Mozart wohnt in Berlin einer Vorstellung der »Entführung« bei

[225] Allgemeine Musikalische Zeitung, 1798 (Friedrich Rochlitz) Als Mozart das letztemal in Berlin ankam103, war es gegen Abend. Kaum war er ausgestiegen, so fragte er den Markeur im Gasthofe, der ihn nicht kannte: »Giebts diesen Abend nichts von Musik hier?« – »O ja« – sagte der Mensch; »so eben wird die deutsche Oper angegangen seyn!« »So? was geben sie heute?« »Die Entführung aus dem Serail« – »Charmant!« – rief Mozart lachend. »Ja« – fuhr der Mensch fort – »es ist ein recht hübsches Stück. Es hats komponirt – wie heißt er nur gleich.« – Indessen war Mozart im Reiserock, wie er war, schon fort. Er bleibt ganz am Eingange des Parterre stehen und will da ganz unbemerkt lauschen. Aber bald freuet er sich zu sehr über den Vortrag einzelner Stellen, bald wird er unzufrieden mit den Tempos, bald machen ihm die Sänger und Sängerinnen zu viel Schnörkeleyen – wie er's nannte; kurz, sein Interesse wird immer lebhafter erregt und er drängt sich bewußtlos immer näher und näher dem Orchester zu, indem er bald dies bald jenes, bald leiser bald lauter brummt und murret und dadurch den Umstehenden, die auf das kleine unscheinbare Männchen im schlechten Oberrock herabsehen, Stoff genug zum Lachen gibt – wovon er aber natürlich nichts weiß. Endlich kam es zu Pedrillos Arie: Frisch zum Kampfe, frisch zum Streite etc. Die Direktion hatte entweder eine unrichtige Partitur, oder – man hatte verbessern wollen und der zweyten Violin bey den oft wiederholten Worten: nur ein feiger Tropf verzagt – Dis statt D gegeben. Hier konnte Mozart sich nicht länger halten; er rief fast ganz laut in seiner freylich nicht verzierten Sprache: »Verflucht – wollt Ihr D greifen!« – Alles sahe sich um, auch mehrere aus dem Orchester. Einige [225] von den Musikern erkannten ihn und nun ging es wie Lauffeuer durch das Orchester und von diesem aufs Theater: Mozart ist da! – Einige Schauspieler, besonders die sehr schätzbare Sängerin Madame Baranius, die die Blonde spielte, wollte nicht wieder heraus aufs Theater. Diese Nachricht lief rückwärts an den Musikdirektor und dieser sagte sie in der Verlegenheit Mozarten, der nun schon bis hart hinter ihn vorgerückt war. Im Augenblick war dieser hinter den Kulissen: »Madam – « sagte er zu ihr; »Was treiben Sie für Zeug? Sie haben herrlich, herrlich gesungen: und – damit Sie's ein andermal noch besser machen, will ich die Rolle mit Ihnen einstudieren!« –
Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 225-226.
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