Mozarts Verkehr mit dem Augsburger Klavierbauer Johann Andreas Stein

[72] Aus Mozarts Briefen an seinen Vater;

Augsburg, am 17./18. und 24. Oktober 1777


Nun muß ich gleich bey den Steinischen Instrumenten anfangen. Ehe ich noch vom Stein seiner Arbeit etwas gesehen habe, waren mir die Spath'schen Claviere die liebsten; nun muß ich aber den Steinischen den Vorzug lassen; denn sie dämpfen noch viel besser als die Regensburger. Wenn ich stark anschlage, ich mag den Finger liegen lassen oder aufheben, so ist halt der Ton in dem Augenblick vorbey, da ich ihn hören ließ. Ich mag an die Claves kommen, wie ich will, so wird der Ton immer gleich seyn. Er wird nicht schebern26, er wird nicht stärker nicht schwächer gehen oder gar ausbleiben; mit einem Wort es ist alles gleich. Es ist wahr, er gibt so ein Pianoforte nicht unter 300 fl.. aber seine Mühe und Fleiß, die er anwendet, ist nicht zu bezahlen. Seine Instrumente haben besonders das vor anderen eigen, daß sie mit Auslösung gemacht sind. Da gibt sich der hundertste nicht damit ab. Aber ohne Auslösung ist es halt nicht möglich, daß ein Pianoforte nicht schebere oder nachklinge; seine Hämmerle, wenn man die Claves anspielt, fallen in dem Augenblick, da sie an die Saiten hinaufspringen, wieder herab, man mag den Clavis liegen lassen oder auslassen. Wenn er ein solch Clavier fertig hat, (wie er mir selbst sagte), so setzt er sich erst hin und probirt allerley Passagen, Läufe und Sprünge und schabt und arbeitet solange, bis das Clavier alles tut. Denn er arbeitet nur zum Nutzen der Musique und nicht seines Nutzens wegen allein, sonst würde er gleich fertig seyn. Er sagt oft, wenn ich nicht selbst ein so passionirter Liebhaber der Musik wäre und nicht selbst etwas weniges auf dem Clavier könnte, so hätte ich gewiß schon längst [73] die Geduld bey meiner Arbeit verloren; allein ich bin halt ein Liebhaber von Instrumenten, die den Spieler nicht ansetzen und die dauerhaft sind. Seine Claviere sind auch wirklich von Dauer. Er steht gut davor, daß der Resonanzboden nicht bricht und nicht springt. Wenn er einen Resonanzboden zu einem Clavier fertig hat, so stellt er ihn in die Luft, Regen, Schnee, Sonnenhitze und allen Teufel, damit er zerspringt, und dann legt er Span ein und leimt sie hinein, damit er recht stark und fest wird. Er ist völlig froh, wenn er springt; man ist halt hernach versichert, daß ihm nichts mehr geschieht. Er schneidet gar oft selbst hinein und leimt ihn wieder zu und befestiget ihn recht. Er hat drey solche Pianoforte fertig. Ich habe erst heut wieder darauf gespielet ...

... Nun morgen komme ich vielleicht auf seine Orgeln – – das heißt, ich komme, darüber zu schreiben; und auf die letzt spare ich mir seine kleine Tochter. Als ich Herrn Stein sagte, ich möchte gern auf seiner Orgel spielen, denn die Orgel seye meine Passion, so verwunderte er sich groß und sagte: Was, ein solcher Mann wie Sie, ein solcher großer Clavierist will auf einem Instrument spielen, wo keine Douceur und Expression, kein piano, noch forte stattfindet, sondern immer gleich fortgehet? – – Das hat alles nichts zu bedeuten. – – Die Orgel ist doch in meinen Augen und Ohren der König aller Instrumenten.

