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[413] Salzbg. den 22 December 1780.


Mon tres cher Fils!


Ich muß in Eile schreiben, denn der Postwagen geht morgen frühe – also um einen Tag früher ab. Hier sind die Pillulen. Davon werden NB. ein Tag, nach dem der Mond hat angefangen abzunehmen Morgens 5 genommen, dann kann man nach belieben in anderthalb Stunden darauf ein frühestück nehmen. Nachts vor schlaffen gehen abermals 5. Damit wird fortgefahren, bis der abnehmende Mond vorbey ist. Dabey ist für das Frauenzimmer das ungelegenste, daß es Zeiten giebt, wo sie diese Medicin zu nehmen verschieben oder aussetzen müssen. Hier kommen die 3 Ackt zum Druck geschrieben. Was wegen den Nahmen der Recitieren den Personen. – – der Erfindung der Balets. – der Ballet-Musik x: hineinzusetzen ist, ist Platz gelassen.

Was vor ieder grossen Scen-Veranderung hineingeschrieben ist, wird (wenn hl: Quaglio es in etwas abgeändert hätte) leicht im Buch zu verändern seyn. – – So wird zum Beyspiele im Atto primo Scena VIII da es heißt: Nettuno esce etc. und dann Nel fondo della Prospettiva si vede Idomeneo, che si sforza arrampicarsi sopra quei dirupi etc., da sage ich, wird man die Nachricht und Erklerung dieser Scene so einrichten müssen, wie man sie vorzustellen gedencket. – Das ist, ob Idomeneo im schiff verbleibt, oder ob er zwar nicht schifbruch leidet, doch wegen der anscheinenden gefahr mit seinen Leuten die schiffe verlassen und sich auf die felsen gerettet hat. Kurz! Es kommt darauf an, wie mañs vorstellt. Es wird dem hl: Quaglio als einem geschickten und erfahrnen Manne überlassen. Zertrümmerte schiffe müssen doch seyn, denn imRecit:, von Scena 10 sagt Idamantes vedo frà quegl' avanzi di fracaßate navi su quel Lido sconosciuto guerrir. Nun weiter! Du willst absolute 2 Recit:[413] abgekürzt. Ich ließ den Varesco also gleich hohlen, denn heut abends um 5 Uhr bekam ich deinen Brief, und morgen frühe geht der Postwagen weg. wir lasen es hin, wir lasen es her. und beyde finden wir keine Gelegenheit abzukürzen. Es ist nach dem französ:, so wie der Plan es verlangte übersetzt. ja, man sehe im Plan nach, es wurde noch verlangt man sollte dieses Recit. ein bischen verlängern, damit sie einander nicht so geschwind erkennen möchten, und itzt will mans ins lächerliche treiben, daß sie einander nach etlichen Worten schon gleich kennen sollen. Ich wils erklär:

Idamantes muß doch sagen warum er da ist, sieht den fremden und biethet ihm seine Dienste an. Idomeneo geht ietzt schon so nahe das er vom schmerzen spricht, und muß ihm doch dafür ein gegen Compliment machen. und dann Idamante ihm wird sagen das er mitleiden mit verunglückten hat, weil er selbst selbst das unglück erfahren. Des Idomeneus antwort ist eine nothwendige frage. Nun erzehlt Idamantes das unglück des Königs und Idomeneus macht durch die rätzlhasten Worteuom piu di questo x: daß Idamantes einen schein der Hofnung bekommt und fragt im Eyfer dimmi amico, dimmi dov' é? Dieser Eyfer macht, daß Idomeneus fragt ma d' onde etc – Muß nicht hier Idamantes sich so erklären, daß er sich als einen seines Vatters würdigen Sohn mahlt und die Verwunderung Hochachtung und Begierde bey Idomeneo erregt zu erfahren, wer dieser junge Mensch ist, welches dann bey der Erkenntniß, daß es sein Sohn ist, die ganze Sache intereßanter macht? – – will man nun aber par force etwas weglassen, so habe ich nachgedacht. Daß nach dem Recit: des Idamante che favelle? vive egli ancor? etc: welches schlüsst dove quel dolce aspetto vita mi rendera? Idomeneo. ma d' onde nasce questa, che per lui nutri tenerezza d'amor? dann gleich perchè quel tuo parlar si mi conturba? Idamante e qual mi sento anch'io und dann so fort x: Hier bleiben 11/2 Seite in der gegenwärtig mitkommenden abschrift des Varesco pag: 32 weg. nämlich die schöne Erzehlung der Heldenthat, so anfängt Idaman: Potessi almeno x: und da mags um eine Minute [414] kürzer werden, ja in puncto um eine ganze Minute. grosser gewinn! oder Wollt ihr den Vatter und Sohn so zusammlauffen und sich erkennen machen, wie der verkleidete Arlequin und brigella als bediente in einem fremden Lande sich finden geschwind kennen und umarmen. Gedenket, daß dieses eine der schönsten Scenen deropera, ja die Haupt Scene ist von der die ganze Folge der geschichte abhängt. Diese Scene kann auch nicht leicht ermieden, weils im ersten Act ist.

Im 2ten Act kann nichts anders wegbleiben als in der 2ten Rede des Idomeneo. Idomeneo un Sol Consiglio or mi fà d'uopo. ascolta: Tu sai quanto a Trojani fù il mio brando fatal. Arbace tutto m'é noto. etc. Dann geht es fort und kann kein Wort mit gesunder Vernunft ausbleiben, dieses ganze Recit: kann auch nicht lange dauern, weil viele Sachen dariñc sind die mit Eifer und geschwind müssenrecitiert werden. und da gewinnt ihr eine Halbe Minute! großer gewinn! Dieses Recit: wird auch keine Seele ermüden, da es das erste im 2ten act ist. was allenfals noch auszulassen wäre, ist, wenn nach dem Recit: des arbace Male s'usurpa un Rè x: gleich Idomeneo sagte : Il voto è ingiusto. Da blieben dann weg: Idoman: Intendo Arbace intendo xx. und Arbace Medica mano x. ob es nun der Mühe lohnt wegen einer solche Kleinigkeit die 21/2 Minute höchstens beträgt eine Enderung zu machen, weis ich nicht, sonderheit: da diese Recit: an den Orten stehen, wo sie niemand ermüden kennen. Im ersten Ackt ist alle Welt gedultig, und das erste Recit: im 2ten Ackt ermüdet keinen Menschen. Mir ists lächerlich: denn bey der Prob, wo das Aug nichts hat, ists freilich gleich langweilig, aber im Theater wo zwischen dem Theater selbst und denen anwesenden Zusehern so viele Gegenstände der Zerstreuung sind, geht so ein Recit: weg, ohne das mans bemerket. Das magst Du in meinem Nahmen aller Welt sagen. Sollte aber dem ohngeachtet so etwas ausgelassen werd: so bitte mir aus daß alles gedruckt wird. hl: Varesco weis von allem nichts, was ich hier geschrieben. – Hat hl: schachtner nicht alles in der größten Vollkommenheit gemacht, so muß man bedencken, daß die Zeit sehr [415] Kurz war. Hier sind die vom aesopus geschriebne Arien alle. auch ein Brief vom schachtner der sich sammt Varesco empfehlen. Wir wünschen Dir glück, daß die opera so gut ausfallt. nächsten Posttag mehrers. addio alles beym Liecht mit augengläsern geschrieben. Wir empfehlen uns allen, Dich Kissen wir millionmal und ich bin Dein alter getreuer Vatter

L Mozart


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 413-418.
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