Johann Adolph Hasse über Mozart[37] 14

Aus einem Empfehlungsschreiben, gerichtet an Hasses Freund, den Abbate G.M. Ortes in Bologna;

Wien, am 30. September 1769

(nach Herm. Kretzschmars Übersetzung aus dem Italienischen)


Ich habe hier die Bekanntschaft eines gewissen Herrn Mozart, Kapellmeister beim Bischof von Salzburg,[37] gemacht, eines geistvollen, feinen und weltgebildeten Mannes, der, wie ich glaube, nicht bloß in der Musik, sondern auch in andern Dingen seine Sache versteht. Dieser hat eine Tochter und einen Sohn. Erstere spielt sehr gut Klavier und letzterer, der nicht älter als 12 oder 13 Jahre sein dürfte, gibt in diesem Alter schon einen Komponisten und Kapellmeister ab. Ich habe die Kompositionen gesehen, die von ihm sein sollen; sie sind sicherlich nicht schlecht und ich habe darin nichts von einem zwölfjährigen Knaben gemerkt. Ich wage nicht, es irgendwie in Zweifel zu ziehen, daß sie von ihm sind. Auf dem Klavier habe ich ihn auf verschiedene Art geprüft und da hat er mir Dinge gezeigt, die für so ein Alter etwas Unbegreifliches haben und die auch von einem fertigen Manne noch bewunderswert wären. Da nun der Vater ihn nach Italien bringen will, um ihn bekannt zu machen und mir dar über geschrieben und zugleich um einen Empfehlungsbrief gebeten hat, nehme ich mir die Freiheit, einen solchen an Sie zu schicken. Sie sehen, wie weit ich mir erlaube, auf Ihre Güte zu vertrauen. Dieser Brief soll aber weiter keine Folgen haben, als daß Sie ihm erlauben, Ihre Bekanntschaft zu machen, und daß Sie die Güte haben, ihn mit ihrem guten Rat zu unterstützen, soweit Sie es für die Landesverhältnisse nützlich und notwendig erachten. Wenn Sie ihm außerdem noch Bekanntschaften vermitteln und bei einigen Damen aus Ihrem Kreise einführen wollten, so ist das mehr, als ich ihm in Aussicht gestellt habe. Der Vater will, wie er sagte, in Salzburg am 24. Oktober15 abreisen, wird also gegen Ende des Monats in Venedig sein können.

Der erwähnte Herr Mozart ist ein sehr gebildeter und höflicher Mann, die Kinder sind sehr gut erzogen. Der Knabe ist außerdem auch schön, lebhaft anmutig und benimmt sich in Allem so hübsch, daß, wenn man [38] ihn kennt, man gar nicht umhin kann, ihn lieb zu haben. Das Eine ist sicher: wenn seine Entwicklung mit dem Alter Schritt hält, wird ein Wunder aus ihm. Nur darf der Vater ihn nicht zu sehr verhätscheln und durch Beräucherung mit übertriebenem Lob verziehen. Das ist die einzige Gefahr, die ich befürchte. Da haben Sie einen langen Brief. Nehmen Sie ihn wohlwollend an, verzeihen Sie, daß ich so viel gesagt habe und seien Sie innigst überzeugt, daß ich, mein geliebtester Herr Abbé, lebenslang verharre als

Ihr ergebenster und tief verbundener

Diener und Freund

J.A. Hasse

Tausend Grüße

von meinen

Damen.

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 37-39.
Lizenz:
Kategorien: