglich im Stillen feindlich durchkreuzt werden, um sich wohl fühlen zu können. Sein Unbehagen aber steigerte sich, als diese Faden anfingen auch Franz in ihre Tagesarbeit zu ziehen und er die Kehrseite des Ruhms, Neid und Kabale, in ihrer kleinlichsten Gestalt kennen lernen mußte.

In der ersten Zeit ihres pariser Aufenthaltes schien sich das durch den jugendlichen Aar zurückgedrängte Alltagsgeschlecht der Pianisten und Virtuosen in dem Gedanken zu beruhigen, daß seine Jugend ihn ungefährlich mache. Sein sich steigernder Flug nahm ihm jedoch bald diese Beruhigung, und in gehässiger Weise suchte es seines Ruhmes Fittige herabzudrücken. Schmäh- und Drohbriefe liefen bei Adam Liszt ein, und öffentliche Herabsetzungen und Verdächtigungen, die ihre Verbreitung sogar über den Rhein herüberfanden, blieben nicht aus. Welcher Art diese Erfindungen waren, theilt der damalige pariser Berichterstatter der Musikzeitschrift »Cäcilie« mit, dessen Referat auch nebenbei einen Blick in die Charlatanerie werfen läßt, welche mit der während der Virtuosenepoche in Mode stehenden, jetzt glücklich aus unserem Koncertsaal gänzlich verbannten »freien Phantasie« getrieben wurde. In der »Cäcilie« lesen wir:2


»Der Zorn der Bärtigen (der Kinder Israels), welche sich hier die Auserwählten auf dem Fortepiano halten, über diesen Unbärtigen (Liszt) ist groß. Sie schreien: kreuziget, kreuziget ihn! Es heißt sogar, einer derselben, dem aus eigener Erfahrung bekannt ist, daß zum Improvisiren zwei Personen gehören, der Improvisator nämlich und der Gevatter (»Compères« so heißen im Französischen die theilnehmenden Freunde, welche mit dem Charlatane einverstanden sind und ihnen das Geld des Publikums in die Taschen zu spielen verstehen), habe den Gevatter des Wunderkindes bestochen, damit dieser ein anderes als das verabredete Thema geben möge. Dies sei geschehen; aber das Kind habe das fremde Thema besser variirt, als sein böser Feind die Themen zu variiren vermöge.«


Konnten auch die von den zweifelhaften Söhnen Apolls in der Form kleinlichen Klatsches auf »le petit Litz« abgeschossenen Pfeile nicht treffen und seine Stellung weder gefährden noch den Flug seiner Entwickelung stören, so war sein Vater in Folge dieser[68] Feindseligkeiten doch so verstimmt, daß die pariser Atmosphäre ihm unerträglich wurde.

Ein glücklicher Umstand enthob ihn bald derselben. Es ging die Koncertsaison zu Ende und um diese Zeit traf es sich, daß sein Freund Sebastian Erard, welcher in London eine große Filiale seiner Pianoforte-Fabrik besaß, dahin reiste und ihn mit Franz zur Begleitung aufforderte. In London war die musikalische Saison noch nicht ganz vorüber und naturgemäß konnte sich da die Karrière, n welche Franz durch seine Nichtaufnahme im Konservatorium gedrängt worden war, fortsetzen.

So wurde denn beschlossen eine Koncertreise nach England zu unternehmen. An sie sollte sich eine andere in die Departements Frankreichs anschließen. Die Operette allerdings war kaum zur Hälfte fertig. In England sollte sie beendet werden.

Dieser Entschluß rief im Liszt'schen Familienleben eine Veränderung hervor. Um die freie Bewegung der künstlerischen Unternehmungen nicht zu erschweren, ordnete Adam Liszt an, daß seine Frau auf unbestimmte Zeit nach Österreich zurückkehren und bei einer Schwester in Grätz in Steiermark bleiben solle, bis die Koncerttouren beendet seien.

Das gab einen schweren Abschied – für Franz war er ein empfindlicher. Er stand in dem Alter, das der Mutterliebe mehr als der Mutterpflege bedarf. Doch dafür hatte sein Vater kein Verständnis. Seine Anordnung war nicht frei von dem Gedanken, daß es für Franz besser sei ihn für einige Zeit nur unter seine männliche Obhut zu stellen. Er fürchtete, daß bei den Hätscheleien der Frauen im Salon die weiblichen Einflüsse ein zu großes Übergewicht gewinnen und die zwischen Mutter und Sohn bestehende innige Liebe letzteren verweichlichen könne. Ohne Welterfahrung verstand er nicht, daß die männliche Jugend in einer nur männlichen Umgebung viel mehr den Irrthümern des Gefühls ausgesetzt ist, als wenn Mutterliebe sie umgiebt. Es lag überhaupt nicht in seinem Charakter, bestimmten Zielen und gefaßten Entschlüssen gegenüber dem Persönlichen eine Stimme zu erlauben.

Ein mehrjähriges Wanderleben breitete sich von da vor Adam Liszt und seinem Sohne aus – Niemand von ihnen war sich dessen so ganz bewußt. Und als Gatte und Gattin sich von einander trennten, ahnte keines von Beiden, daß es für sie kein Wiedersehen auf Erden gab.[69]

Im Mai 1824 wurde die Reise nach England unternommen. London war das ausschließliche Ziel derselben.

Adam Liszt verlor hier bald seine Verstimmung. Die Verhältnisse sagten ihm mehr zu und es kam ihm vor, als stünde er auf sichererem Boden als in dem leichtlebigen Paris mit seinem ewigen Vibrato. Mit einem Wort, er fühlte gefunden Boden unter seinen Füßen und athmete auf. Waren auch die Salonbeziehungen zum Virtuosen dieselben wie in Paris, so waren sie Franz gegenüber nicht dieselben wie dort. Dort war er der Heros des Tages, das Hätschelkind der vornehmen Frauen, hier war er überall Master Liszt, ein für sein Alter unvergleichlicher und mit den Gaben des Genies ausgestatteter Virtuos. Das Tändeln und das Spielen mit dem Knaben fiel weg. Der Enthusiasmus war in Schranken gehalten. Kein heißes und kein leicht bewegliches Naturell zwang den Engländer einen Schritt über das Maß seiner gesellschaftlichen Form hinauszugehen. In den höheren Kreisen standen alle persönlichen Gunstbeweise hinter der unübersteiglichen Mauer der Etikette. Und war dann doch einmal ein Element in der Gesellschaft, dessen Unmittelbarkeit der Empfindung sich äußern wollte, so wußten die Wächter der Etikette jeden Schritt über die Vorschrift, oft in originellster Weise, zu verhüten, wie einmal Chopin gegenüber, dem sie das Klavier unter den Fingern wegrücken ließen, weil ein Glied der königlichen Familie, gelockt von des Zauberers Tönen, sich dem Instrument zu sehr genähert hatte und sie glaubten, es fehle ihm an freiem Raum sich zu bewegen.

Das Koncertiren des jungen Virtuosen beschränkte sich in London wie in Paris überwiegend auf Privatkreise, besonders in der vornehmen Gesellschaft. Seinen Glanzpunkt bildete hier sein Auftreten am Hofe Georg's IV., wo sein Erfolg ein unglaublicher war und er sich die Gunst dieses Königs erwarb.

Öffentlich spielte er nur einigemal, aber machte da wie dort Sensation. Wahrend derselben Saison – fast zu gleicher Zeit mit ihm – lenkten noch zwei hervorragende frühzeitig Virtuosen die Blicke der musikalischen Gesellschaft Londons auf sich: der kleine Aspull aus Manchester, aus dem die Engländer so gern einen Mozart Brittanicus machen wollten, eine Hoffnung, die sich in keiner Weise gerechtfertigt hat, und dann die kleine gefühlvolle und talentirte Delphine Schauroth aus München, dieselbe, welcher in späteren Jahren Mendelssohn sein Gmoll-Koncert gewidmet[70] hat. Allein weder der junge Aspull noch die kleine Delphine konnten mit ihm wetteifern3. Er saß auf dem Pegasus, sie auf Steckenpferdchen.

Sein erstes öffentliches Koncert in London war am 21. Juni 1824.

Obwohl gerade an diesem Tag die vornehme und kunstliebende Welt durch einen großen Rout bei einem der englischen Prinzen und eine Benefiz-Vorstellung der gefeierten Sängerin Giuditta Pasta, die zu dieser Zeit in London gastirte, von dem Besuch seines Koncertes abgehalten war, fand sich dennoch eine zahlreiche, und musikalisch maßgebende Zuhörerschaft ein. Clementi, Cramer, Ries, Neste, Griffin, Kalkbrenner, Potter, Latour und andere Virtuosen standen am Instrument und bildeten gleichsam den Einfassungsrahmen zu »Master Liszt vor seinem Erard in London«. Er spielte als erste Nummer ein Koncert von Nepomuk Hummel mit Orchester, letzteres dirigirt von Sir G. Smart. Der anhaltendste Applaus folgte und einstimmig riefen ihn die Künstler, die seinem Vortrag mit Aufregung gefolgt waren, wiederholt hervor.

In diesem Koncert trat er auch als Improvisator auf. Hatte er als Virtuos sein Auditorium zur größten Bewunderung hingerissen, so versetzte er es jetzt in ein namenloses Erstaunen, zumal man ihm ein Thema gegeben hatte, das ihm noch fremd war und ihm erst von einem der Künstler vorgespielt werden mußte. »The Morning Post«4 referirt hierüber, daß, nachdem Sir Smart das Publicum um ein Thema »on wich Master Liszt could work« gebeten, endlich nach langer Pause eine Dame: »Zitti-Zitti« – ein Terzett aus Rossini's »Barbier« – gerufen und der junge Improvisator verstanden habe sogar eine Fuge aus ihm hervorspringen zu lassen.

Über solche Thaten des Genies war die musikalische Gesellschaft Londons ebenso erstaunt wie die Pariser und Alle, die Zeugen von ihnen waren. Die Tagespresse, sowie die Tradition haben viele derselben aufbewahrt, auch manche, die im gesellschaftlichen Rahmen stehen. So erzählte man sich, daß er mit andern Künstlern zu einer Soirée eingeladen war. Er kam sehr spät und ein namhafter[71] Pianist hatte sich diesen Abend bereits hören lassen, doch ohne zu fesseln. Nun wurde der junge Virtuos aufgefordert zu spielen. Sogleich setzte er sich aus Instrument und rief das Entzücken aller Anwesenden hervor. Er hatte auswendig, jener nach Noten gespielt. Hinter dem Fächer aber zischelte man sich Vergleiche über beide Virtuosen zu, die alle zu Gunsten Master Liszt's ausfielen. Die Freunde des andern Pianisten wollten ihn vertheidigen und gaben die Schuld dem sterilen und trockenen Charakter der Komposition. Zufällig griff bei diesem Plaidoyer Signora Pasta, die zugegen war, nach dem noch aus dem Pulte liegenden Notenheft und die Noten lesend erkannte sie, daß beide Vorträge ein und dasselbe Stück waren.

Nachdem die Saison vorüber war, blieb Adam Liszt, mit seinem Sohn sich ins Privatleben zurückziehend, bis Anfang des Jahres 1825 in London – für Beide eine ruhige Zeit, während welcher Franz nach einem von seinem Vater entworfenen Arbeitsplan feine Klavier- und Kompositionsstudien fortsetzte. Daneben erlernte er die englische Sprache, die er sich mit Leichtigkeit – auch die französische machte ihm keine Schwierigkeiten – aneignete.

Insbesondere jedoch beschäftigte ihn sein »Don Sancho«, den er in London fertig komponirte. Die Beendigung desselben verlangte eine Rückreise nach Paris. Paër sollte Einsicht in die Operette nehmen, seine Kritik abgeben und ihm bei ihrer Instrumentirung zur Seite stehen. Und dann, plante man weiter, sollte das Werkchen der Intendantur des Theaters der Académie royale zur Aufführung vorgelegt werden. Schwer entschloß sich Adam Liszt zu dieser Rückkehr, und doch mußte sie wegen der künstlerischen Laufbahn seines Sohnes sein. Der aber freute sich derselben; denn das stille, wenig anregende Leben, das in der großen Inselstadt geführt wurde, stand im Widerspruch mit seiner des Wechsels bedürftigen jugendlichen Natur. Wie jubelte er darum auf, als sie Anfang des Jahres 1825 den Kanal passirten und er das ernste, dunkle London hinter sich hatte, als er wieder in dem heiter bewegten, lachenden Paris einzog! Und wie noch mehr jauchzte er auf vor Freude, als Meister Paër nach Durchsicht des »Don Sancho« eine öffentliche Aufführung desselben billigte und endlich gar, um das Glück voll zu machen, die Intendantur der Académie royale sich zur Annahme desselben bereit erklärte. Die Aufführung sollte im Oktober sein.[72]