Nu, meinetwegen, wir gingen halt miteinander. Ich merkte schon aus seinen Diskursen so, daß er glaubte, ich würde nicht viel auf seiner Orgel machen; ich würde par exemple völlig claviermäßig spielen. Er erzählte mir, er hätte auch Schoberten auf sein Verlangen auf die Orgel geführt, und es war ihm schon bange, sagte er, denn Schobert sagte es allen Leuten und die Kirche war ziemlich voll; denn ich glaubte halt, der Mensch wird voll Geist, Feuer und Geschwindigkeit [74] seyn, und das nimmt sich nicht aus auf der Orgel, aber, wie er anfing, war ich gleich anderer Meynung. Ich sagte nichts als dies: Was glauben Sie, Herr Stein, werde ich herumlaufen auf der Orgel? – – Ach Sie, das ist ganz was anders. Wir kamen auf den Chor, ich fing zu präludiren an, da lachte er schon, dann eine Fuge. Das glaube ich, sagte er, daß Sie gerne Orgel spielen; wenn man so spielt – – vom Anfang war mir das Pedal ein wenig fremd, weil es nicht gebrochen war. Es fing C an, dann d e in einer Reihe. Bey uns ist aber D und E oben, wie hier Es und Fis. Ich kam aber gleich drein ...


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... Apropos, wegen seinem Mädel. Wer sie spielen sieht und hört und nicht lachen muß, der muß von Stein wie ihr Vater seyn. Es wird völlig gegen den Diskant hinauf gesessen, beleybe nicht mitten, damit man mehr Gelegenheit hat, sich zu bewegen und Grimassen zu machen. Die Augen werden verdreht. Es wird geschmutzt. Wenn eine Sache zweymal kömmt, so wird sie das 2te mal langsamer gespielt. Kommt sie 3mal, wieder langsamer. Der Arm muß in alle Höhe, wenn man eine Passage macht, und wie die Passage markiert wird, so muß der Arm, nicht die Finger, und das recht mit Fleiß, schwer und ungeschickt tun. Das Schönste aber ist, daß wenn in einer Passage notwendigerweise die Finger gewechselt werden müssen, so brauchts nicht viel achtzugeben, wenn es Zeit ist, so läßt man aus, hebt die Hand auf und fängt ganz commod wieder an, durch das hat man auch eher Hoffnung, einen falschen Ton zu erwischen, und das macht oft einen curiosen Effekt. Ich schreibe dies nur, um dem Papa einen Begriff vom Clavier spielen und instruiren zu geben, damit der Papa seinerzeit einen Nutzen daraus ziehen kann. [75] Herr Stein ist völlig in seine Tochter vernarrt. Sie ist 8 halb Jahre alt, sie lernt nur noch alles auswendig. Sie kann werden, sie hat Genie. Aber auf diese Art wird sie nichts. Sie wird niemalen viel Geschwindigkeit bekommen, weil sie sich völlig befleisst, die Hand schwer zu machen. Sie wird das Notwendigste und Härteste und die Hauptsache in der Musique niemalen bekommen, nämlich das Tempo, weil sie sich von Jugend auf völlig beflissen hat, nicht auf den Takt zu spielen. Herr Stein und ich haben gewiß 2 Stund miteinander über diesen Punkt gesprochen. Ich habe ihn aber schon ziemlich bekehrt. Er fragt mich jetzt in allem um Rat. Er war in Beecké völlig vernarrt. Nun sieht und hört er, daß ich mehr spiele als Beecké, daß ich keine Grimassen mache und doch so expressive spiele, daß noch keiner nach seinem Bekenntnis, seine Pianoforte so gut zu tractiren gewußt hat. Daß ich immer accurat im Takt bleybe, über das verwundern sich alle. Das tempo rubato in einem Adagio, daß die linke Hand nichts darum weiß, können sie gar nicht begreifen. Bei ihnen gibt die linke Hand nach. Graf Wolfeck und mehrere, die ganz passionirt für Beecké sind, sagten neulich öffentlich im Concert, daß ich den Beecké in den Sack schiebe. Graf Wolfeck lief immer im Saal herum und sagte: So hab ich mein Lebtag nichts gehört. Er sagte zu mir: Ich muß Ihnen sagen, daß ich Sie niemalen so spielen gehört wie heute. Ich werde es auch Ihrem Vater sagen, sobald ich auf Salzburg komme ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 72-76.
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