4. [an die Schwester][5] 1

Mich freuet es recht von ganzen Herzen, das du bey dieser schlittenfahrt dich so sehr ergözet hast, und ich wünsche dir Tausend gelegenheiten zur ergözung, damkt du recht lustig dein leben zubringen mögest. Aber eines verdrüst mich, das du den H: v. Mölk2 so unendlich [5] seufzen und leiden hast lassen, und das du mit ihm nicht schlittengefahren bist, damit er dich hätte umschmeissen könen: wie viel schnupsdichel wird er nicht den selbigen Tag wegen deiner gebraucht haben, vor weinen; er wird zwar schon vorher 2 Loth weinstein eingenommen haben, die ihm die grausame unreinikeit seines leibs, die er besizt, ausgetrieben wird haben. Neues weis ich nichts als das H. gelehrt3 der poet zu Leipzig gestorben ist, und dan nach seinen Doth keine poesien mehr gemacht hat. Just ehe ich diesen brief angefanget habe, habe Ich eine aria aus dem Demetrio4 verfertiget, welche anfängt so:


Misero tu non sei:

Tu spieghi il tuo Dolore

e se non dessti amore

Ritrovi almen pietà.


Misera ben so io

che nel secreto laccio

amo, non spero e taccio

el' idol mio nol sà.


Die opera zu mantua ist hübsch gewesen, sie haben den Demetrio5 gespillet, die prima Dona singt gut, aber still, und wenn man sie nicht agiren sehte, sondern singen nur allein, so meinete man, sie singe nicht, dan den mund kan sie nicht erönfen, sonder winselt alles her, welches uns aber nichts neues ist, zu hören. La seconda Dona macht ein ansehen wie eingranadierer, und hat auch eine starke stime, und singt wahrhaftig nicht übel auf daß daß sie daß erste mahl agiret. Il primo uomo, il musico, singt schön, aber eine ungleiche stime, er nent sich Casselli. il secondo uomo ist schon alt, und mir gefält er nicht er nent sich: – – Tenor. einer nent sich [6] otini, welcher nicht übel singt aber halt schwer, wie alle italienischen Tenore, und ist unser sehr guter freund, der andere weis ich nicht wie er sich nent, er ist jung noch, aber nicht viel rares. primo ballerino. gut. prima Ballerina: gut, und man sagt, sie seyn gar kein Hund nicht, ich aber habe sie zwahr in der nähe nicht gesehen, die übrigen aber wie alle andern: Ein Crudeseer ist da gewesen, der gut springt, aber nicht so schreibt wie ich, wie die säu brunzen. das orchestro ist nicht übel gewesen. Zu Cremona das orchestro gut und der erste Violinist nennt sich Spangnoletto. prima Dona, nicht übel, schon alt glaub ich, wie ein Hund, singt nicht so gut, als sie agiert und ist die frau eines Violinisten, der bey der opera mit geigt, und nent sichMasi. die opera nent sich: La clemenza di Tito. seconda Dona, auf den Theater kein Hund, jung, aber nichts cars. primo huomo Musico cichognani. eine hübsche stime und ein schönes Cantable. Die andern zwey Castraten, jung, und pasabl. Tenor nent sich:non lo sò. Hat ein angenemes wesen an sich, sieht den le Roi: zu Wien. der zum Leman ist hinkomen, natürlich gleich: Ballerino primo gut, Ballerina prima gut, und ein sehr großer Hund. eine Tänzerin ist dort gewesen, die nicht übel getanz hat, und was das nich für ein Capo d' opera ist, ausser dem Theater, und in dem Theater kein Hund ist. die übrigen wie alle. ein Crudeseer ist auch dort gewesen, der bey einem jeden sprung einen streichen hat lassen. VonMilano kan ich dir wahrhaftig nicht viell schreiben, wir waren noch nicht in der opera, wir haben gehört daß die opera nicht geraden hat. aprile primo uomo singt gut, hat eine schöne gleiche stime, wir haben ihn gehört in einer kirchen, wo Just ein grosses fest war.Madam picinelli von paris welche bey unsern concert gesungete hat, agiert bey der opera: Monsieur Bicch, welcher zu Wien tanzte, tanzt hier zu Milano. Die opera nent sich : Di Done abbandonata. dieseopera wird bald aufhören und Sig. piccini6 welcher die zukünftige opera schreibt, ist hier in Milano: habe gehört, seine opera heist: Cesare in eccito: es sind auch feste [7] di Ballo hier: dan so bald die opera gar ist, nimt dan das fest di ballo seinen anfang: die Hausmeisterin des Conte de Firminans7 ist eine Wienerin, und vergangenen freitag haben wir dort gespeist, und zukünftigen Sontag, werden wir auch dort speisen. Lebe wohl, und küsse der mama in vece mia Tausend mal die Hände, massen ich bleibe dir bis in doth getreuer Bruder

Wolfgang De Mozart

Edler von Hochenthal

Freund es Zahlhausens.


Mailand den 26. Jener 1770.

Fußnoten

1 Dieser Brief dürfte gleichzeitig mit dem des Vaters vom 26. Januar nach Salzburg abgegangen sein. Die Briefe des Vaters vom 26. Januar und 3. Februar 1720 vervollständigen diese Mitteilungen Mozarts.


2 Ein Sohn des Salzburger Geheimen Rats und Hofkanzlers, war mit Mozart befreundet und in dessen Schwester unglücklich verliebt. Die Familie von Mölk gehörte zu dem engeren Bekanntenkreis der Mozarts. (S. auch Brief 66.)


3 Gellerts Dichtungen waren im Hause Mozart bekannt.


4 Ein häufig komponierter Operntext des im 18. Jahrhundert gefeierten Librettisten Metastasio.


5 »Demetrio« wie die später genannte, »clemenza di Tito« waren Opern Adolf Hasses, eines bedeutenden Führers der 3. neapolitanischen Schule.


6 N. Piccinni, der Schöpfer der »buona figliuola« (1760), der spätere Rivale Glucks.


7 Graf Karl Joseph von Firmian, Generalgouverneur der Lombardei, ein Freund Winckelmanns, erwies sich als besonderer Protektor der Familie Mozart.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 8.
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