Mozarts verkehr im Körnerschen Hause in Dresden

[221] Aus Gustav Partheys Jugenderinnerungen Mozart selbst, bei seinem kurzen Aufenthalte in Dresden verkehrte fast täglich98 im Körnerschen Hause. Für die reizende und geistvolle Doris99 stand er in hellen Flammen und sagte ihr mit süddeutscher Lebhaftigkeit die naivsten Schmeicheleien. Gewöhnlich kam er kurz vor Tisch und setzte sich, nachdem er sich in galanten Redensarten ergossen, an das Klavier, um zu phantasieren. Im Nebenzimmer wurde in zwischen der Tisch gedeckt, die Suppe aufgetragen und der Bediente meldete, daß angerichtet sei. Aber wer mochte sich entfernen, wenn Mozart phantasierte! Man ließ die Suppe kalt werden und den Braten verbrennen, um nur immerfort den Zauberklängen zuzuhören, die der Meister, völlig in sich versunken und unempfindlich für die Außenwelt, dem Instrumente[221] entlockte. Nachdem einigemal die Suppe über Mozarts Spiel kalt geworden war, machte man kurzen Prozeß mit ihm. »Mozart«, sagte Doris zu ihm, indem sie ihren schneeweißen Arm auf seine Schulter legte, »Mozart, wir gehen zu Tische, wollen Sie mit uns essen?« »Küß' die Hand, meine Gnädige, werde gleich kommen!« »Aber, wer nicht kam, war Mozart, er spielte ungestört fort. So hatten wir denn oft, schloß Doris ihre Erzählung, bei unserem Essen die ausgesuchteste Mozartsche Tafelmusik und fanden ihn nach Tische noch am Instrument sitzen.«
Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 221-222.
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