104.

[146] Mannheim den 27ten Decembre 1777.


Mon très cher Pére!


Das ist ein schöns Papier, nicht wahr? – – ja, ich wollte ich könnts schöner machen! – – nun ist es aber schon zu spätt ein anders hollen zu lassen. Daß meine Mama und ich ein recht gute logis haben, wissen sie schon aus die vorigen briefe. es war auch nie meine meinung, daß sie wo anderst wohnen sollte als ich; allein als mir der h: Hofkammerrath serarius so güttig sein haus antrug, so that [146] ich nichts als mich bedancken, das ist noch nicht ja gesagt. den andern tag gieng ich mit den h: wendling und M: de Champs (der wackere holländer) zu ihm, und wartete nur bis er selbst wieder etwas anfienge. endlich erneuerte er wieder seine Proposition, und ich bedanckte mich bey ihm mit diesen worten: Ich erkenne daß es ein rechtes freundstück von ihnen ist, wenn sie mir die Ehre erweisen bey ihnen logirn zu dürfen, aber mir ist leid, daß ich dero so güttigs anerbieten leider nicht annehmen kann, denn sie werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich ihnen sage, daß ich nicht gern meine mama ohne Ursache von mir weg-lasse; ich weis wircklich keine ursache warum meine mama in diesen und ich in jenem theil der stadt wohnen sollte? – – wenn ich nach Paris gehe so ist es ganz natürlich daß es ein sehr grosser avantage für mich ist, wen sie nicht bey mir ist; aber hier die zwey Monathe kömmt es mir auf etliche gulden mehr oder weniger nicht an. Durch diese rede habe ich gemacht daß mein wunsch gänzlich ist erfüllet worden, nemmlich das uns beyden logis und kost nichts – ärmer macht. Nun mus ich geschwind zum abendessen hinauf. – – wir haben bis iezo gebrandelt, also bis halb 11 uhr. Neulich bin ich mit dem holländischen officier der mein scolar ist, Mr La pautri, in die Reformirte kirche gegangen, und habe anderthalb stund auf der orgl gespiellt. Es ist mir auch recht vom herzen gegangen. mit nächsten werden wir, nemlich die Canabichischen, wendlingischen, serariusischen, und Mozartischen in die lutherische kirche gehen, und da werde ich mich auch auf der Orgl köstlich divertiren. Das Pieno habe ich schon bey derselben Prob, wovon ich geschrieben habe, probiert; hab aber nicht viell gespiellt. nur einPräludium und dann eine fugue. Nun bin ich mit h: wieland1 auch bekannt. er kennt mich aber noch nicht so, wie ich ihn; denn er hat noch nichts von mir gehört. ich hätte mir ihn nicht so vorgestellt wie ich ihn gefunden; er kommt mir im reden ein wenig gezwungen vor. Eine ziemlich kindische stimme; ein beständiges gläselgucken, eine gewisse gelehrte grobheit, und doch zuweilen eine dumme herablassung. mich wundert aber nicht daß er (wenn auch zu weimar oder sonst nicht) [147] sich hier so zu betragen geruhet, denn die leute sehen ihn hier an, als wenn er vom himmel herabgefahren wäre. man genirt sich ordentlich wegen ihm, man redet nichts, man ist still; man giebt auf jedes wort acht, was er spricht; – – nur schade daß die leute oft so lange in der erwartung seyn müssen, denn er hat einen defect in der zunge, vermög er ganz sachte redet, und nicht 6 Worte sagen kann, ohne einzuhalten. sonst ist er wie wir ihn alle kennen, ein fortreflicher kopf. Das gesicht ist von herzen hässlich, mit blattern angefüllt, und eine ziemlich lange Nase. Diestatur wird seyn: beyläufig etwas grösser als der Papa. an den 200 fl: von dem holländer dürfen sie nicht zweifeln. Nun muß ich schließen, denn ich möchte noch ein bischen Componiren. noch eins: dem ihrot Zlfe2 darf ich izt wohl nicht schreiben? – – Die ursache werden sie wohl schon wissen, denn München ist näher bey salzbourg als bey Mannheim, nemlich dmo dlr Cuhrihrot mn dln bemttlrn zka otlrbln fot?3 – – Das ist gewis. da wirds wohl etwas absezen. nun leben sie recht wohl. wegen der Reise von der Mama nach haus glaube ich könnte es halt am leichtesten in der fasten durch kaufleute geschehen! – – das ist nur was ich glaube; was ich aber gewis weis, ist, daß dasjenige was sie für gut befinden das beste ist, denn sie sind der h: hofkapellmeister, und der allervernünftigste! Madme Robinig4 ich küsse dem Papa, wenn sie ihn kennen, 1000 mahl die hände und meine schwester umarme ich von ganzen herzen und bin troz meines gekrazels Dero gehorsammster sohn und getreuer aufrichtiger bruder

Wolfgang Amadé Mozart5

Fußnoten

1 Wieland war am 21. Dezember in Mannheim eingetroffen.


2 Auflösung der Chiffren: fürst Zeil.


3 das der Churfürst an den blattern zum sterben ist?


4 wohl zu ergänzen: sprach so.


5 Folgt ein Brief der Mutter (28. Dezember). – Antwort des Vaters: 5. Januar 1778.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 148.
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