Bis aber alle diese Angelegenheiten geordnet waren, verging eine geraume Zeit. Inzwischen trat Franz wieder vielfach in den Salons auf, wo man die Ankunft des »petit Litz« freudig begrüßte. Der Enthusiasmus für sein »unvergleichliches« Spiel war derselbe geblieben, auch der Enthusiasmus für feine Person. Tage, Wochen – sie glichen einer ihm dargebrachten Huldigung. Als nun aber der letzte Zweck der Reise nach Paris erreicht war – die Annahme zur Aufführung der Operette –, war auch Adam Liszt bereit die schon früher projektirte Koncerttour durch die Departements Frankreichs mit seinem Sohn anzutreten.

Diese Reise begann gegen das Frühjahr 1825. An sie schloß sich eine zweite nach England an. Beide Reisen füllten die Zeit bis zur Aufführung des»Don Sancho« aus.

Auf der Tour durch Frankreich wurden die Städte Bordeaux, Toulouse, Montpellier, Nîmes, Lyon, Marseille und andere besucht. In England spielte er diesmal nicht nur in London, sondern auch in Städten der Provinz. Als historisches Erinnerungsblatt, diesem letzteren Koncertiren in England angehörend, kann beifolgendeshandbill gelten, auf welchem an der Spitze des Programms eine von dem Knaben komponirte »Große Ouvertüre für Orchester« überrascht (bezüglich ihrer IX. Kapitel), deren Spur vielleicht nur noch in dieser Anzeige vorhanden ist. Es lautet:


Theatre-Royal, Manchester.

Thursday, June 20, 1825.


MESSR. WARD AND ANDREWS

Have great pleasure in announcing that they have succeeded (at a great expense) in engaging


Master Liszt,

Now only twelve years old;


Who is allowed by all those that have witnessed his astonishing Talents to be the greatest Performer of the present day on the


PIANO FORTE.


The Concert will commence with the highly celebrated


[73] »OVERTURE TO DER FREISCHUTZ,«


Composed by C.M. von Weber,

Which received the most decided marks of Approbation at Mr. HUGHES' CONCERT, on Monday Evening last.

Recitative and Song – »The Eagle o'erthe Victor's head.« –


Mr. ROYLANCERook.


Duet – »Gay being born.« – Messrs. BROADHURST &


ISHERWOOD.Dale.


Song – »Una voce poco fa.« – Miss SYMONDS. – Rossini.

Air, with Grand Variations and Orchestral Accompaniments, composed by Czerny will be performed by (Reichstardt Valse)


MASTER LISZT,


On ERARD'S New Patent Grand Piano Forte of Seven Octaves.

Ballad – »My aine kind Dearie O!« – Mr. BROADHURST.

Round – »Yes, this the Indian Drum.« – Miss SYMONDS,


Messrs. ROYLANCE, BENNET, &


ISHERWOOD.Bishop.


Grand Concerto (a minor), with Orchestral Accompaniments, composed by Hummel, will be performed on

ERARD'S NEW PATENT GRAND PIANO FORTE, by MASTER LISZT.


PART SECOND.


MASTER BANKS,

(Only Nine Years old, Pupil of Messrs. Ward and Andrews,


Will have the honour of making his first appearance before the Manchester Public, and lead,

ON THE VIOLIN, the favourite


»OVERTURE TO LODOISKA,«


Composed by Kreutzer.

Song – »The Spring with smiling face.« –


Mr. ISHERWOOD.Shield.


Duet – »When thy Bosom.« – Miss SYMONDS &


Mr. BROADHURST.Braham.


[74] An Extempore Fantasia on the Grand Piano Forte by


MASTER LISZT,


Who will respectfully request a written THEMA from any Person present.

Song – »A Compir.« – Violin Obligate, Mr. CUDMORE,


Miss SYMONDS.Guglielmi.


Scotch Ballad – »John Anderson my Jo.« – Mr. BROADHURST.

Glee – »Mynheer Vandunck.« – Messrs. BENNETT,

ROYLANCE and ISHERWOOD.Bishop.


LEADER ... Mr. CUDMORE.

PRINCIPAL SECOND VIOLIN ... Mr. A. WARD.


Mr. R. ANDREWS will preside at the GRAND

PIANO FORTE.


The Orchestra will be completed on the following Grand Scale: 12 Violins, 4 Tenors, 6 Basses, 2 Flutes, 2 Oboes, 2 Clarionets, 4 Horns, 2 Trumpets, 2 Bassoons, 3 Trombones, and Drums. And to afford every possible advantage to the Voices and Instruments, the Orchestra will be so constructed that they will be satisfactorily heard in every, part of the House.

Tickets may be had at all the Music Shops and principal Inns. Mr. ELAND will attend at the Box Office on Monday and Tuesday preceding the Concert, and on Thursday, the day of Performance, from 11 to 2 o'clock each day.


The Doors to be opened at Six o'Clock, and the Concert to commence at Seven precisely.


Boxes, 5 s. – Upper Boxes, 4 s. – Pitt, 3 s. – Gallery, 2 s.

The SECOND CONCERT will take place on MONDAY, the 20th instant.


Diesem Koncert am 20. Juni 1825 in Manchester, war eines am 16. Juni, in welchem Master Liszt mitwirkt hatte, vorausgegangen, und welches ebenfalls eine interessante Physiognomie zeigt:

[75] SECOND GRAND CONCERT.

Theater-Royal, Manchester.


Monday, June 16, 1825.


A NEW GRAND OVERTURE,

COMPOSED BY. THE CELEBRATED

Master Liszt,

Will be performed (for the First Time in Public) by the Full Orchestra.


MASTER BANKS,


(Only Nine Years old), Pupil of Messrs. Ward and Andrews,

Having received the most decided Marks of Approbation at the First Concert, on Thursday Evening last, will have the honour of LEADING, on the VIOLIN, the favouriteOverture to Tancredi, composed by Rossini.Mr. BROADHURST will (by particular desire) sing


»JOHN ANDERSON, MY JO!«


And several of his most Popular Ballads.

AIR, with Grand Variations by Herz, will be performed on the Grand Piano Forte by


MASTER LISZT,


Who will likewise perform an EXTEMPORE FANTASIA, and respectfully request Two Written Themes from any the Audience, upon which he will play his Variations.

Glee, »Hark the Curfew's Solemn Sound,« accompanied on the Harp by Mr. T. HORABIN.

The admired Hunting Chorus from Der Freischutz,

With the Orchestral Accompaniments.

A GRAND QUINTETTE, composed by Ries, will be performed by Master LISZT, and Messrs. Cudmore, E. Sudlow, Sudlow and Hill.


PRINCIPAL PERFORMERS.

MASTER LISZT, (only Twelve Years of age), allowed to be the greatest Piano Forte Player of the present day.

Miss SYMONDS, (from the Nobility's Concert.)

[76] MASTER BANKS, (only Nine Years old), Pupil of Messrs. Ward and Andrews.

Mr. BROADHURST.

Messrs. ROYLANCE, BENNETT, & ISHERWOOD.


LEADER ... Mr. CUDMORE.

PRINCIPAL SECOND VIOLIN .. Mr. A. WARD.


Mr. R. ANDREWS will preside at the GRAND PIANO FORTE.

The Orchestra will be numerous and complete.


Tickets and Places may be had of Mr. ELAND, at the Box Office, on Saturday and Monday next, from Eleven to Two o'Clock each day.


The Doors to be opened at Six o'Clock, and the Performance to commence precisely at SEVEN.

Boxes, 5 s. – Upper Boxes, 4 s. – Pit, 3 s. – Gallery, 2 s.

Bills, containing the words, will be given at the Doors of the

Theatre, on the Evening of Performance.


Auch nach Castle Windsor vor Georg IV. ward der Künstlerknabe wieder zum Vorspielen eingeladen. Der König war so entzückt von demselben, daß er den jungen Virtuosen auch durch den Besuch eines Koncertes, welches dieser im Drurylane-Theater in London gab, auszeichnete und bei dieser Gelegenheit sogar die Wiederholung einer Pièce befahl.

