153.

[18] Munic ce 1 decembre

1780


Mon trés chér Pére!


Die Probe ist ausserordentlich gut ausgefallen; – es waren nur in allem 6 violin, aber die gehörigen Blaßinstrumenten – von zuhörern wurde niemand zugelassen, als die schwester vom Seeau und der Junge graf Sensheim. – heute acht tage wollen wir eine zweyte machen. da werden wir zum Ersten ackt (welcher unterdessen dopliret wird) 12 geiger haben, und dann wird der 2te (wie das vorige mal der Erste) mitprobirt werden. – Ich kann ihnen nicht sagen wie alles voll freude und Erstaunen war. – ich vermuthete es aber nicht anders; denn ich versichere sie, ich gieng mit so ruhigem Herzen zu dieser Probe, als wenn ich wo auf eine Collazion hin gienge. – graf sensheim sagte zu mir; – ich versichere sie daß ich mir sehr viel von ihnen erwartet habe – aber das hab ich wahrlich nicht erwartet. – Das Cannabichische hauß, und alle die, die es frequentiren, sind doch wahre freunde von mir; – als ich nach der Probe mit Cannabich (denn wir hatten noch vieles mit dem grafen zu sprechen) zu ihm nach hauß kamm, kamm mir schon Madme Cannabich entgegen, und umarmte mich voll vergnügen daß die Probe so gut ausgefallen. denn, Ram und Lang kammen wie Närrisch nach hauß; – die gute frau, die wahre freundin von mir – hatte unterdessen, da sie mit ihrer kranken Rose allein zu hause war, tausend Sorgen wegen meiner. – Ramm sagte mir – denn, wenn sie diesen kennen, werden sie sagen, das ist ein wahrer teutscher; – der sagt ihnen so alles ins gesicht, wie er sich es denkt; – das kann ich ihnen wohl gestehen, sagte er, daß mir noch keine Musique solche impreßion gemacht hat – und ich versichere sie, daß ich wohl 50 mahl auf ihren hl: vatter gedacht [18] habe, was dieser Mann für freude haben muß, wenn er diese opera hört.

Nun genug davon; – Mein Carthar ist bey dieser Probe etwas – ärger worden. – man erhitzt sich halt doch, wenn Ehr und Ruhm im spielle sind, man mag anfangs noch so kaltblütig seyn. – Ich hab alles gebraucht was sie mir vorgeschrieben – langsam geht es halt, und das ist mir aber itzt erst recht ungelegen – denn, das schreiben macht dem Carthar kein Ende – und geschrieben muß es doch seyn. – heute hab ich angefangen feigetsaft, und ein wenig Mandlöhl zu nehmen, und da spühre ich schon linderung. – und bin wieder 2 täge zu hause geblieben.

gestern vormittag war wieder Mr Raaff bey mir, um die aria im zweyten ackt zu hören. – der Mann ist so in seine aria verliebt, als es nur immer ein Junger feuriger Mann in seine schöne seyn kann. Deñ Nachts, ehe er einschläft, und Morgens, da er erwacht, singt er sie; er hat (ich wusste es von einer sichern hand), und nun weis ich es von ihm selbst, zu hl: v: vierreck (obrist stallmeister, und hl: v: Castel – gesagt; Ich war sonst immer gewohnt mir in die Rollen zu helfen, so wohl in die Rezitativ als arien – da ist aber alles geblieben, wie es war, ich wüste keine Note, die mir nicht anständig wäre Etc. Enfin – er ist zufrieden wie ein könig. – Die eingeschickte aria wünschte er wohl mit mir ein wenig verändert zu haben. – Das era ist ihm auch nicht recht1 – und dann – möchten wir hier eine Ruhige – zufriedene – aria haben – wenn es auch nur ein theil wäre – desto besser; – den zweyten muß man so allzeit in die Mitte nehmen. und der geht mir öfters im weege um. im Achile in Sciro2 ist so eine aria auf diese Art.


Or che mio figlio Sei,

o fido il destin nemico

sento degl' anni miei

il Peso à lagierir


[19] unterdessen wird hl. Sieger bey ihnen gewesen seyn, und einen brief von mir überbracht haben? – Die Sordinen bitte ich bald zu überschicken für die horns und trompetten.

Meiner schwester danke ich vielmal für die überschickte lista3 der Comedien – mit der Comedie. Rache für Rache ists doch sonderbar. hier wurde sie schon öfters mit vielem beyfall gegeben. erst letzthin auch – ich war aber nicht darin. –

frl: therese von Barisani4 Empfehle mich Ergebenst – wenn ich einen bruder hätte, so wollte ich ihn gebeten haben, ihr in tiefester Demuth die hände zu küssen – da ich aber eine schwester habe, ist es noch viel besser; die bitte ich also, sie recht freundschaftlich in meinem Namen zu Embrassiren. –

fr: Babette v: Mölk bitte meine Empfehlung zu machen, und, da sie von meinen vielen geschäften dermalen überzeugt ist, wird sie mir schon verzeihen, daß ich meinem versprechen gemäß, ihr noch nicht geschrieben.

ich gratuliere ihr von herzen zu ihren Namenstag. Nun adieu. ich küsse ihnen 1000mal die hände und meine schwester umarme ich von herzen und bin Ewig Dero

gehorsamster Sohn

Wolfgang Amadè Mozart5


P:S: bitte um die art den

Sago zuzurichten – für einen

guten freund.


1000 Compliment von allen – allen. –

apropos; schreiben sie doch einmal dem Cannabich,

er verdient es, und es wird ihn ungemein erfreuen – was ist es denn – wenn er auch nicht antwortet! – er meint es nicht so, als er heraus kömmt. er macht es allen so, man muß ihn kennen.

Fußnoten

1 S. den Brief des Vaters vom 25. November.


2 Libretto von Metastasio (s. den vorhergehenden Brief).


3 S. den Brief der Schwester vom 30. November.


4 Vgl. hierzu den Brief des Vaters vom 12. Dezember 1772.


5 Antwort des Vaters: 4. Dezember.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 18-20.
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