Die Pariser Sinfonie

[103] Aus Mozarts Briefen an den Vater;

Paris, am 12. Juni und 3. Juli 1778


... Heute nahm ich die neue Sinfonie mit, die ich just fertig hatte und durch welche am Frohnleichnamstag das Concert spirituell wird eröffnet werden. Diese hat allen beeden überaus wohl gefallen36. Ich bin auch sehr wohl damit zufrieden. Ob es aber gefällt, das weiß ich nicht – und die Wahrheit zu sagen, liegt mir sehr wenig daran: denn, wem wird sie nicht gefallen? – den wenigen gescheiten Franzosen, die da [103] sind, stehe ich gut dafür, daß sie gefällt; den dummen – da sehe ich kein großes Unglück, wenn sie ihnen nicht gefällt – ich habe aber doch Hoffnung, daß die Esel auch etwas darin finden, das ihnen gefallen kann; und dann habe ich ja den Premier coup d'archet nicht verfehlt! – und das ist genug. Da machen die Ochsen hier ein Wesen daraus! – Was Teufel! Ich merke keinen Unterschied – sie fangen halt auch zugleich an – wie in andern Orten. Das ist zum Lachen.


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Ich habe eine Sinfonie, um das Concert spirituel zu eröffnen, machen müssen. Am Fronleichnamstag wurde sie mit allem applauso aufgeführt. Es ist auch, soviel ich höre, im Couriere de l'europe eine Meldung davon geschehen. – Sie hat also ausnehmend gefallen. Bey der Prob war es mir sehr bange, denn ich habe mein Lebetag nichts Schlechteres gehört; sie können sich nicht vorstellen, wie sie die Sinfonie 2mal nacheinander heruntergehudelt und herunter gekratzet haben. Mir war wahrlich ganz bang – ich hätte sie gerne noch einmal probiert, aber weil man allezeit so viele Sachen probiert, so war keine Zeit mehr; ich mußte also mit bangem Herzen und mit unzufriedenem und zornigem Gemüt ins Bett gehen. Den andern Tag hatte ich mich entschlossen, gar nicht ins Concert zu gehen; es wurde aber abends gut Wetter und ich entschloß mich endlich mit dem Vorsatz, daß wenn es so schlecht ging wie bey der Prob, ich gewiß aufs Orchester gehen werde und dem Herrn Lahoussaye von der ersten Violin die Violin aus der Hand nehmen und selbst dirigieren werde. Ich bat Gott um die Gnade, daß es gut gehen möchte, indem alles zu seiner größten Ehre und Glorie ist, und Ecce, die Sinfonie fing an, Raff stund neben meiner und gleich mitten im ersten Allegro war eine Passage, die ich wohl[104] wußte, daß sie gefallen müßte, alle Zuhörer wurden davon hingerissen – und war ein großes Applaudissement – weil ich aber wußte, wie ich sie schriebe, was das für einen Effekt machen würde, so brachte ich sie auf die letzt noch einmal an – da gings nun Da capo. Das Andante gefiel auch, besonders aber das letzte Allegro – weil ich hörte, daß hier alle letzten Allegros wie die ersten mit allen Instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen, so fing ich mit die 2 Violin allein piano nur 8 Takt an – darauf kam gleich ein forte – mithin machten die Zuhörer, (wie ichs erwartete) beym Piano sch – dann kam gleich das forte – sie das forte hören und die Hände zu klatschen war eins – ich ging also gleich für Freude nach der Sinfonie ins Palais Royale – nahm ein guts Gefrorenes, bat einen Rosenkranz, den ich versprochen hatte – und ging nach Haus ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 103-105.
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