Im Ganzen war der gegenwärtige Aufenthalt in London kurz. Doch nahm der junge Liszt einen jener großen nicht leicht zu verwischenden Eindrücke mit fort, die außer ihm mancher Komponist hier empfangen und deren geistige Spuren oftmals später, wenn auch in ganz anderer Gestalt, wieder nach außen treten – bei dem einen als Engels-, bei dem andern als Kinderchöre. Im Dom zu St. Paul hörte er einen der Kinderchöre, deren Pflege zu den englischen volkserziehlichen Specialitäten gehört, und die aus 7–8000, oft auch mehr5 Kindern (Schüler von Freischulen)[77] zusammengesetzt geistliche Lieder einstimmig vorsingen. Der Komponist der »Schöpfung«, der des »Paulus«, sogar der Repräsentant der französisch-musikalischen Romantik – Haydn, Mendelssohn, Berlioz waren, solche Chöre in demselben Dom hörend, gepackt, voll Staunen und Rührung. Ebenso erging es dem jungen Liszt, welcher bis jetzt wohl alles gehört hatte, was die Kunst an großartigen Aufführungen hervorbringen konnte, nur solche ergreifende Simplicität noch nicht. Die eigenthümliche Klangfarbe der Kinderstimmen – in dieser Masse – in den immensen Räumen von St. Paul ergriff ihn auf das heftigste und noch Tage nachher war ein tiefer, nahezu feierlicher Ernst an ihm bemerkbar.

Überhaupt war sein Wesen in letzter Zeit nicht mehr so unbefangen heiter. Er stand in seinem vierzehnten Lebensjahre, in dem Alter, in welchem beim Knaben ein Umschwung der physischen Entwickelung eintritt und der Drang zum Selbstgefühl und Selbstbewußtsein, der sich ebenso häufig schroff, wie in Zurückhaltung äußert, stark wird.

So konnte er plötzlich nicht mehr hören, wenn er»le petit Litz« genannt wurde. Er wollte als erwachsen gelten und fühlte sich auf einmal erwachsen und reif. Beziehungsweise hatte er Recht: er war über seine Jahre reif. Aber diese Reife war die göttlich eingeborene des Genies, die sich auf die Kunst und auf Dinge, die mit ihr im Zusammenhang stehen, bezog. Hier hatte er eine Schärfe des Erkennens und des Urtheils, wie sie im allgemeinen dem Menschen mehr am Ende als am Anfang seines Lebens zu eigen ist und auch dann nur zu eigen wird, wenn seine Begabung keine geringe war. Anders war es mit seiner Reife gegenüber dem Leben. Hat auch das Genie vor allen anderen Menschen den intuitiven Blick dem Leben in das Herz zu sehen, so stellt dieses sein Reisezeugnis doch nur denen aus, deren Jahre sie mit dem Born der Erfahrung bekannt und vertraut gemacht. Das Verständnis des Lebens will auch beim Genie durch sich selbst, das ist durch Zeit und Erfahrung, errungen sein. Ihm gegenüber war der junge Liszt, trotz seiner männlichen Reife in Sachen der Kunst, vielleicht noch weniger als ein vierzehnjähriger Knabe. Dabei jedoch hatte er durch seinen frühzeitigen, beständigen gesellschaftlichen Verkehr mit Personen aller Bildungs- und Gesellschaftsklassen, mit Künstlern, Gelehrten, Musikfreunden, mit Adel und Bürgerthum, sowie durch seiner Beziehungen als Virtuos zum Publikum bereits[78] eine weltmännische Schulung erlangt – weltmännischen Blick, weltmännischen Takt, die mit seiner inneren Unerfahrenheit des Lebens selbst im Kontrast standen.

Ebenso wie sein Selbstgefühl sich sträubte »klein« genannt zu werden, sing er an einen Widerwillen gegen sein öffentliches Auftreten, überhaupt gegen sein Koncertiren zu empfinden. Er wußte bereits, was der Enthusiasmus im Salon wie im Koncertsaal zu bedeuten hat; er wußte, was die Gesellschaft und die Menge vom Virtuosen erwartet – und nur der Unterhaltung zu dienen, dagegen fing sein erwachendes Kunstbewußtsein an sich aufzulehnen. Das fröhlich-kecke Plaudite!, das sonst nach gelungenem Vortrag auf seinem leuchtenden Knabenantlitz gelegen, begann zu verschwinden. Er ward zurückhaltend und um den noch kindlichen Mund legten sich, wenn auch leicht, die Linien stolzen Trotzes.

Auch Künstlerideale tauchten in dem jungen Künstlerherzen auf, die sich zum großen Theil im Widerspruch mit dem Virtuosenthum, wie er es kennen gelernt, befanden. Er begann zu ahnen, welche Stellung insbesondere der reifende Virtuos im allgemeinen zur Kunst einnehme. Die unbeschreiblich vielen, ja täglich neuen Berührungen, welche er mit Virtuosen aller Länder, aller Kunstarten und aller Bildungsgrade bereits gehabt – denn es gab kaum eine musikalische Berühmtheit in Europa, weder unter den Bühnensängern noch unter den Koncertisten, mit welcher der vierzehnjährige Knabe nicht schon musicirt oder auch sich producirt gehabt hätte – ließen ihn so früh erkennen, wie ferne meistens ihre Kunst von der Kunst war und wie hinter der Berühmtheit sich selbst die Ignoranz verbergen konnte.

So musicirte er in Bordeaux eines Abends mit andern Künstlern, unter ihnen eine Geigerkapacität und guter Komponist, in einer Gesellschaft. Man sprach von Beethoven und der berühmte Geiger erging sich enthusiastisch über ihn. Da setzte sich der junge Liszt an das Klavier, um eine Sonate Beethoven's zu spielen – alle, insbesondere aber der Geiger, welcher die Sonate sogleich zu erkennen schien, wußten ihrem Entzücken über sie nicht genug Ausdruck zu geben. Sie hatten sammt und sonders keine Ahnung davon, daß der sie durchschauende Knabe, zum inneren Schrecken seines Vaters, sie mystificirt und eine seiner eigenen Kompositionen gespielt hatte. Aus Herzensgüte, auch aus Weltklugheit, schwieg Franz darüber und ließ sich an seinem inneren[79] Triumphe genügen. Und erst nach dem Tode des Geigers – es war Pièrre Rode – nannte er dessen Namen.

Solche Äußerungen des wachwerdenden Bewußtseins waren es jedoch nicht allein, welche den Anfang der inneren mit der Übergangsepoche vom Knaben zum Jüngling verknüpften Umwälzungen ankündeten. Seine Stimmung, welche alle die Jahre hindurch getragen von rhythmischem Schwung nur heiteren Sonnenglanz zu athmen schien, verlor ihr Gleichgewicht. Räthsel spannen sich nach Innen. Ein schneller Wechsel von Stille und Heiterkeit, von körperlicher Müdigkeit und geistigem Sprühen trat auffallend hervor, und öfter ging er zur Kirche als sonst – sie war das Mutterherz, das fehlende, an das er sich legte.

Sein Vater beobachtete diese Vorgänge nicht ohne Unruhe und Ängstlichkeit. Doch hatte letztere ihre Ursache nicht allein in seiner Erfahrungslosigkeit gegenüber psychologischen Vorgängen und Entwickelungen, sondern ebensosehr in körperlicher Verstimmung, die ihn selbst ergriffen hatte. Seine gegen früher so ganz veränderte Lebensweise, verbunden mit den Einwirkungen ungewohnter Klimen, hatte schon seit seinem ersten Pariser Aufenthalt eine körperliche und gemüthliche Verstimmung bei ihm zur Folge, die ihm ein ruhiges Urtheil erschwerte und seinen Blick trüb machte. Er wurde Hypochonder; Befürchtungen stiegen in ihm auf und füllten seine Phantasie mit ängstlichen Bildern. Die bei seinem Sohne hervortretenden Symptome der beginnenden Übergangsepoche physischer Entwickelung faßte er weniger als mit dieser im Zusammenhang stehend auf. Er glaubte in ihnen Einflüsse anderer Art zu sehen, die er bekämpfen müsse, und wurde darum strenger gegen Franz, strenger im Überwachen seines Wesens, strenger in den Anforderungen an seine Thätigkeit.

Wolken stiegen am Horizont des Erziehungswerkes Adam Liszt's auf und der Grundton beider Gemüther war, wenn auch aus den verschiedensten Ursachen, in ein Schwanken versetzt.

Fußnoten

1 Er war übrigens 12 Jahre alt.


2 4. Heft 1824. »Allerlei aus Paris.«


3 Leipziger »Allgemeine musikalische Zeitung« 1824, No. 34.


4 June 23th, 1824.


5 J. Ella (»Musical Sketches abroad and at home.« London W. Reeves) spricht sogar von Chören von über 30000 Kindern. Auch mehrstimmige Sätze sollen von ihnen ausgeführt werden.

Quelle:
Ramann, Lina: Franz Liszt. Als Künstler und Mensch, Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1880, S. 66-80.
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