94.

[121] Mannheim den 22 Novbre 1777

abends oder viell mehr nocte temporis

Puncto und accurat schlag 10 uhr.


Mon très cher Pére!


bald wär ich in das faemininum kommen


Das Erste ist, daß ich ihnen benachrichtige, daß mein wahrheitsvoller brief an h: Herzog in augspurg Puncto Schmalzii, sehr guten Effect gemacht hat. er hat mir einen sehr höflichen brief zurück geschrieben, und seinen verdrus darüber bezeugt, daß ich von detto [121] h: butter so spröde bin empfangen worden. er hat mir Neuerdings einen versiegelirten brief an detto h: Milch geschickt, nebst einer anweisung auf 150 fl: an Detto h: käß. sie müssen wissen, daß ich, obwohlen ich den h: Herzog ein einziges mahl gesprochen, doch nicht hab unterlassen können, ihn im brief zu bitten, er möchte mir doch eine anweisung an h: schmalz, oder butter, milch, käß, oder an wen er nur wollte, schicken. a ça, dieser spass hatte doch gerathen; man darf nicht anklopfen, und Condoliren. heut den 21ten vormittag haben wir ihren brief von 17ten erhalten; ich war nicht zu haus, sondern bey Cannabich, wo der Mr wendling ein Concert Probiert hat, zu welchen ich ihm die instrumente gesezt habe. heute um 6 uhr war die galla-Accademie. ich hatte das vergnügen den h: fränzl1, (welcher eine schwester von der Madme Cannabich hat) auf derviolin ein Concert spiellen zu hören. er gefällt mir sehr; sie wissen daß ich kein grosser liebhaber von schwierigkeiten bin. er spiellt schwer, aber man kennt nicht daß es schweer ist, man glaubt, man kann es gleich nachmachen. und das ist das wahre. er hat auch einen sehr schönen runden Thon; er fählt keine Note, man hört alles; es ist alles marquirt. er hat ein schönes staccato, in einem bogen, so wohl hinauf, als herab; und den dopelten triller habe ich noch nie so gehört, wie von ihm. mit einem wort: er ist meinethalben kein hexenmeister, aber ein sehr solider geiger. wenn ich mir nur das verfluchte querschreiben abgewöhnen könnte. mir ist sehr leid, daß ich nicht bey den trauerigen Zufall für die Madme adlgasserin zu Salzburg war, damit ich sie hätte trösten können; denn das kann ich! – – voraus bey einer so schönen frau, wie die Madme Nadlstrasserin2. was sie wegen Amnnulsa3 schreiben, weis ich alles schon – – doch, ich mag niemahl gern etwas vor der zeit schreiben; es wird sich alles geben; vielleicht kann ich ihnen im zukünftigen brief etwas sehr gutes für ihnen, aber nur gutes für mich, oder etwas sehr schlechtes in ihren augen, aber etwas Paßables in meinen augen, vielleicht [122] aber auch etwas Passables für sie, und aber sehr gut, lieb und werth für mich, schreiben! Das ist ziemlich oracl-mässig, nicht wahr? – – es ist dunckl, aber doch zu verstehen. an h: bullinger meine Empfehlung, und ich schäme mich, so oft ich einen brief von ihnen bekomme, denn es steht gemeiniglich etwas von ihm selbst geschrieben darin; und wenn ich hernach bedencke, daß ich ihm, der mein bester und wahrer freund ist, und von dem ich so viell höflichkeit und güte genossen habe, noch niemahlen geschrieben habe! – Doch – – ich entschuldige mich nicht! – – nein! sondern; ich bitte ihn, er möchte mich, er selbst, so viel es nur möglich ist bey sich entschuldigen, mit der versicherung daß ich ihm, so bald ich einmahl ruhig seyn kann, schreiben werde. bis dato war ich es noch nie; denn so bald ich noch weis, daß ich gewisser als nicht, und wahrscheinlicher weise einen ort verlassen muß, so habe ich keine ruhige stunde; und obwohlen ich iezt doch ein wenig hofnung habe, so bin ich doch nicht ruhig, bis ich nicht weis woran ich bin. etwas von dem oracl mus geschehen; – – – ich glaube, es wird eintweders das mittere oder das lezte geschehen – – Das ist mir nun eins; denn das ist allerweil ein Ding, ob ich den Dreck fresse, oder der Papa ihn speist – – Nu, so kann ich doch das Ding nie recht sagen! ich habe sagen wollen, es ist ein Ding ob der Papa den Dreck speist, oder ich ihn fresse! – – iezt lasse ichs lieber seyn. ich sehe es schon; es ist umsonst. appropòs. haben sie den h: von Hamm nach München schon geantwortet? – – nehmen sie seine Madelle tochter an? – –4 Das habe ich ihnen ja hofentlich geschrieben, daß die grosse opera von Holzbauer teutsch ist!5 – – wo nicht, so habe ich es halt izt geschrieben. sie war betittelt günther von schwarzburg, und nicht der Edlveste h: günther, bader und raths-herr von Salzburg. künftigen Carneval wird Rosemunde gegeben, eine Neue Componierte Poesie des h: Wielands, nebst neuer Componierter Musique des h: schweizer6. beyde werden hieher kommen. ich hab [123] schon etwas von der opera gesehen, und auf dem Clavier gespiellt, aber ich will noch nichts darvon sagen. Die scheiben die sie mir als bestgeber haben malen lassen, ist kostbar, und die verse sind unvergleichlich. nun bleibt mir nichts zu schreiben übrig, als daß ich allerseits eine recht angenehme ruhe wünsche, und daß sie halt alle recht gut schlafen, bis ich sie mit diesen gegenwärtigen brief aufwecke. Adieu. ich küsse dem Papa 100000000 mahl die hände, und meine schwester, den lieben Polester umarme ich von herzen, mit schmerzen, ein wenig, oder gar nicht, und bin Dero gehorsamster sohn, laufen Sie doch nicht davon,


Wolfgang Amadé Mozart


Ritter des goldenen sporns, und, so bald ich heurath, des dopelten horns, Mittglied der grossen Accademie von verona, Bologna,

oui, mon ami!7

Fußnoten

1 Ignaz Fränzl (1736–1811), gefeierter Violonist, seit 1774 Konzertmeister der Mannheimer Hofkapelle.


2 S. hierzu den Brief des Vaters vom 17. November.


3 Mannheim.


4 S. hierzu den Brief der Mutter vom 11. Oktober 1777.


5 S. den Brief vom 14./16. November.


6 Anton Schweitzer (1735–1787), ein bedeutendes Talent der neuaufstrebenden deutschen Oper, der Komponist der Weimarer »Alceste« (1773).


7 Folgt ein Brief der Mutter. – Antwort des Vaters: 1. Dezember.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 124.
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