35.

[61] Bologna den 4ten augusti 1770


Ich schreibe dieses noch auf dem Bette. nicht aber daß mein rechter fuß gefährlich ist: Nein! gott Lob, dieser ist besser, obwohl itzt die Haut abgeht, und er so aussieht, als hätte ich die Kindsblattern gehabt. allein, nebst dem, daß ich diesen rechten fuß noch schone, um nicht eine neue geschwulst zu zuziehen, so kann nicht gehen, wegen dem Lincken fuß; bey dem ich über Nacht am Ballen und ein und andere zehen ein solcher starker schmerz und kleine geschwulst angesetzt, die schier gar dem Podagra gleich siehet, und mich zu gehen hindert. Nun komme schwärlich aus diesem Wirthshause unter 20 Duccatten, wenns nur kleckt. In gottes Nahmen, wenn man nur immer seine Haut davon bringt, holle der Plunder das geld!

Es war uns sehr traurig zu vernehmen, daß die Jungf: Martherl eine Lungensucht und abzehrung am Halß hat. Sie hat freylich schon immer so mager ausgesehen. solle man dann mit anfeuchtenden sachen einer so Jungen Person nicht zu Hilfe kommen können? – – Man kann halt nicht gewiß wissen, wo eine solche abzehrung herkommt. Es darf nicht allzeit eine Lungesucht seyn. Es giebt viele andere Ursachen, die dem Menschen eine Abzehrung zuziehen, sonderheit: beym frauenzimmer. Es ist also freylich hart zu helfen, wenn man die Ursache nicht ergründen kann. Ich kann Dich versichern, daß uns beyde diese Nachricht in eine grosse Betrübniß gesetzt hat. gott [61] Helfe ihr! – – wir empfehlen uns und wünschen von Herzen gute besserung.

Und ist der h: Stöckl also wirkl: närrisch? – – Es ist doch ganz was besonderes, daß ich die Ehre nicht hatte, so lange ich in Salzb: war, ihn in seinem rechten närrischen Wurm zu sehen. Ich bedaure seine frau von herzen. Das ist ganz gewiß ein unglücklicher zufall.

Ich danke der fr: Hagenauerin für die abschrift der Stritzsalben, wenigst ist es, wenn nicht irre, ihre Handschrift.

Wir haben noch keine Hitze, und ich bin frohe, dann sonst hätte ich beständig auf dem bette zu seyn, verzweifeln müssen.

Dem h: Johannes lass sagen, daß den Sgr. Bortolo Tiboni hart bis Venedig mehr sehen werde. Ich weis nicht ob ich es geschrieben habe, daß ich zu Neapl beym Banquier Boracini in einer abendgesellschaft den h: Obexer angetrofen, welcher Jesuiter geworden. Dieser tage war der b: Misliwetschek1 bey mir, dann der Castrat Manfredini, der bey uns im zimmer war, da er von Russland kam. auch war bey mir sein Bruder der Capellmeister Manfre dini2, und ein gewisser Schmid welcher in Bern Concert gegeben, den h: Schulz (dem wir uns empf:) gut kennen wird, der h: Misliwetschek hat die Scrittura in Mayland die erste opera des Carnevals 1772 zu machen, folglich ein Jahr nach dem Wolfgangerl. aus meinem letzten schreiben wirst umständlich gesehen haben, was die erste opera in Mayland ist, und wer die Sänger sind. Die zweyte opera wird die Nitetti seyn. lebet wohl, wir kissen euch 1000mahl und ich bin der alte dermahl ungedultige Podagrische

bettsitzer Mzt


unsere Comp: in und ausser dem Hauß.

Fußnoten

1 Der Opernkomponist J. Misliveczek (1737–1781).


2 Vincenzo Manfredini (1737–1799), der Verfasser der »Difesa della musica moderna«, der mit dem Petersburger Hof in nahen Beziehungen stand.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 62.
Lizenz:
Kategorien: