»Es ist keine Vakatur da!«

[69] Aus einem Briefe der Mutter und Wolfgangs;

München, am 29. und 30. September 1777


Die Mutter beginnt:


Wir sind gottlob gesund und noch hier, heunt ist der Wolfgang bey dem Bischof in Chiemsee gewesen, morgen aber wird er dem Churfürsten aufwarten, es hat früher nicht sein können, Herr Wotschicka hat gestern abends und heunt mittag bey uns über Tisch gespeist und war sehr höflich, wie es mit uns gehn wird, müssen wir erwarten, wir haben recht viele gute Freunde hier, die gerne sähen, daß wir hier blieben;


Wolfgang setzt fort:


Das ist wahr! Sehr viele gute Freunde: aber leider die meisten, die nichts vermögen. Ich war gestern um halbe 11 Uhr beym Seeau und habe ihn viel ernsthafter und nicht so natürlich wie das erstemal befunden. Doch war es nur Schein. Denn heute war ich beym Fürsten Zeil, der hat mir Folgendes mit aller Höflichkeit gesagt. »Ich glaube, hier werden wir nicht viel ausrichten. Ich habe bey der Tafel zu Nymphenburg heimlich mit dem Churfürsten gesprochen. Er sagte mir. Jetzt ist es noch zu früh. Er soll gehen, nach Italien reisen, sich berühmt machen. Ich versage ihm nichts, aber jetzt ist es noch zu früh.« – Da haben wirs. Die meisten großen Herrn haben einen so entsetzlichen Welschlands-Paroxismus. Doch riet er mir, zum Churfürsten zu gehen und meine Sache vorzutragen wie sonst. Ich habe heut mit H. Wotschicka [69] über Tisch heimlich gesprochen; und dieser bestellte mich morgen um 9 Uhr, da will er mir eine Audienz gewiß zuwegen bringen. Wir sind nun gute Freunde. Er hat absolument die Person wissen wollen, ich sagte ihm aber; seyen Sie versichert, daß ich Ihr Freund bin und bleiben werde, ich bin Ihrer Freundschaft auch völlig überzeugt; und das seye Ihnen genug. Nun wieder auf meine Schistori zu kommen. Der Bischof in Chiemsee sprach auch ganz allein mit der Churfürstin; die schupfte die Achseln und sagte: sie wird ihr möglichstes tun, allein sie zweifelt sehr. Nun kommts wegen Graf Seeau; Graf Seeau fragte den Fürsten Zeil (nachdem dieser ihm alles erzählt hatte): Wissen Sie nicht, hat denn der Mozart nicht so viel von Haus, daß er mit ein wenig Beyhülfe hier bleiben könnte. Ich hätte Lust, ihn zu behalten. Der Bischof gab ihm zur Antwort. Ich weiß nicht, aber ich zweifle sehr; doch dürfen Sie ihn ja nur darüber sprechen; das war also die Ursache, warum er folgenden Tag so gedankenvoll war. Hier bin ich gern und ich bin der Meynung wie viele meiner guten Freunde, daß, wenn ich nur ein Jahr oder zwey hier bliebe, ich mir durch meine Arbeit Verdienst und Meriten machen könnte und folglich ehender von Hof gesucht würde, als suchen sollte. Herr Albert hat seit meiner Ankunft ein Projekt im Kopf, dessen Ausführung mir nicht unmöglich scheinet. Nämlich er wollte 10 gute Freunde zusammenbringen, wo ein jeder monatlich nur 1 Ducaten spendiren dürfte, das sind das Monat 10 Ducaten, 50 Gulden, jährlich 600 fl.; wenn ich nun hernach von Graf Seeau nur jährlich 200 fl. hätte, wären es 800 fl. – – wie gefällt den Papa dieser Gedanke? – – Ist er nicht freundschaftlich? – – Ist es nicht anzunehmen, wenn es allenfalls ernst würde? – – Ich bin vollkommen damit zufrieden; ich wär nahe bey Salzburg [70] und, wenn Ihnen, mein allerliebster Papa, ein Gusto kömmete (wie ich es doch von ganzen Herzen wünschte) Salzburg zu verlassen und in München Ihr Leben zuzubringen, so wäre das Ding sehr lustig und leicht. Denn wenn wir in Salzburg mit 504 fl. leben mußten, so könnten wir wohl in München mit 600 oder 800 fl. leben? – – –

... Heute als den 30ten ging ich nach Abrede mit Mr Wotschicka um 9 Uhr nach Hof. Da war alles in Jagduniform. Baron Kern war dienender Kammerherr. Ich wäre gestern abends schon hineingegangen, allein ich konnte Herrn Wotschicka nicht vor den Kopf stoßen, welcher sich selbst antrug, mich mit dem Fürsten sprechen zu machen. Um 10 Uhr führte er mich in ein enges Zimmerl so, wo S. Ch. Durchlaucht durchgehen müssen, um vor der Jagd Meß zu hören. Graf Seeau ging vorbey und grüßte mich sehr freundlich: Befehl mich, liebster Mozart! Als der Churfürst an mich kam, so sagte ich: Euer Churf. Durchlaucht erlauben, daß ich mich untertänigst zu Füßen legen und meine Dienste antragen darf: Ja, völlig weg von Salzburg? völlig weg? Ja, Euer Churf. Durchlaucht. Ja warum denn, habts eng z'kriegt?25 – – Ey beileibe, Euer Durchl., ich habe nur um eine Reise gebeten, er hat sie mir abgeschlagen, mithin war ich gezwungen, diesen Schritt zu machen; obwohlen ich schon lange im Sinn hatte, weg zu gehen. Denn Salzburg ist kein Ort für mich. Ja, ganz sicher. Mein Gott, ein junger Mensch! Aber der Vater ist ja noch in Salzburg? – Ja, Euer Churf. Durchlaucht, er legt sich untertänigst ect., ich bin schon dreymal in Italien gewesen, habe drey Opern geschrieben, bin Mitglied der Accademie in Bologna, habe müssen eine Probe ausstehen, wo viele Maestri 4 bis 5 Stund gearbeitet und geschwitzet haben, ich habe es in einer Stund verfertiget: Das mag zum Zeugnis dienen, daß [71] ich imstande bin, in einem jeden Hofe zu dienen. Mein einziger Wunsch ist aber, Euer Churf. Durchlaucht zu dienen, der selbst ein großer = = ja mein liebes Kind, es ist keine Vakatur da. Mir ist leid. Wenn nur eine Vakatur da wäre. – Ich versichere Euer Durchl., ich würde München gewiß Ehre machen. Ja das nutzt alles nichts. Es ist keine Vakatur da. Dies sagte er gehend. Nun empfahle ich mich zu höchsten Gnaden ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 69-72.
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