*55.

[88] Mailand, den 22. Decbr. 1770.


Am 19ten war die erste Probe am Theater, da sie den 17ten vorher im Redoutensaale war. Es ging, Gott Lob! recht gut. Gestern war Recitativ-Probe; heute wird eine zweyte Probe auf dem Theater und Montags die Hauptprobe seyn.

Was nun den 26sten, den Tag der Aufführung betrifft, so ist mein Trost, daß ich sehe, daß sowohl dieRecitanti als das Orchester zufrieden sind; und ich habe, Gott Lob! auch selbst noch Ohren. Ich stellte mich bey der Probe ganz zurück unter den Haupteingang, um es in der Ferne recht zu hören. Vielleicht aber waren meine Ohren zu partheyisch. Unterdessen sehen und hören wir, daß unsere guten Freunde lustig und vergnügt sind, und meinem Sohne mit Freuden gratuliren; die Uebelgesinnten hingegen sind nun stumm. Die größten und ansehnlichsten Kapellmeister dieser Stadt, Fioroni und Sammartino, sind unsere wahren Freunde, wie auch Lampugnani, Piazza Colombo etc. Folglich wird der Neid, oder vielmehr der Unglaube und die schlechten Vorurtheile, die Einige wegen der Composition unsers Sohnes hatten, wenig schaden können. Wenigstens hoffe ich, daß es das böse Schicksal des Hrn. Jomelli nicht haben wird, dessen zweyte Oper in Neapel jetzt so a terra gegangen ist, daß man gar eine andere dafür einsetzen will. Dieß ist nun ein so berühmter Meister, aus dem die Italiener einen erschrecklichen Lärmen machen. Es war aber auch ein wenig närrisch, daß er in einem Jahre zwey Opern auf dem nämlichen Theater zu schreiben unternommen, um so mehr, als er hat merken müssen, daß seine erste Oper keinen großen Beyfall hatte. Wir sind alle Abende eine Stunde nach Ave Maria seit dem 16ten bis 11 Uhr in der Oper; nur die Freytage ausgenommen.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 88-89.
Lizenz:
Kategorien: