Zweites Kapitel.

Das Jahr 1825.

Karl Holz. Baden. Der Neffe. Besuche von Rellstab, Kuhlau, Smart u.a. Stephan v. Breuning. Das A-Moll-Quartett.

Die Geschichte des neuen Jahres knüpft gleich an das letzte Ereignis des vorigen an. Auf Neates Brief vom 20. Dezember antwortete Beethoven am 15. Januar 1825 mit einem, wie Neate gewünscht hatte, französischen längeren Briefe.1


»Vienne le 15 Janvier 1825.


Ce fut avec le plus grand plaisir que je reçus votre lettre du... par laquelle vous avez eu la bonté de m'avertir que la Société Philharmonique distinguée d'artistes m'invite à venir à Londres. Je suis bien content des conditions que me fait la société, seulement je désire de lui proposer de m'envoyer, outre les 300guinées qu'elle me promet, encore 100 guinées pour faire les dépenses du voyage; car il [160] faudra acheter une voiture; aussi dois-je être accompagné de quelqu'un.2 Vous voyez bien que cela est necessaire; d'ailleurs je vous prie de m'indiquer l'auberge ou je pourrai descendre à Londres.

Je prendrai un nouveau Quatuor avec moi. Quant au bruit dont vous m'écrivez, qu'il existe un exemplaire de la 9ième Symphonie à Paris, il n'est point fondé. Il est vrai, que cette Symphonie sera publiée en Allemagne, mais point avant que l'an soit écoulé, pendant lequel la Société en jouira.

Sur ce point il faut encore vous avertir de ne faire que de petites preuves de cette composition, en Quatuor par exemple, car c'est la seule manière d'étudier bien une belle (telle?) œuvre; les chœurs, avant tout, doivent être exercés. Il y a encore quelques erreurs, dont je vous enverrai le catalogue par la poste prochaine.

Il me semble avoir été oublié dans la 2de partie de la Symphonie, qu'à la répétition du Minore après le Presto il faut commaneer de nouveau du signe 2. Kapitel. Das Jahr 1825, et continuer sans répétition jusqu'à la Ferma, alors on prend aussitôt la Coda.3

Je vous prie de me répondre au plus vite possible, car on demande de moi une grande composition nouvelle, que je ne commencerai cependant pas, sans votre réponse.4 Il faut que j'écrive toujours, pas pour me faire des richesses – seulement pour pourvoir à mes besoins.

Or je dois avoir de la certitude sur ce point;Je serai bien charmé de vous voir, et de connaitre la noble nation Anglaise.

Je suis, avec la plus haute considération)


Monsieur,

Votre sincère ami

Louis van Beethoven


Der Brief findet seine Erläuterung in den bisherigen Mitteilungen. Neate beantwortete ihn am 1. Februar in folgender Weise:5


»Mein lieber Beethoven!


Nachdem ich den Direktoren der Philharmonischen Gesellschaft den Inhalt Ihres Briefes mitgetheilt habe, so muß ich Ihnen mit großer Bekümmerniß ankünden, daß es nicht möglich ist, den ersten Vorschlag abzuändern, welchen sie Ihnen gemacht haben mit dem Anerbieten von 300 Guinées.

Wenn es von mir allein abhinge, so würde ich Ihnen sehr gern die Summe anbieten, die Sie wünschen, aber die Direktoren en masse müssen sich denen Gesetzen, welche die Gesellschaft regieren, fügen, folglich sind sie nicht [161] in allen Fällen Herren ihrer Handlungen. – Ich mir schmeichle mit der Hoffnung, daß diese Gründe Sie bewegen werden, unsern Antrag anzunehmen, und daß Sie sich so bald wie möglich auf die Reise machen, da ich überzeugt bin, daß Sie Ihre Rechnung gewiß dabei finden, und vollkommen mit dem Aufenthalt in England zufrieden sein werden.

Jetzt wird es Ihnen freilich nicht mehr möglich sein, bei dem ersten Conzerte noch anzukommen, aber die Direktoren werden Sie mit Ungeduld zu dem zweiten erwarten, welches Anfang März statthaben wird. Ich rathe Ihnen in dem Gasthaus de la Sabloniére dans Leycester Square abzusteigen, es ist ein französisches Haus, welches häufig von Fremden besucht wird.

In jedem Falle schreiben Sie mir bitte durch die nächste Post, und machen Sie mir zu wissen, wann Sie hier anzulangen glauben, damit ich das Vergnügen haben kann, Ihnen entgegen zu gehen. – Die Sinfonie ist fehlerfrei, und soll heute Abend wiederholt [probiert] werden. – Gott befohlen mein Freund! In der Hoffnung Sie bald zu sehen, bitte ich Sie mich für Ihren eifrigsten Bewunderer zu halten, so wie für Ihren immer aufrichtigen Freund


C. Neate.


Wenn Sie unglücklicher Weise den Entschluß fassen sollten, nicht zu kommen, so hoffe ich, daß Sie nicht ermangeln werden, mir manchmal zu schreiben, und daß Sie sich allzeit an mich und so lange wenden werden, als Sie mit unserem Lande in einiger Verbindung stehen, mit der Versicherung, daß niemand auf der Welt ist, bei welchem Sie Ihr Vertrauen und aufrichtige Freundschaft besser aufbewahren könnten.«


Durch diese Ablehnung seiner Forderung mochten die übrigen Gründe, die ihm den Gedanken an die Reise erschwerten, verstärktes Gewicht erhalten. Sein Gesundheitszustand, seine Taubheit, die Verhältnisse des Neffen mußten ihm das Unternehmen einer längeren Reise besonders schwer erscheinen lassen; dazu kam die ihm eigene Unschlüssigkeit, die wir auch aus den Unterhaltungen ahnen. Seine Umgebung, Bruder, Neffe, Schuppanzigh redeten ihm zu teils des Geldgewinns wegen, teils auch weil sie es seiner Gesundheit zuträglich erachteten; die Frage eines Reisebegleiters wird erwogen, wenigstens macht man ihm Vorschläge; da werden Schuppanzigh, der junge Streicher genannt.6 Alles war vergeblich, [162] die Reise wurde, zumal nach dem Bescheide von London, nicht unternommen, zunächst verschoben – das war aber so gut wie das Aufgeben des Planes. Beethoven schrieb, wieder französisch, am 19. März an Neate.7


»Vienne le 19. Mars 1825.


Mon très cher ami!


Je ne pourrai guère venir à Londres durant le printemps, mais qui sait quel accident m'y conduit peut-être en automne. J'espère que vous vous trouvez bien dans votre famille, et en bon santé. Quant aux Quatuors dont vous m'écrivez dans vos lettres, j'en ai achevé le premier, et je suis à présent à composer le second, qui, comme le troisième, sera achevé dans peu de temps. Vous m'offrez 100 Guinées pour trois Quatuors, je trouve cette proposition bien généreuse. Il se demande seulement, s'il m'est permis de publier ces Quatuors après un an et demie, ou deux ans. C'est ce qui serait très avantageuse pour mes finances. En ce qui concerne la manière de simplifier l'annoncement des Quatuors, et de l'argent de votre part, je vous propose de remettre les muvres à Messrs. Fries et Co. qui témoigneront à vous même, ou à quelque banquier de Londres, d'être possesseurs des Quatuors, et qui vous les remettront aussitôt apres l'arrivée de l'argent.

Voici une affaire par la quelle vous pouvez me prouver votre amitié. Je vous prie seulement de répondre au plutôt possible. Je me fie toujours à votre amitié pour moi, et vous assure que vous pouvez faire de même à moi.

Je suis, avec la plus grande considération,


Votre ami

Beethoven


Die Betonung der Freundschaft läßt diesen Brief als Antwort auf Neates Brief vom 1. Februar erkennen. Beethoven schrieb noch einmal am 25. Mai 1825 an ihn.8 Er erklärt sich hier mit dem früher gebotenen Preise von 100 L. St. für 3 Quartette zufrieden, erwähnt aber, daß das erste Quartett in Wien sehr begehrt und schon verschiedenen Künstlern für ihr Benefiz versprochen sei. Er bittet nochmals [163] um Nachricht, ob Neate mit den letztgestellten Bedingungen (s. den vorigen Brief) einverstanden sei; dann werde er gleich das erste schicken; Sendung des Honorars sei erst erforderlich, wenn er die Vollendung der beiden andern Quartette gemeldet habe. Er bittet um Beschleunigung, da die Herausgeber das Quartett zu besitzen wünschen, um Bewahrung seiner Freundschaft. Von der englischen Reise ist nicht mehr die Rede.

Die Aufführung seiner Werke beschäftigte ihn wieder. Zunächst sei erwähnt, daß am 23. Januar eine neue Serie von Schuppanzighs Quartettabenden begann; im ersten wurde das F-Moll-Quartett und das »beliebte« Septett gespielt.9 Bei den neuen Verhandlungen mit London möchte mancher den Namen von Ferdinand Ries vermissen, mit dem Beethoven schon früher wegen der Messe und der Symphonie korrespondiert hatte. Die Erklärung ist einfach die, daß Ries nicht mehr in London war; er hatte 1824 London verlassen und war in die Familienbesitzung zu Godesberg bei Bonn übergesiedelt.10 Dorthin hatte er Beethoven eingeladen und ihn gebeten, eine Zeitlang bei ihm zu verweilen. Darauf schrieb ihm Beethoven nicht lange nachher folgenden Brief:11


»Lieber Ries!


Sie dringen so sehr auf Antwort, daß ich Ihnen in diesem Augenblicke blos das Nöthigste sagen kann. Schon von Kirchhoffer wußt' ich, daß Sie London verlassen haben. Meine so gedrängte Lage ließ mich kaum dazu kommen, Ihnen nur das Mindeste zu schreiben. K. übernahm die Symphonie, welche ganz sicher nicht eher als Ende Sommers herauskommen kann. Diese jetzigen Veräußerungen sind nurPrüliminarien, die Zeit welche die Londner Philharm. Gesellschaft sich ausbedungen hat, wird aufs genaueste gehalten werden. Bremen hat sie nie erhalten. Eben so wenig Paris, wie man mir von London aus schrieb.12 Was muß man nicht alles ertragen, wenn man das Unglück hat, berühmt zu werden! – Nun auf Ihre Wünsche! mit Vergnügen werde ich Ihnen die Tempi von Cristus am Oelberg durch denMetronom bezeichnen, so wankend auch noch diese Zeitbestimmung ist. – [164] Was die Symphonie betrifft, so mache ich Ihnen hierbei einen mehr ins allgemeine gehenden Vorschlag. Meine Lage macht, daß ich durch meine Noten aus meinen Nöthen zu kommen suchen muß. Wäre es denn nicht möglich, daß Sie die Sache so einrichteten: ich schickte Ihnen dieSymphonie in meiner oder einer wohl abgeschriebenenPartitur, hiezu noch die Messe in Parti-tur, und dieOuvertüre, die ich für die Philh. Gesellschaft schrieb. Auch könnte ich noch mehrere Kleinigkeiten für Orchester geben; und für Chöre; so würde ein solcher Verein in Stand gesetzt, statt einer Akademie 2–3 zu geben. Vielleicht würden demselben 10 Carolinen nicht zu viel seyn. Ich überlasse Ihnen die Sache; das Concept hierzu kommt nicht von mir, sondern von denen, welche mich durch meine Noten aus meinen Nöthen retten wollen. Ich nehme den innigsten Antheil an Ihrem Besitzthum in Godesberg; kein Mensch kann eine neidischere Freude darüber haben, dessen höchste Wünsche ein solcher Besitz erfüllen würde, Es scheint aber, daß meine Bestimmung gerade nicht so seyn soll, wie ich sie wünsche. Grüßen Sie Ihren alten Vater herzlich von mir. Ich bin äußerst erfreut über sein Glück; ich umarme Sie herzlich, und hoffe Ihnen bald Näheres schreiben zu können.

Wie immer Ihr wahrer Freund

Beethoven.

Schreiben sie ebenfalls bald.«


Dieser Brief bedarf einer kurzen Erläuterung. Wenige Jahre vorher (1817) waren die niederrheinischen Musikfeste ins Leben getreten; zu Pfingsten 1825 sollte das Fest in Aachen stattfinden.13 Zur Leitung dieses Festes hatte man Ferdinand Ries in Godesberg gewonnen, der durch ein Schreiben vom 24. Dezember 1824 den an ihn ergangenen Antrag angenommen hatte. Man wünschte Beethovens 9. Symphonie, über deren erste Aufführung in Wien man unterrichtet war, aufzuführen, und fragte bei Schott in Mainz an, ob dieselbe bis Anfang Mai 1825 im Druck erscheinen werde, was die Verlagshandlung am 25. Januar verneinend beantwortete. Nun richtete Ries, der anfangs dagegen gewesen war (der voraussichtlichen Schwierigkeit wegen) an Beethoven die Bitte, ihm die Musik zu beschaffen. Darauf bezieht sich der obige Brief Beethovens, der also etwa in den Februar 1825 fällt. Das andere für die Aufführung bestimmte Werk war Christus am Ölberg, für welches also Ries die metronomische Bezeichnung gewünscht hatte.

Beethoven ging auf die Wünsche ein und schickte von den drei ersten Sätzen der Symphonie die Partitur, von dem Finale aber nur die ausgeschriebenen Stimmen. Er erklärte das in einem weiteren Schreiben auf eine erneute Anfrage von Ries.


[165] »– am 19. März 1825.14


Mein werther Freund!


Heut 8 Tage schon, gleich nach Empfang Ihres Schreibens, wurde die Symphonie, 3 Stücke davon in Partitur, und das Finale ganz in Stimmen geschrieben, mit dem ersten abgehenden Postwagen abgeschickt. Ich habe nur meine Partitur, daher ich Ihnen das Finale nur in Stimmen übersenden konnte. Sie erhalten aber mit dem, heut 8 Tage abgehenden Postwagen, das Finale ebenfalls in Partitur, nebst noch andere Werke, die ich Ihnen sende. Mit derSymphonie wurde eine Ouverture, und ein Opterlied mit Chor, letzteres aber wahrscheinlich fehlervoll, abgeschickt. Ich werde Ihnen jedoch ein Verzeichniß der Fehler von hier aus senden. Zum Finale der Symphonie wird auch noch 1 Contrafagott mitgeschickt.

Dies ist alles, lieber Freund, was ich Ihnen heut sagen kann; Ich bin zu bedrängt. Für Ihre schönen Anträge werde ich Ihnen selbst schriftlich danken, welches ich heute einer verbrannten Hand wegen nicht kann. Alles Schöne an Ihren Vater und Ihre Gattin.

Sie werden auf jeden Fall zufrieden mit mir sein. Wie immer Ihr wahrer Freund


Beethoven.

(Adresse von anderer Hand.)

An

Seine Hochwohlgeboren Hern Ferdinand Ries

berühmten Tonkünstler und Compositeur

in Bonn am Niederrhein


Man wartete aber vergebens auf die Partitur des Finale, und so mußte man noch viele Zeit und viele Kosten auf die Zusammensetzung derselben aus den Stimmen verwenden. Beethoven entschuldigt sich nachträglich noch wegen des Ausbleibens der Partitur und war auch aus der Ferne um die Korrektheit der übersandten Musik besorgt; davon gibt uns ein weiterer Brief an Ries Kunde.15

»Wien am 9ten

April

1825.


Werther lieber Ries!


Nur eilig das nöthigste – in der ihnen geschickten Partitur der Sinfonie, ist so viel ich mich erinnere, in der I-ten oboe im ersten allo ein [166] Fehler, u. zwar im 242. Takt16 wo steht 2. Kapitel. Das Jahr 1825 statt 2. Kapitel. Das Jahr 1825 alle Instrumente (außer den Blechinstrumenten nur theilweise)17 habe ich durchgesehen, u. ich glaube sie wird so ziemlich richtig seyn, gern hätte ich ihnen meine Partitur gesendet, allein es steht mir noch eine Akademie bevor u. das Manuscript ist die einzige Partit., welche ich habe, wenn es übrigens meine Gesundheit zuläßt, denn nun muß ich bald aufs Land, wo ich nur um diese Zeit gedeihen kann – das Opferlied werden sie nun bald zum 2ten mal abgeschrieben erhalten haben u. bezeichnen sie es sogleich als korrigirt von mir, damit es nicht mit dem, was sie schon haben, ge braucht werde, hier haben sie ein Beispiel von dem elenden Copisten, welchen ich seit Schlemmers Tode habe, auf keine Note kann man sich beynahe verlassen – da sie die Stimmen schon alle ausgeschrieben vom Finale der Sinfonie erhalten haben, so habe ich ihnen noch die Chor-direktor Stimme geschickt, sie können solche leicht ehe der Gesang anhebt, aus den Stimmen in Partitur setzen lassen, u. wo der Gesang anhebt, ist es ganz leicht mit einiger überlegung die instrumental Stimmen oben über an die Gesangstimmen in Partitur anheften zu lassen es war nicht mögl. alles dieses sogleich geschrieben u. in der Geschwindigkeit würden sie nichts als Fehler bey diesem Copist. erhalten haben ich habe ihnen eine overture in C 6/8 die noch nicht öffentl. erschienen,18 auch die gestochenen Stimmen erhalten sie nächsten Posttag,Kyrie u. Gloria zwei der vorzüglichst. Stück sind ebenfalls schon nebst einem italienischen Singduett auf dem Wege für sie, sie erhalten nun noch einen großen Marsch mit Chor gut geeignet zu großen Musiken.

Es wäre noch eine große außerhalb nicht bekannteoverture da, ich glaube aber, sie werden genug hiermit haben –

ich erwarte ohne Ermahnung, daß sie ja sorgen daß nichts weiter unter andere Hände gerathe, u. kommen sie mit Schott in Mainz zusammen, so heißt es daß ich nur aus rücksicht u. liebe für sie ihnen dieSinfonie geschickt. – leben sie wohl in den mir ewig lieben Schönen Rheingegenden, allen schönen antheil am Leben wünsche ich ihnen u. ihrer Gattin ihrem Vater alles Gute und schöne von


ihrem Freunde

Beethoven.«19


[167] Die Aufführung fand am zweiten Tage des Musikfestes, am 23. Mai 1825 statt; die Symphonie bildete den Anfang, ihr folgte Davidde penitente und Ouvertüre zur Zauberflöte von Mozart, den Schluß machte Beethovens Christus am Ölberg. Bei der kurzen Zeit für das Einstudieren ergaben sich die größten Schwierigkeiten für die Aufführung; es wurde daher »zwar mit tiefem Bedauern, jedoch durch die Notwendigkeit gezwungen beschlossen, einige Stücke aus dem Adagio und das Scherzo bei der Aufführung zu übergehen« (!) Davon hat Beethoven hoffentlich nichts erfahren. »Dennoch«, heißt es weiter, »verfehlte diese Aufführung den erwarteten Effekt nicht und riß die Zuhörer zu allgemeiner Bewunderung hin.« Ries war in der Lage, Beethoven aus diesem Anlaß noch ein besonderes Geschenk von 40 Louisd'ors zu übermitteln. Hier sein Brief, der auch für die Sache selbst von Interesse ist:20


»Godesberg d. 9. Juni 1825.


Liebster Beethoven!


Seit einigen Tagen bin ich von Aachen zurück, und sage Ihnen mit dem größten Vergnügen, daß Ihre neue Sinfonie mit außerordentlicher Prezision aufgeführt und mit dem größten Beifall aufgenommen worden ist – es war eine harte Nuß zu brechen und den letzten Tag, habe ich am Finale allein 3 Stunden lang probirt – allein ich besonders, und alle andern waren durch die Aufführung hinlänglich belohnt. Es ist ein Werk, dem man keines an die Seite setzen kann, und hätten Sie nichts wie das geschrieben, so hätten Sie sich unsterblich gemacht – wo werden Sie uns noch hinführen?? – Da es Sie interessiren wird noch einiges über die Aufführung zu hören, so will ich es Ihnen kurz beschreiben.

Das Orchester und Chorpersonale bestand aus 422 Personen und sehr viele ausgezeichnete Leute darunter. Der erste Tag wurde mit einer neuen Sinfonie von mir angefangen, und nachher das Alexanderfest von Handl. Der zweite Tag fing mit ihrer neuen Sinfonie an, nachher Davide penitente von Mozart Overtüre aus der Zauberflöte und Christus am Öhlberg. – Der Applaus des Publikums war beinahe fürchterlich, ich war seit dem 3. Mai schon in Aachen um die Proben zu machen und um die Zufriedenheit und den Enthusiasmus des Publikums zu bezeugen, wurde ich nach der Ausführung herausgerufen, wo mir von einer Dame |:schön war sie auch:| ein Gedicht nebst Lorbeerkrone überreicht wurde. Zu gleicher Zeit folgte [168] Blumen- Regen und Gedicht von den oberen Logen. Alles war vergnügt und zufrieden, und sie gestehen ein daß es das schönste von den sieben Pfingstfesten war, welches sie bisher gehabt haben.

Es ist mir unendlich leid, daß Ihre andern Musikalien zu spät ankamen, um noch davon Gebrauch zu machen es war eine Unmöglichkeit. – Ich übersende Ihnen hier lieber Freund, einen Wechsel von 40Louisd'or auf Hippemayer u. Ci in Wien, wie abgesprochen und bitte Sie mir sobald als möglich den Empfang zu bestätigen, damit ich mit Aachen alles in Richtigkeit bringen kann.

Es ist uns lieb daß Sie das Engagement nach England nicht angenommen haben – wenn Sie hingehen wollen so müssen Sie sich darauf vorbereiten – damit Sie tüchtig Ihre Rechnung dabei machen können. Rossini hat allein vom Theater 2500 Pfund Sterling gehabt, wenn die Engländer etwas außerordentliches thun wollen, so müssen sie sich allseitig vereinigen, damit es sich der Mühe lohne. An Applaus und Ehrenbezeugungen wird es Ihnen dort nicht fehlen, aber davon haben Sie wohl Ihr Leben hindurch genug gehabt.

Leben Sie recht glücklich lieber Beethoven


ewig

Ihr

Ferdinand Ries.«


Angesichts dieser zwischen Beethoven und Ries gewechselten Briefe wird wohl das Gerede von Schindler über eine Erkaltung des Verhältnisses zwischen beiden Männern auf ein bescheideneres Maß zurückgeführt werden dürfen.

Die Erwähnung der neunten Symphonie und des Verlegers Schott, sowie der nahe zeitliche Zusammenhang wird es rechtfertigen, wenn wir hier die Mitteilung über die Verhandlungen mit dem genannten Verleger weiterführen (S. 116 ff.). Noch im Januar hatte Beethoven an Schott Folgendes geschrieben:


»Wien am 22ten Jenner 1825.21


Euer Wohlgeboren!


Am 16. Jenner sind beyde Werke bei Frieß abgegeb. worden, was hierbey noch zu bemerken, mit nächstem Briefe, beide sind gebunden u. werden von Frieß wo man sich scheint darum warm anzunehmen gewiß gut besorgt werden. Daß sollte die Messe gestochen sein, scheint mir nicht möglich zu sein. Veranlassung zu diesem gerüchte, wie ich sicher hoffe, könnte ein gewisser Stockhausen, welcher einen singverein bildet, gegeben haben, er schrieb mir viel schönes von der Messe, und daß man von Hof aus das Vertrauen in ihn setze, u. ihn habe eine Abschrift für seinen Verein nehmen, wo aber [169] kein Mißbrauch zu erwarten, wahrscheinlich durch den Herzog von Blacas, welcher diese seine Musiken besuchte, wie er schrieb,parceque les grands sont le plus faibles – mir ward nicht wohl zu Muthe, ich hoffe aber daß nichts daran sey – Schlesinger ist auch nicht zu trauen, da ers nimmen22 wo immer, beide Pere et fils haben mich um die Messe etc. bombardirt, ich würdigte beide keiner Antwort, da ich bei einer Musterung sie längst ausgestoßen – Es wäre mir sehr lieb, wenn sie selbst mir etwas zu unterschreiben schickten, wo ich sie des alleinigen Eigenthums all dieser allein correcten Auflagen versicherte, jedoch sei es gleich hier –

Ich Endes Unterschriebener bezeuge laut meiner Unterschrift, daß die B. Schott Söhne in Maynz die einzigen u. rechtmäßigen Verleger meiner großensolennen Messe sowohl als meiner großen Sinfonie inD moll sind – –23 auch erkenne ich bloß diese Auflagen als rechtmäßige und korrekte.

Wien am... Jenner 1825.


Ludwig van Beethoven m. p.


Schlesinger wollte auch meine Quartetten sämtlich herausgeben, u. von mir periodisch jedesmal ein neues dazu haben, u. zahlen was ich wollte da dies aber meinem Zweck einer Herausgabe von mir meiner sämmtlich. Werke schaden könnte, so blieb auch dieses von mir unbeantwortet, Bei dieser Gelegenheit könnten Sie wohl einmal darüber nachdenken, denn besser es geeschieht jetzt von mir als nach meinem Tode, Anträge hierüber habe ich schon erhalte auch Pläne dazu, jedoch scheinen mir diese Handlungen nicht zu einem so großen Unternehmen geeignet, Zu Ihnen hätte ich eher das Zutrauen, ich würde mit einer summe überhaupt mich am liebsten dafür Honoriren lassen, würde die gewöhnlichen kleinen unbedeutenden Aenderungen andeuten und zu jeder Gattung von Werken wie z.B. zu Sonaten Variationenetc. ein dergleichen neues Werk hinzufügen – hier folgen ein paar canones für ihr journal – noch 3 andere folgen24 – als Beilage einer Romantischen Lebensbeschreibung des Tobias Haßlinger allhier in 3 Theilen. erster Theil. Tobias findet sich als Gehülfe des berühmten sattelfesten Kapellmeister Fux – und hält die Leiter zum gradus ad Parnassum25 dessel ben, da er nun zu Schwänken aufgelegt, [170] so verursacht er durch ein Rütteln und schütteln derselben, daß Mancher welcher schon ziemlich empor gestiegen, jählings den Hals bricht etc. nun empfiehlt er sich unserm Erdklumpen und kommt wieder zu Zeiten Albrechtsbergers ans Tageslicht. 2ter Theil. Die schon vorhandene Fuxische Nota cambiata wird nun gemeinschaftlich mit A. behandelt, die Wechselnoten aufs äußerste auseinandergesetzt, die Kunst Musikal. Gerippe zu erschaffen wird aufs äußerste getriebenetc. Tobias spinnt sich dann neuerdings als Raupe ein, u. so entwickelt er sich wieder, u. erscheint zu ll-tenmahl auf dieser Welt 3ter Theil, die kaum erwachsenen Flügel eilen dem Paternostergäßel nun zu, er wird paternostergäßlerischer Kapellmeister, die Schule der Wechselnoten durchgegangen, behält er nichts davon als die Wechsel, u. so schafft er seinen Jugend Freund u. wird endlich Mitglied mehrer inländischen geleerter Vereine etc. wenn sie ihn darum bitten wird er schon erlauben, daß diese Lebensbeschreibung herauskomme –


Eiligst u. Schleunigst

der Ihrige

Beethoven


Diese scherzhafte Lebensbeschreibung kam mit geringen Änderungen in die Cäcilia (H. 7, April 1825, S. 205), worüber Beethoven sehr ungehalten war. Schotts hatten nicht beachtet, daß Beethoven die vorherige Einwilligung Haslingers gewünscht hatte; sie waren durch die Sache offenbar ergötzt und mochten besonders dadurch gereizt sein, daß ihnen Beethoven mitteilte (S. 177), Haslinger habe ihm von der Verbindung mit Schott abgeraten. Er spricht sich darüber in einem späteren Briefe offen aus und wünscht eine beschwichtigende Erklärung; der Brief mag hier folgen:26


»Ew. Wohlgeboren!


Mit Erstaunen nehme ich im 7. Hefte der Cecilia S. 205 wahr, daß Sie mit den eingerückten Canons auch einen freundschaftlich mitgetheilten Scherz, der leicht für beißende Beleidigung genommen werden kann, zur Publicität brachten, da es doch gar nicht meine Absicht war und mit meinem Charakter von jeher in Widerspruch stand, jemanden zu nahe zu treten.

Was mich als Künstler betrifft, so hat man nie erfahren, daß ich, man habe auch in diesem Punkte was immer über mich geschrieben, mich je geregt habe; was mich aber als Mensch betrifft, muß ich von einer ganz andern Seite empfinden.

Obschon es Ihnen gleich auf den ersten Anblick hätte in die Augen springen sollen, daß der ganze Entwurf einer Lebensbeschreibung meines geachteten Freundes Herrn Tobias Haslinger nur ein Scherz war und auch nicht anders gemeint sein konnte, da ich, wie mein Brief besagt, zur Steigerung dieses Scherzes noch obendrein durch eine Aufforderung von Ihrer Seite [171] ihn um die Einwilligung zur Herausgabe seiner Biographie anzugehen wünschte, so scheint es doch, daß es meine flüchtige und oft unleserliche Schrift war, welche zu einem Mißverständnisse Veranlassung gab.

Meinem Zwecke, Ihnen Beiträge, welche Sie selbst verlangen, zu übersenden, wäre vollkommen entsprochen worden, wenn Sie nur die beiden Canons eingerückt hätten, deren Ueberschriften schon hinlänglich beweisen, daß sie mit einer Biographie Haslingers nicht leicht in Berührung kommen können; ich konnte mir es aber kaum träumen lassen, daß Sie eine Privatcorrespondenz mißbrauchen und einen solchen Scherz dem Publikum vorlegen würden, welches sich Ungereimtheiten, die Sie erst noch einzuschalten beliebten (z.B. Zeile 2 ›Kanons, die ich als Beylagen u.s.w.‹), gar nicht erklären kann.

Das Wort ›geleert‹, welches mit zum Ganzen des humoristischen Umrisses gehört, könnte in einem Kreise, wo man sich scherzend unterhält, wohl gelten, nie aber fiel es mir ein, es öffentlich statt: gelehrt hinzusetzen.

Das hieße den Spaß zu weit treiben!

In Zukunft werde ich mich wohl zu hüthen wissen, daß meine Schrift nicht zu neuen Mißverständnissen Anlaß gebe.

Ich erwarte daher, daß Sie dieses ohne Verzug und ohne Clausel oder Hinweglassung in die Cecilia aufnehmen werden, da die Sache einmahl so ist, wie ich sie hier erklärt habe und keineswegs anders gedeutet werden darf.

Wien am 13. August 1825.

L. van Beethoven.«


[Eigenhändiger Zusatz Beethovens]:


»Ich rechne ganz sicher darauf, daß dieser Aufsatz sogleich in die Caecilia eingerückt werde.


Ihr ergebener

Beethoven


Ob eine Erklärung Beethovens zugunsten Haslingers veröffenlicht wurde, ist uns nicht bekannt. Er gab auch andern gegenüber (Holz, dem Neffen) seinem Unmute über die Mainzer Ausdruck. Jener Brief war allerdings nicht für die Veröffentlichung bestimmt und Beethoven hatte ja nur von einem Entwurf gesprochen; an eine weitere humoristische Behandlung des Gegenstandes dachte er aber, wobei Castelli helfen sollte; dieser war auch bereit dazu. Beethoven schrieb am 10. August an Holz:27 »mit Staunen höre ich daß die Mainzer Gassenbuben wirklich einen Scherz mißbraucht haben! Es ist abscheulich, ich kann betheuern, daß dieß gar nicht mein Gedanke war, sondern ohngefähr: nach diesem Witze sollte Castelli ein Gedicht schreiben,28, jedoch nur unter dem Namen des musikalischen Tobias, mit musik von mir, da es aber so geschehen [172] ist, so muß man es als Schickung des Himmels betrachten, es giebt ein Seitenstück zu Göthes: Bardt sans comparaison mit irgend einem Schriftsteller. Ich glaube aber, daß Tobias selbst an ihnen etwas verschuldet etc. – Voila die Rache, ist doch immer besser als in den Rachen eines Ungeheuers zu gerathen. Thränen kann ich nicht darüber vergießen, aber lachen muß ich wie –« So gab er sich allmählich mit der Sache zufrieden, wie wir auch aus einem um dieselbe Zeit geschriebenen Briefe an den Neffen erkennen.29 Auch Haslinger dürfte sich allmählich beruhigt haben; wenigstens erfahren wir nicht, daß aus der Sache ein ernstliches Zerwürfnis entstanden wäre. So dürfen wir denn auch den Gegenstand hier verlassen.

Wir kehren also zu den Verhandlungen wegen der Herausgabe der Werke zurück. Nur wenige Tage nach obigem Briefe schrieb Beethoven wieder an die Firma; es handelte sich um den richtigen Druck einzelner Stellen, deshalb hat der Brief auch hier Interesse.30 Über dem Briefe steht mit Bleistift von anderer Hand »26. Jan. 1825.«


Euer Wohlgebohrn!


nur geschwinde Erinnerungen


am besten und deutlichsten wird die Messe gestochen werden, wenn zwischen den blasenden und Blech Instrumenten wie auch den Pauken ein Zwischenraum gelassen wird, alsdann folgen die 2 Violinen Bratsche die 4 Solostimmen die 4 Chorstimmen Violonschellstimme Konterbaßstimme u. zuletzt die Orgelstimme, so war die Partitur eingeteilt von meinem verstorbenen Copisten, mit der orgelstimme könnt es auch noch anders werden, wie es sich dort bei ihnen finden wird, die alte partitur war zu beschmiert um ihnen zu schicken, die neue ist aufs sorgfältigste durchgesehen worden, wahrlich keine kleine Mühe bei einem Copisten, der kaum versteht, was er schreibt –

[173] hätte die Sinfonie sollen ganz abgeschrieben werden, so würde es ihnen zu lange gedauert haben, u. wirklich habe ich noch keinen Copisten finden können, der nur einigermaßen versteht, was er schreibt, daher ich für was am schlechtesten geschrieben neue Blätter einrücken lassen – manchmal werden die puncte hinter einer Note statt neben der Note nemlich2. Kapitel. Das Jahr 1825 ganz anderswo sich finden, vielleicht 2. Kapitel. Das Jahr 1825 etc. deuten sie gefälligst dem Stecher an, daß er hierauf achte u. d. g. puncte überall neben die Note auf dieselbige Linie derselben setze. –

Wo diese Stelle im ersten Allo Iten Theile in den beiden Violinen kommt, nemlich


2. Kapitel. Das Jahr 1825

muß darüber non ligato angedeutet werden, ebenso im 2ten Theile31 – nachzusehen ist noch, ob imdona nobis im allegro assai bei dieser Stelle in der ersten Violin das ~ vor d nicht vergessen nemlich ⌗


2. Kapitel. Das Jahr 1825

32


Das Tempo vom Benedictus Andante molto cantabile e non troppo mosso ist vieleicht auch nicht angedeutet. – Bei den canones, welche ich ihnen schickte, u. selbst abgeschrieben, wo ich immer fehle, muß es im 3ten und 4ten Tact so heißen


2. Kapitel. Das Jahr 1825

Schreiben sie ja gleich wegen Paris, ich könnte auch von hier aus gleich eine französische Erklärung ihnen zuschicken, allein was sie hierin ergreifen, werde ich auf das untrüglichste beistimmen – Mein Bruder hat den Wechsel noch nicht, beeilen sie diese Sache, denn er ist etwas gelddurstig, um so mehr [174] als das Geld dafür hier angewiesen war, u. ich einen schweren Stand mit dem andern Verleger hatte, auch noch eine sehr entfernte Handlung verlangte diese Werke, ohn Großsprecherey. – Das quartett wird in höchstens 833 Tägen abgegeben, da ich sehr gedrängt in einem anderen werk begriffen bin.


Mit Herzlichkeit u. Achtung

Ihr Freund

Beethoven.


In einer Nachschrift bezeichnet Beethoven noch eine Reihe von Stellen des dona nobis, an welchen die Vorschläge 2. Kapitel. Das Jahr 1825 unrichtig mit Achteln 2. Kapitel. Das Jahr 1825 geschrieben waren, und schließt dann


»Hieraus können sie ersehen welche Copisten ich jetzt noch habe, der Kerl ist ein stock Böhme, einPandur, versteht einen nicht, zuerst schrieb er Viertel! zu den Vorschlägen dann endlich 8tel, da ich nicht mehr nachgesehn hatte, so ersah ich dieses noch beim flüchtigen einpacken.

Wien am 26ten Jenner.«


Mit diesen Äußerungen des Unmuts über seinen augenblicklichen böhmischen Kopisten stellt Nohl (N. Br. Nr. 283) wohl richtig einen Brief des Kopisten Wolanek zusammen, mit welchem dieser das bis dahin Geschriebene Beethoven zuschickte, da er mit dem ganzen wohl erst zu Ostern fertig werden könne.34 Unter freundlichem Scheine erlaubt er sich beißenden Spott und erregt dadurch Beethovens größten Zorn. Es muß schon vorher zu einer starken Auseinandersetzung gekommen sein; jedenfalls mußte es Beethoven neben dem gehässigen Tone verdrießlich berühren, [175] daß ihm so gleichsam der Dienst aufgesagt wurde. Er durchstrich den Brief kreuzweise und schrieb mit großen Buchstaben darüber:


»Dummer Eingebildeter Eselhafter Kerl!«


Unten am Rande schrieb er:


»Mit einem solchen Lumpen-Kerl, der einem das Geld abstiehlt, wird man noch Komplimente machen, statt dessen zieht man ihn bey seinen Eselhaften Ohren.«


Aber auch die andere Seite blieb von seinem Zorn nicht verschont. Da liest man:


»Schreib-Sudler! Dummer Kerl! Korrigiren sie ihre durch Unwissenheit, Uebermuth, Eigendünkel u. Dummheit gemachten Fehler, dies schickt sich besser, als mich belehren zu wollen denn das ist gerade, als wenn die Sau die Minerva lehren wollte.


Beethoven!«


Am Rande rechts:


»Mozart und Haydn erzeigen Sie die Ehre, ihrer nicht zu erwähnen.«


Und links:


»Es war schon gestern und noch früher beschlossen, Sie nicht mehr für mich schreiben zu machen.«


Am 4. Februar schickte Johann van Beethoven, der also in dieser Zeit dem Bruder behilflich war, die besprochenen Werke an Schott und begleitete sie mit einem Briefe,35 worin er der Firma das rechtmäßige Eigentum derselben bestätigt und bittet, die Korrektur dem Herrn Gottfried Weber zu übertragen, was dieser in einer Beischrift mit einem häßlichen Ausfall gegen Beethoven ablehnte. Beethoven ließ dieser Sendung sofort einen weiteren Brief folgen:36


»Wien am 5ten Febr. 1825.


Euer Wohlgebohrn!


Sie werden nun bald alle Werke haben, – daß sie alleiniger Eigenthümer der Josephstädt. Overture u. Klavierauszüge derselben wie auch von meinen 6Bagatelles oder Kleinigkeiten u. 3 Gesängen wovon 2 mit [176] blasend. Instrumenten oder Klavier allein u. einerAriette mit Klavier sind, u. ihre auflagen davon allein die korrekten und rechtmäßigen sind, und vom Autor selbst besorgt, bezeuge ich Ihnen laut meiner Unterschrift

Wien am 5ten Februar 1825.


Ludwig van Beethoven.


Sie thun wohl sogleich die Klavierauszüge derOvertüre herausgeben, sie sind schon von dem Unfug des Hrn. Henning, wie ich sehe, unterrichtet, denn eben wollte ich sie damit bekant machen, die Overture erhielt das Königstädt. Theater bloß zur Aufführung nicht zum Stich oder herauszugeben, mit Behtmann wurde dieses hier schriftlich ausgemacht, sie wissen aber wohl daß man sich mit ihm zertragen hat u. nun glaubte man wohl auch recht zu haben, das nicht zu halten, was mit ihm verhandelt worden ist – ich erhielt von einem meiner Bekannten in Berlin gleich Nachricht davon, u. schrieb an Henning auf der Stelle, er schrieb auch gleich zurück, daß dieses mit dem 4händigen auszug zwar geschehen u. unmögl. mehr zurückzunehmen, daß aber gewiß nichts weiter mehr geschehen werde, worauf ich ganz sicher rechnen könnte37 – ich schickte ihnen den Brief, allein es wird gar nicht nöthig sein – geben sie nur sogleich die Klavierausz. heraus, unter meinem Nahmen oder unterCarl Czernys Nahmen, welcher selbe gemacht; – auch die overture würde ich bald gern im musik. publicum wissen, es bleibt bei diesem josephstädt. Titel. Die Dedication ist an Se. Durchlaucht den Fürsten Nicolaus von Galitzin d.h. nur auf der Partitur. – sie werden nun wohl thun diese werken überall anzukündigen, wie auch in Paris etc. sie haben hierüber volle Vollmacht von mir ihr interesse aufs beste u. möglichste zu fördern ich genehmige alles was sie hierin nöthig finden – ich habe ihnen einige canons geschickt zur caecilia Sollten sie aber lieber etwas anderes wünschen, so schreiben sie mir. – Wegen Stockhausen in Paris seyn sie ganz ohne Sorgen, ich werde ihm schon schreiben. – Den Spaß machen sie sich den Tobias um seine romant.38 Lebensbeschreib. von mir zu bitten, das ist so die Art mit diesem Menschen umzugehen, Wiener39 ohne Herz, er ist eigentlich derjenige, welcher mir von Ihnen abgerathen, Silentium.

Es geht nicht anders der eigentliche Steiner als Paternostergäßler allhier ist ein Haupt...40 und gar schuftischer Kerl, der Tobias ist mehr ein schwacher Mensch u. wohlgefällig, u. ich brauche ihn zu manchem, mögen sie nun reden was sie wollen, im Verkehr mit ihnen ist das gleichgültig für sie – sobald sie gesonnen seyn sollten wohl eine gänzl. Herausgabe meiner Sämmtl. Werke zu unternehmen, so müßte es bald sein, denn hier u. da ist manches desweg. zu erwarten, bei jeder Gattung ein neues Werk eben nicht groß immer würde diese Angelegenheit sehr fördern. – Daß die künftigen Auflagen [177] (ich meine der neuen Werke welche sie jetzt übernommen haben nb. die in Paris erschienene Messe ist ein Nachstich einer früheren Messe von mir) alle unter meiner Obsorge veranstaltet werden, können Sie auch sagen in den Ankündigungen. –

Weder das 4te noch 5te Heft der Caecil. habe ich empfangen.

Leben Sie nun recht wohl, u. lassen Sie mich bald freundliche Worte von ihnen hören.


Mit wahrer Achtung

ihr

Beethoven


Das Geschäft mit Schott war hiermit abgeschlossen; die noch übrigen Briefe sehen auf etwas Fertiges zurück und geben noch einige Einzelheiten. Wir teilen noch einen Brief vom 19. März mit, den eine fremde Hand geschrieben und Beethoven nur unterschrieben hat.41


»Wien am 19. März 1825.


Euer Wohlgeboren!


Zuvörderst theile ich Ihnen eine Anzeige mit, welche ich in einige Blätter habe rücken lassen.42 Eilen Sie nur mit den Klavierauszügen, denn der 4händige ist hier, sowie er in der Anzeige beschrieben ist. Das Violinquartett wird dieser Tage abgegeben werden. Man hat mir hier vortheilhafte Anträge rücksichtlich desselben gemacht, ich aber halte Ihnen mein Wort, ohne darauf zu achten. – Ich habe noch einige Kleinigkeiten unter meinen Papieren, wovon ich Ihnen nächstens ein Verzeichniß senden werde. Die Violinquartetten werden fortgesetzt. Das 2te ist der Vollendung nahe.43 – Einen Entwurf über die Herausgabe sämmtlicher Werke werde ich Ihnen schicken. Die Canons folgen nach und nach. Manche sind nur stante pede hingeschrieben und ich [muß] mich selber wieder erinnern, weil die Blätter sich nicht finden. – Von der Cäcilia habe ich seit Empfang des 3ten Heftes nichts erhalten. – Auch die Opusbezeichnung von den Werken, die Sie von mir haben, sollen Sie baldigst erhalten. – Dies ist Alles, was ich als Antwort auf Ihr letztes zu schreiben habe. – Vergessen Sie nicht, daß die Symphonie erst Ende July oder Anfangs August herauskomme. Seyn Sie versichert, daß Ihr herzliches Benehmen mir sehr angenehm und erfreulich ist, ich werde mich bestreben, selbes durch aufrichtige Freundschaft von meiner Seite nach Kräften zu erwiedern.


Ihr Freund

Beethoven.


[178] PS. Die beiden von mir erhaltenen Canons betreffend, müssen die Aufschriften bleiben wie sie sind, nämlich auf den einen kommt der Titel: Auf einen, welcher Hoffmann geheißen; auf den andern: Auf einen welcher Schwenke geheißen


Die Zeit, zu welcher Beethovens neues Quartett (Es-Dur) zuerst aufgeführt werden sollte, war unterdes herangekommen.44 Beethoven lag an einer guten, Verständnis weckenden Darstellung; er erließ an die Mitglieder des Quartetts eine scherzhafte Weisung, sich alle Mühe zu geben, welche uns Schindler aufbewahrt hat.45


»Beste!


Es wird Jedem hiermit das Seinige gegeben, und wird hiermit in Pflicht genommen, und zwar so, daß man sich anheischig macht, bei Ehre sich auf das Beste zu verhalten auszuzeichnen, und gegenseitig zuvor zu thun.

Dieses Blatt hat Jeder zu unterschreiben, der bei der bewußten Sache mitzuwirken hat.


Beethoven.

Schindler

Secretarius.


Schuppanzigh m. p.

Weiß m. p.

Linke m. p.


Des großen Meisters verfluchtes Violoncello.

Holz m. p.

Der letzte, doch nur bei dieser Unterschrift.«


Das Quartett kam am 6. März zur Aufführung, wurde aber nicht verstanden und ging ziemlich wirkungslos vorüber.46 Man machte dafür [179] Schuppanzigh verantwortlich, welcher der Darstellung so schwer zu erfassender Kompositionen nicht mehr gewachsen sei, und er mußte bittere Vorwürfe von dem Meister hören. Dieser wünschte eine Ehrenrettung des Werkes und gewann hierzu Joseph Böhm, der schon während Schuppanzighs Abwesenheit die Quartettaufführungen in Wien fortgeführt hatte und mit Beethovens Quartetten bekannt war. Er erreichte mit dem Quartett besseren Erfolg, wenn auch noch nicht alles klar geworden war; man konnte, wie Schindler mitteilt, Beethoven von einem Siege berichten. Wir lassen Böhm selbst das Ereignis seines Eintretens für das Werk erzählen, wie es uns ein Hörer aus seinem Munde mitteilt.47 Böhm spricht von der Schwierigkeit der letzten Werke und der Unzufriedenheit der Darstellenden, welche das tiefere Studium scheuten. »So erging es mir einmal,« fährt er fort, »mit einem seiner letzten Quartette. Beethoven sah es – und mit Recht – für eine seiner größten Compositionen an, und versprach sich von der Aufführung desselben große Erfolge. [180] Aber das Ding wollte nicht recht gehen. Schuppanzigh, der die erste Violine spielte, war der vielen Proben überdrüssig, es war keine Rundung in der Leistung herauszubringen, das Quartett sprach ihn nicht an, er ging nicht disponirt zur Produktion und das Quartett mißfiel. Es rührten sich wenige Hände, es war ein schwacher succès d'estime.

Beethoven ward, als er dies vernahm, wüthend, Publikum und Darsteller wurden mit harten Worten hergenommen.

Beethoven hatte keine Ruhe bis die Scharte ausgewetzt wurde. Er sandte in aller Frühe an mich. – In seiner gewohnten kurzen Weise sagte er mir: ›Sie müssen mein Quartett spielen‹ – und die Sache war abgethan. – Einstreuungen, Bedenken halfen nichts, was Beethoven wollte, mußte geschehen. So über nahm ich denn die schwierige Aufgabe. – Es wurde fleißig studirt, unter Beethovens eigenen Augen häufig probirt: Ich sage nicht umsonst unter Beethovens Augen, denn der Unglückliche war damals schon so taub, daß er die himmlischen Klänge seiner Compositionen nicht mehr vernahm. Und doch war eine Probe in seiner Anwesenheit nichts leichtes. Mit gespannter Aufmerksamkeit folgten seine Augen dem Bogen und darnach wußte er die kleinsten Schwankungen im Tempo oder Rhythmus zu beurteilen und selbe auch gleich abzustellen. Eben in diesem Quartette war im letzten Satze ein ›meno vivace‹ zum Schlusse, welches mir die Wirkung des Ganzen abzuschwächen schien. Ich rieth daher bei der Probe das gleiche Tempo einzuhalten, was auch geschah und wirklich bessern Eindruck machte.

Beethoven kauerte in einer Ecke, hörte nichts davon, sah aber mit gespannter Aufmerksamkeit zu. – Nach dem letzten Bogenstrich sagte er lakonisch: ›Kann so bleiben‹ – ging zu den Pulten und strich das ›meno vivace‹ in den vier Stimmen aus. – –48

Das Quartett wurde endlich aufgeführt und mit einem wahren Beifallssturm aufgenommen. Beethoven war nun befriedigt.«49

Auf dieselbe Szene bezieht sich zweifellos auch die Erzählung in Märzroths »Skizzen aus dem alten und neuen Wien«, die ich in Thayers Nachlaß finde. Nachdem Böhm die neue Darstellung des Es-Dur-Quartetts übernommen hatte, kam Beethoven in dessen Wohnung zur Probe und achtete genau auf Bogenstriche und Fingergriffe, äußerte auch mitunter[181] Beifall, so daß die Spieler den Eindruck erhielten, daß ihm nichts verborgen bleibe. Die Spieler sahen mit einer gewissen Unruhe der Stelle des letzten Satzes entgegen, wo Böhm vorgeschlagen hatte, statt des von Beethoven vorgeschriebenen Andante in gleichem Tempo fortzufahren. Beethoven hatte genau aufgemerkt, war frappiert, neugierig, schien aber zuzustimmen, nach dem Schlusse stand er auf, drückte jedem der Spieler dankbar die Hand, trat an das Notenpult, nahm einen Bleistift aus der Tasche, und strich damit in den Stimmen überall das Andante [soll wohl heißen meno vivace] durch. »Es ist offenbar besser so!« murmelte er, nahm seinen Hut und verließ nach kurzem Gruße das Gemach. – Der Schreiber macht noch darauf aufmerksam, daß, als das Quartett später im Stich erschien, die gestrichene Bezeichnung doch beibehalten war (? vgl. S. 152 Anm. 2).

Die Aufführung durch Böhm (dieser spielte das Werk an einem Abend zweimal) dürfte noch in den März, spätestens Anfang April fallen. Dann kam die Krankheit.

Es wird uns gestattet sein, Böhm noch etwas weiter erzählen zu lassen, wenn auch das Folgende mit dem Es-Dur-Quartette nichts mehr zu tun hat.


»Während dieser Zeit (lautet die weitere Erzählung in der Brünner Zeitung) lud mich Beethoven einmal zum Essen ein. Seine Menage war eben so en deroute als sein Kopfhaar. Seine Taubheit, sein Mißtrauen machte ihn eben zu keinem angenehmen Dienstherrn, und er war daher von seiner alten Haushälterin schlecht gepflegt und besorgt.

Man aß bei ihm sehr schlecht, ja vieles war ganz ungenießbar; die Suppe wie Wasser, das Fleisch zäh, das Fett ranzig. Man mußte natürlich von alle dem nichts merken lassen, um den ohnehin sehr reizbaren Hausherrn nicht aufzuregen.

Als ich damals bei ihm dinirte, wurden Eier servirt, von denen das erste, welches ich nahm, gleich so übel roch, daß ich es möglichst unaufsichtlich auf die Seite des Tellers schob. Beethoven merkte das, schielte auf meinen Teller und schwieg. Als er sein Ei aufgemacht und ihm ein nicht minder übelriechendes zu Theil ward, ging er einfach zum Fenster und warf es auf die Gasse hinaus. Ein zweites eben so wenig frisches hatte dasselbe Schicksal. Mir wurde Angst und Bange, ob nicht auf der Gasse jemand damit getroffen wurde und der Meister polizeiliche Anstände hätte. Und in der That! Nach dem Wurfe vernahm man ein fürchterliches Spektakel, ein Geschrei und Geschimpfe, derbe Flüche, wie sie der Wiener, sobald ihm jemand in seine Freiheitspläne tritt, wie aus einem Füllhorn auszuschütten vermag, und es war jeden Augenblick zu gewärtigen, daß die Beleidigten die Fenster einschlugen, oder die Polizei herbeiriefen. Ich saß wie auf Kohlen und durfte mit keinem Worte die Angst vor solch einem Conflikt verrathen, von [182] welchem der taube Meister, den sein Quartett so beschäftigte, daß er an nie Folgen seiner Handlung nicht dachte, keine Ahnung hatte. Zum Glück de, schwichtigte sich der Sturm und ich kam mit dem bloßen Schrecken davon.«50


Böhm erzählt dann noch von der Art, wie ihn »später« Beethoven mit der neunten Symphonie bekannt machte und ihre Aufführung erreichen wollte. Diese weitere Erzählung haben wir zum Teil schon früher erwähnt (S. 92 s.). Da dieselbe schon ins Jahr 1824 gehört, so ergibt sich, daß Böhms Gedächtnis für zeitliche Verhältnisse nicht ganz sicher war.

In diesem Zusammenhang sei noch hinzugefügt, daß auch in Petersburg die Musiker nicht an die Aufführung des Quartetts heran wollten, bis es Lipinski als erster Geiger zu eindrucksvoller Darstellung brachte; darüber berichtete Galitzin dem Meister in einem Briefe vom 20. Juni 1825.

In Wien wünschten jetzt Verleger das Quartett zu haben; Beethoven blieb jedoch der an Schott gemachten Zusage treu. Von andern Künstlern wagte sich Mayseder an das Quartett, er spielte es, wie wir aus dem Konversationsbuche ersehen, bei dem reichen Hofkriegsagenten Dembscher, von dem noch weiter unten die Rede sein wird.51 Zur »reparation d'honneur« wurde es dort gespielt, wie sich Holz später ausdrückte. –

Jenes kurze Dokument Beethovens vor Aufführung des Es-Dur-Quartetts bringt uns den Namen eines Mannes, der in der folgenden Zeit eine besondere Rolle in Beethovens Lebens zu spielen berufen war, den von Karl Holz. Derselbe war noch ziemlich jung, 1798 geboren, und bekleidete nach guten Schulstudien eine Beamtenstellung (Kassaoffizier) in der Kanzlei der niederösterreichischen Landstände.52 Seine [183] musikalischen Kenntnisse hatte er, wie Karl im K. B. erzählt, von Glöggl in Linz; doch nennt ihn auch Schuppanzigh seinen Schüler. Er war ein tüchtiger Dilettant auf der Violine und war schon einige Jahre vorher Mitglied des Böhmschen Quartettvereins gewesen. Jetzt war er, jedenfalls schon 1824, als zweiter Violinspieler in Schuppanzighs Quartett eingetreten. In dieser Eigenschaft trat er nach Schindler im Frühjahr 1825 Beethoven näher.53 Noch 1824 fragt Beethoven gelegentlich nach dem ihm noch unbekannten zweiten Violinspieler und erhält die Auskunft, daß es Holz sei. Da sein Beamtengehalt ihm nicht ausreichte, gab er daneben Lektionen. Er lebte mit seinen Eltern zusammen; auch eine Schwester wird erwähnt. Später leitete er zeitweise die Spirituelkonzerte.

Wann die Beziehungen zu Beethoven etwas nähere zu werden begannen, nicht genau zu bestimmen ist; vor dem Juli 1825 wird es nicht gewesen sein. Noch am 18. Juli schreibt Beethoven, als es sich um die Kopiatur des Quartetts handelt, er möchte ihm zunächst nicht zu viel anvertrauen; vielleicht etwas später schreibt er an den Neffen: »Holz ist heute nicht gekommen, wenn ihm nur auch zu trauen ist.« »Holz scheint uns Freund werden zu können« schreibt er am 24. August dem Neffen. Später und während des Jahres 1826 erscheint er in Beethovens nächster Umgebung und tritt vorzugsweise, mehr als die andern, in den Konversationsbüchern auf.

Aus allem, was wir über Karl Holz vernehmen, entnehmen wir, daß er geschäftsgewandt und ein guter Rechner war; dabei war er belesen und gescheut, musikalisch gebildet, bestimmt in seinen Äußerungen und Ansichten und von einnehmendem Wesen. Diese Eigenschaften mußten ihn Beethoven empfehlen, und er versäumte es nicht, sie geltend zu machen, und das zu einer Zeit, wo Beethovens Abneigung gegen sein bisheriges Faktotum Schindler stärker geworden war. Er legte Wert darauf, Beethoven näher zu treten, von ihm zu lernen, vor der Welt als sein Freund zu erscheinen. Aber auch für Beethoven machten ihn jene Eigenschaften wertvoll; besonders empfahl ihn seine Dienstwilligkeit, ohne daß er sich dabei [184] völlig preisgab; er trat selbständiger auf, und so gestaltete sich das Verhältnis anders wie zu anderen Bekannten, die Beethoven nach seinem eigenen Wort »wie Instrumente behandelte, auf denen er wenn es ihm gefiel spielte.« Das fiel bei Holz weg; er wußte sich dem Meister unentbehrlich zu machen und gewann um so entschiedeneren Einfluß auf ihn.54

Nicht allein daß er ihm bei der Kopiatur seiner Werke behilflich war; namentlich seine praktische Gewandtheit in Geldsachen, die Schindler besonders hervorhebt, machte gerade in dieser Zeit den Besitz eines solchen Freundes in hohem Grade wertvoll. Beethoven war, wie wir wiederholt wahrzunehmen hatten, in diesen Jahren auf den Erwerb besonders peinlich bedacht; besonders waren es die Ausgaben, welche der Unterhalt des Neffen verursachte, und der Wunsch, demselben etwas Erhebliches zu hinterlassen und die noch vorhandenen Bankaktien zu sparen, was die Notwendigkeit herbeiführte, Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu setzen. Beethoven war ein ungeschickter Rechner; wie erwünscht mußte es ihm sein, einen Mann zur Seite zu haben, der ihm über Kurse berichten, ihn über angemessene Preise aufklären, ihm über alles, was ihm in dieser Hinsicht oblag, praktischen Rat erteilen und ihm ei seinem vielen Schwanken eine Richtung geben konnte. Sein Einfluß erstreckte sich auch auf die Wahl von Verlegern und Verhandlungen mit Musikhändlern; da folgte ihm Beethoven nun nicht immer.

Daß er Beethoven so für sich einnahm, muß doch auch in seiner einnehmenden Persönlichkeit und der Selbständigkeit seines Auftretens gelegen haben. Er war offenbar angenehm und liebenswürdig im Verkehr, dabei unabhängig und nicht ohne Selbstbewußtsein in seinen Äußerungen; es war ihm nicht so leicht zu widersprechen wie etwa Schindler. In den Unterhaltungen erscheint er witzig, dreist – er hat offenbar einen weiteren Blick und mehr Kenntnisse als die übrigen – sicher und nicht verlegen in seinen Urteilen: so über Komponisten, über Kunstformen; man staunt, daß er ein sehr dreistes Urteil über Mozart Beethoven gegenüber äußern durfte. Nicht immer sind seine Äußerungen von einer gewissen Frivolität frei. Überall zeigt sich die höchste Verehrung für Beethoven, doch meint man zuweilen eine übermäßige Schmeichelei zu empfinden,55 auch von einer gewissen Zudringlichkeit ist er nicht frei. Er wünschte Beethoven [185] Freund zu sein, und Beethoven erkannte, welchen Wert er für ihn hatte; so wurde die Freundschaft allmählich fester.

In unserer Kenntnis von Beethovens Beziehungen zu Holz sind wir zu einem großen Teil auf Schindler angewiesen, der in der Biographie (II S. 107 ff.), mehr noch in einem mir vorliegenden Aufsatz der Kölnischen Zeitung (1845 Nr. 298) und in zusätzlichen Bemerkungen zu den Konversationen sich mit sichtlichem Unmute über Holz und Beethovens Verhältnis zu ihm geäußert hat. Wir dürfen nicht vergessen, daß gerade Schindler durch Holz aus seiner bisherigen Stellung zu Beethoven verdrängt war. Beethovens längst bestehende Abneigung gegen Schindler ließ ihm die Gewinnung des neuen Freundes, der nun ganz in die Stellung Schindlers getreten war, noch erwünschter erscheinen. Es kam nicht zu einem eigentlichen Bruche mit Schindler; aber derselbe zog sich zurück, und längere Zeit nimmt er in Beethovens Leben auch bei wichtigen Ereignissen nicht Teil an seinen Geschicken.

Unter diesen Umständen sind die Mitteilungen, welche gerade Schindler über dieses Verhältnis macht, nur mit einiger Vorsicht aufzunehmen. Allerdings läßt er in der Biographie mehr zwischen den Zeilen lesen als er ausdrücklich sagt; er kann Holz auch das Zeugnis nicht versagen, daß er ein achtungswerter Mann gewesen sei und gute Kenntnisse besessen habe; wenn er ihn andrerseits als einen echten Vertreter des Wiener »Phäakentums« darstellt, gegen welches Beethoven eine Abneigung hatte, so paßt die Eigenschaft des lebenslustigen Wieners ganz zu dem Bilde, welches wir sonst von Karl Holz erhalten. Weiter sagt er dann, daß Holz Beethoven in Kreise und Geschäfte gebracht habe, von denen er sich sonst fern gehalten habe; er habe zeigen wollen, was er über den neuen Freund vermöge. Dadurch hätten ältere Freunde sich veranlaßt gesehen, sich zeitweilig von Beethoven zurückzuziehen. Dadurch ist zugleich angedeutet, daß Beethoven in dieser Zeit dem Weingenuß mehr als früher gehuldigt habe. In einer späteren Aufzeichnung sagt Schindler geradezu, Holz habe ausgestreut, daß Beethoven durch übermäßiges Weintrinken sich die Wassersucht zugezogen habe. Beethoven war über diese Neigung seines neuen Freundes nicht im Unklaren; »er trinkt stark, unter uns gesagt« schrieb er am 11. August 1825. Das Holz gelegentlich mit ihm ins Wirtshaus ging, erfahren wir auch. Beethoven war dem Wein niemals abhold, und in seinen Krankheiten wurde es den Ärzten schwer, ihm denselben ganz zu verbieten; daß er ihn aber gerade in dieser Zeit im Übermaß genossen, was sonst nie der Fall war, dafür haben wir [186] wir nur Schindlers Worte (S. 110), der aber nicht zugegen war.56 Und der Mitteilung, daß sich damals ältere Freunde von Beethoven zurückgezogen hätten, wird man wohl Zweifel entgegensetzen dürfen. Gerade in der folgenden Zeit wurden die Beziehungen zu dem alten Freunde Stephan von Breuning erneuert und ihr Verkehr war in Beethovens letzten Lebensjahren besonders lebhaft, worüber uns dessen Sohn Gerhard in seinem Büchlein »Aus dem Schwarzspanierhaus« berichtet. Daß andere Freunde, z.B. Schuppanzigh, im Konversationsbuche selten erscheinen, wo eine besondere Veranlassung nicht gegeben war, kann zu jener Schlußfolgerung nicht führen. Es war überhaupt um Beethoven, wie wir ja wissen, einsamer geworden,57 was genugsame Erklärung hat; ältere Freunde (Moritz Lichnowski, Haslinger, Piringer) besuchten ihn am Krankenbette, sie waren ihm doch nicht entfremdet; wir wüßten keinen zu nennen, und auch Schindler hat keinen nennen können, der sich wegen Holz von Beethoven zurückgezogen hätte. Diese »Freunde, die sich zeitweilig zurückzogen«, werden sich wohl wesentlich auf Schindler selbst beschränken.

In den Erinnerungen von G. v. Breuning spielt Holz keine besondere Rolle, er erscheint einfach unter Beethovens Bekannten; von solchen Gefahren müßte doch einmal die Rede sein. Wir lesen aber keinerlei abfällige Bemerkung über ihn.58 Nur Steiner, mit dem überhaupt herzliche Beziehungen nicht bestanden, versuchte wie es scheint, ihn von Beethoven wegzubringen.

Wir haben nicht die Absicht und gar kein Recht, hier eine »Rettung« von Holz zu versuchen, und es fehlt dem Biographen auch das nötige [187] Material dazu. Wir wollten nur darauf aufmerksam machen, daß es Schindler, der selbst nicht in alles Einzelne eingeweiht war, an der nötigen Unbefangenheit der Beurteilung fehlt. Dies und der Umstand, daß Holz später als geachteter Mann in Wien lebte, was Schindler selbst anerkennt, muß uns zur Vorsicht mahnen.59

Beethoven gewann zu Holz eine wirkliche Zuneigung, teils wohl aus Dankbarkeit, teils weil er den angenehmen, wohl unterrichteten Mann und seinen großen Verehrer ihn ihm schätzte. In seinen Briefen an ihn schlägt er denselben scherzhaften Ton an wie gegen andere Bekannte. Seine unbezwingliche Neigung zu Wortspielen übt er auch an Holz, er nennt ihn sein »Mahagoni.Holz«, »Span vom Holze Christi«; es fehlen bittere Äußerungen, wie wir sie in den Zetteln an Schindler wohl finden, im Gegenteil, er versichert ihn seiner Liebe und Ergebenheit und bittet ihn gelegentlich, ein unangenehmes Vorkommnis zu vergessen. In die häuslichen und persönlichen Verhältnisse erscheint er nach und nach ganz eingeweiht, wie es vorher Schindler gewesen war; gegen den Bruder Johann verhält auch er sich ablehnend; die Verhältnisse des Neffen sind ihm ganz bekannt, er gibt Beethoven darüber Bericht und hat ihm bei der schweren Katastrophe von 1826 treu und aufopfernd zur Seite gestanden. Das Verhältnis wurde in Wien durchaus als wirkliche Freundschaft aufgefaßt.60 Daß Beethoven bei Holz' erstem Kinde Patenstelle übernahm, wie Schindler (II S. 110) ohne nähere Angaben einer Quelle berichtet, ist ins Gebiet der Fabel zu verweisen; Holz heiratete, wie wir den Konversationen entnehmen, Anfang des Winters 1826, etwa drei bis vier Monate vor Beethovens Tode.

Wichtig aber ist die Nachricht – wir dürfen in der Zeit etwas vorgreifen – das Holz von Beethoven ermächtigt wurde, seine Biographie zu schreiben. Die Tatsache ist festgestellt durch eine Urkunde, von Holz mit Bleistift geschrieben und später (doch wohl auch von ihm) mit Tinte überzogen, von Beethoven eigenhändig unterschrieben, welche Schindler [188] bei dem Musikdirektor Gaßner aus Karlsruhe sah, abschrieb und in seiner Biographie (II S. 325) veröffentlichte. Sie lautet so:


»Mit Vergnügen gebe ich meinem Freunde Carl Holz die gewünschte Erklärung, daß ich ihn zur dereinstigen Herausgabe meiner Biographie für berufen halte, wenn ich überhaupt annehmen kann, daß man sie wünschen solle, und ich schenke ihm das volle Vertrauen, daß er das, was ich ihm zu diesem Zwecke mitgetheilt habe, nicht entstellt der Nachwelt überliefern wird.

Wien, am 30. August 1826.


Ludwig van Beethoven.«


Um diese Erklärung hatte ihn also Holz gebeten; der Wortlaut aber war von Beethoven selbst formuliert. Will man nun auch darin einen Beweis von Holz' großem Einfluß auf Beethoven, oder einen Erfolg seines schmeichelnden Wesens, oder einen Beweis von Beethovens dankbarer Gesinnung sehen61 – jedenfalls haben wir keinen Grund anzunehmen, daß diese Erklärung Beethovens zu ihrer Zeit nicht ernstlich gemeint gewesen wäre; er hatte zu Holz' Persönlichkeit, seiner Bildung, seinem musikalischen Verständnis und dem Verständnis seiner Kunst volles Vertrauen gewonnen; es lag ihm selbst daran, daß dereinst nichts Unwahres über ihn bekannt gemacht werde. Später soll Beethoven, wie Schindler erzählt, seine Gesinnung geändert und jene Erklärung als einen Akt der Überraschung, ausgeführt in der Verwirrung der Verhältnisse, bezeichnet haben; er habe Breuning gebeten, von Holz die Zurücknahme der Schrift zu erbitten; das habe dieser aber abgelehnt. Beethoven habe selbst nicht den Mut gehabt, Holz darum zu bitten, er habe nur an der Giltigkeit gezweifelt, da die Erklärung nur mit Bleistift geschrieben gewesen sei. Auf dem letzten Krankenbette habe dann Beethoven auf Breunings Frage mit Entschiedenheit Rochlitz als seinen berufenen Biographen bezeichnet. Wie dieser dann die an ihn ergangene Bitte ablehnte und Schindler die Aufgabe übernahm, mag man in Schindlers »Einleitung« der Biographie nachlesen.

Holz hat jedenfalls von der ihm erteilten Ermächtigung niemals Gebrauch gemacht, wenn auch manche seiner Erinnerungen später durch andere Vermittlung bekannt geworden ist. Schindler nimmt ihm übel, daß er zu der oft willkürlichen und mangelhaften Darstellung von Beethovens Quartetten geschwiegen habe, da ihm doch als Träger der [189] Beethovenschen Tradition das Richtige habe bekannt sein müssen. Wir verstehen nicht, was Schindler hieraus folgern will. Wenn sich Holz wirklich längere Zeit mit dem Gedanken an eine Biographie trug, hatte er doch keine Veranlassung und keine Nötigung, vorher sich über einzelnes auszusprechen. Welche besonderen Gründe für ihn bestimmend waren, den Plan aufzugeben, wissen wir nicht. Die Notizen Wegelers waren 1838 und die erste Auflage von Schindlers Buch war 1840 erschienen. 1843 trat Holz die ihm erteilte Ermächtigung förmlich an seinen Freund Gaßner in Karlsruhe ab, in einer dem Schriftstücke beigefügten Erklärung vom 4. November 1843, die man gleichfalls bei Schindler (II S. 326) findet. Darin verspricht er ihm alle seine Beiträge abtreten und seinen Einfluß in Wien dafür verwenden zu wollen, »daß nur neue bisher nicht bekannte Originaldaten aus den lautersten Quellen zugeführt, und die in den bisher erschienenen mangelhaften Biographien verbreiteten Irrtümer berichtigt werden.« Diese Bemerkung scheint namentlich gegen Schindler gerichtet zu sein; das wird bestätigt durch eine sehr bissige Erklärung, die ich in Thayers Papieren finde:


»Diese Biographie [die von Gaßner erwartete] wird ihre Daten nicht aus fingirten oder entwendeten Conversationsbüchern entnehmen, und unverfälschte Zeugnisse werden nebstbei über Herrn Schindler nähern Aufschluß geben.

Wien, am 1. November 1845.


Karl Holz.

Director der concerts spirituels


Das Seitenstück zu diesen Äußerungen von Holz, der wohl auch daneben und vorher herabsetzende Gerüchte über Schindler in Umlauf gesetzt hatte, bildete jener Aufsatz Schindlers von 1845 in der Kölnischen Zeitung, wo er Holz vorwirft, daß er Freunde und Bekannte bei Beethoven schonungslos zu verdächtigen und bloßzustellen gesucht habe, und als eine besonders schändliche Handlung die anführt, daß Holz bei dem Bonner Beethovenfeste einen Brief Beethovens an den Neffen vorgezeigt habe, in dessen Nachschrift er diesen »vor seinem Freunde Schindler warnt«. Solche Äußerungen habe Beethoven wohl in gereizter Stimmung getan, sei aber immer bereit gewesen, Kränkungen wieder gut zu machen. Nun, Beethoven war gegen Schindler eingenommen, lange bevor er Holz kannte, und wir haben stärkere Äußerungen über ihn, von denen Holz nichts wußte. Holz muß noch einmal anonym geantwortet und sich zweifelnd über die von Schindler benutzte Hinterlassenschaft geäußert haben, worauf Schindler, der seine Ehre angegriffen glaubte, nochmals in äußerst [190] bitterer Weise antwortete (K. Z. 1845 Nr. 307). Der Unmut aus der Zeit Beethovens wirkte noch nach; Holz war ja damals ganz in Schindlers Stellung eingetreten und hat es auch, wie wir den Konversationsheften entnehmen, nicht unterlassen, Beethovens Abneigung gegen Schindler zu vermehren, er hat sie gewiß auch für sich benutzt. Das Verhältnis der beiden, die sich persönlich kannten, war zu Beethovens Lebzeiten jedenfalls kein erquickliches. Wir werden hören, daß sich Schindlers Beziehungen zu Beethoven einigermaßen wieder herstellten; die zu Holz dauerten bis zu Beethovens Tode fort, erscheinen aber erkaltet. Engere Beziehungen Holz' zu denen, die Beethoven besonders nahe standen (z.B. Breuning), sind nicht bemerkbar.62 Daß er von Beethoven im Dezember 1826 »den Abschied« erhielt, wie Schindler wissen will, ist Übertreibung; Beethoven schreibt ihm noch im Februar 1827, er wird unter den Besuchern am Krankenbett genannt, er war es, der um den Verbleib der Bankaktien wußte. Ob ihm Beethoven einen Teil seiner Zuneigung später entzog, wissen wir gar nicht, halten es aber für möglich. Wenn Schindler einmal in den Konversationen vom Febr. 1827 sagt: »Vielleicht wird er jetzt gesetzter im Ehejoche,« und wenn Thayer dies richtig auf Holz bezieht, dann hätte Beethoven sich über seinen Leichtsinn ausgesprochen, über den ihm Holz einmal selbst Konfidenzen gemacht hatte. Wir sind nicht in der Lage, über das Verhältnis der beiden Männer in Beethovens letzter Lebenszeit klar zu sehen; daß eine große Animosität geblieben, geht aus jenen späteren Auslassungen hervor, und Schindler mochte wohl mit Recht darüber erbittert sein, daß Holz den Wert seiner Materialien in Zweifel zog, während es wiederum Holz nicht mit Gleichmut ertragen konnte, aus seiner Stellung bei Beethoven wieder verdrängt zu sein. Wenn Schindler schließlich einer etwas milderen Beurteilung zugänglich war, so werden wir dies gern annehmen und dürfen uns darüber freuen, daß das ideale Bild unseres Meisters durch diesen Streit zweier Männer, die sich seine Freunde nannten, nicht verdunkelt worden ist.

[191] Holz ist am 9. Nov. 1858 gestorben. Noch 1852 kam Otto Jahn aus Anlaß seiner Beethovenforschungen mit ihm in Wien zusammen und erhielt von ihm Aufschlüsse über sein Leben und seine Pläne in der letzten Zeit, die in seinem Nachlasse (Abschriften bei Thayer) vorhanden sind.63

Nach diesen Erörterungen, die wir hier einfügen mußten, da uns Holz noch mehrfach begegnen wird, dürfen wir den Faden der Erzählung wieder aufnehmen.

Die Aufführung des Es-Dur-Quartetts (6. März) war vorüber, vielleicht auch die erwähnte Wiederholung durch Böhm; die Verhandlungen mit Schott, mit Neate hatten einstweilen einen Abschluß gefunden; ein Landaufenthalt war bereits ins Auge gefaßt.64 Beethoven hatte inzwischen, in Ausführung seiner Zusage an Galitzin, das zweite der für ihn bestimmten Quartette (das in A-Moll) in Angriff genommen und war mit demselben schon ziemlich weit gediehen. Da befiel ihn eine Krankheit, die ihn von gegen Mitte April bis Anfang Mai ans Haus und eine Zeitlang auch ans Bett fesselte.65 Dieselbe wurzelte in den Leiden des Unterleibs, die ihn schon so manches Jahr gequält hatten, und die jetzt zu akuten Erscheinungen, Fieber usw. führten. Beethoven selbst (in einem Briefe an Schott) und sein Bruder Johann bezeichneten die Krankheit als eine Gedärmentzündung, die ihm auch der Arzt als möglicherweise bevorstehend genannt hatte. Beethoven ließ statt seines bisherigen Arztes Dr. Staudenheimer, der mit Strenge auf die Befolgung seiner Vorschriften hielt, den Professor Dr. Braunhofer66 rufen, der aber, wie [192] Schindler erzählt, »seinem Vorgänger in der Behandlung des eigenwilligen Beethoven nichts nachgab, vielmehr einen Grad von wienerischer Derbheit mitbrachte, der dem Kranken imponierte und inbezug auf die Genesung gute Folgen gehabt.« Über die Vorschriften, die ihm Braunhofer gab, enthält das Konversationsbuch genaue Mitteilungen; es würde zu viel Raum beanspruchen, wenn wir dieselben hier alle aufnehmen wollten. Er erkundigt sich genau und will den Patienten nicht zu sehr mit Medizinen quälen, verlangt aber für eine Zeitlang eine strenge Diät. »Kein Wein, kein Kaffee, nichts von Gewürze? Ich werde mit Ihrer Köchin es verabreden. – Dann garantire ich Ihnen vollkommene Herstellung, an der mir, wie sich versteht, als Ihrem Schätzer und Freund viel gelegen ist. –« Und so noch ähnliches. Er empfiehlt ihm Geduld. – »Eine Krankheit geht in einem Tage nicht weg. Mit Einnehmen werde ich Sie nicht lange mehr plagen, wohl aber mit der vorgeschriebenen Diät, bei der Sie nicht verhungern werden. – – Ein jedes Fieber hat eine kurze Zeit, das Ihre ist schon im Abnehmen. –« Weiter empfiehlt er ihm Luft und mäßige Bewegung,67 von sogenannten stärkenden Mitteln will er nichts wissen, bei angemessener Diät müsse die Natur helfen. »Es war ein Entzündungsfieber wo er keine reizenden Mittel geben will –« sagt Karl. »Staudenheimer hat dir auch allen Wein verboten.« »Bei Tage müssen Sie sich beschäftigen,« sagt Braunhofer weiter, »um bei der Nacht schlafen zu können. Wenn Sie ganz gesund werden und noch lange leben wollen, müssen Sie der Natur gemäß leben. Sie sind sehr zu Entzündungen geneigt, und es hat nicht viel gefehlt, so hätten Sie eine tüchtige Gedärmentzündung bekommen. Noch steckt die Anlage im Körper. – Ich werde Ihnen ein Pulver geben. – Ich wette, wie Sie etwas geistiges nehmen, so liegen Sie in einigen Stunden matt und schwach. Sie sind Brown der zweite, wenn Sie Medizin studirt hätten.«68 Wir können nicht alles anführen; wir sehen aber, wie ihm Braunhofer Hoffnung macht und nur immer auf Ruhe und Geduld hinweist. Bei trockener Luft soll er auch ausgehen; so lange dieselbe aber feucht sei und noch ernste Symptome der Krankheit vorhanden, nutze ihm das Bad nichts, dann aber ist er auch damit zufrieden.[193] »Wenn Sie einige Zeit in Baden gewesen sind, wird es besser, und sollte ein Umstand zurückbleiben, so lassen Sie mirs sagen. Wann gehen Sie? – Die Noten nicht zu vergessen, nur einige unbedeutende, es handelt sich nur um Ihre Handschrift.«69 Und schließlich: »Sie sollten trachten bald aufs Land zu kommen. – Die wird durch frische Luft sich geben, die Spatziergänge hier sind zu ermüdend. – Auf dem Lande werden sie die natürliche Milch schon vertragen.«

In den ersten Tagen des Monats Mai war die Krankheit soweit gebessert, daß die längst geplante Übersiedelung nach Baden ins Werk gesetzt werden konnte. Einen Endpunkt der Krankheit bezeichnet der Brief des Bruders Johann an Ries vom 6. Mai.70


»Wien, am 6. May 1825.


Mein edler werther Freund!


Hier beiliegend erhalten Sie den letzten Rest der Musik die mir mein Bruder gab um sie Ihnen zu überschicken. Er wird Ihnen schreiben, sobald er besser ist, leider hat ihn eine Gedärm Entzündung überfallen von der er nun gerettet ist, allein seine Schwäche ist noch sehr groß, so daß er unfähig ist etwas zu unternehmen. Schreiben Sie ihm daher recht bald über den Empfang der geschickten Werke, worin Sie ihm zugleich auch anzeigen, wann Sie ihm die zugesagten 40 Carolinen schicken werden, welches ihn gewiß freuen wird. Noch muß ich Sie bitten, ihn aufzumuntern, daß er das Oratorium schreiben soll. Er hat ein schönes Buch nämlich der Sieg des Kreuzes, welches er schreiben [will], wenn Sie ihn dazu aufmuntern, daß die Rheinischen Musikvereine es nehmen werden, so wird er es gewiß schreiben.

Ich bin ewig ihr


treuer Freund

Johann v. Beethoven.

Gutsbesitzer.«


In diesen Tagen fand der Umzug nach Baden statt; an demselben 6. schreibt er schon von Baden an den Neffen71 mit Bezug auf den eben [194] geschehenen Umzug. Der Bruder Johann hatte ihn zu sich haben wollen, womit auch der Arzt einverstanden war; das hatte aber Beethoven nicht gewollt; er hatte auch schon früher mit dem Verwalter von Guttenbrunn bei Baden verhandelt;72 so siedelte er also jetzt, etwa den 4. oder 5. Mai dorthin über. Dort hoffte er völlige Erholung, er faßte seinen Zustand ernst auf und blieb noch in ärztlicher Vehandlung. Davon gibt uns eine scherzhafte Zuschrift an Braunhofer aus den ersten Badener Tagen Nachricht, welcher Beethoven die Form eines Zwiegesprächs zwischen dem Arzte und seinem Patienten gibt.73


(Adresse):

»Für Seine Wohlgebohren

H. von Braunhofer

Professor der Arzneykunde etc

»am 13ten May

1825.


Dr. – Wie gehts Patient?

Pat. – Wir stecken in keiner guten Haut – noch immer sehr schwach, aufstoßen etc. ich glaube, daß endlich stärkende Medizin nöthig ist, die jedoch nicht stopft – weißen Wein mit Wasser sollte ich schon trinken dürfen, denn das mephitische Bier kann mir nur zuwider sein – mein katharalischer Zustand äußert sich hier folgender Maßen, nemlich: ich speie ziemlich viel Blut aus, wahrscheinlich nur aus der Luftröhre, aus der Nase strömt es aber öfter, welches auch der Fall diesen Winter öfters war, daß aber der Magen schrecklich ge schwächt ist u. überhaupt meine ganze Natur dies leidet keinen Zweifel, [195] bloß durch sich selbst, so viel ich meine Natur kenne, dürften meine Kräfte schwerlich wieder ersetzt werden.

Dr. – ich werde helfen, bald Brownianer bald Stollianer seyn.74

Pat. – Es würde mir lieb seyn wieder mit einigen Kräften an meinem Schreibpult seyn zu können, erwägen sie dieses; – Finis.

Sobald ich in die Stadt komme sehe ich sie nur Karl sagen wann ich sie treffe, können sie aber Karl selbst angeben, was noch geschehen soll (die letzte Medizin nahm ich nur einmal, u. habe sie verlohren), so wäre das ersprießlich. –


Mit Hochachtung und Dankbarkeit

ihr Freund

Beethoven.


2. Kapitel. Das Jahr 1825

75


geschrieben am 11ten May 1825 in Baden Helenenthal an der 2ten Antonis Brücke nach Siegenfeld zu.


Beethoven


Wir sehen, daß er trotz der scherzhaften Form seinen Zustand ernst nimmt; wir erkennen ferner, wie sehr er sich darnach sehnt, wieder arbeiten zu können. Das wurde ihm denn auch bald zu teil; am 17. Mai schreibt er an den Neffen: »Ich fange an, wieder ziemlich zu schreiben.« Er schrieb weiter am A-Moll-Quartett.76

In die Zeit von Beethovens Krankheit fällt der Besuch von Ludwig Rellstab aus Berlin, über welchen uns dieser selbst begeisterten Bericht gibt.77 Im Jahre 1825, im Alter von 26 Jahren – er war aber bereits schriftstellerisch und als Dichter hervorgetreten – unternahm [196] er eine Reise nach Wien, insbesondere von dem Wunsche beherrscht, Beethoven zu sehen. Er trat die Reise am 21. März in Begleitung des Justizrats Ludolff an, hielt sich unterwegs verschiedentlich auf und mochte noch Ende des Monats oder Anfang April in Wien sein. An Beethoven hatte er einen Empfehlungsbrief von Zelter. Bei dem ersten Besuche78 schickte er diesen voraus und wurde vorgelassen. »Die Tür des Nebenzimmers,« erzählt er uns selbst, »öffnete sich; ich wurde aufgefordert einzutreten. Als ich den schüchternen Schritt über die heilige Schwelle tat, schlug mir das Herz hörbar! – – – Mein erster Blick beim Eintreten traf auf ihn. Er saß lässig auf einem ungeordneten Bett an der Rückwand des Zimmers, auf dem er eben zuvor noch gelegen zu haben schien. Den Brief von Zelter hielt er in der einen Hand, die andere reichte er mir freundlich entgegen, mit einem solchen Blick der Güte, und zugleich des Leidens, daß plötzlich jede Scheidewand der Beklemmung fiel, und ich dem im Tiefsten Verehrten mit der ganzen Wärme meiner Liebe entgegenschritt. Er stand auf, reichte mir die Hand, drückte sie herzlich, deutsch, und sagte: ›Sie haben mir einen schönen Brief von Zelter gebracht! Er ist ein wahrer Beschützer der echten Kunst!‹ – Gewohnt, selbst am meisten zu sprechen, da er die Gegenrede nur schwer vernehmen konnte, fuhr er fort: ›Ich bin nicht ganz wohl! ich bin recht krank gewesen!79 – Sie werden sich schlecht mit mir unterhalten, denn ich höre sehr schwer!‹ Was ich antwortete, ob ich antwortete, – ich weiß es wahrlich nicht! Zumeist werden wohl meine Blicke, der wiederholte Druck meiner Hand, das ausgedrückt haben, wozu mir vielleicht die Worte gefehlt hätten, auch wenn ich hier wie zu andern hätte sprechen können. Beethoven lud mich ein, mich zu setzen; er selbst nahm seinen Platz auf einem Stuhl vor dem Bett, und rückte ihn an einen Tisch, der, zwei Schritte davon, ganz mit Schätzen bedeckt war, mit Noten von Beethovens Hand, mit den Arbeiten, die ihn eben jetzt beschäftigten. Ich nahm einen Stuhl neben dem seinigen. Schnell werfe ich noch einen [197] Blick über das Zim mer. Es ist so groß wie das Vorzimmer, hat zwei Fenster. Unter diesen steht ein Flügel. Sonst ist nichts darin zu entdecken, was irgend Behaglichkeit, Bequemlichkeit, vollends Glanz oder Luxus verriete. Ein Schreibschrank, einige Stühle und Tische, weiße Wände mit alten, verstaubten Tapeten, – das ist Beethovens Gemach. Was kümmert er sich um Bronzen, Spiegelwände, Divans, Gold und Silber! Er, dem alle Pracht dieser Erde Tand, Staub und Asche ist, gegen einen göttlichen Funken, der alles überstrahlend aus seinem Innern aufleuchtet! – So saß ich denn neben dem kranken, schwermütigen Dulder. Das fast durchweg graue Haar erhob sich buschig, ungeordnet auf seinem Scheitel, nicht glatt, nicht kraus, nicht starr, ein Gemisch aus allem. Die Züge erschienen auf den ersten Blick wenig bedeutend; das Gesicht war viel kleiner, als ich es mir nach den in eine gewaltsam geniale Wildheit gezwängten Bildnissen vorgestellt hatte. Nichts drückte jene Schroffheit, jene stürmische Fessellosigkeit aus, die man seiner Physiognomie geliehen, um sie in Übereinstimmung mit seinen Werken zu bringen. Weshalb sollte denn aber auch Beethovens Angesicht aussehen wie seine Partituren? Seine Farbe war bräunlich, doch nicht jenes gesunde kräftige Braun, das sich der Jäger erwirbt, sondern mit einem gelblich kränkelnden Ton versetzt. Die Nase schmal, scharf, der Mund wohlwollend, das Auge klein, blaßgrau, doch sprechend. Wehmut, Leiden, Güte las ich auf seinem Angesichte; doch, ich wiederhole es, nicht ein Zug der Härte, nicht einer der mächtigen Kühnheit, die den Schwung seines Geistes bezeichnet, war auch nur vorübergehend zu bemerken. Ich will hier den Leser nicht durch eine Dichtung täuschen, sondern die Wahrheit geben, ein treuer Spiegel eines teuren Bildnisses sein. Er büßte, trotz allem eben Gesagten, nichts von der geheimnisvoll anziehenden Kraft ein, die uns so unwiderstehlich an das Äußere großer Menschen fesselt. Denn das Leiden, der schwere, stumme Schmerz, der sich darin ausdrückte, war nicht die Folge des augenblicklichen Unwohlseins, da ich diesen Ausdruck auch nach Wochen,80 wo sich Beethoven viel gesunder fühlte, immer wieder fand, – sondern das Ergebnis seines ganzen, einzigen Lebensgeschickes, welches die höchste Gewähr der Bestätigung mit der grausamsten Prüfung des Entsagens verschmolz.« – – Rellstab fühlte sich beim Anblick dieses tiefen Grams [198] tief gerührt und konnte die Tränen nur schwer zurückhalten. – »Nachdem wir uns gesetzt hatten,« fährt er fort, »reichte mir Beethoven eine Schreibtafel und einen Bleistift, indem er sagte: ›Sie dürfen mir nur die Hauptsachen aufschreiben, ich weiß mich dann schon zu finden; ich bin es nun schon viele Jahre gewohnt.‹ – Ich nahm, da er mich fragend ansah, die Schreibtafel zur Hand und wollte die Worte aufschreiben: ›Ich bat Zelter, Ihnen zu schreiben, daß ich Ihnen eine Oper zu dichten wünschte.‹ Beethoven sah mir dabei auf die Hand, und mit schneller Erratungsgabe fiel er ein, da ich noch nicht halb vollendet hatte: ›Zelter schreibt mir das!‹ Er gab Rellstab den Brief, den dieser jetzt mit tiefem Eindruck las. Beethoven fuhr dann fort: ›Das ist ein schöner Brief! Zelter ist ein würdiger Beschützer der wahren Kunst! Grüßen Sie ihn herzlich von mir, wenn Sie zurückkehren! – Sie wollen mir eine Oper schreiben,‹ fuhr er fort, ›das würde mir eine große Freude sein! Es ist so schwer, ein gutes Gedicht zu finden! Grillparzer hat mir eins versprochen; er hat schon eins gemacht; doch wir können uns nicht recht verstehen. Ich will ganz anders wie er! Sie werden Ihre Noth mit mir haben!‹« – Hier fährt Rellstab fort: »Ich versuchte ihm mimisch anzudeuten, daß ich keine Arbeit für zu schwer halten würde, ihm zu genügen. Er nickte freundlich, zum Zeichen, daß er mich verstanden. – Ich nahm die Schreibtafel wieder zur Hand und wollte aufschreiben: ›Welche Gattung des Gedichts wäre die liebste?‹ Doch schon bei dem Worte Gattung nahm Beethoven das Gespräch wieder auf. ›Auf die Gattung käme mir es wenig an, wenn der Stoff mich anzieht. Doch ich muß mit Liebe und Innigkeit daran gehen können. Opern wie »Don Juan« und »Figaro« könnte ich nicht komponieren. Dagegen habe ich einen Widerwillen. – Ich hätte solche Stoffe nicht wählen können; sie sind mir zu leichtfertig!‹«81 Da Beethoven diese Auslassung nicht fortsetzte, auch Rellstab Anstand nahm sich darüber zu äußern, schrieb letzterer auf: »Ich werde Ihnen Stoffe nennen.« Beethoven nickte freundlich. – »Für [199] diesen Fall war ich nicht unvorbereitet. Schon in der Absicht für Weber zu wählen, hatte ich nachgerade eine Menge von Opernstoffen gesammelt. – Von diesen schrieb ich die Titel nieder, als ›Attila‹, ›Antigone‹, ›Belisar‹, ›Orestes‹ und mehrere andere, die mir jetzt entfallen sind. Beethoven las die einzelnen Namen, wiegte bei jedem sinnend das Haupt, murmelte einige Worte und hieß mich dann weiterschreiben. – Nachdem dies einige Minuten gedauert, sprach er wie zuvor: ›Ich mache Ihnen viel Mühe! Es wird Ihnen schwer werden, mit mir zurechtzukommen?‹« – Rellstab, unter dem Eindrucke von Beethovens Anblick, sagte darüber nichts weiter; auch Beethoven schwieg. Rellstab erzählt dann weiter: »Ich nahm die Bleifeder und schrieb: ›Ich werde Ihnen Proben geben, um Ihr Zutrauen zu gewinnen!‹ Ein Schimmer der Freude überflog sein Gesicht, er nickte mir zu, reichte mir die Hand; wir standen auf. Ich sah ihm die Erschöpfung an und griff daher nach meinem Hut. Er sagte, meine Absicht zu gehen zwar fördernd, aber doch in freundlich offener Weise: ›Ich bin heute so unwohl, so müde und abgespannt! Aber Sie müssen recht bald wiederkommen!‹ Und so bot er mir zum Abschied die Hand, erwiderte meinen warmen Druck voll Herzlichkeit, und ich ging! Mit welchen Gefühlen! Ein inneres Jauchzen über meinen funkelnden Glücksstern, und zugleich eine Erschütterung der Wehmut, wie ich sie nie empfunden.« Er sieht die Aufforderung zur Tat und doch eine unerreichbare Hoffnung vor sich, wie sie denn in der Tat unerreicht blieb.

»Das war der erste Besuch bei Beethoven.« –

Die Unterhaltungen mit Rellstab über Operntexte kehren auch in den Konversationsheften wieder. In einem Hefte von 1825, welches der sonstige Inhalt in den April verweist,82 sagt Rellstab zu Anfang: »Das ist ein anderes Stück, Heinrich der 8te. Wie wird Ihnen ein Stoff aber wie Lodoiska von Cherubini zusagen? – Den Schauplatz werde ich gern nach Alt-Schottland verlegen und dabei Walter Scotts Charaktere benützen. In solchem Stoff eint sich auch das Komische am besten mit dem Ernste. Doch glaube ich nicht, daß sich ein solcher Stoff ganz mit Rezitativen behandeln ließe. – Orest hat durchgängig Rezitativ (?), doch das Ohr ermüdet dabei zu leicht.«83 In demselben Heft wird Orest noch einmal [200] behandelt, Rellstab schreibt: »Ich werde große Änderungen damit vornehmen. Ich werde die Cassandra weglassen, und statt dessen einige Scenen einweben, die mehr übermüthige Freude des Aegisth84 ausdrückten, damit mehr Abwechselung in die Oper komme. – Die Schreckensscenen häufen sich zu sehr. – Ihr Hr. Bruder sprach mir von anderen Stoffen, die er aufgeschrieben. – Schulz singt vorzüglich.85 – Spontini. – Ich werde Ihnen am liebsten einen Stoff wählen, der auf mehreren Bühnen darstellbar wäre, und er sollte besser werden als Orest.86«

Die beiden letzten Stellen sind im Konversationsbuche weit von einander getrennt, die letzte grade am Ende desselben. Dazwischen stehen Äußerungen des Neffen, des Bruders, des Arztes, die bei den Unterhaltungen mit Rellstab nicht zugegen waren; sie werden daher von letzterem nicht erwähnt. Die Äußerungen des Arztes beziehen sich natürlich auf die Krankheit, die der anderen nehmen auch zum Teil Bezug auf dieselbe. Der Inhalt der beiden Äußerungen Rellstabs läßt eine zusammenhängende Unterhaltung erkennen; dabei werden die Blätter des Buches ohne Regel, wie es kam, benutzt worden sein, an zwei Unterhaltungen brauchen wir dabei nicht zu denken. Wir können die Schwierigkeit, wenn sich eine solche darin finden sollte, nicht lösen. Rellstab führt uns erkennbar den kranken Beethoven vor; auffallend ist nur, daß er uns über die Natur dieser Krankheit, und über die Arbeiten, die Beethoven damals beschäftigten, nichts mit zuteilen weiß.

Rellstab sandte ihm nun noch nicht sein Operngedicht, sondern eine Anzahl seiner lyrischen Gedichte, auf besondere Blättchen geschrieben, schrieb einige ehrfurchtsvolle Zeilen dazu87 und trug das Ganze selbst in Beethovens Wohnung. Der Brief lautet so:


[201] »Inneliegend, hochverehrtester Herr, übersende ich Ihnen einige Lieder, die ich für Sie copiren lassen; es werden bald noch mehrere in anderem Geschmack folgen. Diese haben vielleicht das Neue, daß sie einen Zusammenhang unter sich bilden, der auf Glück, Vereinigung, Trennung, Tod und Hoffnung auf das Jenseits ahnen läßt, ohne bestimmte Vorfälle anzugeben. – Möchten diese Gedichte Ihnen so viel Liebe abgewinnen, daß Sie sich zur Composition entschließen, und auf diese Art die Verbindung mit einer Handlung eröffneten, die es sich zum Grundsatz gemacht hat, so viel als irgend möglich ist, nur der wahren höchsten Kunst förderlich zu sein und die Begeisterung des Componisten als das erste Gesetz betrachtet, nach dem er schreiben soll. – Tag und Nacht denke ich an eine Oper für Sie, und ich zweifle nicht, daß ich einen Stoff finden werde, der all en Ansprüchen des Componisten, des Dichters und des vielköpfigen Publikums genügen möge.


Mit tiefster Verehrung

M. L. Rellstab


Rellstab erhielt die Lieder, wie er erzählt nach Beethovens Tode von Schindler aus Beethovens Nachlaß zurück. »Einige (Rellstab S. 245) waren mit Bleistiftzeichen versehen, von Beethovens eigener Hand; es waren diejenigen, welche ihm am besten gefielen, und die er damals an Schubert zu Compositionen gegeben, weil er selbst sich zu unwohl fühlte.88 In dessen Gesangscompositionen finden sie sich auch, und einige davon sind ganz allgemein bekannt geworden.« Das ist ein Teil der Lieder des »Schwanengesangs«; daß aber Beethoven dieselben an Schubert zur Komposition »abgegeben« hätte, ist unwahrscheinlich, weil Beethoven damals zu dem jungen Liederkomponisten keine näheren Beziehungen hatte und seine Gesänge erst auf dem Sterbebette näher kennen lernte, und weil Schubert die Lieder, die aus seinem letzten Lebensjahr (1828) stammen, sicher gleich nach dem Empfang komponiert haben würde.89 Schindler wird sie nach Beethovens Tod an Schubert gegeben haben; ob in Beethovens Auftrag, muß ungewiß bleiben.

Rellstab machte einige Zeit nachher den Versuch, Beethoven wieder zu besuchen, konnte ihn aber nicht sprechen, weil er, wie ihm geantwortet wurde, so unwohl war, daß er niemand sprechen konnte. Zum Ersatz erhielt er durch einen Bekannten, der ihn von Beethoven hatte herauskommen [202] sehen, Gelegenheit, in einem Lokale »am Graben« das Es-dur-Quartett vor einem kleineren Kreise von Zuhörern zu hören, durch einige der »ausgezeichnetsten jüngeren Virtuosen Wiens«, die darauf viele Proben verwendet hatten.90 Rellstab gibt seinem Eindrucke Worte, der allerdings noch ein ziemlich unbestimmter war. Hier lernte er auch Beethovens Bruder Johann kennen, der ihm durch die Äußerung »zehntausend Gulden Belohnung habe ich dem versprochen, der ihn heilt« sehr imponierte, aber durch seinen Eifer für nichtige und verworrene Bewunderungsäußerungen etwas unbehaglich war. Seinen Besuch hatte er noch nicht wiederholt. »Beethovens Unwohlsein hielt an, denn der April war unfreundlich; die Zeit, wo ich Wien verlassen mußte, rückte indessen näher und näher, und die Besorgniß, daß ich ihn vielleicht nicht mehr sehen sollte, fing an, mich zu beunruhigen.« Er erhielt jedoch fortgesetzte Nachricht. »Es war keine ausgesprochene Krankheit, an der er litt, sondern was noch schlimmer ist, ein fortdauerndes Kränkeln,91 wodurch seine hypochondrische Stimmung sich natürlich steigern mußte.« –

In dieser Zeit lernte er auch zufällig Beethovens Neffen kennen, der ihm unaufgefordert sagte: »Sie haben meinem Oheim sehr schöne Gedichte geschickt; er dankt Ihnen sehr daher dafür und hat geäußert, er werde sie in Musik setzen«, was Rellstab sehr entzückte. Mehr erwähnt er über den Neffen nicht.92

»Endlich, nach mehr als vierzehntägiger Pause, beschloß ich wieder einen Besuch zu wagen. Ich schellte, mit dem altem Herzpochen, an der wohlbekannten Thür, sie öffnete sich, und – Beethoven selbst stand vor mir, eine Überraschung, die mich so völlig unerwartet traf, daß ich in der That keine Wendung wußte, um sie geschickt aufzunehmen.« – – [203] Beethoven sprach, wiewohl er anfangs unmutig über den unwillkommenen Störer ausgesehen, sehr freundlich: »Ach! sind Sie es! Sie haben mich recht lange nicht besucht! Ich dachte gar, Sie wären schon abgereist!« – – Beethoven führte mich in sein Zimmer und lud mich, indem er mir zugleich die immer bereit liegende Schreibtafel reichte, ein, mich zu setzen. Ich schrieb auf: »Ihre Krankheit hat mich abgehalten zu kommen.« »Ach,« rief er den Kopf schüttelnd, »das hätte Sie nicht abhalten sollen. Wie ich mich in der letzten Zeit befand, befinde ich mich fast immer im Winter. Mir wird erst wohl, wenn ich im Sommer aufs Land ziehe. Wer hat Ihnen gesagt, daß ich so krank gewesen sei?« – Ich berichtete ihm schriftlich in der Kürze, wie mir's gegangen. – Er schüttelte wieder den Kopf. »Ich habe öfters trübe Stunden,« fuhr er fort, »wo ich den Leuten um mich sage, sie sollen niemand vorlassen! Aber sie wissen gar keinen Unterschied zu machen! Es kommt so viel lästiger Besuch! Vornehme Leute! Dazu tauge ich nicht!« »Haben Sie meine Gedichte erhalten?« schrieb ich, da er eine Pause machte, auf. Er nickte und deutete auf den Tisch, wo unter vielen anderen Papieren einige Blätter derselben zerstreut lagen. »Sie gefallen mir sehr,« sprach er, »wenn ich wohl bin, denke ich einige davon zu komponieren.« Ich ergriff seine Hand, und drückte sie mit aller Wärme. Es war, deucht mir, deutlicher, als wenn ich den kalten Bleistift genommen, und die steifen Worte geschrieben hätte. »Das würde mein größtes Glück sein!« Beethoven verstand auch, wie ich's meinte; das sagte mir sein erwidernder Händedruck und sein Blick. »Im Winter«, hub er nach einigen Augenblicken an, »tue ich jetzt wenig; ich schreibe dann nur auf, und setze in Partitur, was ich im Sommer gemacht. Das nimmt aber doch viel Zeit fort. Jetzt habe ich noch an einer Messe zu arbeiten.93 Wenn ich erst wieder auf dem Lande bin, dann habe ich Luft zu allem.« Da er schwieg und zu erwarten schien, daß ich wieder beginne, schrieb ich auf: »In voriger Woche habe ich Ihren Bruder kennen gelernt.« Die Worte machten keinen guten Eindruck. Ein halb mißmutiger, halb wehmütiger Zug wurde in Beethovens Antlitz sichtbar. »Ach, mein Bruder,« sprach er endlich, »der schwätzt viel, der wird Sie recht gelangweilt haben«. Es war augenscheinlich, daß Beethoven mit dieser eine Nebensache oder Eigenschaft berührenden [204] Bemerkung bittere Gefühle ableiten wollte, die er nicht auszusprechen Luft hatte. – Rellstab berührt noch, was er sonst von diesem Bruder gehört, will aber nur streng nach der Wahrheit die Tatsachen erzählen und sich des Urteils enthalten »besonders da es bei Beethovens Charakter auch schwer war, ein dauernd ungetrübtes persönliches Verhältniß zu ihm zu erhalten.« Statt dessen schrieb er auf, daß er das Es-dur-Quartett gehört habe und erzählt dann weiter: »Ein freudiges Leuchten belebte seinen matten Blick, als er die Worte las; doch es war eben nur ein Augenblick, dann sprach er, wie sich selbst tadelnd: ›Das ist so schwer! Man wird es schlecht gespielt haben. – Ging es denn?‹ Meine schriftliche Antwort lautete in gedrängter Kürze; ›Es war sorgfältig eingeübt, und wurde gleich zwei mal gespielt.‹ ›Das ist gut. Man muß das öfter hören! – Wie hat es Ihnen gefallen?‹« – Die Frage zu beantworten, erschien Rellstab damals schwierig;94 er schrieb also nur auf: »Ich war im Innersten tief und heilig erschüttert.« – – »Beethoven las und blieb stumm; wir sahen einander an, und schwiegen Beide, doch eine Welt von Empfindungen überdrängte meine Brust. Auch Beethoven war unverkennbar bewegt. Er stand auf und ging gegen das Fenster, wo er neben seinem Flügel stehen blieb. Ihn diesem so nahe zu sehen, erzeugte einen Gedanken in mir, den ich zuvor niemals gewagt hatte. Wenn er – ach er durfte sich ja nur halb umwenden, so stand er vor der Claviatur – wenn er sich niedersetzen, seine Stimmung in Tönen ergießen wollte! In bang' seliger Hoffnung ging ich nach, trat nahe zu ihm und legte die Hand auf das Instrument. Es war ein englischer Flügel von Broadwood. Ich gab mit der Linken leicht einen Akkord an, um zu veranlaßen, daß sich Beethoven umwende: doch er schien ihn nicht gehört zu haben. Einige Augenblicke später drehte er sich jedoch zu mir hin, und da er sah, daß ich das Auge auf das Instrument gerichtet hatte, sagte er: ›Das ist ein schöner Flügel! Ich habe ihn aus London zum Geschenk bekommen. Sehen Sie da die Namen!‹ Er deutete mit dem Finger auf den Querbalken über der Klaviatur. Ich [205] sah hier in der Tat mehrere Namen aufgeschrieben, die ich zuvor noch nicht bemerkt hatte. Es waren Moscheles, Kalkbrenner, Cramer, Clementi, Broadwood selbst.95 Der Umstand war ergreifend. – – – ›Das ist ein schönes Geschenk‹, sprach Beethoven, indem er mich ansah; ›und es hat einen so schönen Ton,‹ fuhr er fort, und wandte sich mit den Händen nach der Klaviatur, ohne jedoch das Auge von mir zu wenden. Er schlug einen Akkord sanft an! Niemals wird mir wieder einer so wehmütig, so herzzerreißend in die Seele dringen! Er hatte in der rechten Hand C-dur und schlug im Baß H dazu an, und sah mich unverwandt an, wiederholte, um den milden Ton des Instruments recht klingen zu lassen, den unrichtigen Accord mehrmals, und der größte Musiker der Erde hörte diese Dissonanz nicht!96 – Ob Beethoven seinen Irrtum bemerkt hat, weiß ich nicht; doch als er das Haupt von mir weg, und gegen das Instrument wandte, griff er einige Accordsätze vollkommen richtig, wie sie in gewohnter Hand liegen, hörte aber dann sogleich auf zu spielen. Das war alles, was ich unmittelbar durch ihn hörte!«

Rellstab schied auch von diesem zweiten Besuche mit der trüben Aussicht, daß sich Beethoven, wenn nicht durch ein Wunder Genesung erfolge, zu dauernder schöpferischer Kraft nicht wieder ermannen werde. Er besuchte noch Grillparzer, in welchem er auch einen »Halbkranken« fand; auch aus seiner Unterhaltung gewann er die Überzeugung, »daß der edle Geist (Beethoven) zu einer dauernden Anspannung zu ermattet sei von dem schwer lastenden Geschick, das er nun schon so lange Jahre getragen.« Nach dem was er über Melusine gehört, wurde ihm selbst trotz bester Vorsätze zweifelhaft, ob es zu dem Operntexte kommen werde.

Die Zeit des Aufenthalts Rellstabs in Wien näherte sich ihrem Ende; er wollte noch einen kurzen Ausflug nach Ungarn machen, dann für wenige Tage nochmals nach Wien kommen und hierauf zurückkehren. Für den Fall, daß er Beethoven nicht mehr sehen werde, wollte er ihm jetzt schon Lebewohl sagen und berichtet über seinen letzten Besuch: »Beethoven [206] sprach sehr offen, sehr bewegt. Ich äußerte ihm mein Bedauern, daß ich in der ganzen Zeit meines Aufenthaltes in Wien außer einer Symphonie und einem Quartett in keinem Concert eine seiner Compositionen gehört hatte: daß man den ›Fidelio‹ nicht gegeben! – Dies gab ihm Anlaß, sich über den Geschmack des Wiener Publicums auszusprechen. ›Seit die Italiener (Barbaja) hier so festen Fuß gefaßt haben, ist das Beste verdrängt. Das Ballet ist dem Adel die Hauptsache vom Theater. Von Kunstsinn muß man nicht sprechen; sie haben nur Sinn für Pferde und Tänzerinnen. Die ganze Zeit haben wir hier nichts anderes gehabt. Aber danach frage ich nichts; ich will nur noch schreiben, was mich selbst erfreut. Wäre ich gesund, so wäre mir Alles Eins!‹ In dieser und ähnlicher Weise sprach er sich aus. – Ich schrieb jetzt auf die Tafel: ›Morgen reise ich auf einige Tage nach Preßburg und Eisenstadt; doch wir sind Anfang Mai zurück und bleiben dann vielleicht noch ein Paar Tage!‹ ›Sie wollen schon fort?‹ rief er erstaunt. Bei der Schwierigkeit, ihm Mitteilungen zu machen, hatte ich mich auf das nächste Unentbehrliche oder Veranlaßte beschränkt, und ihm daher über das Ende meines Aufenthalts in Wien noch nichts gemeldet. ›Ja, Sie haben Recht,‹ fuhr er fort, ›das Wetter wird schön; ich denke auch schon daran, aufs Land zu ziehen. Wenn Sie zurück kommen, bin ich vielleicht schon in Mödlingen.97 Dort wird mir besser werden; dort müssen Sie mich besuchen!‹« Rellstab hat wenig Hoffnung, daß es dazu kommen werde; er drückt Beethoven auch seine Besorgnis aus, eröffnet aber die Aussicht, wieder nach Wien zu kommen. »›Ich denke gewiß, wir werden uns noch sehen‹, sprach er nach einer kleinen Pause in einem so warmen, herzlichen Tone, daß ich fühlte, er sähe mich gern wieder. Um so wemuthsvoller wurde mir der Augenblick der Trennung, doch er war einmal da, ich brach auf. Wie immer wollte ich ihm zum Abschiede die Hand reichen; da nahm er meine beiden Hände, zog mich an sich, und küßte mich so herzlich, deutsch, ohne irgend eine erkünstelte Steigerung seiner Empfindung, sondern nur, weil es ihm wirklich so zu Sinn war, daß auch mir das ganze von Begeisterung glühende Herz aufging und ich den Theuren, Hochverehrten, mit einer unaussprechlich beseligten Empfindung in meinen Armen hielt. Ja ich empfand, daß meine Liebe etwas ähnliches in seiner Brust geweckt hatte, daß er mir einen warmen [207] Dank zurückgab für das Herz, das ich ihm ganz voll und innig entge-genbrachte. Und sollte ihm das etwas Seltenes gewesen sein? – – Mir aber war es wie ein Traum, und doch so wirklich, so warm, so menschlich wahrhaft und doch so göttlich erhebend zugleich. Der große, unsterbliche Ludwig van Beethoven an meiner Brust! Ich fühlte seine Lippen an den meinigen, und er mußte sich von meinen warmen seligen, unaufhaltsam hervordringenden Thränen benetzt fühlen! Und so verließ ich ihn; ich hatte keinen Gedanken, nur eine glühende, meine innerste Brust durchwallende Empfindung, ›Beethoven hat mich umarmt!‹ Und auf dieses Glück will ich stolz sein, bis an den letzten Tag meines Lebens!« –

Dieser letzte Besuch erscheint auch in einem Konversationsbuch vom Frühling 1825 (so Schindler) wieder. Da sagt Rellstab: »Steiner98 – Heute Abend reif' ich. Ich sage Ihnen herzliches Lebewohl. Über das Fernere schreib' ich aus Berlin.« Und dann nach einer längeren Unterbrechung, während welcher der Neffe, der Bruder, der Arzt eingezeichnet sind: »Sie gehen bald aufs Land. Ich reife Mittwoch ab. Sie wollen soeben ausgehen. – Ich bitte Sie mir Ihre Wünsche für die Oper, und ob Ihnen vielleicht einige meiner Lieder zu setzen, zu sagen. Würden Sie sich entschließen können von meinen Liedern für die Musikhandlung zu componieren, oder sonst in Verbindung mit derselben zu treten? – Ich bitte Sie die Texte vorläufig zum Andenken zu behalten; über alles Fernere schreibe ich Ihnen dann ausführlicher.« Die Verschiedenheit der Zeitangabe über Rellstabs beabsichtigte Abreise legt die Vermutung nahe, daß diese beiden Eintragungen zu verschiedenen Zeiten geschrieben sind, und zwar die letztere früher. Damit kämen wir freilich in Widerspruch mit Rellstabs Erzählung, der nur von einem letzten Besuch spricht. Ich muß darauf verzichten, dies Rätsel zu lösen. –

Nach dem Abstecher nach Ungarn blieben Rellstab, wie er erzählt, in Wien noch zwei Tage. Er benutzte die Zeit, Beethoven nochmals aufzusuchen, traf ihn aber nicht zu Hause, und ließ nur seinen Namen mit dem Abschiedsworte zurück.99 Vor der Abreise, welche am folgenden [208] Nachmittag stattfand, ging er noch einmal in die Musikhandlung von Steiner und fand dort einen Brief Beethovens, eine Antwort auf seinen Abschiedsgruß:


»Im Begriffe aufs Land zu gehen, mußte ich gestern selbst einige Anstalten treffen, und so mußten Sie leider gerade umsonst kommen. Verzeihen Sie meiner noch sehr schwachen Gesundheit; da ich Sie vielleicht nicht mehr sehe, wünsche ich Ihnen alles erdenkliche Ersprießliche. Gedenken Sie meiner bei Ihren Dichtungen.


Ihr Freund Beethoven.


An Zelter, den wahren Aufrecht-

halter der wahren Kunst alles

Liebe und Verehrliche!


Am 3. Mai 1825.«


Auf der Rückseite fand er zu seinem großen Entzücken noch Folgendes:


»In meiner Reconvalescenz befinde ich mich noch äußerst schwach; nehmen Sie vorlieb mit diesem geringen Erinnerungszeichen an Ihren Freund Beethoven.«


2. Kapitel. Das Jahr 1825

100


Wir haben den Mitteilungen Rellstabs einen breiteren Raum gegönnt, weil sie uns die Persönlichkeit Beethovens lebhaft vor Augen führen, und weil sie im ganzen den Eindruck der Treue und Glaubwürdigkeit machen. Die Möglichkeit von Irrtümern in »Nebendingen« gibt Rellstab selbst zu, da ihm außer Tagebuchnotizen und Briefen nur seine Erinnerung zu Gebote stand. Eine große Ausbeute neuer Kenntnis bietet er nicht; über Beethovens intimere Lebensverhältnisse, über die Natur seiner Krankheit, über die Pläne und Sorgen, die ihn gerade beschäftigten, weiß er uns nichts Näheres mitzuteilen; nur erfahren wir, daß er das Es-Dur-Quartett hörte – von wem, sagt er auch nicht, und ein tieferes Verständnis für dasselbe scheint er nicht gewonnen zu haben. Wohltuend ist aber die Wärme der Empfindung, die er Beethovens menschlichem Wesen entgegenbrachte; das entschädigt uns für manches, was wir in der Darstellung vermissen. Seine musikalischen Absichten mit Beethoven blieben einstweilen erfolglos; doch wurde die Verbindung mit [209] Schlesinger – denn diesen meint er bei Erwähnung der Berliner Musikhandlung101 – später wieder aufgenommen.

In den ersten Tagen nach der Übersiedelung wurden auch die Verhandlungen mit Schott fortgesetzt. Vom 7. Mai 1825 ist folgender Brief datiert:102


Wien

7. May 1825


Euer Wohlgeboren


Im Begriff aufs Land zu gehen, u. eben in der Reconvalescence von einer Gedärm Entzündung schreibe ich ihnen nur einige Worte –

Bei der Stelle103, des opferliedes zweite Strophe wo es heißt


2. Kapitel. Das Jahr 1825

wünschte ich, daß man diese Stelle so, wie ich sie hier schreibe, eintragen möchte, nehmlich


2. Kapitel. Das Jahr 1825

104


Das quartett werden Sie nun schon erhalten haben, es ist dasselbe ihnen versprochen, ich konnte hier von mehreren Verlegern ein Hon. von 60 ⌗ dafür haben, allein ich habe es vorgezogen, ihnen mein Wort zu halten.

Es hat jemand zu meiner Messe in C einen vortrefflichen deutschen Text [210] gemacht,105 ganz anders als derLeipziger, wollten sie wohl selbe mit dem neuen Texte neu auflegen –

Von geringern Werken hätte ich 4 gelegentlich geschriebene Märsche für ganze türkische Musik nebst einem Gratulations-Menuett. Das Honor. wäre 25 ⌗ in Gold – wegen der Herausgabe der sämmtl. werke habe ich die Papiere vor mir, und werde ihnen nächstens das Nöthige hierüber vorlegen können, wenn ihnen anders noch daran gelegen ist – Wegen Hennings Streiche hoffe ich nicht, daß sie Mißtrauen in mich haben, falls aber, will ich Ihnen seinen Brief, worin er von allem absteht die Overt. betreffend, die sache wurde hier schriftlich mit Bethman abgeschlossen, der bekanntlich sich mit der Gesellschaft zertragen.106


Der Aufenthalt in Baden war, nachdem sich der Meister langsam erholt hatte – noch im Oktober klagt er über Katarrh und Schnupfen – in mancher Beziehung abwechselnd und unruhig. Unruhe bereitete ihm namentlich der Neffe, der uns hier wieder einige Zeit beschäftigen muß. Es ist die Zeit, in welche die Mehrzahl der uns zunächst durch Schindler (II 121) bekannt gewordenen Briefe an den Neffen fällt, jener Briefe voll von Zärtlichkeit und Unruhe, in denen er sich die leider vergebliche Mühe gibt, den leichtsinnigen jungen Mann auf dem rechten Wege zu erhalten.

Schindler erzählt uns (II S. 119), der junge Mann, der bis dahin (seit Herbst 1824) Philologie studiert, habe zwar Ostern 1825 die vorgeschriebenen Semestralprüfungen abgelegt, aber mit zweifelhaftem Erfolge; nur der berühmte Name Beethoven habe es ermöglicht, ihn in das zweite Semester aufrücken zu lassen. Nun sei er, während der Meister in Baden war, einem verläßlichen Manne in Kost und Logis gegeben worden, habe aber sein leichtsinniges Leben wieder begonnen und habe am Schlusse des zweiten Semesters (das wäre also Herbst 1825 gewesen) gar keine Prüfungen abgelegt. Darum habe er in den zweiten Jahrgang nicht aufsteigen können und habe das Studium aufgeben müssen. Die Wahl eines neuen Berufes sei ihm nun selbst überlassen worden; er habe den Kaufmannsstand gewählt und sei dem polytechnischen Institut übergeben worden, dessen Vizedirektor Reißer war. Dieser habe dann die Mitvormundschaft übernommen.

Die Haupttatsachen werden richtig sein, aber im einzelnen, namentlich in der Zeitfolge, ist Schindler mehrfach im Irrtum, die Unsicherheit seines Gedächtnisses macht sich geltend. Die Vorlesungen an der Universität [211] besuchte er, wie wir wissen, nicht erst seit Herbst 1824, sondern seit Herbst 1823. Von da ab und während des Kursus von Ostern 1824 an trieb er philologische Studien an der Universität, wie auch die Konversationsbücher wiederholt erraten lassen, allerdings mit nicht viel Eifer und auch ohne Neigung; der Gedanke, einen anderen Beruf zu ergreifen, taucht schon während des Jahres 1824 auf, und zwar spricht er einmal geradezu den Wunsch aus, Soldat zu werden, zu Beethovens großer Überraschung; das wurde nun einstweilen nicht ausgeführt. Aber nicht erst nach dem Herbst 1825, sondern schon im Sommer 1825 trat er ins polytechnische Institut, wie daraus klar hervorgeht, daß in Beethovens Briefen aus diesem Sommer der Name Reißers wiederholt genannt wird; dies hätte Schindler nicht entgehen dürfen.

Wir teilen im Anhange I einige Stellen aus den Konversationsbüchern mit, welche sich auf Karl und seine Studien beziehen; ausführliche Stellen aus diesen Büchern, so interessant sie an sich wären, müssen wir des Raumes wegen unterlassen mitzuteilen.107

Das Jahr 1824 und der Anfang von 1825 sieht ihn noch mit philologischen Studien beschäftigt, doch wie er selbst eingesteht, nicht mit viel Eifer und Luft. Sein leichtsinniges Leben, worüber er dem Onkel nähere Mitteilungen natürlich nicht macht, hat er wohl in dieser Zeit fortgesetzt; war er ja auch lange während dieser Zeit vom Onkel entfernt.108 Das Mißtrauen des letzteren war daher nicht unbegründet, aber mußte er nicht einen Teil der Schuld in sich selbst suchen? allerdings, leider, auch in seinen Gesundheitsverhältnissen. Er bedurfte des Landaufenthaltes, der Neffe der Aufsicht und Kontrolle, und das ließ sich nicht vereinigen, wenn ihn auch der Neffe wöchentlich besuchte.

Eine Semestralprüsung hat nun der Neffe, scheint es, abgelegt, worauf auch die Konversationen hinführen, und bei welcher der Name Beethoven sich als einflußreich erwies (so Schindler); wenn es aber geschehen ist, dann wird es nicht, wie Schindler erzählt, zu Ostern 1825, sondern schon im Herbst 1824 gewesen sein. Wir teilen auch hierzu eine Stelle [212] aus den Konversationsbüchern mit,109 wobei auch hier hinsichtlich der Zeit einige Unsicherheit bleiben muß. Ostern 1825 wurde gar keine Prüfung abgelegt, wenigstens führen die Konversationen nirgendwo darauf hin. Im Winter 1824/25 war er noch in den philologischen Studien, das deuten auch die Konversationen an, wo er z.B. über eine Homer-Übersetzung (Probe von Wolf) spricht. Es begegnen dann auch Hindeutungen auf Studien im Englischen, vielleicht als Vorbereitung zu dem demnächst zu wählenden Berufe. Wir sind hier über das Einzelne nicht unterrichtet, und die Konversationsbücher setzen uns nicht in den Stand, die Tatsachen mit genügender Sicherheit festzustellen. Gegen Ende des Semesters, Ostern 1825, kommt es zu dem Studienwechsel und zu dem Entschlusse, ins polytechnische Institut überzugehen, als Vorbereitung für den Kaufmannsstand. Die Besprechungen scheinen, soweit die Unterhaltungen überhaupt Schlüsse zulassen, etwa im März und April, bis in Beethovens Krankheit hinein, stattzufinden. Da will Karl einmal, etwa gegen Ende März, ins Theater gehen, und schreibt Beethoven auf: »Indeß versäume ich ja ohnehin nichts, und wenn ich einmal ins polytechnische Institut gehe, so wird es ohnehin sehr selten sein. Wenn es Dir aber nicht recht ist, so lassen wirs.« Beethoven gab schwer seine Zustimmung, konnte aber wohl nicht anders. Etwas später schreibt Karl: »Du weißt, daß ich mich nicht widersetze, wenn Du durchaus wolltest, daß ich fortstudieren soll; aber ich glaube doch, daß ich dort viel besser fortkommen werde, da ich doch einmal die Luft verloren habe. Übrigens werde ich nie mein Griechisch vergessen, sondern immer fleißig fortfahren, um so mehr, da ich soweit darin bin, daß es mir nicht mehr Anstrengung, sondern Vergnügen macht, darin zu lesen. Peters, mit dem ich ausführlich darüber gesprochen, und so wie dir die Gründe sagte, warum ich nicht mehr zu studieren wünschte, hat sie gebilligt, und glaubte, ich werde dort sehr gut fortkommen.«

Beethoven gab also, sicherlich mit schwerem Herzen, seine Zustimmung; er hatte die Sache auch mit anderen besprochen. Eine Prüfung hatte Ostern 1825 gar nicht stattgefunden,110 vielleicht wirkte auch das auf den Entschluß ein; Karl wollte wohl nicht von vorne anfangen. »Konsultationen mit Fachmännern und Freunden abgehalten, sollten einen entsprechenden Ausweg ermitteln« (Schindler). Zu diesen Beratern hat auch [213] wohl der Mitvormund Hofrat Peters gehört. Auch der Name Stephan Breunings begegnet hier einmal, mit dem der Verkehr bald nachher wieder intimer wurde.111 Bei den äußeren Veranstaltungen, Wahl des Kosthauses, erscheint der Bruder Johann mit tätig.

So wurde also Karl zu Ostern 1825 dem polytechnischen Institut übergeben, welches am Glacis lag. Der Vizedirektor Dr. Reißer, ein großer Verehrer Beethovens,112 erklärte sich auf Befragen bereit, die Mitvormundschaft über den jungen Mann zu übernehmen; und so schien für besonders sorgsame Überwachung und Leitung gesorgt. Mit Reißers Mitwirkung wurde Karl einem vertrauenswürdigen Beamten Schlemmer in Kost und Wohnung gegeben, welcher in der Alleegasse nächst der Karlkirche wohnte.113 An freien Tagen sollte er dann zum Onkel nach Baden herauskommen, der ihn gern um sich sah und ihn wie früher, ja noch mehr, zu Briefen und Besorgungen verschiedener Art benutzte.114

Karl trat, wenn wir auf ihn selbst hören, mit guten Vorsätzen und Interesse für die neu zu erlernenden Gegenstände in das Institut ein. Einen Einblick hierin gewähren uns seine Einzeichnungen im Konversationsbuch und die ersten Briefe Beethovens.115 Der Rückschlag blieb nicht aus. Der junge Mann war einmal, wie wir längst wissen, leichtfertig veranlagt, arbeitsscheu und vergnügungssüchtig; die erforderliche Aufrichtigkeit gegenüber dem Onkel hatte er längst verloren. Er war nun auf sich selbst angewiesen, in dem großen Wien sein eigener Herr. Die Nachlässigkeit in der Erfüllung seiner Pflichten begann wieder; er besuchte die Kollegien nicht ordentlich und brachte vor seinem Oheim die Entschuldigung vor, daß er erst in der Mitte des Kursus beginne, das jetzt Vorgetragene nicht verstehe und das Frühere nachholen müsse, wozu er eines [214] Korrepetitors bedürfe. Auch scheint er plan- und ziellos umherzusuchen; so versichert er z.B. dem Onkel (wenn dies nicht Flunkerei war), daß er das Lateinische und Griechische nicht verlieren wolle und daher die Bibliothek besuche. Der Verkehr mit gleichaltrigen Bekannten nahm ihn in Anspruch; er geriet wieder auf die abschüssige Bahn und wußte sich für seine Bedürfnisse Geld vom Onkel, ja selbst, wie dieser erfuhr, leihweise von der Haushälterin zu verschaffen.116 Zu diesen Bekannten gehörte ein etwas leichtsinniger junger Mensch Namens Niemetz, den er schon von Blöchlingers Institut her kannte, und an den er sich sehr angeklammert hatte; er brachte ihn sogar gelegentlich zu seinem Onkel mit, dem er gar nicht gefiel.117 In einer Unterhaltung aus dem Jahre 1824 (so die Aufschrift Schindlers) kommt dieses Verhältnis zwischen Beethoven und dem Neffen zur Erörterung; Beethoven nimmt hier selbst das Wort (wir bringen die Stelle im Anhang). Wir blicken in Differenzen ernster Natur, und erkennen, daß Beethovens Autorität über den Neffen sehr erschüttert war. Das wundert uns nicht; denn die Art, den beinahe erwachsenen jungen Menschen fast wie ein Kind zu behandeln, mußte zu Explosionen führen, wie wir sie dort lesen.

Die obigen Tatsachen bilden die Grundlage zu dem Verständnisse der Briefe Beethovens an seinen Neffen, welche größtenteils in dieses Jahr und zum Teil in die Zeit des Badener Aufenthaltes fallen. Sie waren von Schindler II S. 121 ff. unvollständig und bruchstückweise mitgeteilt, vollständiger bei Nohl. Wir bringen sie, soweit wir sie haben, im Anhang I. Außer dem unmittelbaren Zweck haben sie auch bezüglich Beethovens spezielles Interesse; manche hängen mit der noch nicht ganz überstandenen Krankheit zusammen; alle aber setzen Beethovens Charakter und seine Gesinnung für den Neffen in helles Licht. In der wärmsten, in wahrhaft flehentlicher Weise richtet er Mahnworte an Karl, versichert ihn seiner Liebe und sucht auf sein Herz zu wirken. Leider vergeblich; der junge Mann ist zu sehr in sein leichtsinniges Treiben verstrickt und sträubt sich gegen den Zuspruch des Oheims, dessen Einfluß er sich zu entziehen sucht. Da er nun wieder den jungen Mann gegen den Bruder Johann und gegen die Mutter, zu der er doch immer trotz ihrer moralischen Verdorbenheit die Zuneigung des Sohnes bewahrt [215] hatte, einzunehmen suchte, so schädigten seine Ermahnungen immerhin berechtigte Empfindungen, und seine ernsten Mahnungen zur Wahrheit und Dankbarkeit und zum Fleiße verfehlten ihre Wirkung und riefen eher das Gegenteil des Beabsichtigten hervor. Wir sehen in Beethovens besorgtes Gemüt und die edlen Absichten hinein, die ihn beseelen, und verurteilen den jungen Mann, der das alles hervorrief; aber um alles zu sagen: ein Erzieher war unser Meister nicht.

Wir können an dieser Stelle unmöglich diese Briefe alle mitteilen; man findet sie wie bemerkt im Anhange. Das sonstige biographisch Wichtige wird man daraus leicht entnehmen und einordnen. Wir ersehen, daß Beethoven bald wieder zu arbeiten begann;118 noch mehr als die überstandene Krankheit war ihm das böse Wetter hinderlich. Er fühlt sich in seinem Alleinsein und in seiner Verlassenheit unbehaglich und sehnt sich darnach, daß Karl kommt, so oft er kann; dabei verläßt ihn nicht die Sorge um dessen Fortschreiten und Verhalten. Mehrfach in dieser Zeit, so wie es scheint Anfang Juni, war er von Baden aus in Wien; dazu mochten sich manche Gründe ergeben, so das Besichtigen von Wohnungen, dann aber vorzüglich der Wunsch, sich selbst über die Verhältnisse des Neffen zu unterrichten, der ihm schon bald ernstere Sorgen zu machen begann. Man sehe darüber die Briefe im Anhang nach. Er scheint auch den Wunsch gefaßt zu haben, noch einmal juristischen Rat einzuholen, denn er will in Wien den Dr. Bach aufsuchen.119 Er erfuhr hier Unerquickliches, auch kam es zu Auseinandersetzungen; der Bruder Johann scheint irgendwie im Spiele zu sein, was ihn sehr erbitterte – das Nähere ist uns unbekannt.120 Er war tief getroffen und läßt den Gedanken an eine völlige Lösung des Verhältnisses zum Neffen und den Verwandten auftauchen; der Gedanke an den Tod (Anhang I A, Brief Nr. 9), genährt durch seine Einsamkeit und Krankheit, wird in dieser tiefen Verstimmung begründet sein. Doch trat für jetzt, vielleicht auf Grund mündlichen Austauschs, eine Beschwichtigung ein, und die Verhältnisse erscheinen bald nachher wieder auf dem alten Fuße.

[216] Vermutlich auf Grund seiner Erkundigungen sah sich Beethoven veranlaßt, folgende Zeilen an Karls Hauswirt Schlemmer zu richten.121


»Für Seine Wohlgeboren

H. v. Schlemmer.


Euer Wohlgeboren!


Es ist mir auffallend, daß Karl beynahe gar nirgend in eine schöne Gesellschaft, wo er sich in dieser Zeit auf das anständigste belustigen könnte, zu bringen ist. Es könnte den Verdacht erwecken, daß er vieleicht doch Abends oder gar Nachts [sich] erlustigte in gewiß nicht so guter Gesellschaft. – Ich ersuche Sie hierauf acht zu haben, u. unter keinem Vorwande Karl nachts außer dem Hause gehen zu lassen, wenn Sie von mir nichts schriftliches durch Karl hierüber erhalten – einmal war er mit meinem Wissen bey Hofrath Breuning – indem ich ihnen diese Sache ans Herz lege, welche weder ihnen noch mir gleichgültig seyn kann, empfehle ich ihnen noch einmal hierin große Aufmerksamkeit. –


Euer Wohlgeb.

Ergebenster

Beethoven.«


Beethoven tat in seiner Sorge noch mehr und ging selbst ins Institut, um sich zu erkundigen, worüber wir einen authentischen Bericht eines der Lehrer haben. Derselbe trägt kein genaueres Datum; nur das Jahr 1825 bezeichnet das Ende. Beethoven war in dieser Badener Zeit öfter in Wien; man kann auch an die Zeit denken, als er schon in die Stadt zurückgekehrt war, oder an die Tage von Karls heimlicher Entfernung; bestimmte Hinweisungen fehlen.122 Darum lassen wir, da wir doch einmal von dem Neffen sprechen, den Bericht schon hier folgen, und überlassen dem Leser zu entscheiden, wohin während des Badener Aufenthalts (oder vielleicht später) er am richtigsten zu setzen sein wird.

Ich finde den Bericht in Thayers Materialien, der ihn halb deutsch gibt, offenbar auf Grund mündlicher Besprechung. Hier wird er nur deutsch wiedergegeben.


»In den Jahren 1823–1825 war der K. Rath Reuter Assistent im Fache der Technologie an dem polytechnischen Institut in Wien. In der [217] Zeit kam Beethovens Neffe als Schüler hin. Herr Jakob Reuter erzählt Folgendes.

Ich bin herausgegangen aus meiner Sammlung (von Gewerbsprodukten, eine Art Museum), zu der Zeit als nach dem Schlusse der Vorlesungen die Studenten die Treppe herunter liefen, etwa um 12 Uhr Mittags, – zu meinem großen freudigen Erstaunen sehe ich Beethoven! (Den ich gleich gekannt durch öfteres Sehen auf der Straße und besonders in Mödling, wo ich einmal hinausging um ihn bloß zu sehen.) Zuerst stand ich ganz erstaunt Beethoven zu sehen still stehend mit entblößtem Haupte, als die Studenten an ihm vorbeirannten. Sobald ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, ging ich zu ihm und legte meinen Arm in den seinigen, da ich wußte, daß es bei seiner Taubheit vergeblich sein würde zu ihm zu sprechen, er wendete sich natürlich mir entgegen, sah mich, einen Fremden an und mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Demuth und einer halben Verbeugung sagte er nur ›Beethoven‹. Ich gab ihm durch Kopfnicken zu verstehen, daß ich ganz gut wüßte, wer er sei, und führte ihn in das technologische Museum hinein. (Als ich mich vor ihm verbeugt hatte, zeigte ich auf meine Thür; er verstand mich und so ging er mit mir.) Damals war ich 22–23 Jahre alt. Sobald ich ihn in dem Zimmer hatte und die Thür zugemacht hatte, stand ich einen Augenblick da mit gefalteten Händen und von einem unbeschreiblichen Gefühl von Liebe und Ehrfurcht durchdrungen, und rief aus: ›O, wie freut es mich!‹ Ich warf meine Arme um seinen Hals und zog ihn an mein Herz. Er war angenscheinlich erfreut über meinen Enthusiasmus, dankte mir durch sein ausdrucksvolles Lächeln und eine leichte Verbeugung für meine Sympathie, und schließlich erwiderte er meine Umarmung, indem er gleichfalls seinen Arm um meinen Hals schlang. Nun sah er mich erst recht an – ich glaube daß ich sogar geweint habe –, und sein Antlitz zeigte, wie sehr ihn mein Enthusiasmus gefreut hatte. Als ich schließlich allmählich ruhig geworden war, fiel mir ein, daß er wohl einen Zweck gehabt haben müsse, um diese Zeit hier zu erscheinen. Ich legte meinen Mund an sein Ohr und fragte mit lauter Stimme: ›Womit kann ich Ihnen dienen?‹ Beethoven: ›Ich habe einen Neffen –‹ Reuter: ›Ich weiß es.‹ B.: ›Da wollte ich sehen wie es mit ihm steht.‹ Ich legte meinen Mund wieder an sein Ohr und bat ihn dort zu bleiben, während ich zur Direktionskanzlei ging und genaue Auskunft über seinen Neffen holen wolle, da der Neffe nicht in meiner, sondern in der Commercial-Abtheilung war. Ich ging fort und sperrte ihn ein! In der Kanzlei angekommen, nahm ich Einsicht in die Kataloge und habe ersehen, daß ich diesem großen Manne, den ich gern mit Freude überschüttet hätte, nichts erfreuliches über seinen Neffen mittheilen könne. – So rasch wie ich hinausgelaufen bin, so langsam bin ich hinuntergegangen – da [daß] ich nur schlechtes zu sagen hatte: Jetzt komme ich an und stellte mich mit einer traurigen Miene vor ihn hin. Ohne ein Wort zu sagen, hatte er in meinem Gesicht die Wahrheit gelesen, und sein Gesicht, vorher so freudevoll, nahm in einem Augenblick nur den Ausdruck des tiefsten Kummers an. Nun legte ich wieder meinen Mund an sein Ohr und sagte nichts mehr als: ›Ich habe Ihnen nichts Gutes mitzutheilen‹! Er ließ mich nicht weiter reden und sagte: ›Ach Gott! ach Gott! die jungen Leute – ich armer, alter schwacher [218] Mann!‹ So fuhr er fort einige Zeit lang Schmerzensworte auszurufen, deren ich natürlich nach so vielen Jahren nicht mehr im Stande bin mich zu erinnern, allein den Ausdruck des Schmerzes in seinem Gesicht werde ich nie vergessen! Zuletzt nahm er mich bei beiden Händen und in Tönen der tiefsten Wehmuth dankte er mir, und empfahl sich. Ich nahm ihn unter den Arm und begleitete ihn über die Stiegen herunter. Auf einmal blieb er auf der Treppe stehen und sagte mit einer Art von Vorwurf (wie ich deutlich in seinem Gesicht und in den Tönen seiner Worte vernehmen konnte):› Mein Gott! mit wem habe ich denn die Ehre zu sprechen?‹ Ich antwortete: ›Mit Niemanden, als mit Ihrem Anbeter und Verehrer!‹ Das that ihm wohl, es tröstete ihn ein wenig, sein Gesicht erheiterte sich ein bißchen wieder; nun nahm er mich wieder bei den Händen und drückte sie an seine Brust. Wir sprachen dann nichts mehr. Ich begleitete ihn bis ans Thor und wir nahmen ohne eine Wort zu sprechen unter den herzlichsten Händedrücken Abschied von einander. Jetzt erst setzte er den Hut auf und ging über das Glacis weg. Ich sah ihm noch eine Weile nach, setzte meinen Hut erst jetzt auf und ging betrübt meinen Weg. Ich ging gleich zum Speisen in ein Wirthshaus, ohne daß mir irgend etwas geschmeckt hätte; so groß war meine Aufregung. Nun konnte ich nicht erwarten dies meinen Freunden zu erzählen, insbesondere meinem Bruder Ferdinand, der ein ebenso großer Verehrer Beethovens war wie ich. Nach einigen Tagen kam ich zu einem meiner Freunde Kirchhofer (wo ich sehr viele erfreuliche musikalische Abende verlebt habe, bei dem viele musikalische Notabilitäten sich öfters eingefunden haben) und da fand ich Alois Fuchs und andere. ›Ihr,‹ sagte ich, ›das ist der Rock, den Beethoven an seine Brust gedrückt, küßt ihn ab!‹

Einige Tage nach diesem Ereigniß gehe ich durch die Kärnthner Straße,123 es greift mich jemand rückwärts beim Arm. – Wer ist es? – Beethoven. – Mit beiden Händen ergreift er wieder meine Hände, drückt sie recht mit dem freundlichsten Gesicht und ohne zu reden mit großer Wärme. – Dann trennten wir uns.

Ich sah ihn später niemals wieder, war aber einer von denen, die ihn in dem großen Gefolge zum Grabe geleiteten.«


Die Erzählung ist für Beethovens Persönlichkeit und seine Liebe zu dem Neffen so charakteristisch, daß wir sie schon darum ganz mitteilen mußten. Im übrigen nehmen wir für diese Zeit Bezug auf die im Anhang mitgeteilten Briefe. Aus diesen entnehmen wir, daß auch in dieser Zeit der Trennung eifriger brieflicher und persönlicher Verkehr stattfand, indem Beethoven wiederholt von Baden aus in Wien war und Karl an freien Tagen ihn in Baden besuchte. An allem, was ihn beschäftigt, was er erlebt, läßt er den Neffen teilnehmen, so an den Sorgen um die Herausgabe [219] der Werke; bei der ersten Aufführung des neuen Quartetts ist er zugegen; nicht nur für äußere Bedürfnisse mannigfachster Art, sondern auch für die Korrespondenz mit Verlegern und Gönnern nimmt er Karls Hilfe in einer, wie uns scheint, zu ausgedehnten Weise in Anspruch. Dabei verläßt ihn nicht die ängstliche Sorge um sein leibliches und geistiges Wohl, sie veranlaßte ihn wohl mit, häufig von Baden aus Wien zu besuchen; aus dem herzlichen Tone der Briefe, der aber mehrfach sehr gereizt wird, sehen wir, daß er zu sehr ernsten Vorhaltungen genugsam Veranlassung hat. Da ihm Karls Unwahrhaftigkeit, seine Neigung zu Geldausgaben, sein leichtfertiges Leben nicht unerkannt und unbekannt geblieben war, so begreifen wir seine Sorge und sagen uns nur, daß seine ernst gemeinten Mahnungen bei dem leichtsinnigen jungen Menschen auf unfruchtbaren Boden fielen. Es war noch mehr, was ihn beunruhigen durfte. In der Seele des unreifen jungen Menschen waren Pläne und Wünsche aufgehäuft, die mit seinen jetzigen Studien unvereinbar waren. Worin dieselben bestanden, wissen wir nicht; doch scheint vielleicht der neue Verkehr mit der Mutter, jedenfalls aber irgend eine Einwirkung des Bruders Johann124 dabei im Spiele zu sein; das zeigen die Briefe deutlich. Beethoven gab in seinem Unmute sogar dem Gedanken Ausdruck, das ganze Verhältnis zu lösen. Dazu kam es nun nicht; aber es wird damit zusammenhängen, daß der Neffe seine Wohnung verließ und mehrere Tage nicht heimkam.125 Die Angst Beethovens und die große Freude über das Wiedererscheinen des jungen Menschen kommt in den Briefen zum Ausdruck; wir erkennen hier die ganze Liebe des Oheims zu dem pflichtvergessenen Jüngling. Wie wir sehen (Anhang I Br. 32), hatte der Neffe selbst geschrieben, das mochte auf Beethoven noch tieferen Eindruck machen. Keine ernstere Maßregel, die vielleicht am Platze gewesen wäre, wurde getroffen; über der Freude über den Wiedergefundenen war alles vergeben. Es kam wohl noch zu einzelnen erregten und gewaltsamen [220] Szenen, doch blieb das bisherige Verhältnis bestehen bis zu der Katastrophe des nächsten Jahres, von welcher wir ausführlich zu sprechen haben. Es sollten dem vielgeprüften Meister noch traurigere Erfahrungen nicht erspart bleiben. –

Gegen den Bruder hegte er in dieser Zeit große Erbitterung, genährt durch wirkliche oder angenommene Einmischung in die Wünsche des Neffen; ob auch Dienstbotenfragen hineinspielten, können wir nicht wissen. Die Briefe im Anhang geben davon Kunde; auch ein Brief an Johann vom 13. Juli zeigt diese gereizte Stimmung. Johann hatte, wie wir aus dem Briefe entnehmen, die Rückerstattung eines »dem Kunstmaschinisten am Graben« gehörigen Buches126 übernommen, aber nicht ausgeführt. Auch hatte er die Einladung nach Gneixendorf wiederholt; das ersehen wir auch aus dem Konversationsbuch. So schrieb ihm Beethoven folgende Zeilen.127


»Werthester H. u. Bruder!


Da Du das Buch auf eine so gute Art besorgt hast, so ersuche ich dich, daß es wieder hieher an den Eigenthümer zurückgelange – wieder eine ganz hübsche Geschichte – wegen deinem Wunsche mich bei dir zu sehen, habe ich mich ja schon längst erklärt, ich ersuche dich, hievon nichts mehr verlauten zu lassen, denn unerschütterlich wirst du mich hier wie allezeit finden, die Details hierüber erlasse mir, da ich nicht gern unangenehmes wiederhohle, du bist glücklich, dies ist ja mein wunsch, bleibe es, denn jeder ist am besten in seiner sphäre. Von deiner wohnung machte ich nur einmal Gebrauch, allein der Backofen machte mich beynahe krank, daher auch nur einmal – Da ich jetzt eine Wohnung schon habe So werde ich wahrscheinlich kaum einmal Gebrauch machen, von dem andern Zimmer, was du mir anträgst – wenn schreibst, so Siegele wenigstens die Briefe, u. adressire sie an Karl in Wien, da ein solcher Brief hieher zu viel kostet – ich ersuche dich noch einmal dringend um die Zurückerstattung des128 dem Kunst Maschinisten an dem Graben zugehörigen Buche[s], da solche Fälle wirklich beinah unter die unerhörten gehören, u. ich mich in keiner kleinen[221] Verlegenheit fände – also das Buch, das Buch! schnell u. geschwinde an Karl in Wien gesendet, – leben sie wohl mein werther Herr Bruder


Gott befohlen

der Ihrige

Ludwig.

Baden am 13ten jul.

1825.«


Wenn andere Verfehlungen des Bruders nicht schlimmer waren als diese verspätete Zurücklieferung eines Buches, so dürfen wir uns bei manchen heftigen Äußerungen Beethovens über den Bruder beruhigen.

Der Bruder war wenige Tage nachher in Baden bei Beethoven mit seinem Schwager, einem »elenden Menschen«, wie Beethoven urteilte;129 Beethoven erhielt auch Antwort wegen des Buches, die ihn, wie es scheint, nicht völlig befriedigte. Jedenfalls wurde seine Stimmung etwas gemildert, wie folgender bald nachher geschriebener, immerhin noch etwas ironischer Brief zeigt:130


»Baden 4ten Aug. 1825.


Bester H. Bruder!


Ich ersuche Sie euch ihn131 jetzt baldigst sich hieher zu begeben, da es unmögl. weiter mit dieser alten Hexe, die vor 200 [Jahren] gewiß verbrannt wäre geworden, es auszuhalten – Es wäre zu niedrig von einem Menschen meines gleichen die ursachen alle anzuführen warum – Es hat sich gut reden von Wirthshäusern, dieses dauert nur so lange, als Leute hier sind – Es geht eben so wenig jetzt als früher hauptsächlich ist die böse Natur dieses weiblichen Scheusals die Hauptursache, wodurch sie öfter sich selbst außer Stande setzt das mindeste Gute zum vorschein zu bringen – Ich ersuche dich daher, daß du schon in einigen Tagen erscheinst, sonst müßte ich Hr. Schindler wieder aufnehmen, der auch schon hier war, u. mir die Hand geküßt hat; – ich möchte aber gerne wieder wie die Wiener sagen ›ich küß' die Hand‹ zum Hr. Scheiserl – du bist zwar auch ein Lumpenkerl an Pseudo Bruder – unterdessen wenn ich schon doch [jemand]132 um mich haben muß, so hat mein Bruder immer die nächste Anwartschaft – in Erwartung dich zu s[ehen] einige Zeilen, wann du kommst – in großer Eile, –


Dein treuester

Fratello

lebe wohl

lebt –

Leben Sie –

lebe er –

adje!!«


(Adr.) »An Herrn Johann van Beethoven Gutsbesitzer in Gneixendorf. Post Krems.«


[222] Diese Art von Briefen ist recht charakteristisch für das Verhältnis. Beethoven, wie wir wissen, liebt den Bruder nicht und ist oft mißtrauisch gegen ihn, kommt aber im Falle der Not immer wieder auf ihn zurück; das Brudergefühl bricht durch. Die starken Ausfälle sind oft gar nicht so ernst gemeint. So faßt es auch der Bruder; mag ihn Beethoven verletzen oder schlecht behandeln, er läßt sich nicht verjagen, und ist immer wieder, wo es Not tut, hilfsbereit und zur Stelle. Immer von neuem muß man die Warnung aussprechen, daß auf die mancherlei Schmähungen, wie sie Beethoven in seiner Aufregung entfuhren, nicht zu viel Gewicht gelegt werde. – Interessant ist hier auch, wie er durchaus von Schindler los will. –

Die Verhältnisse des Neffen und was damit zusammenhängt, beschäftigten vorzugsweise seine Sorge und Gedanken während dieses Sommers; wir haben nun aber weiter nach seinen persönlichen und künstlerischen Erlebnissen während dieser Zeit zu fragen. Er erhielt Besuche von Kunstgenossen, und seine eigenen Arbeiten nahmen ihren Fortgang. Wir geben das Wichtigste, soweit davon Kenntnis vorhanden ist, nachstehend wieder; dabei bemerken wir, daß chronologisch nicht alles genau festgestellt werden kann, und das Künstlerische und Persönliche nicht immer scharf zu trennen ist.

Erwähnenswert ist hier der Besuch, den ihm der junge K. G. Freudenberg, später Oberorganist in Breslau, im Juli 1825 machte; derselbe berichtet uns selbst darüber in seinen Lebenserinnerungen.133 Im Juni war er nach Wien gekommen und machte sich an einem heißen Julitage, nachmittags gegen 2 Uhr, nach Baden auf. »Vom Balkon seiner ländlichen Wohnung aus hatte mich Beethoven bereits bemerkt; er zog sich alsbald bei meiner Annäherung zurück, vielleicht eines der vielen zureisenden sogenannten Musikgenies vorausahnend, von denen er im Sommer wie ein von Fliegen geplagtes edles Roß, überlaufen und belästigt wurde.« Er sprach der Haushälterin seinen Wunsch aus, Beethoven zu sprechen, wurde aber anfangs unwirsch abgewiesen. »Was«, sagte diese, »Sie Fußlatscher, wollen meinen lieben Herrn, den Beethoven, sprechen, da könnte Jeder kommen. Barone, Grafen, selbst Prinzen werden oft nicht vorgelassen. Einen schönen Gruß – und es ist Nichts.« Der Besuchende wußte aber durch freundliche Worte die alte Haushälterin zu begütigen; [223] sie meldete ihn an und brachte ihm eine Pergamenttafel mit Bleistift heraus, auf der er Fragen und Antworten schriftlich mitteilen solle. Er erfuhr erst jetzt, daß Beethoven nicht höre. Er schrieb also auf: »Der Musiklehrer Freudenberg wünscht des großen genialen Beethovens Bekanntschaft zu machen.« Wir lassen Freudenberg selbst weiter erzählen.


»Bald darauf trat eine gedrungene Gestalt in Mittelgröße mit freundlicher Geberde und liebevollem Blick heraus und nöthigte mich in sein Zimmer. Hier wurde mir dann ein Platz auf dem Sopha angewiesen und bei einer Tasse schwarzen Kaffee ein Stündchen gemüthlich geplaudert. – – Den Gegenstand unseres Gesprächs bildete natürlich die musikaliche Kunst und ihre Jünger. Den damals vergötterten Rossini, glaubte ich, würde Beethoven verspotten; mit nichten, er räumte ein, Rossini sei ein Talent und melodievoller Komponist, seine Musik passe für den frivolen sinnlichen Zeitgeist und seine Productivität brauche zur Composition einer Oper so viel Wochen, wie die Deutschen Jahre. Spontini habe viel Gutes, den Theatereffekt und musikalischen Kriegslärm verstände er prächtig. Spohr sei zu dissonanzenreich und durch seine chromatische Melodik würde das Wohlgefallen an seiner Musik beeinträchtigt. Seb. Bach hielt Beethoven sehr in Ehren; nicht Bach, sondern Meer sollte er heißen, wegen seines unendlichen unausschöpfbaren Reichthums von Toncombinationen und Harmonien. Bach sei das Ideal des Organisten; auch ich, erzählte Beethoven, spielte in meiner Jugend viel die Orgel, aber meine Nerven ertrugen die Gewalt dieses Rieseninstruments nicht. Einen Organisten stelle ich, wenn er Meister seines Instruments ist, unter den Virtuosen oben an. Beethoven schimpfte sehr auf die Wiener Organisten; die Besetzung der Stellen ginge nach Gunst oder nach alten observanzmäßigen Gebräuchen. War am längsten dient, erhält solch ein Amt und so kämen die Leiermänner oben an. Er tadelte die Orgeln mit mangelhaftem Pedal und zuletzt auch die Großen und Reichen der Erde, die für die Kunst und das Gute nichts thun wollen, weil sie nichts davon verstehen. Meine Fragen über einige seiner Werke, z.B. Fidelio, warum diese Oper nicht überall Beifall finde, beantwortete er: Wir Deutsche haben zu wenig dramatisch gebildete Sängerinnen für die Leonore; sie seien zu kalt und gefühllos, die Italiener singen und spielen mit Leib und Seele. Über Kirchenmusik äußerte Beethoven viel Wahres. Reine Kirchenmusik müßte nur von Singstimmen vorgetragen werden, ausgenommen ein Gloria oder ein anderer dem ähnlicher Text. Deswegen bevorzugte er Palestrina, doch sei es Unsinn, ihn nachzuahmen ohne seinen Geist und religiöse Anschauung zu besitzen, auch dürfte es den jetzigen Sängern unmöglich sein, die langgehaltenen Noten tragend und rein zu singen. Über das berühmte Miserere von Allegri sprach er kein Urtheil, weil er es nicht gehört hat. Viele Hörer seien entzückt davon, manche auch kalt geblieben. Die Componisten, die in ihren Werken Natur und Kunst vereinigen, stellte er als Muster hin. Meine wiederholte Bitte, mir auf dem Flügel etwas zu phantasiren, gewährte er mir nicht; er sei immer kränklich und spiele zu wenig, um mich befriedigen zu können, obgleich ich ihm entgegnete, daß nicht die Fingerfertigkeit, sondern sein Ideengang mich zu dieser Bitte bestimmte. An seinem Mienenspiel und zerstreutem Wesen merkte ich [224] wohl, daß er in seiner erhabenen Tonwelt lebte und mir durch Gebehrden zu verstehen gab, ihn nicht weiter seiner kostbaren Zeit zu berauben. Sonst war er freundlich und mild; einmal aber schnitt er ein gewaltig grimmiges Gesicht, als ich seine letzten Sinfonien für unverständlich und barock erklärte. Sein Augen- und Mienenspiel antwortete mir: Was verstehst du, Tölpel, und alle ihr Klügler davon, die ihr meine Werke tadelt? Euch fehlt der Schwung, die kühnen Adlerflügel, um mir nachfolgen zu können. Geistlosen Recensenten oder musikalisch-sinnlich blumenbouquet redenden Dilettanten mag wol Beethoven auch damals eine X-Größe gewesen sein. – – Dieser große Beethoven, von ziemlich kleiner Figur, mit wildem und etwas verstörtem Aussehen, grauem, struppigem Haare, borstenmäßig in die Höhe stehend, entließ mich mit den Worten: ›Grüßen Sie mir den alten Joseph Schnabel, der sich meiner annimmt!‹«


Hier besuchte ihn ferner Karl August Reichardt, später134 Hoforganist in Altenburg. In einem Konversationsbuche vom »Jahr 1825 in Baden« (Schindler) lesen wir folgende Auslassung von ihm:135 »Ich bin gewaltig ergriffen und kann keine Worte finden meinen Gefühle über ihr Unglück auszusprechen und die über mein Glück zu bezeichnen. Können Sie keinen einzigen Griff auf dem Klavier tun? oder mir im kurzen sagen, wem Sie Ihre musikalische Bildung verdanken? – Ich möchte den besten Weg kennen mich in der Komposition auszubilden. Ich habe mich der Tonkunst völlig ergeben heiße K. A. Reichardt, lebe in Leipzig und bringe Ihnen tausend Grüße von Ihren Verehrern. Welches Buch über Kontrapunkt empfehlen Sie mir vorzüglich? – Albrechtsberger. – Die Hauptsache ist Genie. – Ich glaube künftig etwas [zu] erreichen. – Ich will Sie, Theurer, aber nicht weiter incommodiren, u. danke Ihnen ganz herzlich für die Güte, mich Ihrer Unterredung nicht unwürdig zu sehen! Erlauben Sie mir wohl, daß ich Ihnen künftig ein Erzeugniß meiner Phantasie in größerem Style zur Kritik oder zur Korrektur überschicken darf? – Leipzig ist mein künftiger Aufenthaltsort. – Ich werde in einigen Jahren und wahrscheinlich noch kräftiger geworden nach Wien zurückkehren und dann erst [ist?] mir die Unterredung mit Ihnen wohl erlaubt. Für jetzt also tausend Dank!«

Das war wohl einer der Besucher, von denen Beethoven weniger erbaut war.

In dieser Badener Sommerzeit besuchte ihn ferner ein Holländer S. M. de Boer, Mitglied der Akademie der bildenden Künste in Amsterdam [225] Wir haben in einem Konversationsbuche dieser Zeit136 Aufzeichnungen von ihm in gebrochenem Deutsch, worin er ihm erzählt, daß er mit Schuppanzigh Quartette gespielt (oder durchgesehen?) habe, daß Fidelio und die Quartette in Amsterdam sehr gefallen hätten.


»Ich habe heute expreß die reife gemacht ihnen zu sehen.« Auch dort sei Streit über Rossini. –»Er solle größer sein, wenn er weniger hat geschrieben.« – –»Ich bin Diletant. Alles zum [zu] Vergnügen.« (Nicht alles ist zu enträtseln. Er spricht seine Liebe zur Kunst aus, gibt auf Fragen Bescheid; einmal bittet er Beethoven französisch zu sprechen, hat ihn also nicht verstanden.) – »Die Angenemheid von Kunst ist ein Gottes geschenk an die menscheid.« – –»Alle Musik Freunden sind Sie ein Pourtrait schuldig.« – –»Wen Sie in Amsterdam kommen, bei Gott schwere [schwöre] ich ihne, Sie sollen bei mir einhalten so lang wir beide da sein; De Boer« [Unterschrift]. – –»Ich finde mir vol Gefühl von ihre reception, ich bin zu schwach, meine[n] Dank zu sagen. Herr Edersheim wird ihnen es.« Dann schreibt er in seiner Sprechweise die Verse hin: »Ich spiele klein nur Achtung auf rein S. M. de Boer.« Und weiter: »Die Hollender bei allen Stäten [Städten] sind viel auf literatur und mahlerei aber in Tonkunst nicht gros gefordert [gefördert?] – Was ihre Cousin betrest. Ohne die hollandische Sprache geht es nicht, und is schwer für ein fremder.137 – Die Bildende Künste hat Professoren und Gelehrte. Auch die Literatur und Medicin, aber die Musik hat keine Compositeur und mehr etiquette als gründliche Gelehrtheid. – Es soll in meine Gemählde Cabinet ein beste plats habe. Ich versichere Sie, das kein musicant inAmsterdam ist der mir nicht besuchen wird.«


Ob Herr de Boer das Porträt erhielt, erfahren wir weiter nicht; dagegen scheint ihm Beethoven zur Erinnerung einen kurzen Kanon geschrieben zu haben, den man bei Nohl (N. Br. Nr. 290) findet.138 Er [226] trug die Unterschrift: Souvenir pour S. M. de Boyer par Louis van Beethoven. Baden le troisieme Aaout 1825. Dabei redet Nohl von dem Pariser Chirurgen Boyer, den Beethoven damals vielleicht wegen seines Ohrenleidens konsultiert habe. Dieser kommt aber sonst in Verbindung mit Beethoven nirgendwo vor, während uns die Ärzte, die er damals konsultierte oder die ihm vorgeschlagen wurden, wohlbekannt sind. Die Anfangsbuchstaben der Vornamen und das Zusammentreffen der Zeit führen auf den hier besprochenen de Boer, dessen Namen Beethoven leicht irrtümlich Boyer schreiben konnte.

Auch Karl Czerny besuchte ihn etwa im Juli; er brachte einige Zeit in Baden zu.139 Beethoven scheint ihn aufzufordern, sich eine Stelle zu suchen und Größeres zu komponieren. Czerny schreibt: »Ich wüßte nicht welche Art von Stelle für mich schicklich. – Als Capellmeister? – Was müßte ich schreiben.« – – Beethoven scheint ihn gefragt zu haben, was er für seine Kompositionen bekomme. »Ich nehme gewöhnlich wieder Musikalien für meine Composit. – Ich setze auf meine Kleinigkeiten keinen Werth, da ich sie sehr schnell schmiere. – Ich wünsche mich jetzt ernstlich mit größeren Orchestersachen zu be[schäftigen].« Bei einer späteren Gelegenheit spricht er von dem alten Freunde Zmeskall, mit dem wegen dessen Krankheit längst kein lebhafter Verkehr mehr bestand, daß es ihm jetzt besser gehe.140 Beethoven hatte wohl nach ihm gefragt. –

Es folgen noch sehr interessante und wichtige Besuche; dieselben fallen aber zeitlich und zum Teil auch sachlich mit dem Fortgange seiner künstlerischen Arbeiten zusammen. Auf diese sei also vorher ein Blick geworfen.

Was ihm jetzt vor allem am Herzen liegen mußte, war die Ausführung des von dem Fürsten Galitzin erhaltenen Auftrags, drei Quartette zu liefern. Wie wir bereits wissen, war das erste dieser Quartette vollendet und bereits aufgeführt. Die Fertigstellung des zweiten (A-Moll) wurde durch [227] die Krankheit unterbrochen, dann im Sommer wieder aufgenommen und mit Eifer fortgesetzt; in den Konversationen wird wiederholt auf den »heiligen Dankgesang« hingedeutet. Spätestens im August war es fertig. Dann machte er sich auch gleich an das dritte (B-Dur) und hoffte schon im August (s. Anh. I Brief 26) dasselbe in 10 bis 12 Tagen vollendet zu haben; eine Hoffnung, worin er sich, wie in manchen anderen Fällen, getäuscht hat.

Er dachte schon damals an eine Herausgabe dieser Werke in Deutschland, wie wir dem Briefe an den Neffen entnehmen (Anh. I Nr. 26). Hierher gehört das Konzept eines Briefes an Schlesinger in Berlin, den der Neffe schreiben sollte; dasselbe war einem Briefe an den Neffen (Nr. 17) beigefügt und ist von Nottebohm, der es besaß, veröffentlicht.141


»Baden am

15ten Juli.


Euer Wohlgebohren!


Mit großem Vergnügen erhielt ich ihre allgemeine Berl. Musik. Zeitung, u. bitte sie mir selber immer theilhaftig zu machen, durch Zufall geriethen mir einige Blätter davon in die Hände worin ich den geistreichen Hr. Redakteur Hr. Marx sogleich erkannte, u. wünsche daß er fortfahre das Höhere u. wahre Gebiet der Kunst immer mehr aufzudecken, welches gewinn für dieselbe sein wird, u. das bloße Silbenzählen etwas in abnahme bringen dürfte. – auf ihr Verlangen zeige ich ihnen an, daß ich ihnen 2 große neue Violin Quartetten überlassen könnte, das Honorar für eines wäre 80 ⌗ + 142 denn seit einiger Zeit sucht man von allen Seiten sehr meine werke u. so ist mir auch schon auf die 4tetten dieses gebothen, ebenso z.B. auf eine 4händige Klavier Sonate dasselbige, Vi–143 ich glaube aber, daß da Sie diese quartetten nach Paris London schicken können + 144 eher noch mehr geben könnten jedoch bin ich damit zufrieden, nach London schicke ich selbst nichts mehr, seit mein Freund u. Schüler Ries nicht mehr da ist, da die correspond. u. das Besorgen zu viel Zeit wegnimmt, und ein Priester des Apoll ohnehin mit d. g. verschont sein müste, leider fordern unterdessen die Umstände, daß der blick von oben auch sich [in die Tiefe verlieren muß, dahin, wo die bösen Unterirdischen Mächte hausen]145 auf die Erde verlieren muß. – um ihnen übrigens einen Beweiß zugeben, wie ich auf sie rücksicht [228] können sie mir einen wechsel auf ein gutes Haus hier auf 3 auch 4 Monathe anweisen, auf Erhaltung dieses erhalten sogleich die quartetten, doch erwarte ich jetzt erst ihre geneigte Antwort, worauf ich ihnen dann schreiben werde, wann sie den wechsel schicken sollen, gegen welchen alsdenn die 4tetten dort sogleich abgegeb. werden, denn es ist nicht Ehrenvoll u. zu Umständl. erst zu warten bis diese werke erst in Berl. ankommen,146 – ich halte es überall so, sie können sich drauf verlassen, daß die 4tetten sogleich als ich den wechsel erhalte gegen selben abgeg. werden – gern werde ich ihnen auch zuweilen einen Beitrag einen Kanon oder d. g. zur B. allg. Z. liefern, wenn man es wünschen wird – eilen sie nun mit der antwort, damit gerade diese 4tetten x147 welche ich wünschte, daß H. Marx zuerst zu gesichte bekäme, bei ihnen zu Berlin [heraus]148 erschienen.


Euer wohlgeborn


mit [aller] Achtung

[Ergebenster]

Beethoven.


schicken sie ihren Brief gleich gefälligst durch die Briefpost, denn lange kann ich nicht warten. Es braucht gar nichts als an Ludwig van Beetoven in Wien.«


Der Brief sollte noch einige Zusätze erhalten, worüber man in dem Brief an den Neffen vom 15. Juli (Anh. I Nr. 18) das Nähere findet. Das Ende war, wie wir sehen werden, daß Schlesinger das A-Moll-Quartett erhielt, das in B-Dur nicht; dieses erhielt Artaria.149

Nicht nur an den Verlag des Werkes dachte Beethoven, sondern auch an eine baldige Vorführung desselben. In einem Benefizkonzerte des Cellisten Linke sollte es zur öffentlichen Darstellung kommen; aber schon vorher sollte es im engeren Kreise gehört werden, nach anfänglichem Plane, so scheint es, bei Beethoven selbst in dessen Wohnung. Darauf bezogen sich auch die Bemühungen um baldige Abschrift desselben, wobei ihm seine Genossen Holz und Linke behilflich waren. Holz überließ er sogar die Partitur, und kam in große Sorge um die Rückgabe derselben oder des größeren Teiles.150 Diese Angelegenheit führte zu einer Korrespondenz mit Holz, mit welchem, vielleicht eben dadurch, das Verhältnis[229] etwas enger wurde, nachdem er noch kurz vorher (11. Aug.) ein Mißtrauen gegen ihn geäußert. So schrieb er im August:151


»Werther?! Holz!


Daß Holz aber ein Neutrum ist, daran zweifelt kein Mensch, wie widersprechend ist also das Masculinum, u. welche Folgen lassen sich noch sonst für das personifizierte Holz abstrahieren? – Was nun unsere Angelegenheit so bitte ich das quartett weder sehen noch hören zu lassen – Freitags ist der einzige Tag, wo die alte Hexe, die vor 200 Jahren sicher verbrannt worden wäre, erträglich kocht – da an diesem Tage der Teufel keine Gewalt über sie hat – daher kommen sie oder schreiben sie – dies ist alles für heute –


ihr Freund

Beethoven


Diesem Briefe muß kurz nachher der folgende vom 10. August gefolgt sein:152


»am 10 August Baden


Bester Span!

Bestes Holz Christi!


Wo bleibt Ihr – ich blase den Wind nach Wien um euch in einem Meerstrudel hieher zu schaffen; wenn das Quartett nur wenigstens bis Freitags hier ist; wirds aber noch länger so sorgen sie doch daß es Carl Sonntags mit sich hierher bringt. Daß sie aufs herzlichste willkommen sein werden, wenn sie selbst kommen, wissen sie per se – ›voila quel homme de langue la moi‹! – – –153

Kommen Sie am Freitag, so essen sie am besten in meiner schlarassen Haushaltung, am Ende bewirthe ich ihnen, heimlicher Paternoster-Gäßler etc. Piringer wird brummen, es geht ihm glaube ich wie jemand von Schreyvogel sagte....154 lebt wohl bestes Holz, schreibt und kommt jedes zur rechten Zeit;


eiligst

ihr Freund

Beethoven


[230] Bald nachher schrieb er wieder an Holz, am 24. August, an demselben Tage, an welchem er auch an Karl schrieb. Die Adresse des Briefes an Holz155 lautet:


»An Sr. Wohlgebohrn

G. Holz in Wien, Mölkerbastei 96

im Bergersannschen Hauß«


Auswärts steht noch:


»n'oubliez pas de rendre Visite a mon cher benjamin«:


Der Brief lautet:


»Baden den 24 August


(P. 1) Federn sind uns nicht bekannt, nehmt vorlieb – Lachen erregte mir ihr Brief, ja ja Tobias bleibt ein T. – wir wollen ihn aber doch noch vertobiassen –

Castelli muß dran, das Ding wird gedruckt und gestochen zum besten aller armen Tobiasse156 ich schreibe Karl eben, daß er mit den Briefen an P. u.S.157 warten soll; d.h. ich erwarte also die Antwort des H. A. in Mannheim. –

(P. 2) Gleichgültig dagegen, welcher Höllenhund158 mein Gehirn beleckt oder zernagt, da es nun schon einmal sein muß, nur daß die Antwort nicht zu lange ausbleibe, der Höllenhund in L. kann warten und sich derweil mit Mepistopheles (dem Redakteur der Musikal. L. Zeitung) in Auerbachs Keller unterhalten, welchen letzteren nächstens Belzebub der Oberst der Teufel bei den Ohren nehmen wird –

(P. 3) Bester des letzte159 Quartett erhält auch 6 Stücke, womit ich diesen Monath zu beschließen denke, wenn mir nur jemand was für meinen schlechten Magen geben wollte – mein Hr. Bruder... wieder auch ein P. n. g.... Hi ha, aber bester wir müssen sehn, daß alle diese neugeschaffenen [?] Wörter u. Ausdrüc ke160 bis ins dritte vierte Glied unserer Nachkommenschaft sich erhalten[231] – kommt Freitags oder Samstag – kommt Freitags wo Satanas in der Küche noch am erträglichsten ist – leben sie recht wohl, tausend Dank für ihr Ergebenheit und Liebe zu mir, ich hoffe, sie werden dadurch nicht gestraft werden. Mit Liebe und Freundschaft der Ihrige

Beethoven


Am Rande:


»Schreibt doch wieder einmal, kommt noch besser!«


Auf dem Briefe steht noch:


»Ja ja das Paternostergäßerl und unßer Direktor stack ganz hübsch drin, es ist eine hübsche Sache, auskommen, wenn man auch nichts dabei gewinnt.161«


Wir haben noch einen Brief an Holz aus dieser Zeit, welcher uns mitten in diese Arbeit des Abschreibens und Revidierens am A-Moll-Quartett hineinführt. Diesen Brief veröffentlichte Holz selbst in Gaßners Musikvereine 1845, Bd. IV Nr. 24, und versah ihn mit einer kurzen Einleitung und Anmerkungen. Seine Mitteilung folgt hier162.


»Als Beethoven im Mai 1825 sein dem Fürsten Galizin gewidmetes Quartett in A-moll beendigt hatte, bezog er eine Sommerwohnung in Gutenbrunn bei Baden.163 Das Quartett ließ er mir zurück, weil ich versprach es schnell copiren zu lassen, vorläufig zu corrigiren und die Correktur nach Baden zu schicken. In kurzer Zeit schickte ich eine Abschrift der Partitur von mir flüchtig revidirt nach Baden, behielt jedoch die Original-Partitur noch zurück, weil der Copist, Namens Rampel, die Stimmen herauszuschreiben hatte. Nach wenigen Tagen brachte der von einem Besuche in Baden zurückkehrende Neffe Beethovens folgenden Brief:


›Beste Violino secondo! (a)


Die Stelle im ersten Allegro in der Ersten Violine so:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

machts also eben so.

Eben im ersten Allegro machet in den 4 Stimmen diese Expressionen:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

[232] Die Noten sind alle recht – versteht nur ja, nur recht– volti subito.164 Nun über eure Abschrift, Bester.– obligatissimoma die Zeichen: p 2. Kapitel. Das Jahr 1825 etc., sind schrecklich vernachlässigt, und oft sehr oft am unrechten Ort, woran wohl die Eile schuld ist, um Gotteswillen bitte ich Rampel (b) einzuprägen, daß er alles schreibt wie es steht, sehen Sie nur jetzt das von mir corrigirte an, so werden Sie alles finden, was Sie ihm zu sagen haben, wo · über der Note darf kein ‧ statt dessen stehen (c) und so umgekehrt – es ist nicht gleichgültig


2. Kapitel. Das Jahr 1825

und


2. Kapitel. Das Jahr 1825

– die – < stehen manchmal später nach den Noten mit Absicht; z.B.


2. Kapitel. Das Jahr 1825

die Bindungen gerade wie sie jetzt stehen, es ist nicht gleichgültig ob so


2. Kapitel. Das Jahr 1825

oder so


2. Kapitel. Das Jahr 1825

im Adagio vielmehr so


2. Kapitel. Das Jahr 1825

Merkts euch von höheren Ortes – ich habe nicht weniger als heute den ganzen Vormittag mit der Correktur der 2 Stücke zugebracht und bin ganz heiser von Fluchen und Stampfen


eiligst der

Ihrige

Beethoven.‹«


Am Rande geschrieben:


»Für heute entschuldigen Sie mich schon, es ist gleich 4 Uhr, (d) und Karl (e) geht nun, wir waren sehr vergnügt.«165


Der Gedanke, das A-Moll-Quartett zuerst in einem kleinen Kreise Darstellung zu bringen, scheint in Beethovens näherer Umgebung [233] entstanden zu sein,166 und es scheint, daß Beethoven den Wunsch hatte, daß dies in seiner Wohnung geschehe. Er gab diesen Wunsch auf, als er die Schwierigkeiten erkannte, die es für alle hatte, zu ihm nach Baden herauszukommen. Es wurde also der Beschluß gefaßt, daß diese Aufführung am Freitag den 9. September in Wien stattfinde; zu derselben wollte Beethoven hereinkommen. Bevor wir dieselbe besprechen, haben wir einiger wichtiger Besuche zu gedenken, die Beethoven in dieser Zeit erhielt, und die zum Teil gerade zu dieser Aufführung in Beziehung traten.

Am 2. September (das Datum wird durch die Briefe genau festgestellt) besuchte ihn der dänische Konzertmeister Friedrich Kuhlau zu Baden in Begleitung von Haslinger, Holz, Professor Sellner167 und Klaviermacher Graf. Über diesen Besuch haben wir den hübschen Bericht von Seyfried im Anhang der »Studien« S. 24. Nach kurzer herzlicher Begrüßung wurde ein Spaziergang im Freien unternommen und alle Lieblingsplätze aufgesucht; Beethoven immer voraus und sich an den Mühen seiner Gefährten weidend, die er beschwerliche Wege führte. Sie erholten sich bei einem heiteren Mittagsmahl im Helenenthal, bei welchem der Champagner reichlich floß; in Beethovens Wohnung tat dann der Vöslauer das übrige. Dabei scheint sich Haslinger etwas übernommen zu haben. Hier kam anscheinend auch Würfel [234] hinzu (S. 240). Sie waren alle, Beethoven an der Spitze, in übermütiger Laune, von welcher auch das Konversationsbuch Kunde gibt.168 In dieser Laune improvisierte Kuhlau einen Kanon auf den Namen Bach;169 Beethoven erwiderte den Scherz durch einen Kanon auf Kuhlau (»Kühl – nicht lau«), der auch mit den Anfangsnoten B–A–C–H begann; er schrieb denselben ins Konversationsbuch, woraus ihn Thayer chronol. Verz. Nr. 253 wohl nicht ganz korrekt170 abdruckte. Am folgenden Tage übersandte er diesen Scherz Kuhlau mit einigen Zeilen; die Zuschrift folgt hier nach Seyfried:171


»An Herrn Friedrich Kuhlau.


2. Kapitel. Das Jahr 1825

Baden, am 3. September 1825.


Ich muß gestehen, daß auch mir der Champagner gestern gar sehr zu Kopf gestiegen, und ich abermahls die Erfahrung machen mußte, daß drg. meine Wirkungskräfte eher unterdrücken als befördern, denn so leicht ich sonst doch auf der Stelle zu antworten im Stande bin, so weiß ich doch gar nicht mehr, was ich gestern geschrieben habe. –

Erinnern sie sich zuweilen Ihres ergebensten


Beethoven m. p


[235] Beethoven schickte diese Zuschrift an Kuhlau durch Vermittlung von Holz und begleitete sie durch folgenden kleinen Brief an Holz:172


»Bester! kaum bin ich zu hause, so fällt mir ein was ich gestern für eine Schweinerey mag niedergeschrieben haben – übergebt das dem Kuhlau – alles übrige wißt ihr – schreibt baldigst oder kommt Donnerstags, Freytags heraus, schreibt aber vorher – Fragt ob die Köchin sich auch aufs Wildpret versteht, – damit sie in meinem Jagdreviere schalten u. walten für mich kann –

Bei Karl wird es noch besser seyn bloß beim Atrappé zu drohen mir es zu sagen – eilt auchprestissimo mit allem – bloß bei der Freundschaft denkt euch allzeit mich als Cantum Firmum


Lebt wohl

herzlich ihr Freund

Beethoven.«

(Außen)

»Der wiedergefundene fl. –«


[sowie das Datum]


»am 3ten September.«


Noch wichtiger für seine Angelegenheiten war der Besuch Schlesingers. Moritz Schlesinger aus Paris war vermutlich schon einige Tage in Wien, hatte auch Kuhlau schon gesehen, trat in den ersten Septembertagen mit Beethoven in Verbindung und brachte auch sehr bald die Verlagsangelegenheit zur Sprache. Im Konversationshefte sagt er:


»Kuhlau wird Morgen mit dem Grafen173 wahrscheinlich hier wiederkommen. – Castelli ist nicht hier jetzt, er ist gestern nach... gefahren. – Es ist schade daß Sie so lange keine Lieder geschrieben und besonders keine geistlichen. Die sind so erbauend. – Weber leidet immer sehr an Heiserkeit. Ich habe ihn in Ems gesprochen, als er da badete. – Die Natur hat hier unendlich viel Schönes.« Holz unterbricht das Gespräch mit den Worten: »Wo ist es Ihnen gefällig zu speisen? Wir möchten uns die Ehre erbitten. – Wir gehen ins Freye. – Wir wollen dem Nahmenstag das Vivat bringen.«174 (Hier tritt eine Unterbrechung der Unterhaltung ein; es tritt Karl auf,175 dann [236] unerwartet Schindler, der ihm erzählt, daß er Schlesinger schon gesehen habe.) Dann erzählt Schlesinger weiter: »Kuhlau hat mir gestern früh das erzählt, er hat mir gesagt, daß Sie einen sehr schönen Canon auf Kulau – nicht – lau gemacht haben etc. – B.A.C.H.176 – Morgen bekommen Sie die Antwort auf BACH. – Er hat mir gesagt, daß es höchst interessant sey, und er meinte, wenn sie es erlauben würde er diesen herrlichen Canon nebst Veranlassung und Antwort mir für die Berliner Musikzeitung geben. – Aus Berlin es soll mich freuen wenn Sie mir erlauben Ihnen dies kleine Andenken zurückzulassen. – – – –177 Ich höre Sie haben sämmtlich vorgestern einen sehr angenehmen Tag verbracht. – Kuhlau sagte mir: ich weiß nicht wie ich nach Hause und ins Bett gekommen bin. – Also nicht wie Hoffman, der hat täglich 6–8 Flaschen Champ. getrunken. – Das ist die beste, die göttliche Begeisterung, die der Natur.« (Diese Worte waren sicherlich auf eine Äußerung Beethovens niedergeschrieben.)

Schlesinger kommt nun seinen geschäftlichen Zwecken näher. »Haben Sie schon ans 3. Quatuor gedacht? – – Ich sage, er hat 2 Ex. geschickt, damit Sie es 2 mahl lesen können. – – – Ich will Sie bitten mir das abgeschriebene zu geben, wofür ich Ihnen sogleich den Betrag zustellen werde. Boehm, Merk usw. wollen es wenn Sie erlauben am Dienstag178 oder Mittwoch machen. Das 2te werde ich bitten hier abzugeben bey Hr. S. Biedermann, nächst dem Kärnthnerthor... der am 15ten October nach Paris reist. Der kann es mitbringen, ich werde ihn beauftragen es zu zahlen, und so werden wir es künftig halten. – Sie können ja das dem Linke thun;179 Boehm, Merk u.s.w. wollen es blos in einem Zimmer probiren, damit ich so glücklich bin es zu hören. Nicht öffentlich.« Darauf sagt Karl: »Läßt es sich machen, daß noch während der Anwesenheit des Hrn. Schlesinger probirt wird?« – Schlesinger: »Blos in meinem Zimmer, Mittwoch vielleicht, es sind doppelte Fenster180 Karl: »Hr. S. wünscht auch das 1ste zu hören, was an Schott geschickt.« Schlesinger: »Boehm hat mir gesagt, daß er es mich hören lassen würde – wenn Sie es ihm dazu geben wollen.« Karl: »Wenn du es ihm heute mitgeben wolltest, könnte ich dann mit allen sprechen, mit Schuppanzigh, Linke, die könnten es einstudiren für sich, und den Mittwoch könnte es gut gehen. – Ich will es mitnehmen, [237] weil Hr. v. S. bis Morgen Abend in Baden bleibt, da ginge der morgige Tag verloren.« – Schlesinger wünscht, »das schriftliche wegen der beiden Quartette« noch an demselben Tage abzumachen, um es von dem französischen Gesandten »legalisiren« zu lassen; das geschah aber nicht. – – Dann schreibt Karl: »Du hast etwas über den Aufsatz von Tobias an Schott für die Berliner Mus. Zeitung schreiben wollen. – Du müßtest das in deinem Nahmen schreiben lassen. – H. v. S. meint, es wird Haslinger nichts nützen, wenn du schriebest, es sei nur ein Scherz gewesen; es ist denn doch allgemein anerkannt, daß du über ihn geschrieben hast. – Wie lang haben sie es von dir?« – Schlesinger will ihn ermuntern, Theoretisches zu schreiben, über die Bestimmung der Symphonie, der Ouvertüre; er kommt dann auf Rossini zu sprechen: seine Ouvertüren, »die er von einer Oper zur andern nimmt, als ob ein Kopf auf jeden Rumpf paßte«, weiter auf Weber: »Weber schreibt jetzt für England Oberon – ich weiß nicht ob aber Weber das gemüthliche Lied, das doch seine Hauptsache ist, darin anbringen kann. – Die englische Sprache erlaubt das schwer« und anderes. Dann heißt es weiter: »Da ich erst gerne mit den Trios, Quatuors und Quintuors anfangen möchte, so bitte ich, sagen Sie mir, kann ich darauf rechnen, daß Sie noch ein 3tes Quartett und 3 Quintetten schreiben werden, daß ich dabey ankündigen kann sie zu liefern? – Welches opus haben die beiden Quartetten?«


Hier und im folgenden sehen wir, daß auch Schlesinger dem Gedanken an eine Gesamtausgabe von Beethovens Werken näher getreten war; er sucht Beethoven in dringlicher Weise zu bestimmen, demselben seine Zustimmung zu geben. Daß auch aus diesem Plane, wie aus den übrigen, nichts wurde, wissen wir.

Auch Schlesinger ermuntert ihn zu der Londoner Reise und spricht ihm von der Verehrung, die man allgemein für ihn habe. Cherubini habe seinen Schülern gesagt: »Die größten musikalischen Geister, die je gelebt und je leben werden sind Beethoven und Mozart.«181 Ein Teil der Unterhaltung scheint beim Essen und Trinken geführt zu werden; einmal schreibt Schlesinger auf: »Göthes Gesundheit. – Er ist ungefähr 10–12 Jahre älter als sie.« Dann ist noch von Karl die Rede, später von Cherubini, dessen Wohl auch getrunken wird, von Napoleon und manchen anderen, was wir hier um so mehr übergehen können, als ja vor allen Beethovens Äußerungen für uns Inte resse haben müßten. Wiederholt bittet er um noch ein Quartett und drei Quintette, um das erste mit nach Wien nehmen zu können, »daß diese Herren es machen. – Wenn Sie es hier machen wollen, komme ich her. – Wann es Ihnen am besten convenirt. Ich füge mich gern in alles, wenn ich nur so [238] glücklich bin es zu hören. – Gute Concertspieler. – Also soll ich das Quartett nicht mitnehmen. – – Ich werde Ihrem Neffen das Geld für das eine zahlen, den Betrag für das 2te erhält er bei Ablieferung an ein Wiener Haus das ich ihm angegeben. – Wie steht es denn mit dem Liedchen oder Canon, den Sie so gut waren mir für meine Privatsammlung in Ihrem letzten Briefe zu versprechen?« Nach weiteren Aufforderungen zum schriftstellern (über die Kunst der Fuge) und der Bitte, ein Andenken von ihm annehmen zu wollen, sowie der Versicherung, daß er einen etwaigen Artikel der Mainzer Zeitung zu Gunsten Haslingers in die Berliner Musikzeitung aufnehmen wolle, schließt diese Unterhaltung. Nach kurzen Notizen Beethovens über Haushälterisches, Büchertitel usw. folgt der gleich zu erwähnende Bericht von Holz über die Quartettprobe.

Zu der für den 9. September bestimmten Aufführung des Quartetts, die auch nur eine Probe für die spätere öffentliche Aufführung war, fand am Mittwoch, den 7. September, noch eine Vorprobe statt, wie es scheint auf Schlesingers Zimmer; über diese berichtet Holz, der am 8. nach Baden kam, Beethoven ausführlich. Bei dem besonderen Interesse des Gegenstandes geben wir seinen Bericht der Hauptsache nach wieder;


»Gestern schreibt Holz auf182war die Probe von dem neuen Quartett; Carl war auch dabei. Wir waren entzückt. – Ich habe dem Mylord Link und Weiß den Vorschlag gemacht, morgen mit Schlesinger herauszukommen, um das Quartett hier zu produciren, aber sie sind alle so verhindert, daß sie vor Mittag unmöglich sich frei machen können.183 – Wir haben also die Stunde der Aufführung um 12 Uhr und den Ort zum Wilden Mann festgesetzt. Wolfmayer war auch dabei, er hat beim Adagio geweint wie ein Kind.184 Ich habe ein zweites Quartett zum umblättern bestellen müssen. – Er hat dem Kuhlau für 6 Flötenduette 80 ⌗ gegeben anticipando. – Tobias kratzte sich hinter den Ohren, als er das Quartett hörte; es reut ihn sicher, daß der Jude Steiner es nicht genommen. – Ich wollte mich nicht sehen lassen, weil ich dachte, mit S. sey alles in Ordnung. Das ist nun die Hauptsache. – Wir haben es auch probirt. – Er hat den ganzen Tag geübt. – – – – – –185 Mit Schlesinger habe ich wegen der Production [239] des Quartetts gesprochen; der Wirth zum Wilden Mann wird uns ein eignes großes Zimmer überlassen. – Ich habe ihn einigemahl auf entsetzliche Fehler aufmerksam gemacht.


2. Kapitel. Das Jahr 1825

186


Wer weiß ob nicht eine Verhärtung. – Ein einziges € in der Viole; ich werde Ihnen morgen zeigen


2. Kapitel. Das Jahr 1825

187


Es macht sich besser, wenn es nicht gar zu geschwind genommen wird. – Vom Presto angefangen geht es durchaus presto? – Menuetto. – Wird der Menuett wiederhohlt oder kann es mit dem Trio schließen? – Tobias braucht die Correktur sehr bald. – Mylord glaubte, das müsse dis seyn.


2. Kapitel. Das Jahr 1825

durchgehends.

Ich meine die Zeichen.

Ich finde die Stelle nicht wo Weiß ein € gemacht hat. – Ich fürchte er hat eine Schweinerey gemacht. – Kuhlau habe ich zweymal nicht zu Hause getroffen; ich habe den Canon dem Tobias gegeben, weil sich Kuhlau sehr oft bey ihm sehen läßt.«


Es wird dann weiter über Kuhlau gesprochen – Holz erzählt, daß man ihn (Holz), wie er glaube, zum Repräsentanten des Vereins gewählt habe, was er aber nicht annehmen wolle – dann von einem neuen Buche (zu einem Oratorium?), wobei er Grillparzer nennt; dann, wie aus dem Zusammenhange zu schließen, von dem späteren Konzert Linkes, worin Würfel188 spielen sollte. Daneben noch anderes, auch Persönliches. Dieser Würfel gehörte auch zu den Besuchern Beethovens in dieser Zeit. Schon etwa im Juni hatte eine fremde Hand ins Konversationsbuch geschrieben: »Professor Würfel (der Tonkunst Professor) wünschte nur einmal das Glück zu haben, Sie zu sehen und wünscht durch mich bei Ihnen eingeführt zu werden, nur auf einen Augenblick.« In den ersten Septembertagen, nicht lange vor der Aufführung des Quartetts und ziemlich gleichzeitig mit Kuhlaus Besuch, kam er denn auch, von Haslinger eingeführt, zu Beethoven. Schindler (der hier einmal wieder erscheint) [240] kündigte ihn an und sagt von ihm, daß er schön aber weniger brillant spiele, auch hübsche Klaviermusik komponiere.


»Ich habe nicht gewagt, meine Aufwartung zu machen,« schreibt Würfel »weil ich hier zu wenig bekannt war. – Herr von Haslinger hat mich empfohlen.« Dar auf erzählt Haslinger: »Alexander [der Kaiser] hat mit H. v. Würfel über Ihre Ihm gewidmeten Sonaten in Warschau gesprochen. Ich würde dieses mit einem neuen Werke in Erinnerung bringen.« Beethoven scheint zu sagen, daß er nie eine Antwort bekommen habe; Würfel meint, die Antwort möge wohl in schlechte Hände gekommen sein, und man möge doch an den Kaiser selbst einige Zeilen richten, was aber wohl unterblieben ist. Dann meint Würfel: »Herr von Beethoven lieben eine fröhliche Gesellschaft, und mir ist dies um so angenehmer weil ich ein lustiges Temperament habe.« Das deutet an, daß der Besuch mit dem Zusammnensein mit Kuhlau (2. September) zusammenfällt; auch steht der Versuch des Kanons für Kuhlau mitten in dieser Unterhaltung. Würfel spricht dann von sich: »Ich bin Professor der Theorie an der Akademie in Warschau gewesen, doch der Gesundheit wegen bleib ich in Wien. – In Petersburg habe ich die Symphonie aus A dur dirigirt und habe mich als Ihr Verehrer allgemein beliebt gemacht, weil ich viele Sonaten und besonders das Concert aus C öffentlich vor 4000 Menschen von Ihnen gespielt habe. – Meine erste Academie wird blos darin bestehen, daß ich das Concert aus C vortrage und den ächten musikalischen Geschmack dadurch erneuern will, so Gott will und gewiß wollen wird. – Befehlen Sie was Sie wollen. Ich werde Ihre Befehle befolgen. – C moll. G (?) – Ich bin von jeher immer Ihr größter Verehrer gewesen und will die Beethovenischen Claviersachen alle vortragen. – Ich werde so spielen wie es componirt ist und Ihre hohe Composition durch keine Zusätze verschlimmern.«


Das führt uns auf die obige Mitteilung von Holz zurück, wo er von dem möglichen Spiele Würfels in Linkes Konzert spricht.


»Mit Würfel möchte ich sprechen; Linke war sehr erfreut, als er vernahm, daß Sie so freundschaftlich sich antrugen, dem W. das Trio einzustudiren; ich glaube selbst das Würfelspiel sei in diesem Falle kein Hazardspiel. – Er sagt, das Clavierspiel sey eigentlich nicht so sehr seine Sache, als das Componiren. – Nitimur in vetitum, cupimusque negata.«189


In demselben Berichte erzählt ihm Holz noch folgendes:


»Ries hat dem Schuppanzigh einen Engländer empfohlen und ihm geschrieben, er soll zeigen, wie man Beethovensche und Riessche Quartetten spielen müsse. – Der Engländer ist auch an Sie empfohlen.Smart, Organist. – Er ist noch nicht lange in Wien; wahrscheinlich wartet er die Gelegenheit ab Sie morgen zu sehen« (also bei der Aufführung des Quartetts).


Den Organisten und Dirigenten Sir George Smart haben wir schon kennen gelernt (III S. 377, 408 ff.). Wir verdanken ihm eine Mitteilung [241] über die Darstellung des Quartetts; er wird uns daher noch beschäftigen. In den weiteren Äußerungen von Holz heißt es noch:


»Ich glaube nicht, daß Schlesinger jemanden einladet. – Czerny kommt. – Wir brauchen keine Zuhörer, außer denen, die sich auf Umkehrungen [hier doch wohl einfach umwenden] verstehen.«


Daraus scheint es, das Schlesinger doch bei der Einrichtung beteiligt war. Er spricht dann über Schlesinger, gegen den er ziemlich eingenommen ist, über C. M. v. Weber190 und anderes.


»Ich habe das Quartett nach der Probe wieder nach Hause genommen; dem Mylord lasse ichs nicht. – Wenns mit Bernard nichts ist, so würde Grillparzer der beste sein für den Text eines Oratoriums. – Vielleicht ließe sich auch die Idee mit der komischen Cantate realiziren. Castelli müßte vorerst den Plan mitteilen.191 – Schuppanzigh wird auch mit einer Bitte um das 3. Quartett kommen, wenn er sein Abonnement wieder gibt. – Ist es schöner als das 2te Allemande auch? – – Entweder gar nichts oder was rechtes, das ist mein Vorschlag.«


So wurde also das A-Moll-Quartett am Freitag, den 9. September, im Gasthause zum wilden Mann am Prater durch das Schuppanzigsche Quartett gespielt.192 Schlesinger holte Beethoven in Baden ab, sie fuhren zusammen nach Wien. Auch im Wagen wurde das Konversationsbuch benutzt. Es waren außer Beethoven und Schlesinger noch anwesend Smart, Czerny, mutmaßlich auch der Neffe, und noch verschiedene andere Personen. Smart hatte in seinem Tagebuche, welches er Thayer zur Verfügung stellte, folgendes aufgezeichnet:193


[242] »Sept. 9. 1825. Ich194 wurde Beethoven durch Schlesinger (aus Paris) vorgestellt in dem Wirtshause ›zum wilden Mann‹. Beethoven kam dorthin zur Probe des zweiten der drei handschriftlichen Quartette, welche [welches?]195 Schlesinger gekauft hatte. Den langsamen Satz in diesem einen, überschrieben: ›Danksagung für die Genesung eines Kranken‹ hatte Beethoven für sich selbst schreiben wollen [wie er Smart erzählte, als die Spieler an die Stelle kamen]. Die Ausführenden waren Schuppanzigh, Holz, Weis und Linke; Beethoven leitete die Aufführung. Er zog seinen Rock aus, da der Raum heiß und gedrängt voll war. Da eine Stakkatostelle nicht zur Befriedigung seines Auges, denn ach! er konnte sie nicht hören, zum Ausdruck kam, riß er Holz die Violine aus der Hand und spielte sie selbst, ungefähr einen Viertelton zu tief.«196


Hierher beziehe ich auch die Worte von Holz im K. B.:


»Mylord hat heute besser gespielt als je. – Stellen wie das Recitativ kann keiner so spielen. – Er hat das, was kein anderer lernen kann; dafür hat er auch weiter nichts gelernt.«


Zwei Tage später (Sonntag, den 11. August) versammelte sich eine Anzahl von Gästen um Beethoven zum Mittagsmahl in demselben Gasthofe. Auch darüber haben wir Smarts Bericht im Tagebuche.


»Sept. 11. Eingeladen mit Beethoven im Hotel, zum Wilden Mann' zu Mittag zu speisen.197 Dort wurde ich dem Abbé Stadler vorgestellt, einem angenehmen alten Mann und guten Componisten von der alten Schule; außerdem waren dort anwesend Fräulein Eskeles, ein Schülerin von [243] Moscheles, Sedlaczek, Beethovens Neffe, C. Czerny, Schuppanzigh und Linke, welche vor dem Essen Beethovens Trio op. 70 und nach diesem das Trio op. 97 (beide gesondert bei Steiner gedruckt) spielten; dann wurde das Quartett, welches am 9ten gespielt worden war, von denselben Spielern nochmals vorgeführt.198 Beethoven saß beim Klavier und schlug während dieser Stücke den Takt. Das Mittagessen verlief äußerst vergnügt – Gesundheiten wurden in der englischen Weise ausgebracht – Beethoven feierte mit großer Begeisterung Schuppanzigh als Sir John Falstaff, indem er in sehr treffender Weise die Gestalt dieses ausgezeichneten Violinspielers betrachtete. Nach dem Essen wurde Beethoven schmeichelnd gebeten zu phantasiren. ›Aber über welches Thema soll ich spielen?‹ sagte er, während seine Finger auf den Tasten blieben und fortgesetzt diese Phrase wiederholten:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

›Über dieses‹, sagte ich, und er that es 20 Minuten lang in einer ganz außerordentlichen Weise, zuweilen im vollen Fortissimo, aber voll von Genie; er war in hohem Grade erregt beim Ende seines Spieles.199 Sehr erfreut und ganz überrascht war er, als er das Oratorium-Programm sah, welches ich ihm gab, auf dem ich ihm zeigte, daß der ›Ölberg‹ und die Schlachtsymphonie beide an demselben Abend aufgeführt worden waren. Beethoven war sehr scharf in seinen Bemerkungen darüber, daß der Prinzregent von seinem Geschenk seiner Schlachtsymphonie nie Notiz genommen habe. Sein Neffe bedauerte es, daß sein Onkel niemanden gehabt habe, der ihm das vorteilhafte Anerbieten, welches ihm im letzten Jahre von der philharmonischen Gesellschaft gemacht worden sei, auseinandergesetzt hätte. Unter andern Bemerkungen sprach er die Ansicht aus, daß die hohen Noten in Händels Trompeten-Partien für irgend einen besonderen Spieler geschrieben seien. Wir alle schrieben abwechselnd für ihn, doch konnte er einiges hören, wenn durch die hohle Hand ins linke Ohr gesprochen wurde.«


Aus der Unterhaltung im Konversationsbuche, an der Smart in französischer Sprache Teil nahm, erhalten wir noch einzelne Ergänzungen [244] zur Erzählung von dieser Zusammenkunft. Anwesend war auch Frau Antonia Cibbini, geb. Kozeluch:200


»Die Cibini war heute ganz weg,« schreibt Schuppanzigh, »sie hat kein Auge von ihm [Beethoven] verwendet, warum nicht? Sie ist nicht übel.« Und später Carl: »Die Cibbini kam mir vor wie eine Bacchantin, als das Quartett gespielt wurde, so gefiel es ihr.«


Auch Fräulein Eskeles war sehr entzückt davon. Über Beethovens Spielen schreibt später der Neffe:


»Alles war entzückt über dein Phantasiren, besonders der Sedlaczek,201 der mit größter Begeisterung davon sprach. Schlesinger hält es für ein besonderes Glück, daß es bei ihm geschah.«


[245] Es wurden noch weitere Gesundheiten ausgebracht: auf Beethoven (durch Smart im Namen der englischen Musiker), auf das Quartett; auch der Neffe ging nicht leer aus. Wir können nicht alles wiedergeben, was in diesen und den folgenden Unterhaltungen gesagt wurde. Von Interesse ist noch, daß jemand die Hoffnung aussprach, dazu beitragen zu können, daß der Neffe bald in das Eskelessche Kontor komme. »Fräulein Eskeles wird schon dafür sorgen.« Daraufhin kommt auch Schlesinger nochmals zu sprechen. Am Schlusse dieser Unterhaltung schreibt Schlesinger noch: »Bitte schreiben Sie zum Andenken Ihren Namen ins – [Buch?]. Darf ich das Büchl nicht behalten, da ich es angefangen und beendet.« –

Einige Tage später besuchte Smart, einer Einladung folgend, Beethoven in seiner Wohnung in Baden, wovon wir ebenfalls aus seinem Tagebuche vom 16. September Bericht erhalten. Die Wohnung war, wie er erzählt, höchst eigenartig gelegen;


»ein hölzerner Circus für Reitpferde war in einem weiten Hofe vor dem Hause errichtet, in welchem er 4 genial möblirte Zimmer bewohnte. In einem derselben befand sich das große Klavier, sehr verstimmt, welches ihm Herr Broadwood geschenkt hatte. In dieses waren die Namen von Cramer, Ferrari und Knyvett eingetragen.202

Beethoven gab mir das Zeitmaß mehrerer Sätze seiner Symphonien u.s.w. an, indem er sie auf dem Klavier spielte, mit Einschluß der Chorsymphonie welche nach seiner Berechnung eine Zeit von 3/4 Stunde für die Aufführung in Anspruch nahm – wir wissen, daß das unmöglich ist. In Wien wurde das Recitativ von 4 Celli und 2 Contrabässen gespielt, was sicherlich besser ist, als wenn man sämtliche Bässe nimmt.203 Beethoven tadelte Reichas gedruckte Beispiele der fugirten Schreibart. Er erwähnte eine noch nicht gedruckte Messe, welche er componirt habe.204 Nach einer langen Unterhaltung über musikalische Gegenstände, während deren er auch sein großes Verlangen aussprach nach England zu kommen, bestimmte er mit seiner seltsamen [curious] Köchin [Frau Schnaps] das Mittagessen, und trug seinem Neffen auf, für hinlänglichen Vorrath von Wein zu sorgen. Dann unter nahmen wir einen Spaziergang, Beethoven ging meist voraus, irgend eine Passage vor sich hin brummend. Er pflegte gewöhnlich seine Themen in der freien Luft [246] zu skizziren. Bei einer solchen Gelegenheit war es, wie Schuppanzigh mir erzählte, wo er sich seine Taubheit zuzog. Er war in einem Garten am Schreiben, daß er den strömenden Regen nicht bemerkte, bis sein Notenpapier so durchnäßt war, daß er nicht weiter schreiben konnte. Von diesem Tage begann seine Taubheit, die weder Kunst noch Zeit heilen konnte.205 Die Wasser von Baden [Schwefelquellen], wohin er jeden Sommer geht, sind ihm für seine Brust und seine Gicht206 sehr nützlich gewesen, und seine Gesundheit ist besser wie früher. Er wollte uns selbst das schöne Schloß des Prinzen Karl im Gebirge zeigen, auch noch einige Bäder auf unserem Heimwege. Das Mittagessen war sehr sorgfältig zubereitet und so reichlich, daß noch Gerichte kamen, als wir schon weggingen, um eiligst den einzigen Postwagen an diesem Abend zu erreichen. Es wurde viel Wein getrunken; ich hörte zufällig, wie Beethoven sagte: ›wir wollen versuchen, wie viel dieser Engländer trinken kann.‹ Er (B.) kam bei diesem Versuche am schlechtesten weg. Ich gab ihm meine Diamantnadel zur Erinnerung an die hohe Freude, die ich durch die Ehre seiner Einladung und seine liebenswürdige Aufnahme empfangen hatte,207 und er schrieb mir den folgenden Kanon, so schnell seine Feder schreiben wollte, in einer Zeit von etwa zwei Minuten auf, während ich schon fertig zum Weggehen an der Thür stand.«


Der Kanon fehlt an dieser Stelle des Tagebuchs; doch hat ihn Thayer (Nr. 254 des chronol. Verzeichnisses) mit der Überschrift mitgeteilt: »Erinnerungsblatt für Sir George Smart« in folgender Gestalt


2. Kapitel. Das Jahr 1825

mit der weiteren Aufschrift: »geschrieben am 6. September 1825«, wobei ein Schreibfehler für den 16. vorliegen muß; am 6. September war Smart noch nicht mit Beethoven zusammen gekommen.208

[247] Noch hörte Thayer von Smart, er habe auf Beethovens Schiefertafel geschrieben – man hatte ihn gewarnt in seine Bücher zu schreiben – und zwar in französischer Sprache, welche Beethoven, wie er sagte, fließend sprach. Doch finden sich auch im Konversationsbuche von jenem Mittagsessen her einige französische Worte von seiner Hand. Sie unterhielten sich über den Vortrag der Rezitative in der neunten Symphonie, wovon das Wichtigste oben (S. 45) mitgeteilt ist. Anderes, was er ihm z.B. über Christus am Ölberg in England mitteilte, gehört in eine frühere Zeit.

Am 18. September ging Smart in die Karlskirche, um Beethovens Messe in C zu hören. Nicht lange nachher muß er dann abgereist sein; den Tag wissen wir nicht. Schlesinger blieb noch kurze Zeit, kam auch noch mit Beethoven zusammen. Es ist von einer nochmaligen Aufführung des Quartetts die Rede, wobei Holz die erste Violine spielen sollte, da Schuppanzigh abwesend war.209 In der Tat kam es noch einmal [248] zum Quartettspiele, wobei das A-Moll- und Es-Dur-Quartett gespielt wurden; aus den Unterhaltungen möchte ich entnehmen, daß es am Montag, den 26. September stattfand; näheres erfahren wir nicht. Auf jenes Datum führt der Kanon, welchen Beethoven zur Erinnerung für Schlesinger niederschrieb und welchen Marx210 im Faksimile mitteilt:


»An Hr. M. Schlesinger.


2. Kapitel. Das Jahr 1825

ich wünsche ihnen die schönste Braut mein werther, u. bey dieser Gelegenheit ersuche ich Sie mich bej Hr.Marx in Berlin zu empfelen, daß er es ja nich zu genau mit mir nehmen u. mich zuweilen zur Hinterthür hinausschlüpfen lasse.


Der Ihrige

Beethoven.

Wien am 26ten Septemb.

1825.«1


[249] An diesem Tage war also Beethoven in Wien und mit Schlesinger zusammen; mutmaßlich zu der beabsichtigten Aufführung. Über diese erfahren wir nichts, als was wir den Andeutungen im Konversationsbuche entnehmen. Beethoven scheint in seiner Weise sich über Holz als ersten Geiger lustig zu machen.211

Schlesinger erhielt nun das A-Moll-Quartett, das ihm Beethoven vermutlich längst zugesagt hatte; in seiner Umgebung (Holz) war man durchaus dagegen, daß ihm überhaupt etwas gegeben oder zugesagt werde. In diesem Falle blieb nun Beethoven bei seinem Versprechen, Schlesinger erhielt den Verlag des A-Moll-Quartetts, und zwar, nach Schindler, für Deutschland und Frankreich, und nahm Abschrift desselben mit.212 Er hatte sich auch Hoffnung auf das B-Dur gemacht, wohl nach Äußerungen Beethovens; jedenfalls wurde daraus nichts; war ja doch das B-Dur-Quartett noch gar nicht fertig.213 In der Sammlung Artarias fand sich ein Zettel, offenbar der Entwurf einer Bescheinigung, den Beethoven dem Neffen aus Baden schickte, um ihn Schlesinger zu übergeben, und der so lautet:


»Ich Endes Unterschrieb. bezeuge, daß ich 2Quart an mich eigenthümlich gebracht wovon ich das eine sogleich allhier um 80 ⌗ in Gold honoriren werde u. das andre H. Ernemann [oder Erbmann?]214 hier in Wien für mich übernehmen u. das Honorar von 80 ⌗ in Gold ebenfalls bei übergebung desselben auszahl. wird.


M. Schles.«


Auf der Rückseite steht, offenbar für den Neffen:


[250] »Da du das Geld vom Erzherzog noch nicht hast, welches arg ist, so müssen also die 100 fl. C. M. hier beiliegend zu Bedürfnissen Einkauf zugez. werd., u. zu sorgen daß alles übrige sicher in meine Hände komme – leider mußt du mit zum Schneider – wegen der rech. brauchst du was so nimm dir 2 fl. davon – –


ade.«


Was aus diesem Zettel wurde, wissen wir nicht; jedenfalls ging Schlesingers Hoffnung nicht in Erfüllung. Das B-Dur-Quartett erhielt Artaria.

Wenige Tage nach der neuen Darstellung, am Freitag, den 30. September, nach unserer Kombination, reiste Schlesinger aus Wien ab, stellte aber in Aussicht, später noch einmal zurückzukehren.

In die letzte Zeit des Badener Aufenthalts fällt nach unserer Ansicht der Beethoven so sehr erschütternde Vorfall, daß der Neffe für mehrere Tage verschwand und erst nach ängstlichem Warten sich wieder einfand. Näheres über das Ereignis wissen wir nicht. Neben den sonstigen Erlebnissen dieses Sommers waren die Sorgen um den Neffen dasjenige, was Beethoven in dieser Badener Zeit besonders beschäftigte (vgl. oben S. 211 ff. sowie im Anhang I die Auszüge aus den Konversationsbüchern, besonders aber Brief Nr. 22 und 33).

Es kam nun die Zeit der Rückkehr in die Stadt. Beethoven hatte inzwischen eine schon im Sommer ins Auge gefaßte Wohnung in dem sog. Schwarzspanierhause, am Alservorstädter Glacis Nr. 200 (Beethoven gibt einmal 20 an) gemietet, und bezog dieselbe um die Michaelis-Ziehzeit, welche (nach Breuning) vom 29. September bis zum 12. Oktober dauerte. Hielt er diese annähernd inne und dürfen wir den Brief aus Baden vom 14. Oktober an den Neffen (Anhang I Nr. 36) hierher beziehen, so erfolgte der Umzug am 15. Oktober; wir vermögen aber mit voller Bestimmtheit den Tag nicht anzugeben.

Die Wohnung, die letzte die Beethoven bewohnt hat, wird uns von Gerhard von Breuning, der sie häufig betreten hat, ausführlich geschildert.215 Das Haus mit der anschließenden Kirche war von den aus Spanien stammenden Benediktinern erbaut und hatte daher diesen Namen erhalten. Die Front war gegen Süden gerichtet, und da dem Hause noch nicht einengende Neubauten gegenüberlagen, so gewährt es »weite Aussicht über das Glacis und die gerade gegenüber liegende innere Stadt mit ihren [251] Basteien und Kirchthürmen, links nach der Leopoldstadt und darüber hinaus nach den überragenden Bäumen des Praters und der Brigittenau, nach vorne über den ausgedehnten Exercierplatz der Josefstadt, die kaiserlichen Stallungen, die Mariahilfer und andere Vorstädte, und nur rechts war die Fernsicht durch das Rothe Haus... abgeschlossen.« Im zweiten Stock dieses Hauses bewohnte Beethoven vier Zimmer, wozu noch Küche und Dienstbotenzimmer kamen. In dem Eintrittszimmer hing das Ölbild des Großvaters, in dem Zimmer links davon das Bild Beethovens selbst (das erste von Mähler), außerdem befanden sich dort große Stöße von Noten; rechts von jenem war Beethovens Schlafzimmer, in welchem die beiden Klaviere standen (das von Broadwood geschenkte und ein von Graf ihm zur Benutzung überlassenes), weiter rechts Beethovens Arbeitszimmer. Wegen des einzelnen dürfen wir auf Breuning verweisen.

Die ersten Tage in der neuen Wohnung verliefen unruhig, da mit Hilfe des Tischlers manches restauriert werden mußte.

Die wichtigste Folge dieses Umzuges war die Wiederanknüpfung der alten Beziehungen zu dem Jugendfreunde Stephan von Breuning, Hofrat beim Hofkriegsrat, der mit seiner Familie in dem bereits erwähnten Rothen Hause wohnte, schräg gegen über an dem Platze, auf den auch Beethovens Haus hinaussah. Breuning ist uns seit langer Zeit nicht begegnet; es war eine Entfremdung zwischen beiden eingetreten, seit der Zeit, daß Breuning mit der Übernahme der Vormundschaft über den Neffen sich nicht einverstanden erklärt hatte. Die Beziehungen zu Beethovens unwürdigen Verwandten mochten bei Breuning die Neigung, sich fernzuhalten, verstärken; auch die beiderseitigen Beschäftigungen – Breuning war, wie er selbst im Konversationsbuche hervorhebt, vielbeschäftigter Beamter – vielleicht auch die Gesundheitsumstände und Lebensgewohnheiten hielten sie auseinander. Aber sie trafen doch gelegentlich zusammen und von einem förmlichen Bruche kann nicht gesprochen werden; sonst ließe sich die rasche und herzliche Wiederanknüpfung nicht erklären. Bei der Aufführung des Fidelio (1822) treffen wir Breuning in Beethovens Gesellschaft, und nach Beethovens Krankheit besucht er ihn und erkundigt sich (K. B.) nach der Entwicklung des Neffen, von dem er also inzwischen nichts erfahren hatte. Seine Gesinnungen für Beethoven waren dieselben geblieben, wie wir dies bei seinem edlen Charakter nicht anders erwarten. Noch um Ende März 1825 waren Karl und Johann in Beethovens Interesse bei ihm gewesen – um was es sich handelte, wird nicht angegeben – da läßt ihn Breuning grüßen und spricht seine Freude [252] aus, daß sein Ruhm immer mehr zunehme; er hat von dem neuen Quartett gehört, da die Menschen viel davon sprachen. Karl meint, Beethoven sollte Breuning einmal einladen. – Auch nach der Krankheit besucht ihn Breuning, Anfang Mai, (nach dem K. B.) und bittet ihn, wenn er aus Baden einmal in die Stadt komme, ihn zu besuchen.

Die Erneuerung des Verhältnisses schildert uns Gerhard von Breuningin ausführlicher Weise.216 Es war im August 1825, also noch während des Aufenthalts Beethovens in Baden, von wo er ja öfter nach Wien herüberkam, als er auf dem Wege zwischen dem Kärnthner- und Karolinentor der Familie Breuning begegnete. Es fand gegenseitige herzliche Begrüßung statt; Beethoven, der infolge seiner Taubheit fast allein sprach, erkundigte sich nach dem Befinden und der Lebensweise der Freunde, nach den Verwandten am Rheine u.a., fragte warum Breuning ihn so lange nicht besucht habe, erzählte, daß er vor längerer Zeit in der Kothgasse, kürzlich aber in der Krugerstraße gewohnt habe, im Sommer in Baden verweile, demnächst jedoch in das Schwarzspanierhaus ziehen werde, dann hoffe er wieder viel mit der Familie zu verkehren. Er ersuchte dann Frau von Breuning, seine schlechtbestellte Hauswirtschaft zu ordnen und demnächst zu überwachen. In diesen Hoffnungen wurde herzlicher Abschied genommen.

Die Besuche Beethovens waren anfangs, da seine Wohnung hergestellt werden mußte, häufig (Breuning S. 54). Die erste Sorge der Frau von Breuning war, gute Dienstleute zu gewinnen; es wurde eine geschickte Köchin (Sali) angenommen, die sich als verläßlich und treu erwies, und ihr auch noch eine Küchenmagd beigegeben,217 auch die Einrichtung der Küche durch neue Einkäufe geordnet. In der ersten Zeit der neuen Wirtschaftsbestellung nahm sich Beethoven vor, die Breuningsche Familie einmal zu sich zu Tisch zu bitten. Diesen Wunsch sprach er in einem humoristischen Briefe an Breuning aus:218


[253] »Du bist, mein verehrter Freund, überhäuft; und ich auch. Dabei befinde ich mich noch immer nicht ganz wohl. –

Ich würde dich jetzt schon zum Speisen eingeladen haben, allein bis jetzt brauche ich mehrere Menschen, deren geistreichster Autor der Koch, und deren geistreiche Werke sich zwar nicht in ihrem Keller befinden, die solchen jedoch in fremden Küchen und Kellern nachgehen; – mit deren Gesellschaft dir wenig gedient sein würde. Es wird sich jedoch bald ändern. Czernys Clavierschule nehme einstweilen nicht, ich erhalte dieser Tage nähere Auskunft über eine andere.219

Hier das deiner Gattin versprochene Modejournal und etwas für deine Kinder. Das Journal kann euch von mir immer wieder zugestellt werden, sowie du über alles Andere, was du von mir wünschest, zu gebieten hast.


Mit Liebe und Verehrung

Dein Freund Beethoven.


Ich hoffe, uns bald zusammen zu sehen.«


Die Frau des Hauses war nicht sehr geneigt, dieser Einladung zu entsprechen, weil sie den Staub und die Unordnung in Beethovens Wohnung scheute; dagegen folgte Beethoven gern und häufig der Einladung zu Breunings. Oster sandte er ihnen Fische, die er hatte einkaufen lassen, da er Fisch besonders liebte und seine Freude gern mit seinen Freunden teilen wollte. Nach Tische wurde gern ein Spaziergang unternommen. Gerhard von Breuning schildert uns hier Beethovens Äußeres und sein Verhalten beim Gehen (S. 63) im allgemeinen. »Meist in Gedanken vertieft und diese vor sich hinbrummend, gestikulirte er, wenn er allein ging, nicht selten mit den Armen dazu. Ging er in Gesellschaft, so sprach er sehr lebhaft und laut, und da der ihn begleitende dann immer die Antwort in das Conversationshest schreiben mußte, wurde im Gehen wieder häufig inne gehalten, was an sich schon auffällig und durch allenfalls noch mimisch geäußerte Antworten noch auffälliger wurde. – So kam es, daß die meisten der ihm Begegnenden sich nach ihm umwandten, die Straßenjungen auch wohl ihre Glossen über ihn machten und ihm nachriefen. Neffe Karl verschmähte deshalb mit ihm auszugehen, und hatte ihm auch geradezu einmal gesagt, daß er sich schäme, ihn seines ›narrenhaften Aussehens‹ wegen auf der Straße zu begleiten, worüber er sehr gekränkt und verletzt uns gegenüber sich äußerte.« Die Tracht beschreibt er dann ausführlich; den Filzhut, den er sehr vernachlässigte, besonders nach dem Regen, und den er tunlichst aus dem Gesichte hinaustrug, um die Stirne frei zu haben, während beiderseits die grauen wirren Haare nach außen flogen. »Durch das Aufsetzen und Tragen des Hutes weit [254] aus dem Gesichte nach hinten bei hochgetragenem Kopfe aber kam die rückwärtige Krempe in Collision mit dem damals sehr hoch zum Hinterhaupte ragenden Rockkragen, was der Krempe eine nach aufwärts gestülpte Form gab, den Rockkragen aber durch die beständige Berührung mit der Krempe abgeschabt erscheinen ließ. Die beiden ungeknöpften Rockflügel... schlugen sich nach außen, besonders beim Gehen gegen den Wind, um die Arme um; ebenso flogen die beiden langen Zipfel des um den breit umgeschlagenen Hemdkragen geknüpften weißen Halstuches je nach außen. Die Doppellorgnette, die er seiner Kurzsichtigkeit wegen trug, hing lose herab. Die Schöße des Rockes waren ziemlich schwer beladen« – darin trug er außer dem Taschentuche ein Quart-Notennotizheft, ein Oktav-Konversationsheft nebst dickem Bleistift, »und in früherer Zeit, solange es noch half, ein Hörrohr.« – – »Die bekannte Federzeichnung (von Lyser) gibt einigermaßen die Gestalt Beethovens wieder, wenn auch der Hut niemals seitlich eingedrückt gewesen, wie es dieselbe – in üblicher Übertreibung – darstellt.... Die hier skizzirte Äußerlichkeit Beethovens hat sich meinem Gedächtnisse unauslöschlich eingeprägt. Gar oft sah ich ihn so, von unsern Fenstern aus, gegen zwei Uhr – seiner Essensstunde – vom Schottenthore her über den Glacistheil, wo jetzt die Votivkirche steht, in seiner gewohnten, vorhängenden (nicht aber gebeugten) Körper- und gehobenen Kopfhaltung seiner Wohnung zu segeln, oder ich ging wohl selbst mit ihm.«

Für die Frau des Hauses hegte Beethoven eine besondere Verehrung; der eigne Sohn Gerhard erzählt (S. 32), sie habe eine Zeitlang wahrzunehmen geglaubt, daß Beethoven geneigt gewesen sei, ihr etwas den Hof zu machen. Einige Erinnerungen seiner Schwester Marie von Breuning, welche von ihr für Thayer aufgezeichnet wurden und mit den Erinnerungen des Bruders sich decken, werden hier am besten ihre Stelle finden.


»Einige mündliche Mittheilungen meiner Mutter Constanze von Breuning.

Meine Mutter ging einstmals in das Kaiserbad an der Donau. Sie begegnete unter Weges Beethoven; er begleitete sie den ziemlich langen Weg vom rothen Hause aus, woselbst sie wohnte. Sie verblieb denn doch ungefähr eine Stunde aus, da es ein warmes Bad war, wie war sie erstaunt Beethoven auf sie wartend zu finden, welcher sie dann doch wieder bis nach Hause begleitete. Sie äußerte oft, er sei immer sehr galant gegen Frauen gewesen und habe ihr selbst auch eine Zeitlang den Hof gemacht. –

Sie erzählte auch, daß seine lebhaften Gesticulationen, seine laute Stimme und sein unbekümmertes Wesen um die Anderen, die Leute auf der [255] Straße stutzig machte und sie sich oft schämte, weil die Menschen stehen blieben und ihn für verrückt hielten. Besonders laut und auffallend hell pflegte er zu lachen.

Meine Mutter bedauerte es oft und wiederholt, ihn nie spielen gehört zu haben – doch mein Vater in seinem unbegränzten Zartgefühl sagte immer, wenn sie es wünschte: ›er thut es nicht gerne und ich mag ihn nicht darum bitten, weil es ihm wehe thun könnte, sich nicht selbst zu hören.‹

Beethoven hat meine Mutter, wiederholt zumCaffee, d.h. auf wienerisch zur Jause, gebeten; doch meine Mutter lehnte es immer ab, da ihr die Wirtschaft nicht allzu appetitlich schien.

Meine Mutter äußerte oft gegen meinen Vater, wie das Spucken im Zimmer, die vernachlässigte Kleidung und das extravagante Wesen Beethovens denn doch nichts Anziehendes habe. – Mein Vater entgegnete ihr immer: ›und dennoch hat er gerade bei Frauen sehr viel Glück.‹ –

Beethoven sprach sich oft gegen meine Mutter darüber aus, daß er sich sehr nach häuslichem Glück sehne, und es sehr bedauere, nie geheirathet zu haben!


Marie von Breuning


Diese Beobachtungen führen in diese letzte Zeit, in welcher wir stehen. Der Sohn Gerhard, der Beethovens Taubheit beim lauten Klavierspiel bemerkt hatte, erzählt (S. 66):


»... bei Tische stieß einmal eine meiner Schwestern einen gellenden hohen Schrei aus und diesen doch noch vernommen zu haben machte ihn so glücklich, daß er hell und freudig auflachte, wobei seine blendend weißen vollen Zahnreihen weitaus sichtbar wurden.... Charakteristisch war auch die Lebhaftigkeit, mit der er ihn interessirende Gegenstände besprach, wobei es auch vorkam, daß er, mit meinem Vater im Zimmer auf- und abgehend, während solchen Gespräches, statt zum Fenster hinaus, in den Spiegel spuckte, ohne es zu beachten.«


Auch zu dem Knaben Gerhard gewann er eine besondere Zuneigung. Wegen seiner Anhänglichkeit an den Vater nannte er ihn »Hosenknopf«, wegen seiner Beweglichkeit besonders auf den Spaziergängen »Ariel«; eine Anzahl von Briefchen mit diesen Aufschriften ist leider verloren (Breuning S. 62). Er interessierte sich auch für sein Klavierspiel, erfuhr den ihm unbekannten Namen des Klavierlehrers – Anton Heller – was er mit einem »hm, hm, nun gut« beantwortete, und sagte auf die Klage des Vaters, daß der Knabe nicht genug übe:


»›Nun so spiele er mir mal etwas vor.‹ Ich that es (fährt Breuning fort) wobei er – nichts hörend – sehr aufmerksam auf meine Hände sah und, meine Handhaltung bekrittelnd, mir sofort einen Lauf vorspielte. – – ›Welche Klavierschule hat Gerhard denn?‹ ›Die Pleyelsche.‹ ›Ich werde ihm die Clementische verschaffen; diese ist am Ende noch die beste. Darnach soll er sich halten, und darnach werde ich schon das Weitere anrathen.‹«


[256] Unter den Erinnerungsnotizen, die sich Beethoven über Anschaffungen u.a. machte, fand sich auf einem Zettel Schindlers folgendes (Breuning S. 69): »Breunings Klavierschule«, und so schrieb er in derselben Sache an Haslinger:220


»Bester Hr. nordamerikanischer Notenhändler wie auch Klein-Handelnder!


nur auf einen halben Tag hin221 frage ich sie, was die Clementische Klavierschule kostet ins Deutsche übersetzt ich bitte mir gefälligst darüber sogleich Auskunft zu geben, u. ob Sie selbe haben oder wo sie sonst zu finden? Bester Hr.: Herr, Herr, Herr! leben sie recht wohl in ihrer frischlackirten Handels stube, sorgen sie, daß nun das vormalige Nest ein Bierhaus werde, da alle Biertrinker gute Musikanten u. bei ihnen auch vorsprechen


ihr

ergebenster

Beethoven.«


Auf der Rückseite:


»an des Herren

Tobias

Haßlinger

wohlgebohren

ehemaliger B–r w–t

Nunmehriger

Kunstfabrikant«


Auf dem Briefe steht noch die Notiz:


»1826 Beethoven

Wien

angek. d. 20 Sept

beant.«222


Nachdem die Clementische Klavierschule nach sehr langem Warten endlich angekommen war, sandte sie Beethoven aus dem Schwarzspanierhause an Breuning mit folgenden Zeilen (Breuning S. 72):


[257] »Endlich kann ich mich meiner Windbeutelei ent winden. Hier folgt die Clementische Klavierschule für Gerhard. Wenn er sie so gebraucht wie ich ihm schon zeigen werde, so wird sie gewiß guten Erfolg leisten. Ich sehe dich schon ehestens und umarme dich innigst


der deinige

Beethoven


Spät (im September 1826) dankt Breuning im Konversationsbuch für die Sendung.

Beethoven ist auch darauf bedacht, daß Gerhard hören lerne, und daß er Musikaufführungen besuche.

Breuning gewann auch Kenntnis von Beethovens Beziehungen zu Bruder und Neffen und urteilte namentlich über den letzteren ganz richtig, auch insofern, daß die lebendig quellende Schaffenskraft unter diesen Verhältnissen gelitten habe. Beethoven besprach die Angelegenheit mit Breuning, und wir erfahren noch, wie treu ihm dieser in diesen neuerwachsenden Schwierigkeiten beigestanden hat. Auch andere Bekannte Beethovens, die Breuning bei ihm oder am dritten Orte sah, z.B. Holz, werden in dem »Schwarzspanierhause« zuweilen genannt; von Beethovens Verkehr und Lebensweise konnte der Verfasser näheres nicht wissen, da er ja als Knabe nicht alles beobachten konnte. Wir werden aber noch mehrfach auf diese Mitteilungen zurückkommen müssen, und wollen nur noch einmal an dieser Stelle dem verdienten Verfasser für diese lehrreichen, aus nächster Quelle geschöpften und von höchster Verehrung für den Meister eingegebenen authentischen Mitteilungen unseren Dank aussprechen. Das Büchlein ist für diese letzte Lebenszeit Beethovens, namentlich wo der Verfasser als Augenzeuge spricht, der beste Wegweiser; einen besseren haben wir nicht. –

Hier möchte noch ein kurzer Zettel aus Kuffners Besitz einzuschalten sein, den Frimmel in der Zeitschrift »an der schönen blauen Donau« veröffentlicht:223


»mein werther Verzeihen Sie daß sie Ka[r]l und mich nicht finden, ich glaubte Es sei heute Freytag, und nun ist aber Samstag und schon längst sind wir auf diesen Tag bei Hofrath Breuning eingeladen, denken sie ja nichts [258] böses dabey, wir hoffen sie daher Morgen Sonntags gewiß Zum speisen bej unß Zu sehen – ihr Freund Beethoven.« Nachschrift: »sejn sie versicher[t], daß diese jrrung dieses hervorgebracht hat –«


In der neuen ihm behagenden Wohnung wurde nun Beethoven bald wieder durch seine Arbeit in gewohnter Weise in Anspruch genommen; wie wir vermuten, beschäftigte ihn vorzugsweise das B-Dur-Quartett, dem sich dann noch vor dem Schluß des Jahres die Anfänge des Cis-Moll-Quartetts gesellten. Jenes hoffte Beethoven, wie wir wissen, schon im August beendigen zu können; aber den Verhältnissen entsprechend rückte es nur langsam vorwärts. Es kam in diesem Jahre nicht mehr zur Aufführung, wir kommen daher erst im folgenden darauf zurück. –

Auch Sorgen wegen Aufführungen nahmen ihn wieder in Anspruch. Der Violoncellist seines Quartetts Linke, sein besonderer Verehrer, wollte ein Konzert geben, und darin sollte das A-Moll-Quartett, zum ersten Male öffentlich, gespielt werden. Außerdem wurde das Klaviertrio in B (Op. 97) aufs Programm gesetzt; dies sollte Bocklet224 spielen, wegen dessen Beethoven vorher gefragt wurde. Er schreibt auf Grund dessen an Linke:


»Lieber Linke und Rechte.


Da ich viel gutes von Herrn von Bocklet gehört so glaube ich, es wäre das Beste, ihn zu ersuchen, daß er Ihnen die Gefälligkeit erzeigte, das Trio in Ihrem Conzert zu spielen.

Ich kenne ihn selbst nicht sonst würde ich mich für Sie bei Herrn v. Bocklet verwendet haben.

Rechnen Sie allezeit auf mich wo ich dienen kann.


Ihr Freund

Beethoven.«225


Das Konzert fand am 6. November statt, und hatte guten Erfolg.226 Holz schreibt (wie es scheint nach dem Konzert):


[259] »es war gestern kein Billet mehr zu bekommen.227 – Er wird selbst kommen sich bedanken. – Schuppanzigh bittet es über 14 Tage, in seinen Quartetten spielen zu dürfen. Beethoven scheint einiges an Schuppanzighs Spiel auszusetzen; darauf bezieht sich wohl Holz' Bemerkung: ›der Strich war ausgelassen.‹ Dann fügt Holz noch hinzu: ›Schuppanzigh ritardirt bei dieser Stelle


2. Kapitel. Das Jahr 1825

228


ist das gut?‹ Weiter erzählt er, Linke habe ein Solostück ›recht gut‹ gespielt. Auch der Neffe erzählt vom Erfolge des Konzerts (gleich nach dem Konzert, wie es scheint am öffentlichen Orte): ›Es war unendlich voll, und das Trio aber besonders das Quartett wurde sehr beklatscht: Auch ging es sehr gut zusammen, und Linke spielte besser als je. – Es war zu voll um viel vernehmen zu können, so viel hörte ich aber, daß viele Stellen mit Ausrufungen begleitet wurden, und beim Weggehen sprachen die Leute von der Schönheit des neuen Quartetts. Schuppanzigh will es deßwegen über 14 Tage wieder geben. Heut 8 Tage wird das D Trio von Würfel gespielt. – Man bewundert, wie viel du mit den wenigen Tönen gemacht hast, die dir [in] der lydischen Tonart verstattet wären.‹ Einige Tage später (doch noch in der Woche) kommt Schuppanzigh mit seiner Bitte. ›Ich möchte gerne das Re Quartett für Sonntag acht Tage [20. Nov.] wieder machen, ich bitte ihn darum. Diesen Sonntag [13. Nov.] wird Würfel sein229 Trio aus D dur spielen, man kann den Leuten nicht alles herrliche auf einmal geben. – Bocklet hat sehr gut gespielt. – Würfel studirt immer seine [Beethovens] Klaviermusik, er sagt, es freut [ihn] nichts anderes. – Er wird Concerte geben und darin sein Cmoll Concert spielen. – Zum Accompagniren ist er sehr brav und attent. – Ein Zwischenstück für Clavier macht sich gut und die Leute besonders die Damen haben eine solche Abwechslung sehr gerne, nur werde ich nie anfangen Mädchen spielen zu lassen, denn da hat man die Saueräu fertig. – Diese männliche Spielart ist ganz verloren gegangen. Der Linke hat recht gute Geschäfte gemacht. Ich freue mich sehr darüber.‹«230


[260] So fand denn am 13. November ein weiteres Konzert statt, von Schuppanzigh veranstaltet, worin Würfel das D-Dur, Trio spielte.


»Würfel hat gespielt das Trio« schreibt Karl (der vorher von Bocklet gesprochen hatte); »das Adagio gut aber das letzte Stück schlecht. – Er soll gesagt haben: Er hänge jetzt das Spielen an den Nagel; es freue ihn nicht mehr; er sei mit wichtigerer Arbeit beschäftigt, da er 4 neue Opern schreiben wolle.« –


Am Sonntag, den 20. November, kam es also zu einer dritten Beethoven-Aufführung, da Schuppanzigh das neue Quartett in seinen Unterhaltungen bringen wollte. Vorher schrieb er Beethoven im K. B. auf:


»Morgen bitte ich um das Quartett in A moll. – Abends um 6 Uhr. – Ist der Holz nicht dagewesen? – Wir machen die Probe auf dem Wildprätmarkt beim Hirschen im 4ten Stock.« – –


Von Interesse ist, daß ihn hier Schuppanzigh anregt, die Messe und die neunte Symphonie, ehe sie gestochen seien, im landständischen Saale aufzuführen, er wolle alle Sorgen auf sich nehmen. Auch Karl ermutigt ihn dabei; wir wissen, daß daraus leider nichts geworden ist. Von anderen Aufführungen ist gelegentlich die Rede; so erzählt ihm Holz, daß im Vereinskonzert am 15. Dezember die C-Ouvertüre gegeben werden solle, wenn sie bis dahin erschienen sei.


»Piringer dirigirt 1 ich die 2 Violine; wir werden es nicht zu unserer sondern zu des Höchsten Ehre dirigiren« –


Das A-Moll-Quartett, die Hauptarbeit des Jahres 1825, war nunmehr in die Öffentlichkeit eingeführt und gebührend aufgenommen. Wir haben desselben schon wiederholt Erwähnung tun müssen; es seien ihm auch hier noch einige Worte gewidmet.


Das A-Moll-Quartett.


Als das zweite der für Fürst Galitzin bestimmten Quartette war es gleich nach dem Es-Dur-Quartett (Op. 127) in Angriff genommen. Schon am 19. März 1825 schrieb Beethoven an Neate in London, daß das erste Quartett fertig sei, und daß er augenblicklich das zweite komponiere; dieses sowie das dritte würden bald beendet sein. An demselben Tage schrieb er an Schott (s. o. S. 178): »Die Violinquartette werden fortgesetzt. Das zweite ist der Vollendung nahe«, was nun freilich zu viel gesagt war. Auch die Skizzen, welche Nottebohm (II. Beeth. S. 547) mitteilt, zeigen, daß das Quartett bald nach dem Entwurf des [261] Es-Dur-Quartetts in Angriff genommen wurde; sie beziehen sich auf den ersten und letzten Satz, und enthalten Notierungen zu den beiden Mittelsätzen, welche anfangs andere Motive erhalten sollten; das Quartett war demnach auf vier Sätze angelegt. Diese Skizzen und somit die erste Konzeption des Quartetts werden daher noch ins Jahr 1824 fallen. Die Arbeit wurde eifrig fortgesetzt, erlitt dann aber eine Unterbrechung durch Beethovens Krankheit (April 1825); erst nach derselben entstanden die anderen Sätze, der Dankgesang, der kurze Marsch vor dem letzten Satze,231 und wohl auch der jetzige Menuettsatz. – Spätestens im August war das Quartett fertig.232

Das Quartett ist öfter besprochen233; man möchte am liebsten bei einem Werke so seltener Art einfach auf häufiges eigenes Hören und Studieren hinweisen. Denn die Fülle strömender Empfindung, welche hier zum Ausdrucke gelangt, von edelster und ergreifendster Melodik, und wieder von höchster künstlerischer Weisheit, welche sich in der musikalischen Gestaltung und Anordnung der das ganze Innere beherrschenden und öffnenden Empfindungen offenbart, zu erschöpfen, wird der Feder nicht gelingen. Schon in dem ersten dieser Quartette führt uns der Meister in sein reich bewegtes Innenleben künstlerisch ein; hier ist alles noch weit eindringlicher, er greift viel nachdrücklicher an unser Herz. Besonders ergreift uns der Dank des Krankgewesenen für seine Genesung; aber damit ist doch nur ein einzelner Teil des Werkes bezeichnet, und so geht z.B. Marx ganz in der Irre, wenn er das ganze Quartett als aus der Erinnerung an lange Krankheit hervorgegangen betrachtet. Er hat nicht gewußt, daß der ersten Konzeption des Werkes eine lange Krankheit nicht vorhergegangen war; die Krankheit, um die es sich hier handelt, fällt in den April und dauerte wenige Wochen, und als sie ausbrach, waren der erste und letzte Satz des Quartetts schon begonnen.

Es ist schwer verständlich, wie jemand aus dem ersten Satze eine Erinnerung an Krankheit heraushören konnte. In demselben ist gewiß [262] viel Klage und Leidenschaft, aber ebenso viel tröstender Zuspruch und kräftige, ja trotzige Erhebung; es ist eine Grundstimmung, wie sie den Meister in jenen Jahren so vielfach beherrscht, nur in neuer, eigenartiger Gestaltung. Der Satz wahrt äußerlich die Form des Sonatensatzes in seiner überlieferten Gliederung, worin sich aber der Meister mit voller Freiheit und mit einer gewissen Ungebundenheit bewegt; überall folgen wir durch die feste musikalische Gestaltung der natürlichen Entwickelung des Gemütslebens, welches in seiner vollen Wahrheit und Schönheit uns vor die Seele tritt. Ein kurzer langsamer Einleitungssatz von acht Takten, mit dem Leitton beginnend, sucht in ernsten Halbtonschritten die Hauptharmonie der Tonart zu ergreifen, er klingt wie eine dunkle, ahnungsvolle Frage. Dieses langsame Motiv tritt nebst seiner Umkehrung im Verlaufe des Satzes mitgestaltend auf, beherrscht den Durchführungssatz, verbindet sich mit dem Hauptmotiv, erscheint einmal mit voller Kraft in den Instrumenten, einmal flehentlich bittend und zagend (Cello), und gibt überall, wo es auftritt oder angedeutet wird, der Stimmung die Richtung. Aus jener kurzen Einleitung reißt sich die erste Violine mit einem raschen leidenschaftlichen Gange los, bleibt auf der Dominante stehen, und wir hören (Allegro) zuerst im Violoncello beginnend, das Hauptmotiv des Satzes mit dem Ausdrucke einer unmutigen, unbefriedigten Klage, welche, da sie sich heftig erheben will, nochmals durch kurze langsame Mahnung beschwichtigt werden soll; nach der zweiten raschen Steigerung des Unmutes entwickeln sich aus dem Hauptthema sanftere, hoffnungsreiche Klänge, die Färbung wird mutiger, ein kurzes abgestoßenes Motiv, welches imitiert durch die Instrumente geht, scheint zur Entschließung aufzufordern; daraus ergibt sich dann eine kräftige Erhebung im Vollklang der Instrumente. Hier setzt nun in F das zweite Thema ein, so innig, süß und trostvoll – besonders bei der Wiederholung in der höheren Lage – wie es nur ein Beethoven in jener letzten Zeit erfinden konnte. In die lebhaften frohen Figuren, die sich anschließen und den Schluß vorbereiten, läßt er noch einmal kurz die Halbtonfigur der Einleitung hineinklingen, der eine Wendung der Violine von unbeschreiblich sehnsüchtigem Ausdruck


2. Kapitel. Das Jahr 1825

antwortet. Den schnellen Anlauf zum Schluß unterbricht er durch Änderung der Tonart und läßt das düstere Halbtonmotiv wieder erklingen, [263] dem sich sofort in G-Moll das unmutige Hauptmotiv gesellt; in die daraus sich entwickelnde heftige Erhebung klingt, scheinbar unorganisch, ein kurzes Sätzchen in C-Dur hinein, dessen Motiv an die Bewegung des Hauptthemas erinnert – wie eine Erlösung verheißend; der Meister zwingt uns hier, unbekümmert um den streng thematischen Fortgang und von jeder Kritik absehend, der Forderung seiner Empfindung zu folgen. Nach der kurzen Erhebung234 tritt nun das chromatische Motiv der Einleitung mit Entschiedenheit auf, mit großem Eindrucke im Violoncell in hoher Lage, das Hauptthema in E-Moll schließt sich an, aus den gehaltenen Tönen der Violine und der sehr heftigen Fortsetzung derselben reißt sich die leidenschaftliche Figur der Violine heraus und führt zur anfänglichen Entwicklung des Satzes zurück. Die kurze, aber inhaltsvolle Durchführungspartie ist damit beendet; der Hauptsatz wiederholt sich, diesmal in neuer Weise, in E-Moll, im übrigen entsprechend dem früheren Verlaufe. In überwältigender Schönheit bringt das Violoncell das Seitenthema in C; in der bereits gehörten Weise wird der Schluß eingeleitet, die Art, wie derselbe früher heftig abgebrochen wurde, wiederholt und erweitert sich, wir werden zu einem längeren Schlußsatze (Coda) geführt; wieder hören wir das dunkle Halbtonmotiv der Einleitung (im Allegro in ganzen Taktnoten) verbunden mit seiner Umkehrung und verbunden mit dem Hauptthema des Satzes, die leidenschaftliche Steigerung führt noch nicht zu befriedigtem Ziele, alles ist hier trübe und trostlos, man meint ein »heraus aus diesen Nöten« zu vernehmen. Noch einmal hören wir das abgestoßene, imitierte, treibende Motiv der anfänglichen Entwicklung, noch einmal in überraschend schöner Weise das Seitenthema in A-Dur – so daß dieser Schlußsatz alle gehaltenen Motive des Satzes noch einmal bringt – aber dann verliert sich wieder alles in Dunkel und Leidenschaft; das Hauptthema bleibt herrschend, seine Figurierung und Begleitung wird lebhafter, um sich zögernd, wie es scheint, einem Unabwendbaren zu ergeben – sprechend sind namentlich die ermattend hinsinkenden synkopierten Schlußakkorde, welche, während der Baß den Rhythmus angibt, zum Dominantakkord wie zögernd hinführen235 –; nochmals erhebt sich zu dumpfgrollender Begleitung mit trotziger Entschlossenheit die wirkliche Schlußperiode (2. Viol.) und endet, wie wir empfinden, [264] mit dem entschiedenen Willen, sich keinem Zwange zu fügen. Das ist gewiß einer der schönsten, ergreifendsten ernsten Sätze, die Beethoven geschrieben hat; da ist alles unmittelbar »von Herzen«, keine Phrase, keine Formel, vielmehr alles vollendete Wahrheit und Folgerichtigkeit, alles mit künstlerischer Hand einheitlich verbunden.

Der zweite Satz (Allegro ma non tanto 3/4,) führt uns wieder zu Ruhe und Frieden zurück; »die Träne quillt, die Erde hat mich wieder«. In 4 Takten wird ein hoffnungsvoll aufsteigendes, forttreibendes Motiv angegeben, welches dem eigentlichen melodischen Hauptmotiv als Grundlage dient.236 Dieses zweitaktige Motiv, mit dem Ausdrucke befriedigter Sicherheit, wird in den Instrumenten vielfach wiederholt, in den Achteln des zweiten Taktes mannigfach verarbeitet, zu Imitationen verwendet, immer lebhaft und interessant – vielleicht – was bei der Kürze des Motivs fühlbar wird – etwas zu ausgedehnt.237 Das Ganze spricht das Gefühl wieder erlangter Ruhe in anregender, zum Teil heiterer Weise aus. Diese Stimmung steigert sich noch im Trio, in welchem ein gemütvoll sich wiegendes behagliches Thema bei fest liegendem Grundtone – nach Art der Musette – auftritt. Diese Stimmung erhöht er noch durch ein behagliches Achtelthema, dessen Teile zuerst in den Instrumenten wechselnd auftreten, bis eine längere Passage der Bratsche (später der Violine) sich aus ihr entwickelt, immer zu Stakkatobegleitung. – Hier ist alles Frohsinn und heitere Laune; der Komponist scheint in Rückerinnerungen an bessere Zeiten sich zu ergehen. Und sollte man es glauben? Das Stück enthält in der Tat eine Rückerinnerung. In den 1790er Jahren schrieb Beethoven bekanntlich mehrere Sammlungen von Tänzen für die Redoutenbälle, welche noch nicht alle bekannt sind. In einer Sammlung »12 Deutsche, im K. K. Redoutensaale aufgeführt«238 lautet der zweite Teil von Nr. 11 so:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

2. Kapitel. Das Jahr 1825

[265] Jeder sieht, daß in diesem Motiv die Grundlage zu der Achtelbewegung unseres Satzes gegeben ist,239 und daß wir hier den Fingerzeig für die Stimmung desselben haben. Mit überquellendem Humor macht er durch das kräftige unisono der tiefen Instrumente diesem munteren Treiben ein Ende; doch klingen die süßen Töne der Musette noch einmal nach, und so wiederholt sich dann der Hauptsatz. Ob dieser ganze, durch und durch gesunde Satz schon vor der Krankheit, also im Zusammenhang mit der ersten Konzeption des ganzen Werkes, oder nach der Genesung in Baden geschrieben ist, wird sich kaum entscheiden lassen, da wir keine Skizzen desselben haben; wahrscheinlicher ist das letztere, da die früheren Skizzen, die Nottebohm S. 549 zu dem 3/4 Satz (»3. Stück«) mitteilt, ein ganz verschiedenes Motiv enthalten.

Der folgende Satz (Molto Adagio) ist nun ganz von der überstandenen Krankheit und Genesung eingegeben; es ist der feierliche Dankgesang, mit der ihm folgenden Erhebung. Der Komponist will hier sofort verstanden sein und führt uns in seine Stimmung ein, die er sich auch vorher entworfen hat. In einem Konversationshefte aus dem Anfange der Badener Zeit,240 (Mai oder Juni 1825) findet sich von seiner Hand mit[266] Bleistift notiert: »Dankhimne eines Kranken an Gott bei seiner Genesung Gefühl neuer Kraft241 und wiedererwachtes Gefühl«, und in demselben Heft flüchtige schwer lesbare Bleistiftskizzen, unter denen Versuche, die Nachahmung des Hauptmotivs zu gestalten, begegnen. Jene Aufschrift hat er dann in der Ausgabe so gestaltet: »Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit, in der lydischen Tonart,« und bei dem zweiten Abschnitt (D, Dur.): »neue Kraft fühlend«. In diesem Stücke blicken wir so recht in sein tiefes, fromm ergebenes Gemüt, wie wir es ja aus seinen Äußerungen und anderen Stücken kennen; in der Tat steht dieser Satz unter Beethovens langsamen Sätzen ganz einzig da. Wer vergleichen will, könnte höchstens an das Adagio der neunten Symphonie denken, wird aber auch hier keine volle Analogie finden. Von kurzen Vor- und Zwischenspielen begleitet erhebt sich Choralgesang in einfach langsamer, kirchlicher Weise, ernst und innig, nach unserm Gefühle in F-Dur, doch mit Vermeidung des charakteristischen Tones b dieser Tonart;242 nur am Schluß moduliert er durch die Dominante A nach D-Dur. In dieser Tonart (Andante 3/8, »neue Kraft fühlend«) tritt dann das kräftige Zwischenstück auf, in welchem er in energischen Figuren die neu belebte Kraft versucht; es folgt dem Aufschwunge inniges Freudengefühl, dankbare Ergebung; sein Gebet hat ja Erhörung gefunden. Der Dankgesang tritt dann nochmals auf, diesmal nur in der ersten Violine, bei reicher figurierter Begleitung, die aus der früheren Begleitungsfigur weiter gebildet ist; nochmals folgt das Gegenstück, auch dies mehrfach belebter und kräftiger, und die nochmalige Rückkehr zum Anfang führt zu einem der wunderwürdigsten Stücke. Das Motiv der Begleitung wird noch mehr belebt und variiert, es ist zu einem selbständigen melodischen Motiv geworden; dazu hört man wechselnd in den Instrumenten die Anfangstakte des Chorals, die dann wieder abbrechen und verschwinden; alles löst sich in Dank und Hoffnung, die sich gegen den Schluß in dem nachdrücklichen C zu fester Gewißheit steigert, bis am Schlusse das F leise wieder [267] hervortritt und in schwebenden hohen Akkorden die Bewegung langsam verklingt. Hier ist alles höchste Verklärung, volle Erdenentrücktheit, wie in einer Vision scheinen alle Spuren der Krankheit zu schwinden. – Mit der lydischen Tonart, die Beethoven hier wählt, haben wir uns bei dem klaren Aufbau des Satzes und der offenliegenden Absicht Beethovens, die er ja selbst kund gibt, nicht weiter zu befassen. Lydisch heißt in der gregorianischen Reihenfolge der fünfte Kirchenton, die Oktavengattung von F an; für uns also, die wir von dem System unserer Tonarten ausgehn (und das hat offenbar auch Beethoven getan) ein F, Dur ohne b, also ohne den für unser Gefühl eigentlich charakteristischen Ton; es fehlt die Septime des Dominantenakkordes, es fehlt der Akkord der Unterdominante. Außer diesem äußerlichen Punkte hat aber Beethoven gewiß keinen besonderen Charakter gerade dieser Tonart bezeichnen wollen.243 Er hat sich der ihm auferlegten Beschränkung in der Wahl der Töne sowohl in den melodischen Fortschreitungen als in den Modulationen und Abschlüssen in künstlerischer Weise unterzogen und war überzeugt, durch diese Beschränkung und die Vereinfachung der Mittel dem hohen Ernste des Gegenstandes gerecht zu werden, und hat dadurch allerdings ganz eigenartige Wirkungen erzielt; der Wechsel von demütiger Hingebung und leuchtender Hoffnung in dem letzten Stücke beruht aber auf dem Schweben zwischen den beiden Tonarten (in unserem Sinne), bis er die festgestellt hat, in welcher er schließen will.

Das Gefühl der Gesundheit ist geblieben und neuer Mut ist erwacht; das kommt in dem folgenden kleinen marschartigen Satze zum Ausdruck, der recht frisch und anmutend klingt und durch Imitationen zart belebt wird. Auch zu diesem Stück hat sich Beethoven eine kurze Skizze in demselben Konversationshefte niedergeschrieben, aus welchem oben der Entwurf einer Aufschrift für das Adagio mitgeteilt wurde. Dort ist mit Bleistift zu lesen:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

2. Kapitel. Das Jahr 1825

[268] Alles andere ist zu undeutlich, als daß wir versuchen könnten, es zu rekonstruieren, auch bleibt es nicht bei dem einen Stücke. Aber gerade der Umstand, daß die ersten Takte des Themas in einem der ersten Badener Konversationshefte stehen, beweist, daß das Stück nach der Krankheit und Genesung geschrieben ist.

Mit diesen und verwandten Stimmungen konnte das Werk nicht ohne weiteres schließen. Nach dem in seiner Leidenschaft, seinem Ernst so weit ausgreifenden ersten Satze konnten nicht lauter mildere, zum Teil heitere Sätze folgen, das hätte die Einheitlichkeit des Werkes aufgehoben; noch einmal mußte vor voller Versöhnung das tief erregte Gemüt des Meisters zum Ausdruck kommen. Die Krankheit hatte ihn verlassen, er war dem Leben und Schaffen wieder gegeben; aber alle die Sorgen und Kümmernisse, die ihm der Tag brachte, standen mit der alten Kraft vor ihm. So verstehen wir es, wenn er dem kurzen Marschsatze ein leidenschaftliches Rezitativ der ersten Geige, zu Tremolobegleitung der übrigen Instrumente, folgen läßt, welches mit einem langen abwärts und wieder aufwärts sich bewegenden Achtelgang, der zuletzt auf E anhält, den letzten Satz einleitet.

Das Thema des letzten Satzes (Allegro appassionato 3/4) war, wie wir bereits wissen, längst gefunden, und für den letzten Satz der neunten Symphonie in Aussicht genommen,244 und dann, nachdem er sich für den Chorsatz entschieden hatte, zunächst unbenutzt liegen geblieben war. Hier kam es zu seiner vollen Geltung. Eine Andeutung desselben, mit etwas anders gestaltetem Eingang, findet sich schon unter den ersten Skizzen (Nottebohm S. 549), doch ist es auch in dem Konversationsheft angedeutet; wir dürfen annehmen, daß der Satz nach der Genesung in Baden ausgearbeitet ist. –

Die Melodie des Satzes ist nun gewiß eine der schönsten, die Beethoven je geschrieben; in edelstem Zuge erhebt sie sich und gräbt sich tief in unser Gemüt ein. Sie atmet heftige, schmerzliche, fast trostlose Leidenschaft, steigert sich zu wildem Aufschrei – man beachte das hohe Motiv [269] des Cellos zu den starken Akkorden der übrigen Instrumente, zuerst in E-Moll, später in A-Moll, welche wir das zweite Thema nennen möchten. In dem knappen Aufbau des Satzes mit den regelrechten Wiederholungen des Themas erkennen wir die alte Rondoform. Nach der heftigen Aufwallung am Schlusse des ersten Abschnitts sinkt die Bewegung ermattend und klagend zurück, dann erhebt sich das Hauptthema wieder. In der folgenden kurzen Durchführungspartie werden die aus dem Thema abgeleiteten Motive kunstvoll verarbeitet, zum Teil im Kampfe mit der Takteinteilung, immer unruhvoll und heftig; nach dem Ende der Entwicklung hören wir wieder die ängstlichen Seufzer, das Thema setzt zuerst in D-Moll wieder ein und findet dann das A-Moll wieder. Es wiederholt sich, der Form entsprechend, der Verlauf des ersten Abschnitts mit seinen oben aufgewiesenen scharfen schmerzlichen Akzenten; dann gestaltet sich der Schluß zarter und ruhiger, wir hören eine auch früher schon dagewesene Viertelfigur in imitatorischer Verarbeitung; aber in dieser Gestalt ist ein beruhigtes Ausklingen uns nicht beschieden, immer wieder pocht die unruhige Figur der Hauptmelodie und zwingt die ruhiger gewordenen Instrumente ihr zu folgen. Die Bewegung wird stärker, das Tempo beschleunigt sich (»immer geschwinder«); wir fühlen, daß zum Schlusse gestrebt wird, ahnen aber noch nicht, wie sich derselbe gestalten wird. Zu der drängenden, immer mehr beschleunigten Bewegung besonders der ersten Violine (f e) setzt das Violoncello in hoher Lage mit dem Thema ein (Presto), ihm gesellt sich die erste Violine, man wird zu der Erwartung geführt, daß er sich mit Gewalt durchkämpfen will. Da tritt nun der ergreifendste Moment des ganzen Werkes ein, einer jener Momente des Umschwungs der Stimmung, wie wir sie nur bei Beethoven finden. Bei allmählich verminderter Tonstärke verweilt die Violine, wie erwartend, auf dem hohen E, da nimmt die Melodie des Violoncells, die auf den Höhepunkt des Schmerzes gesteigert war, einen sanften Zug an, das tröstende helle A-Dur erklingt, die Violine vereinigt sich mit dem Cello in der Höhe zu herrlicher Kantilene; wir atmen auf einmal eine ganz andere Luft, die Sonne ist durchgebrochen, der Himmel wieder klar, das Leid vergessen; hoffend und glückerfüllt kann jetzt der Satz zu Ende geführt werden. Die schöne Schlußperiode bringt er zweimal; auch auf dem Höhepunkte der Stimmung verläßt ihn nicht das Bedürfnis der Symmetrie. Der Meister ist es, der seine Stimmung beherrscht, sie objektiv anschaut, über ihr steht und das Erschaute uud Durchempfundene nach künstlerischen Gesetzen gestaltet.

[270] Das A-Moll-Quartett ist sicher eines der herrlichsten Erzeugnisse dieser so einzigen spätbeethovenschen Schaffensperiode. Wir bewundern den Reichtum der Erfindung, die Tiefe und den ungehinderten, fortreißenden Strom der Empfindung, wir bewundern ebenso sehr die Einheitlichkeit der Gestaltung des Ganzen und der einzelnen Sätze und den schönen Wohllaut, der über das Ganze gebreitet ist, und der das Gerede von dem Einflusse von Beethovens Taubheit auf sein Schaffen Lügen straft. Wir bewundern den Künstler; wir empfinden mit ihm; er trifft uns im innersten, er überzeugt uns von der Wahrheit seiner Darstellung und entläßt uns geläutert und gehoben. Wir stehen nicht an – ohne damit der etwaigen Vorliebe anderer zu nahe treten zu wollen – diesem Werke den Vorrang unter Beethovens Quartetten zuzusprechen. –

Es bleibt uns noch übrig zu fragen, was nach den besprochenen Novemberaufführungen noch biographisch Wichtiges in dieses Jahr fällt. Das Leben in der neuen Wohnung nahm seinen, wenn nicht immer ruhigen, doch gewohnten Fortgang. Die Konversationsbücher geben hier reichliche Mitteilungen; doch würde es viel zu weit führen, aus denselben hier Auszüge mitzuteilen, soweit sie nicht von besonderer Wichtigkeit sind. Ost sehen wir den Neffen Karl bei ihm, der in dieser Zeit dem polytechnischen Institut angehörte; er erzählt ihm von Aufführungen und anderem und bespricht Haushaltungsfragen. Bruder Johann, der trotz der vielen Vorwürfe, die ihm gemacht wurden, doch nicht meidet ihm zur Hand zu sein, bespricht wieder das Projekt der Londoner Reise; daran beteiligte sich auch Karl. Man stellte ihm die Vorteile vor, die diese Reise für ihn haben würde und besprach die Frage, wer mit ihm reisen solle. Das war und blieb vergeblich. Schuppanzigh suchte ihn, wie schon erwähnt wurde, zu bestimmen, Konzerte zu geben, und schlägt ihm das Lokal und das Programm vor (S. 261); auch darauf wurde nicht eingegangen; wenn auch Beethoven, wie wir aus der Ausführlichkeit der Mitteilungen schließen, anfangs nicht abgeneigt gewesen sein mag. Auch ist von dem Tode des Hoforganisten Worzischek die Rede (19. Nov.), an dessen Stelle Aßmayer kam; Schuppanzigh bedauert es, daß man nicht Beethoven an die Stelle berufe. Auch der Freund Hensler von der Josephstadt starb um diese Zeit (24. Nov.); das kommt in einer Unterhaltung mit Schindler zur Sprache, der sonst jetzt wenig auftritt. Holz unterhält ihn in seiner Weise über Persönliches und Musikalisches und läßt den freien Ton erkennen, den er sich Beethoven gegenüber erlaubt – wir würden mehr daraus mitteilen, wenn es der Raum gestattete; [271] Er spricht seine Abneigung gegen Fugen aus. Mehrfach ist von Mozart, aber auch von anderen Komponisten die Rede. Da findet sich die bemerkenswerte Frage Holz', die schon früher angeführt wurde:245 »War Mozart ein guter Klavierspieler? – damals war er auch noch in der Wiege.«246

Um diese Zeit erfolgt auch Beethovens Ernennung zum Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde. Der Vorschlag Beethovens zugleich mit 15 anderen geschah in einer Sitzung des leitenden Ausschusses am 29. November unter Kiesewetters Vorsitz247 und wurde in einer Sitzung der Repräsentanten-Versammlung vom 26. Januar 1826 bestätigt. Die Ausfertigung des Diplomes erfolgte jedoch erst am 26. Oktober 1826; dasselbe gelangte erst wenige Wochen vor Beethovens Tode in seine Hände. Doch war die Sache schon früh nach dem ersten Vorschlage bekannt geworden; schon im Dezember gratuliert ihm Holz im Konversationsbuche.

Daß noch mancherlei Zusammentreffen und Verkehr mit Musikern, auch jüngeren, stattfand, dürfen wir von selbst annehmen. Ein junger Komponist und Verehrer Beethovens Panny248 wurde ihm im November 1825 von Holz vorgestellt, wie es scheint, im Wirtshause. In der Unterhaltung erzählt er, wie Thayer annimmt, von der Absicht Castellis, die scherzhafte Kantate auf Tobias Haslinger zu schreiben. Ein junger Musiker Lamatsch, der seinen Rat zu erhalten wünschte, wurde ihm von dem Neffen Karl empfohlen; vielleicht darf sein Name auch an einer Stelle des Konversationsbuches angenommen werden. So empfing er noch manche Besucher, auch aus der Heimat,249 die ihn begrüßen und kennen lernen wollten. Von diesen scheint ihn besonders der amerikanische Musiker Theodor Molt interessiert zu haben, dessen Besuch, wie Thayer [272] von Molts Sohn erfuhr, am 16. Dezember stattfand; war dies der erste Besuch, dann fiel er wohl einige Tage früher.250 Im Konversationsbuche aus diesen Tagen beginnt Molt so: »Ich bin Musiklehrer in Quebec in Nordamerika. Ihre Werke haben mich so oft ergötzt, daß ich es für meine Pflicht halte, Ihnen auf einer Durchreise durch Wien meinen persönlichen Dank abzustatten, um so mehr als ich so großes« – hier bricht die Äußerung ab, im Konversationsbuche fehlen (nach Thayer) eins oder mehrere Blätter. Nach Molts Erzählung, (sein Sohn teilte es Thayer mit) zeigte ihm Beethoven einige Verse, die er gerade zur Begrüßung einer jungen Dame niedergeschrieben hatte, und geriet dabei in solchen Enthusiasmus, daß alle musikalische Unterhaltung abgeschnitten war. Die Verse, fügte Molt hinzu, seien ziemlich schwach gewesen. Die Zimmer, welche Beethoven bewohnte, schildert Molt als ärmlich (very mean).

Bald nach seinem Besuche schrieb ihm Molt folgenden Brief:251


»Hochzuverehrender Herr!


Als ich letzthin so frey war Sie zu besuchen, sparte ich mir einen Wunsch an Sie auf, welchen ich Ihnen hiermit in diesem Briefe gehorsamst vorzulegen wage: Ich werde nach meiner Abreise von hier nie mehr das Glück haben in Ihre Nähe zu kommen. Verzeihen Sie mir daher wenn ich Ihnen aus meinem Stammbuch ein Blättchen zur Ausfüllung darlege, welches mir in einer Entfernung von beinahe 3000 Stunden (wohin ich von hier aus wieder reife) ein ewig theueres Dokument bleiben soll. Ich preis mich glücklich mehrere jener berühmten Tonkünstler Europas gesehen zu haben, welche ich in Amerika aus ihren Werken kannte und werde stolz darauf sein meinen dortigen Freunden, welche zugleich ihre Mitverehrer sind, sagen zu können


›Seht dieß hat Beethoven aus seiner

großen Seele für mich geschrieben!‹


Erlauben Sie mir bis morgen mich um gütige Antwort melden zu dürfen.


Mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr

gehorsamst ergebener Diener

Theodor Molt

Musiklehrer

in Quebec in Nord Amerika.«

Wien 14. Decr. 1825.


Beethoven willfahrte der Bitte und schrieb für Molt den Kanon: »Freu dich des Lebens« mit der Aufschrift:


»Zum Andenken für Hrn. Theo. Molt von L. v. Beethoven.


Wien am 16ten December 1825.1«


[273] Dieser Kanon war vielleicht schon vorher entworfen, da er in einer früheren Fassung schon unter den Skizzen des längst in Arbeit befindlichen B-Dur-Quartetts begegnet252; in seiner letzten Fassung lautet er so:253


2. Kapitel. Das Jahr 1825

Unter den Aufführungen Beethovenscher Werke in diesen letzten Monaten erwähnen wir noch die der Eroica (27. Nov.), der Chorphantasie, des Es-Dur- Trios (11. Dezember, von A. Halm gespielt), endlich des Septetts, welches wieder großen Enthusiasmus erregte;254 in demselben spielten außer Schuppanzigh, Weiß und Linke der Kontrabassist Metzer, der Klarinettist Friedlowsky, der Hornist Herbst und der Fagottist Mittag. Von letzterem hatte Thayer eine Erzählung über Beethoven, welche hier ihren Platz finden mag (sie kann auch etwas später fallen), und welche Thayer in folgender Weise aufzeichnet:


»Eines Abends, nachdem Beethoven in das Schwarzspanierhaus gezogen war, nahm er (Mittag) ein Glas Bier in dem Gasthause ›Dachs‹ unter den Tuchlauben, als er in einer Ecke Beethoven sah. Er saß wie gewöhnlich in Gedanken versunken. In diesem Hause wurde nicht geraucht und die Zahl der Gäste war klein. Bald nachher sprang Beethoven auf und rief dem Kellner: ›Zahlen,‹ sagte er. Der Kellner schrie ihm ins Ohr: ›schon bezahlt.‹ Mittag dachte bei sich, daß Beethoven in der That nicht allein gelassen werden dürfe, folgte ihm unerkannt, und sah ihn sicher nach Hause kommen.«


Auch die Abschrift und Herausgabe der neuen Werke beschäftigte ihn, man erzählte ihm, daß Schott sie schon alle in der Cäcilia angezeigt habe. Darauf bezieht sich der Brief an Schott vom 25. November,255 welcher hier folgt:


[274] »Euer Wohlgeboren!


Die Tempobezeichnung nach Mälzls Metronom wird nächstens folgen; ich sende Ihnen hier den Titel der Messe.


Missa

composita et

Serenissimo ac Eminentissimo Domino Domino Rudolpho Joanni Caesareo Principi et Archiduci Austriae, S. R. E. Tit. S. Petri in monte aureo Cardinali et Archiepiscopo Olomucensi profundissima cum veneratione dicata256

a Ludovico van Beethoven.


Die Pränumeration muß der Dedication257 vorgestochen werden.


1) Der Kaiser von Rußland.

6) Der König von Preußen.

3) Der König von Frankreich u.

4) König von Dänemark.

5) Churfürst von Sachsen.

6) Großherzog von Darmstadt.

7) Großherzog von Toskana.

8) Fürst Galitzin.

9) Fürst Radziwill.

10) Der Cäcilienverein in Frankfurt.


Die Dedication der Symphonie bitte ich noch etwas zu verzögern, da ich hierüber noch unentschlossen bin, überhaupt aber ersuche ich Sie, die Herausgabe dieser Werke noch gegen 3 Monath zu verschieben; Sie werden mich dadurch sehr verbinden. Was fehlt, wird auf das Schnellste besorgt werden.

Ich ersuche Sie wiederholt, mir doch gütigst ein Exemplar von den verbesserten Fagotten zuzuschicken.

Vielleicht haben Sie noch keine Versicherung des Eigenthums über das Quartett in Es erhalten, ich füge selbe hiermit bey


Ihr

ergebener

Ludwig van Beethoven.


Daß258 die Herrn B. Schott Söhne ein Quartett inEs für 2 Violinen Viola und Violoncello von mir erhalten und dasselbe ganz allein ihr Eigenthum sein, bestätige ich hiermit laut meiner Unterschrift.


Wien am 25. November 1825


Ludwig van Beethoven


Die Schuldforderung von Peters in Leipzig wurde damals berichtigt. Im Anschlusse an einen früheren Brief Karls vom 19. Juli (vgl. Nohl N. B. S. 278 Anm.), den dieser, wie er sagte, in Beethovens[275] Auftrage geschrieben hatte,259 und worin er ihm ein neues beendetes Quartett (wohl nicht, wie Nohl meint, das A-Moll-Quartett) für den bereits früher gesendeten Betrag anbietet, schrieb Beethoven am 25. November 1825 an Peters folgendes:260


»Euer Wohlgeboren!


Als ich Ihnen neulich das Quartett antrug, war die Antwort Ihres Associé nicht bestimmt und deutlich. Ebenso sind Ihre zwey letzten Briefe; sobald Sie die Summe klar anzeigen werden, nämlich 360 fl. C. M. welche ich von Ihnen habe, und versichern, daß Sie dafür das Quartett nehmen wollen, so können Sie in Kurzem eines erhalten. Hätten Sie das gleich gethan, so hätten Sie 2 neue Quartetten erhalten können, denn Sie können nicht verlangen, daß ich Schaden leide. Wollte ich die Saiten noch höher spannen, so dürfte ich eine noch größere Summe für ein Quartett verlangen.

Sobald Sie mir also schreiben, werde ich Sie baldmöglichst in Besitz eines neuen Quartetts setzen; wollen Sie aber lieber Ihr Geld, so können Sie es unverzüglich zurückhaben, denn es liegt längst bereit; zum Durchsehen schicke ich übrigens nichts.261

Ich erwarte hierüber eine baldige Antwort.


Ihr ergebener

L. v. Beethoven.«


Durch dieses Ultimatum wurde die Verhandlung beendet. Peters sandte unmittelbar darauf folgendes Schriftstück:262


»Herrn L. van Beethoven in Wien ersuche ich hier mit, die im August 1822 von mir empfangenen Dreihundert und sechszig Gulden Conventionsgeld, welche Sie, da keine Geschäfte zwischen uns zu Stande gekommen sind, jetzt wieder zu meiner Verfügung stellen, an Herrn Steiner & Co. Musikhandlung in Wien zurück zu zahlen und Gegenwärtiges als Quittung von mir dagegen zu empfangen.

Leipzig den 30 November 1825


C. F. Peters

Musik Verleger.«


[276] Auf demselben Blatt:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

Obigen Betrag erhalten zu haben bestätigt


den 7. Decbr 1825.

S. A. Steiner & Co.


Wahrscheinlich durch den erneuten intimen Verkehr mit der Familie von Breuning waren auch die alten Beziehungen zu den alten Freunden am Rhein, Wegeler und Familie in Koblenz, wieder aufgelebt; er erhielt ganz am Schlusse des Jahres zwei sehr wohltuende Briefe von Wegeler und seiner Frau, welche auch hier nicht fehlen können. Am 28. Dezember 1825 schrieb ihm Wegeler aus Koblenz:263


»Mein lieber alter Louis!


Einen der 10 Riesischen Kinder kann ich nicht nach Wien reisen lassen, ohne mich in dein Andenken zurückzurufen. Wenn du binnen den 28 Jahren, daß ich Wien verließ, nicht alle 2 Monathe einen langen Brief erhalten hast, so magst du dein Stillschweigen auf meine ersten als Ursache betrachten. Recht ist es keineswegs und jetzt um so weniger, da wir Alten doch so gern in der Vergangenheit leben und uns an Bildern aus unserer Jugend am meisten ergötzen. Mir wenigstens ist die Bekanntschaft und die enge, durch deine gute Mutter gesegnete264 Jugendfreundschaft mit dir ein sehr heller Punkt meines Lebens, auf den ich mit Vergnügen hinblicke, und der mich vorzüglich auf Reisen beschäftigt. Nun sehe ich an dir wie an einem Heros hinauf, und bin stolz darauf sagen zu können: ich war nicht ohne Einwirkung auf seine Entwicklung, mir vertraute er seine Wünsche und Träume, und wenn er später so häufig mißkannt ward, ich wußte wohl was er wollte. Gottlob daß ich mit meiner Frau und nun später mit meinen Kindern von dir sprechen darf; war doch das Haus meiner Schwiegermutter mehr dein Wohnhaus als das deinige, besonders nachdem du die edle Mutter verloren hattest. Sage uns nur noch einmal: ja ich denke Eurer in heiterer u. trüber Stimmung! Ist der Mensch, und wenn er so hoch steht, wie du, doch nur einmal in seinem Leben glücklich, nämlich in seiner Jugend; die Steine von Bonn, Kreuzberg, Godesberg, die Baumschule u.s.w. u.s.w. haben für dich Haken, an welche du manche Idee froh anknüpfen kannst.

Doch ich will Dir jetzt von mir, von uns etwas sagen, um Dir ein Beispiel zu geben, wie Du mir antworten mußt.

Nach meiner Zurückkunft von Wien 1796 ging's mir ziemlich übel; ich mußte mehrere Jahre von der Praxis allein leben, und das dauerte damals in der höchst verarmten Gegend einige Jahre, ehe ich mein Auskommen hatte. Nun ward ich aber wieder ein bezahlter Professor und heirathete dann 1802. [277] Das Jahr darauf bekam ich ein Mädchen, was noch lebt und ganz gut gerathen ist. Es hat vielen richtigen Verstand, die Heiterkeit seines Vaters und spielt Beethovensche Sonaten am liebsten. Das ist wohl kein Verdienst, sondern angeboren. Im Jahr 1807 ward mir ein Knabe geboren, der jetzt in Berlin Medizin studiert. Nach 4 Jahren schicke ich ihn nach Wien;265 wirst du dich seiner annehmen? Von der Familie deines Freundes starb der Vater 70 Jahre alt, den 1. Januar 1809. Von jener meiner Frau der Scholaster vor 4 Jahren, alt 72 Jahr,266 die Tante Stockhausens267 von der Ahr in diesem Jahr 73 Jahr alt. Die Mama Breuning ist 76, der Onkel in Kerpen268 85 Jahr alt. Letzterer freut sich noch des Lebens, und spricht oft von dir. Die Mama war mit der Tante wieder nach Cöln gezogen, sie wohnten im Hause ihrer Eltern, das sie nach 66 Jahren wieder betraten, dann neu bauen ließen, etc.

Ich selbst habe im August meinen 60ten Geburtstag in einer Gesellschaft von einigen 60 Freunden und Bekannten gefeiert, in welcher sich die Vornehmsten der Stadt befanden. – Seit 1807 wohne ich hier, habe ein schönes Haus, und eine schöne Stelle. Meine Vorgesetzten sind mit mir zufrieden, und der König gab mir Orden und Medaillen. Lore und ich sind auch ziemlich gesund. Jetzt habe ich dich auf einmal mit unserer Lage ganz bekannt gemacht, willst du es bleiben, so antworte nur. Von unsern Bekannten ist Hofr. Slup269 vor 3 Jahren gestorben, Fischenich270 Staatsrath in Berlin und Ries und Simrock zwei alte gute Menschen, der zweite jedoch weit kränklicher denn der erste.

Vor 2 Jahren war ich einen Monat in Berlin, ich machte dort die Bekanntschaft des Direktors der Sing- Akademie H. Zelter, ein höchst genialer Mann und äußerst offen, daher ihn die Leute für grob halten. In Kassel führte mich Hub. Ries zu Spohr. Du siehst daß ich es immer noch mit den Künstlern halte.

Warum hast du deiner Mutter Ehre nicht gerächt, als man dich im Conversations-Lexikon, und in Frankreich zu einem Kind der Liebe machte? Der Engländer, der dich vertheidigen wollte, gab, wie man in Bonn sagt, dem Dreck eine Ohrfeige und ließ deine Mutter 30 Jahr mit dir schwanger gehen, da der König von Preußen, dein angeblicher Vater, schon 1740 gestorben sei, eine Behauptung, die durchaus falsch ist, da Friedrich II 1740 zum Throne kam, und 1786 erst starb. Nur deine angeborene Scheu etwas [278] anderes als Musik von dir drucken zu lassen ist wohl Schuld an dieser sträflichen Indolenz. Willst du, so will ich die Welt hierüber des Richtigen belehren. Das ist doch wenigstens ein Punkt, auf den du antworten wirst. – Wirst du nie den Stefansthurm aus den Augen lassen wollen? Hat Reisen keinen Reiz für dich? Wirst du den Rhein nie mehr sehen wollen? – Von Frau Lore alles Herzliche, sowie von mir


Deinem uralten Freund Wglr.«


Diesem Briefe schloß Wegelers Gattin folgende Zeilen an:


»Kobl. den 29/12 25.


Schon lange lieber Beethoven! war es mein Wunsch daß Wegeler Ihnen einmal wieder schreiben möge – nun da dieser Wunsch erfüllt glaube ich noch ein paar Worte zusetzen zu müssen – nicht nur um mich etwas näher in Ihr Gedächtniß zu bringen, sondern um die wichtige Frage zu wiederholen, ob Sie gar kein Verlangen haben den Rhein und Ihren Geburtsort wieder zu sehen – Sie werden uns zu jeder Zeit und Stunde der willkommenste Gast sein, undWegeler und mir die größte Freude machen – unserLenchen dankt Ihnen so manche frohe Stunde – hört so gern von Ihnen erzählen – weiß alle kleinen Begebenheiten unserer frohen Jugend in Bonn – von Zwist und Versöhnung. – Wie glücklich würde diese seyn Sie zu sehen! – Das Mädchen hat leider kein Musik Talent, aber durch großen Fleiß und Ausdauer hat sie es doch so weit gebracht daß sie Ihre Sonaten, Variationen u. d. g. spielen kann, und da Musik immer die größte Erholung für Wegeler bleibt, macht sie ihm manche frohe Stunde dadurch. Julius hat Musik- Talent, war aber bis jetzt nachlässig – und erst seit einem halben Jahr lernt er mit Luft und Freude Violoncell. Da er in Berlin einen guten Lehrer hat, glaube ich bestimmt daß er noch etwas lernen wird – beide Kinder sind groß und gleichen dem Vater – auch in der heiteren fröhlichen Laune welche Gottlob Wegeler noch nicht ganz verlassen hat. – Er hat ein großes Vergnügen die Themas Ihrer Variationen zu spielen; die alten stehen oben an, doch übt er manchmal mit unglaublicher Geduld ein neues ein. – Ihr Opferlied steht an der Spitze – nie kömmt er ins Wohnzimmer ohne ans Clavier zu gehen – schon daraus lieber Beethoven können Sie sehen, in welch immer dauerndem Andenken Sie bei uns leben – sagen Sie uns doch einmal daß dies einigen Werth für Sie hat, und daß auch wir nicht ganz von Ihnen vergessen sind. – Wäre es nicht so schwer oft unsere liebsten Wünsche zu befriedigen, hätten wir wohl schon den Bruder in Wien besucht, wobei gewiß das Vergnügen sie zu sehen berücksichtigt würde – aber an eine solche Reise ist nicht zu denken jetzt durchaus nicht da der Sohn in Berlin ist. Wegeler hat Ihnen gesagt wie es uns geht – wir hätten Unrecht zu klagen – selbst die schwerste Zeit ging uns glücklicher vorbei wie hundert anderen. Das größte Glück ist, daß wir gesund sind, und die Kinder gut und brav sind – ja beide machten uns durchaus noch keinen Verdruß – u. sind selbst froh u. guter Dinge. Lenchen hat nur einen großen Kummer erlebt – das war als unser armes Bürschchen starb – ein Verlust den wir alle nie vergessen werden. Leben Sie wohl lieber Beethoven u. denken Sie unser in freundlicher Güte.


Eleonore Wegeler


[279] Wir können es uns ausmalen, wie sehr wohltuend diese beiden Briefe für Beethoven gewesen sein müssen. Daß er sie dennoch erst spät im folgenden Jahre beantwortete, erklären wir uns aus seinen Lebensverhältnissen; wir kommen darauf noch zurück.

Wenn wir noch fragen, was Beethoven in dieser letzten Zeit des Jahres 1825 noch komponiert hat, so fällt unser Blick vor allem auf das Quartett in B-Dur (jetzt Opus 130), das dritte der Galitzin-Quartette. Dasselbe war schon früh im Jahre, bald nach dem in A-Moll, in Angriff genommen, und in seiner Weise hatte er schon am 19. März (Brief an Neate) die Hoffnung ausgesprochen, daß es in kurzem vollendet sein werde. Am 29. August schrieb er dem Neffen, es werde in 10 bis 12 Tagen ganz vollendet sein.

Im November 1825 schreibt er ins Konversationsbuch: »Titel auf das Quartett«, und dazu ist von anderer Hand geschrieben »3ième Quatuor. Pour deux Violons, Viola et Violoncello composé aux désirs de S. A. Monseigneur le Prince Nicolas Galitzin et dedié au même« und dann, wieder von Beethoven selbst »par L. v. B.«. Daraus geht hervor, daß es schon zur Abschrift bereit lag oder gegeben war. Im Januar 1826 schreibt Holz: »Das Quartett wird auf der Stelle gedruckt, Es wird auf diese Weise das dritte Quartett früher erscheinen als die ersten beiden.« Das geschah wirklich, und so erhielt das Quartett die falsche Opuszahl 130. Früh hatte Schuppanzigh den Wunsch, das Quartett zu spielen.271 Jedenfalls dürfen wir annehmen, daß das B-Dur-Quartett Ende 1825 fertig war. Öffentlich aufgeführt wurde es erst im März 1826, wo wir darauf zurückkommen.

Außer den großen Werken sind noch zwei kleine Stücke zu erwähnen, die noch in dieses Jahr fallen; ein kleiner Walzer für Klavier in D-Dur und eine ebenfalls kleine Ekossaise in Es-Dur für Klavier.272 Der Walzer war (nach Thayer und Mandyczewski) ein Beitrag zu den »50 Walzern« von C. F. Müller (1826).273 Die Ekossaise stand in einer anderen [280] Sammlung, welche (nach Mandyczewski) den Titel führte »Ernst und Tändeley. Eine Sammlung verschiedener Gesellschaftstänze für den Karneval... von C. F. Müller, Wien, in Komission bei Sauer und Leidesdorf.« (Angezeigt in der Wiener Zeitung vom 4. Januar 1826).274 Von den beiden kleinen Tänzen ist weiter nichts zu sagen, als daß sie bei all ihrer Kürze doch den Beethovenschen Stempel tragen.

Nach anderen Bemerkungen im K. B. war das Oratorium Bernards (S. 10 ff.) noch nicht ganz von der Tagesordnung abgesetzt; doch findet sich keine Spur, daß Beethoven wirklich daran gearbeitet hätte. Bernard hatte es nach Kannes Rat gekürzt. Ganz am Ende des Jahres, mitten zwischen Erwähnungen von bevorstehenden Neujahrswünschen,275 notiert sich Beethoven im K. B. folgendes:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

Es ist von großem Interesse, daß der erste Gedanke zum Cis-Moll-Quartett also noch vor dem Schlusse von 1825 auftaucht. Darunter schreibt sich Beethoven auf: »Nur das Lob des Selbstgelobten kann freuen«.276

Fußnoten

1 Nohl bringt ihn N. Br. Nr. 280 nach Moscheles Life of Beethoven II, S. 267.


2 Bei der früheren Einladung sollte dies Schindler sein. Vgl. oben S. 158. Ob er auch jetzt noch an ihn dachte, ist ungewiß und nach den Konversationen nicht wahrscheinlich.


3 Das Gleiche schreibt er später an Schott. In der Gesamtausgabe ist die Wiederholung des Scherzo vollständig ausgedruckt.


4 Das war, wie Nohl richtig sagt, »Der Sieg des Kreuzes«; auch eine Äußerung Johanns van Beethoven vom 6. Mai bezeugt dies.


5 Der Brief in Thayers Materialien.


6 Zu einem Konversationshefte der letzten Jahre, in welchem diese Frage besprochen wird, hatte Schindler geschrieben »Winter 1826«. Nicht nur die Bezugnahme der bezüglichen Eintragungen auf die neue Londoner Einladung, sondern noch andere kleine Züge (z.B. daß Karl noch bei den philologischen Studien ist), dann die Erwähnung der vorjährigen Akademien (1824) lassen erkennen, daß wenigstens der betreffende Teil des Buches in das Jahr 1825 gehört und zwar in die erste Zeit desselben. – Hier schreibt u.a. der Neffe: »Du solltest den Brief genau lesen, und Dein eignes Urtheil, ohne auf die nie zu befriedigende Geldsucht des Bruders zu achten, soll den Ausschlag geben. Du mußt auch bemerken, welche viel andere Wege sind, in London Geld zu erwerben; Neate versichert, daß Du mit einer Summe zurückkehren wirst, die Dein ganzes übriges Leben ganz sorgenfrei machen kann.« Johann kommt mit der allgemeinen Phrase: »Auch für Deine Gesundheit ist es gewiß sehr gut, indem Reisen für jeden sehr gesund ist«, dann wieder Karl: »Haydn ist in seinem 50. Jahr auch nach London gegangen. – Er war aber nicht so berühmt.« Endlich Schuppanzigh mit seinem gemütlichen er: »Ich wünsche nur, daß er einmal den Muth faßt eine Reise zu machen, er würde es nicht bereuen.«


7 Auch dieser Brief bei Nohl (N. Br. Nr. 286), nach Moscheles, II S. 269.


8 Der französische Brief nach Moscheles (Life of Beethoven II 271), danach bei Nohl N. Br. Nr. 289. Daß der Brief aus Wien datiert ist, kann daher erklärt werden, daß er an dem Tage in Wien war oder eine Fahrt nach Wien in unmittelbarer Aussicht hatte und ihn dort zur Post geben wollte; er war ja damals schon in Baden. S. die Briefe an den Neffen im Anh. I.


9 »Der Sammler« vom 25. Januar.


10 »Ries hat das gekaufte Gut wieder neu aufgebaut« erzählt Holz im September 1825 im K. B.


11 Das Original dieses Briefes besitzt Frau R. in Eitelsbach bei Trier, eine Enkelin von Ries; ich habe ihn veröffentlicht in der Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft 1888 S. 97. Er ist von fremder Hand geschrieben, nur Unterschrift und Nachschrift ist von Beethoven. Der Brief trägt kein Datum, ich glaubte ihn anfangs noch ins Jahr 1824 setzen zu sollen; eine deutliche Bezugnahme auf Neates Brief und der Umstand, daß der weitere Inhalt sich auf die bevorstehende Aufführung auf dem Musikfest bezieht, läßt erkennen, daß er in die erste Zeit von 1825 und zwar in den Februar fällt.


12 Bezieht sich auf Neates Brief.


13 Man findet über diese Feste Näheres in der Denkschrift »Blätter der Erinnerung an die fünfzigjährige Dauer der Niederrheinischen Musikfeste. Cöln 1868.« Verfasser war Hauchecorne, einer der Gründer der Feste.


14 Auch diesen Brief durfte ich nach dem Original bei Frau R. veröffentlichen (a.a.O. S. 98). Der Ortsname ist verklebt, kann aber nur Wien sein. Auch hier ist nur die Unterschrift von Beethoven.


15 Den Brief hatte bereits Ries in den »Notizen« S. 160, aber unvollständig und ungenau, mitgeteilt. In den oben erwähnten »Blättern der Erinnerung« hat ihn Hauchecorne, der ihn als »Andenken von Ries« besaß, im Faksimile veröffentlicht; nach diesem erfolgt hier der Abdruck.


16 Es ist in der gedruckten Partitur der 258. Takt. Sehr bemerkenswert, wie genau Beethoven die Abschriften durchsah und das einzelne im Gedächtnis behielt.


17 »die nur teilweise« druckt Ries. Natürlich hat das Beethoven gemeint.


18 »geschickt« fügt hier Ries S. 161 hinzu, wovon im Faksimile nichts steht; wir haben hier nicht Beethoven zu korrigieren. Mit der Ouvertüre kann nur Op. 115 gemeint sein. »Marsch mit Chor« war wohl der aus den Ruinen, die um 1824 erschienen. Die weitere Ouvertüre, die er nicht schickte, kann nur die zu König Stephan sein; die zu den Ruinen war 1823 erschienen.


19 Adresse von anderer Hand: »An Herrn Herrn Ferdinand Ries, Capellmeister u. berühmten Compositeur in Bonn am Niederrhein.« Unten steht auf der Adresse: »Herrn Hauchecorne zum Andenken gegeben von Ferd. Ries.«


20 Blätter der Erinnerung S. 21. In dem mir vorliegenden Textbuche zu jener Aufführung lauten im letzten Satze der Symphonie die Übergangsworte zum Gesang so:


»Freunde, nicht doch diese Töne,

Freuden Hymnen laßt erschallen,

Freud' im Herzen widerhallen!«


Stand also auch damals die Form des Überganges noch nicht fest?


21 Diese und die folgenden Briefe sind von Nohl (N. Br. S. 260 ff.) mit manchen Ungenauigkeiten abgedruckt. Ich konnte die Mehrzahl der Briefe an Schott, unterstützt durch die freundliche Erlaubnis des HerrnDr. Wilke, in Mainz vergleichen. Bei dem hier angeführten Briefe schreibt Nohl 1824 und merkt an: »verschrieben für 1825«. Der Brief enthält aber ganz deutlich die Jahreszahl 1825.


22 So Beethoven. Nohl »nimmt«.


23 Hier sind einige Worte von Beethoven unleserlich gemacht.


24 Zu den weiter verheißenen »drei Kanons« ist vielleicht der einem kurländischen Baron von Düsterlohe »Wien, am 12. Jänner 1825« ins Album gezeichnete zu zählen:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

(Außer dem durch 2. Kapitel. Das Jahr 1825 angezeigten Einsatz – in der Oberquarte – ist aber ein früherer im Abstande eines halben Taktes – ebenfalls in der Oberquarte – möglich, sodaß der Satz dreistimmig wird). Hans Volkmann (Beethoven als Epigrammatiker, »Musik« VII 13) vermutet, daß Düsterlohe Beethoven Grüße Amendas gebracht habe. H. R.


25 Der Nohlschen Publikation gegenüber bemerke ich nochmals, daß der gegenwärtige Abdruck genau nach dem Original erfolgt.


26 Nohl N. Br. Nr. 291, von mir in Mainz verglichen. Der Brief ist von fremder Hand geschrieben.


27 Der Brief aus Jahns Nachlaß, auch bei Thayer. Gedruckt bei Kalischer, N. B. Br. S. 81.


28 Davon erzählt Castelli in seinen Memoiren III S. 118, der nur Steiner mit Haslinger verwechselte. Beethoven habe Holz geschrieben, er wolle Steiner einen lustigen Streich spielen, und dazu wörtlich bemerkt: »Dabei muß Castelli her halten.« Auch sonst habe ihn der große Beethoven wohl leiden gekonnt. »So oft er mich sah, fragte er mich immer: ›Was giebts denn wieder für colossale Dummheiten?‹ Ich erzählte ihm neue Bonmots und Anekdoten und er lachte immer um so herzlicher, je derber diese waren.« Mem. III S. 117.


29 – »Es ist nicht in der Ordnung, daß die Mainz. so etwas gethan haben, da es aber einmal geschehen ist, so schadet es nicht, unser Zeitalter bedarf kräftiger Geister, die diese kleinsüchtigen heimtückischen elenden schuften von Menschenseelen geißeln.« Und mit einer Hinweisung durch ein + auf diese Stelle unter dem Briefe: »so sehr auch mein Herz einem Menschen wehe zu thun dagegen sträubt, auch war es bloß Scherz u. gar nicht mein Gedanke, so etwas gedruckt zu wissen.« Er fühlte wohl selbst, daß die obigen hohen Worte hier nicht recht angebracht waren. Hätte Beethoven den Druck wirklich gewünscht – was also nicht der Fall war – dann durfte Haslinger sich mit Recht verletzt fühlen.


30 Nohl, N. B. Br. Nr. 282 von mir in Mainz verglichen.


31 In der gedruckten Partitur steht das non ligato nicht. Also ist das Originalmanuskript nicht überall maßgebend.


32 Nohl gibt die Stelle ungenau. Das d ist nicht deutlich, kann aber nicht anders heißen.


33 Die Zahl ist undeutlich.


34 Der Brief befindet sich jetzt in der Sammlung des Beethoven-Hauses in Bonn und lautet so:


»Herrn Ludwig v. Beethoven!


Da ich mit dem Einsetzen des Finale in Partitur zu Ostern erst fertig werden kann, und Sie selbes um diese Zeit nicht mehr benöthigen können, so übersende ich nebst dem bereits angefangenen die sämmtlichen Stimmen zu ihrer gefälligen Disposition.

Dankbar bleibe ich für die erwiesene Ehre Ihrer mir zugekommenen Beschäftigung verpflichtet; was ferners das sonstige mißhelle Betragen gegen mich betrifft, so kann ich belächelnd selbes nur als eine angenommene Gemüthsaufwallung ansehen; in der Töne Ideen Welt herrschen so viele Dissonanzen, sollten sie es nicht auch in der wirklichen?

Tröstend ist mir nur die feste Überzeugung, daß dem Mozart u. Haydn, jenen gefeyerten Künstlern, bei Ihnen in der Eigenschaft als Copisten ein mir gleiches Schicksal zugetheilt würde;

Ich ersuche nur, mich mit jenen gemeinen Copiatur Subjecten nicht zu vermengen, die selbst bey sklavischer Behandlung sich glücklich preisen, ihre Existenz behaupten zu können.

Übrigens nehmen Sie die Versicherung, daß, auch nur um eines Körnleins Werth, ich nie Ursache habe, meines Betragens willen vor Ihnen erröthen zu müssen


mit Hochachtung

ergebener

Ferd. Wolanek.«


Bemerkenswert ist, daß im April Karl im K. B. schreibt »Wolanek hat erfahren, daß du bei diesem schreiben läßt, und versucht beim Bruder auf allerlei Art vorzukommen.« –


35 Derselbe befindet sich gleichfalls auf der Mainzer Bibliothek; man findet ihn bei Nohl N. Br. S. 266.


36 Nohl N. Br. Nr. 284. Von mir in Mainz genau verglichen.


37 Diese Angelegenheit mit Henning ist schon früher erwähnt (IV S. 307 f.).


38 So scheint das undeutlich geschriebene Wort zu heißen. Nohl druckt »vormal.«.


39 Auch hier undeutlich. Ich lese nach Vermutung Wien.


40 Was hier steht ist nicht zu lesen. Die Ergänzung bei Nohl (S. 268) ist willkürlich.


41 Nohl N. Br. Nr. 285. Von mir verglichen. Beethoven litt, wie er an demselben Tage an Ries schrieb, an einer verbrannten Hand; davon ist auch in den Konversationen die Rede.


42 Das war, wie das Zusammentreffen der Zeit zeigt, die Anzeige wegen des Klavierauszugs von Henning.


43 Das war das A-moll-Quartett. Es wurde aber erst im Sommer vollendet, und erschien dann nicht bei Schott, sondern bei Schlesinger.


44 In Bäuerles Theaterzeitung vom 3. März wird das Konzert als erstes einer neuen Reihe von Schuppanzighs Quartetten angezeigt. »Das erste dieser Concerte findet am 6. März statt, und wird durch ein ganz neues meisterhaftes Quartett von Beethovens Composition verherrlicht. Dieses Werk (noch im Manuskript) dürfte den Freunden echter Tonkunst einen desto schöneren Hochgenuß bereiten, als es das einzige Quartett ist, welches der allgefeierte Componist seit fünfzehn Jahren geschrieben hat.«


45 Schindler II S. 113 (Nohl Br. B. Nr. 321). Der Erlaß ist von fremder, vielleicht des Neffen Hand, von Beethoven nur unterschrieben. Die Mitwirkenden haben mit Bleistift unterschrieben. Vorstehendes nach Thayer.


46 Näheres s. bei Schindler II S. 212. Seine Mitteilung wird einigermaßen bestätigt durch die allgemeine Musikalische Anzeige in Bäuerles Theaterzeitung vom 28. April. »Unser genialer Beethoven hat die musikalische Welt wieder mit einem Streichquartett beschenkt, welchem man schon lange sehnsuchtsvoll entgegensah, und welches endlich von den Herren Schuppanzigh, Holz, Weiß und Linke in des Erstern abonnirten Quartetten producirt wurde. Diese Composition ist von der Art, wie alle classischen Compositionen im höheren Style; sie können nicht so bequem aufgefaßt werden, wie manche Andere, welche schon deswegen ein größeres Publikum finden, worauf die ersteren verzichten müssen. Dazu kam noch daß Herr Schuppanzigh seine Aufführung beschleunigen mußte, wenn er das zögernde Quartett in der versprochenen Frist geben wollte, und also nicht so viele Proben machen konnte, als nöthig gewesen wären, und als man von früheren Quartetten Beethovens wohl machte, wie man noch bei vielen Tonkünstlern und Liebhabern erfragen kann, welche in Wien leben. Das Resultat jener Aufführung war das offene Geständnis fast aller Zuhörer, Professoren sowohl als Liebhaber, daß sie wenig oder gar nichts von dem Gange des Tongedichtes verstanden hätten und schon schien sich ein neidischer Nebel vor den jüngsten Stern dieses musikalischen Schöpfer-Genies ziehen zu wollen, da veranstaltete ein standhafter Kunstfreund und edler Kenner eine neue Produktion dieses Quartettes durch die obigen genannten Herren mit der Besetzung der ersten Violine durch Herrn Prof. Böhm, da dieser mittlerweile das neue Quartett vor einem kleineren Ausschusse von Kunstkennern mit besonderem Erfolg gespielt hatte. Dieser Professor trug nun das wunderbare Quartett zweimal an demselben Abend vor derselben sehr zahlreichen Gesellschaft von Künstlern und Kennern so vor, daß nichts zu wünschen blieb, die Nebeldecke schwand und das herrliche Kunstgebilde in blendender Glorie strahlte. Obwohl Prof. Böhm leichteres Spiel hatte, denn es war diese Composition gehört worden durch einen Meister, wenn auch mangelhaft, doch so vorgetragen, daß man... den mit Beethovens Geist vertrauten Künstler erkennen mußte, allein er hat seinem Ruhm durch das dreimahlige Spiel dieses ungemein schwierigen Quartetts einen ausgiebigen Zuwachs verschafft. Solche künstlerischen Wettkämpfe sind für die Kunst der größte Gewinn, zumahl wenn wie dießmahl, selbst der Verlierende nicht unterliegt, denn jeder unpartheiische muß gestehen, daß Herr Schuppanzigh diese Composition in so kurzer Zeit nicht besser spielen konnte, ob er jene Production nicht hätte hinaus schieben sollen und können, ist eine andere Frage, welche ein besser Unterrichteter beantworten mag, wenn er dazu Luft hat.«


47 Vgl. »Eine Soiree bei Prof. Böhm« in der Brünner Zeitung vom 18. und 30. Juni 1863. Ich entnehme den Auszug aus Thayers Nachlaß.


48 In der Gesamtausgabe lautet die Bezeichnung Allegro con moto, s. o. S. 152, Anm. 2.


49 Die Aufführungen Böhms fanden in Morgenkonzerten im Prater im ersten Kaffeehaus statt, nach Frimmel Beeth. S. 68.


50 Die Erzählung in Verbindung mit Böhms Aufführungen gibt auch Frimmel Beeth. S. 68 nach einer Überlieferung von Mitgliedern der Böhmschen Familie. Nach ihr fand der Vorfall nicht in Beethovens Wohnung, sondern in einem Wirtshause statt, was auch mit Rücksicht auf den sonstigen Inhalt wahrscheinlicher ist.


51 Der Neffe stellt die Violinspieler in Vergleichung, »Mayseder spielt brillanter, Böhm ausdrucksvoller« schreibt er. Holz sagt einmal (wahrscheinlich bezüglich des Es-Dur-Quartetts): »Ich glaube daß Mayseder es am besten spielen würde. – Er dirigirt die andern drei, während Böhm sich dirigiren läßt.«


52 Holz schreibt einmal von sich selbst im K. B., etwa im August 1825: »Karl Holz, im Badhause in der Herrengasse, Kassaoffizier, eigentlicher Kassagrenadier. – 700 F. Gehalt.« Anderswo sagt er von sich: »Ich habe einen sehr leichten Dienst. – Im Grunde arbeite ich nur eine Stunde lang. Die andere Zeit habe ich für mich. Aber drinnen sitzen muß ich, meinen Körper muß ich wenigstens hineinstellen. Ich habe für mich immer interessante Beschäftigung.«


53 Der Neffe Karl schreibt im K. B., in Verfolg der obigen Bemerkung über seine Studien bei Glöggl: »Holz wird heut kommen um dich zu bitten, ihm dieTempi der Symphonie zu zeigen, welche Sonntag im Redoutensaal gemacht wird. Heut ist die Probe. Er muß dirigiren und hat die Symphonie gewählt.« Das kann der Beginn der Bekanntschaft sein. – Thayer deutet die Notiz auf die B-Dur-Symphonie, 3. oder 4. April.


54 Über Holz vgl. noch Nohl Leben Beeth. III S. 626 ff.


55 Einmal sagt Holz: »Ich bin kein Schmeichler, aber ich versichere Sie, wenn ich nur an Beethovensche Musik denke, so freut es mich erst, daß ich am Leben bin.«


56 In Jahns Aufzeichnungen aus den Mitteilungen von Holz finde ich folgende Worte über Beethoven: »Er aß stark und substantiös; trank bei Tisch viel Wein, konnte aber viel vertragen, in lustiger Gesellschaft bekneipte er sich auch. Abends trank er Bier oder Wein, meistens Vöslauer oder rothen Ungarwein. Er komponirte nicht, wenn er getrunken. Nach Tisch ging er spazieren.« Diese Beobachtungen werden doch aus der Zeit des Verkehrs mit Holz stammen; ob er sich dabei schuldig fühlte, können wir nicht entscheiden. Daß Beethoven kein »Trinker« war, haben außer Schindler auch noch andere bezeugt.


57 »Später, als er durch seine Hypochondrie sich viele entfremdet,« sagte Czerny zu O. Jahn, wie ich dessen Erinnerungen entnehme. Holz selbst ist es, der ihn einmal bittet, unter Menschen zu gehen.


58 S. unten die Bemerkung des jungen Gerhard v. Breuning. Schindler will einmal (1826) Beethoven glauben machen, auch Breuning sei unzufrieden. Beweise haben wir nicht; daß sich Bernard, wie es scheint, zurückhielt, hatte andere sehr erkennbare Gründe.


59 Beethoven scheint selbst die beiden Männer auseinander zu halten. Als er einmal Holz zu sich zu Tisch bittet, versäumt er nicht hinzuzufügen, daß Schindler nicht dabei sein werde. »H. v. Holz. cito citissime. Schindler kommt nicht. Kommen sie zu Tische, es ist ohnehin nöthig. Der ihrige Beethoven.« heißt es auf einem Zettel bei G. A. Schirmer (Abschrift in Thayers Nachlaß). Er spricht auch einmal wegwerfend über Schindler, sucht ihm bei Beethoven üble Nachrede zu machen. Doch verkehrt er auch mit Schindler.


60 Noch in späteren Jahren schrieb die Witwe Karls an Holz: »Da Sie der intimste Freund des Compositeurs waren.«


61 Es ist zu bemerken, daß jene Erklärung gerade in die Zeit fällt, als ihm Holz in der Angelegenheit des Neffen wertvolle Dienste geleistet hatte. Sollen wir annehmen, daß Holz diese günstige Lage der Dinge benutzt hätte?


62 Der Knabe Gerhard von Breuning schreibt einmal in dem K. B. (1827) »Den Holz kann niemand leiden, denn jedermann der ihn kennt, sagt er sei falsch. – Er macht, als ob er Dich wunders wie gern hätte. – Er hat eine große Verstellung. – Du bist überall der Beste, die andern sind alle ›Lumpen‹. – Wenn Du nicht so gutmüthig wärst, könntest Du mit Recht auch ein Kostgeld verlangen. – Dein Wein gefällt ihm am besten.« Von dem reisen Mann Gerhard von Breuning lesen wir nichts dergleichen; auch hören wir nicht, daß Stephan von Breuning eine solche Ansicht gehabt.


63 Von O. Jahn erinnere ich mich auch die Bemerkung gehört zu haben, daß Beethoven zwar die Menschen benutzte, daß dies aber bei Holz wegfiel, der vielmehr Beethoven seinerseits zu benutzen wußte.


64 Am 9. April (s. oben S. 167) schreibt er an Ries: »Nun muß ich bald aufs Land, wo ich nur um diese Zeit gedeihen kann.«


65 Nach Schindler wäre dieselbe ausgebrochen, ehe die letzte Feile ans Es-Dur-Quartett gelegt war. Das ist aber nicht möglich, da dieses längst (schon im Januar) fertig und schon aufgeführt war. Daß die Krankheit in die Zeit vor dem Umzug nach Baden fällt, ergeben die Konversationen. Einen Endpunkt bezeichnet der gleich zu erwähnende Brief Johanns vom 6. Mai. Die Briefe vom 19. März und 9. April an Ries sind noch nicht von einem Kranken geschrieben. Demnach fällt die Krankheit in die zweite Hälfte April bis in die ersten Tage des Mai 1825. Schindler schreibt um die Mitte April im K. B.: »Ich halte das für die Folgen der Anstrengungen in der letzten Zeit, und der Unordnung in der Lebensweise. – Lieber Meister, bedenkt eine spätere Zeit. Wo soll das hin, die Nächte hindurch arbeiten? Es ist ja sonst nie geschehen.«


66 Beethoven schrieb sich in seiner Ungeduld, nachdem er schon einmal zu Staudenheimer geschickt hatte, im K. B. auf: »Braunhofer Bauernmarkt Nr. 588.«


67 Eine Zeitlang mußte er liegen. Karl sagt, nachdem Braunhofer da war: »Das Aufsein ist nicht gut, sagt der H. Doktor.«


68 Der Gegensatz der Brownianer und Stollianer spielt wieder seine Rolle in einem späteren Briefe Beethovens an Braunhofer. Vgl. darüber Kalischer, Neue B. Br. S. 189.


69 Dieser Wunsch Braunhofers, etwas von Beethovens Handschrift zu erhalten, ging in Erfüllung, wie wir sehen werden (vgl. S. 196).


70 Derselbe ist uns in den oben erwähnten »Blättern der Erinnerung« S. 20 aufbewahrt.


71 Der Brief, abschriftlich in Thayers Nachlaß, ist gedruckt bei Nohl Br. B. Nr. 331 mit der Angabe, er sei an den Bruder gerichtet. Nach Thayer war er an den Neffen. Das Original befand sich bei Artaria. Der Brief lautet:


Baden am 6. May 1825.


Die Glocke sammt Glockenzügen etc. ist auf keine Weise in der vorigen Wohnung zu lassen. Es ist diesen Leuten kein Antrag gemacht worden, mir irgend etwa etwas abzulösen; meine Kränklichkeit verhinderte mich, da bey meinem Daseyn der Schlosser nicht gekommen, die Glocke abzunehmen, gleich von hier in die Stadt zu schicken, man hätte selber nur können abnehmen lassen, da kein Recht selbe zu behalten vorhanden ist; – dem sey nun wie ihm wolle, ich lasse auf keinen Fall die Glocke da, hier habe ich eine nöthig u. gebrauche diese dazu, denn hier würde mich selbe 2mal mehr als in Wien kosten, da Glockenzüge das theuerste bei den Schlossern ist. – Im Falle der Noth sogleich zur k. k. Polizey. – Das Fenster in meinem Zimmer war gerade so wie ich eingezogen, jedoch kann dieses bezahlt werden, so wie das in der Küche, für beide 2 fl. 12 x. – Der Schlüssel wird nicht bezahlt, da wir keinen gefunden sondern die Thür war vernagelt oder vermacht, als wir eingezogen, und so ist selbe auch geblieben bis zu meinem Ausziehen, Schlüssel war nur einer da, da man natürlich weder bei dem der vor uns da gewohnt noch bei uns gar keinen gebraucht hat. – Vielleicht soll eine Kollekte veranstaltet werden so greif in den Sack.


Ludwig van Beethoven.


Der Brief ist offenbar an einen Hausgenossen gerichtet, über den er Autorität übte, also an den Neffen, nicht an den Bruder.


72 Eben dieser Verwalter riet ihm auch, den Dr. Rollet zu konsultieren, der sehr geschickt und beliebt sei. (K. B.)


73 Der Brief im Archiv der Gesellschaft für Musikfreunde in Wien, danach veröffentlicht von Nottebohm Allg. Musik. Ztg. 1876 Nr. 9, und danach wieder von Kalischer N. B. Br. S. 187. Der Abdruck bei Nohl Br. B. Nr. 335 (nach einer Abschrift in Gaßners Beethoven-Nachlaß, wie er angibt) ist unzuverlässig.


74 Brownianer, Stollianer, s. o. S. 193, 3. Beethoven sei Brown der zweite hatte Braunhofer gesagt, als Beethoven stärkende Mittel gewünscht hatte.


75 Vgl. Thayer chronol. Verz. Nr. 251. Beethoven schreibt im Konv. Buch, in der letzten Zeit der Krankheit: »Mein Arzt half mir, denn ich konnte keine Noten mehr schreiben, nun aber schreibe ich Noten, welche mir aus den Nöthen helfen.«


76 Im Konversationsbuch vom Mai-Juni 1825 finden sich Notierungen zum A-Moll-Quartett.


77 L. Rellstab, Aus meinem Leben. Berlin 1861. Bd. II S. 24 ff. Vgl. darüber Kalisch er in der Berliner Illustrierten Wochenschrift »Der Bär«, 1886, 31. Juli und 7. August.


78 Die Tage hat Rellstab nicht verzeichnet, hier können wir nur raten. Einen festen Punkt gibt der kleine Abschiedsbrief Beethovens vom 3. Mai. – Die Wohnung, die wir auch sonst kennen, gibt er an: Gruger [Kruger]straße 767, dort wohnte er im 4. Stock.


79 Daraus folgt nicht, daß die Krankheit vorüber war; das ganze Bild zeigt uns den kranken Mann; er mochte sich in der Hoffnung wiegen, daß er auf der Besserung sei. Sonach mag der Besuch in die Mitte oder die zweite Hälfte des April fallen.


80 Rellstab hat hier wohl die Dauer seiner ganzen Reise im Sinne. Wochen dauerte sein Verkehr mit Beethoven nicht. In Baden, wo sich Beethovens Genesung vollzog, sah ihn Rellstab nicht mehr.


81 Vgl. Wegelers Nachtrag S. 16 nach Rellstabs »Weltgegenden«. Seyfried erzählt von einer ähnlichen Äußerung Beethovens bez. des Don Juan; niemals sollte sich die heilige Kunst zur Folie eines so skandalösen Sujets entwürdigen lassen. In diesen Äußerungen erkennen wir ganz den hohen sittlichen Ernst von Beethovens Kunstauffassung, gesteigert durch die trübe schmerzbewegte Denkweise der letzten Jahre. Doch »wird man, auch ohne die Kunst vom Boden der Sittlichkeit abzulösen, diese Seite der menschlichen Natur der künstlerischen Darstellung nicht entziehen wollen.« O. Jahn Mozart II 4. Aufl. S. 425 Anm.


82 Der Neffe Karl nennt ein Konzert der Sontag, in welchem Mayseder beschäftigt war. Dieses Konzert war am 17. April.


83 Diese Stellen entnehme ich den mir vorliegenden Abschriften A. W. Thayers. Die angeführten Stellen stehen auch in der oben genannten Schrift Kalischers, worauf ich hinweise, um einige Abweichungen zu erklären. Das Fragezeichen nach Rezitativ rührt von Thayer her, Kalischer druckt nur Rezit., und vorher Rezitationen statt Rezitativen.


84 Den Namen Aegisth entnehme ich Kalischer, Thayer hatte ihn, vielleicht wegen Unleserlichkeit, weggelassen.


85 Darin vermutet Kalischer die Hofopernsängerin Josephine Schulz-Killitschgy, eine geborene Wienerin.


86 Es war Rellstab, wie er in einer Anmerkung sagt, durch Schindler bekannt, daß sich Spuren seiner Unterredungen mit Beethoven in den Konversationsbüchern finden. Er macht daher auf die notwendige Unvollständigkeit dieser Mitteilungen aufmerksam, und erwähnt, daß er bei der Unterhaltung zum Teil auch seine eigene Schreibtafel, sowie vielleicht eine Schiefertafel von Beethovens Tisch benutzt habe. Solcher Nebenumstände und mancher Einzelheiten des Gesprächs erklärt er sich nicht genau zu erinnern.


87 Den Brief, ohne Adresse und Datum, finde ich in Thayers Nachlaß; er beruft sich auf Rellstabs »Garten und Wald«, welches Buch mir nicht zu Gebote steht. Den Brief teilt Kreißle (Schubert S. 466) nach dem Original mit und erwähnt dabei, daß Thayer es für unzweifelhaft gehalten, daß er an Beethoven gerichtet gewesen sei. Der Inhalt macht dies allerdings unzweifelhaft.


88 Rellstab wußte nicht, daß Beethoven damals eifrig an den Quartetten arbeitete.


89 Ich folge hier Kalischer, dessen Erörterung in der oben angeführten Abhandlung (S. 535 Anm.) ich für richtig halte.


90 In Wien spielten damals Böhm und Mayseder mehrfach das Es-Dur-Quartett, letzterer gerade in jenen Tagen bei dem Hofkriegsagenten Dembscher. Von Schuppanzigh kann hier, wie wir wissen, keine Rede sein. Daß, wie ihm sein Gewährsmann erzählt, das Quartett von Steiner angekauft war, ist, wie wir wissen, unrichtig. [Höchst wahrscheinlich waren die Spieler Böhm und Genossen; vgl. weiter unten die Bemerkung über den zweimaligen Vortrag. H. R.]


91 Auch hier zeigt sich Rellstab wieder nicht genau unterrichtet.


92 Wen er sonst von Beethovens Bekannten kennen lernte, erfahren wir nicht. In einem Konversationsheft, in welchem auch von dem bevorstehenden Umzug nach Baden die Rede ist, schreibt einmal Schindler: »ich habe H. Rellstab aus Berlin noch nicht gesehen. Es fügte sich noch nicht, weil ich zu viel beschäftigt bin.« Dabei spricht er die Hoffnung aus, daß zum Frühjahr seine Beschäftigungen geringer werden. Ich kann nicht entscheiden in welche Zeit diese Einzeichnung zu setzen ist.


93 Wenn hier nicht ein Mißverständnis Rellstabs vorliegt, kann es sich nur um eine Revision der großen Messe behufs Herausgabe handeln. Mit Schott korrespondierte er ja noch. An die zweite Messe (IV S. 395f.) wurde damals wohl nicht mehr gedacht. Woran er gerade damals arbeitete, hat er offenbar Rellstab nicht anvertraut.


94 Rellstab fügt hinzu, er trage noch jetzt Bedenken vor sich selbst, auszusprechen, daß in diesen rätselhaften Werken Beethovens nur die Trümmer jener jugendlichen Schönheit und männlichen Erhabenheit seines Genius zu finden, daß sie oft tief unter wüstem Schutt vergraben sind: »noch jetzt trage ich Bedenken vor mir selbst, und falle oft in Zweifel, ob es nicht ein mangelhaftes Verstehen ist, was diesen Eindruck erzeugt? Was sollte ich damals sagen?« Der letztere Zweifel scheint doch begründet gewesen zu sein.


95 Es sind nur zum Teil die richtigen Namen (vgl. überhaupt IV. Bd. S. IX und 83).


96 Kalischer (S. 547) meinte, Beethoven habe durch diesen Akkord die Dissonanz seines Gemütswesens andeuten wollen. Nach dem Zusammenhange der Erzählung ist das durchaus unwahrscheinlich. Beethoven hätte das doch fortgesetzt, da er noch weitere Akkorde anschlug. Sicher ist, daß er, zumal er den Akkord »sanft« anschlug, ihn nicht gehört; er hatte ja, wie Rellstab sagt, dabei gar nicht auf die Klaviatur gesehen. Es war eben ein unrichtiger, nicht beabsichtigter Akkord.


97 Das war wohl ein Mißverständnis Rellstabs. Beethoven hatte längst die Absicht nach Baden zu gehen.


98 Wohl auf eine Frage Beethovens.


99 Dem Inhalte nach könnten die oberen an erster Stelle erwähnten Abschiedsworte hierher passen. