232. [an L. Hagenauer in Salzburg; Wien, 29. Dezember 1762]

[199] Homo proponit, Deus disponit. Den 20ten gedachte ich von Presburg aufzubrechen und den 26ten von Wieñ abzugehen, um am Neuen Jahrs Abend in Salzburg einzutreffen. Allein den 19ten bekam ich ungewöhnliche Zähnschmerzen, ich sage: mir ungewöhnliche Zähnschmerzen; denn sie waren an der ganze Reihe der obern vordern ohnschadhaften und sonst gesunden Zähne. Die Nacht hindurch geschwoll mir das ganze Gesicht auf, und den folgenden Tage sahe ich dem wirklichen Posaune Tölpel ähnlich; so zwar, daß hl: Lieutenant Winckler (des Hof Paukers Bruder) da er uns besuchen wollte, beym Eintritte ins zimmer mich verkannte, und irre gegangen zu seyn glaubte. Bey diesem traurigen Umstande musste ich mich mit dem trösten, daß wir ohne hin wegen der ungewöhnlich stark eingefallenen Kälte im arrest waren; denn die flügende Brücke wurde ausgehoben, und [mit] schifflein, auch dabey mit gefahr [...] mit kleinen schiflein, sage ich, konnte man nur etwa das Post Paquet über die Donau hinüber bringen, da dann der Postillion auf einem Bauern Pferd weiter kommen muste. Ich muste demnach warten bis Nachricht kamm, daß die Mark oder March (ein wasser, das nicht groß ist) zu gefrohren ware. Ich nahm also am hl: Abend umb halbe 9 uhr Morgens von Presburg Abschied und kamm auf einem ganz besondern Weeg um halbe 9 uhr Nachts in Wieñ in unserm quartier an. wir reisten diesen Tag nicht sonderlich bequemm, indem der weeg zwar ausgefrohren, allein unbeschreiblich knoppericht und voller tieffer gruben und schläge war; deñ die Ungarn machen keinen weeg. Hätte ich in Pressburg nicht einen Wagen kauffen müssen, der recht gut gehängt ist, so hätten wir ganz gewiß ein paar Rippen weniger nach Hause gebracht. Den wagen muste ich kauffen, wenn ich anders wollte, daß wir gesund nach Wieñ kommen sollten. Deñ in ganz Presburg war kein 4sitziger geschlossner wagen bey allen Landkutschern anzutreffen. Diesen wagen hatte ein Stattkutscher-die Stattkutscher därffen aber nicht über Land fahren, aufgenommen mit 2 Pferd nur auf etliche Stunde.

[200] kaum kamen wir in Wieñ an, so sagte mir unser Zimmerfrau, daß die grafin Leopold Kyntsky täglich habe nachfragen lassen, ob wir angekommen? – ich gieng am hl: Weinachttage zu ihr, und sie sagte sie hätte mit schmerzen auf uns gewartet, und eine tafel verschoben, die sie dem feldmarschall Daun geben wollte, der uns köñen möchte. Sie gab also diese Tafel am Montage. Nun gehe ich am freytage morgens von hier ganz gewiß ab; und komme (mit gottes Hilfe) am Sontage nach Lintz: und am Abend der kihl: 3 Könige den 5ten Jan: 1763 Hoffe ich bey [ihnen im] Zimmer zu stehen. Das versteht sich, Nachts! sie möchten sonst glauben in aller Frühe: welches ihnen freylich itzt eben nicht so fremd kommen würde, da sie das aufstehen vom Rorate schon gewohnt sind. Nun werden Sie wohl denen mir hauffenweise schon erwiesenen gefälligkeiten noch folgende hinzufügen: nämlich, vor allem dem gnädigen Herrn Beichtvatter in meinem Nahmen das gesündeste und glückseelste Neue Jahr gehors: anzuwinschen, und Hochdenselben um die Zuwendung seiner fernern gnade zu bitten; ich würde selbst geschrieben haben, weñ ich nicht ordentlich anstand genohmen hätte Ihn gar so oft nach einander mit meinen briefen zu belästigen. Machen Sie ferner meine Neujahrs Wünsche der Madame von Robini und freut: Josepha xx: in optima forma, dañ allen unsern redlichen freunden, folglich sich selbst, der frau gemahlin und dero ganzem Hause. ferner erbitten sie statt meiner nebst Empfehlungen x: den hl: Reissenstuehl, mir zu erlauben, daß ich meinen Wagen in sein Hauß auf ein paar täge stellen darff; bis ich nämlich ein Ort ausfündig mache solchen unterzubringen. unterdessen wünsche ich daß wir einander alle den 5ten gesund sehen, und ich brenne für Begirde ihnen eine Menge Sachen erzehlen und sagen zu können, daß ich ohnabänderlich bin

Dero redlicher freund

Mozart


[Meine Frau und] Kinder empf: sich.

[wenn sie das] zimmer ein paar täge heitzen liessen, [...] im fordern ofen müste es gar wenig seyn,


[201] [auf dem Briefumschlag]


Hier hat es einige Täge her eine erstaunliche kälte; und eben heut ist es ganz ausserordentlich kalt. Sr Mayst: die kayserin haben nun wieder eine Prinzessin verlohren, nämlich die Prinzessin Johanna 13 Jahr ihres alters Sie hat auch meinen Wolferl an der Hand in ihren zimmern hin und wieder geführt, als wir bey ihr waren.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 199-202.
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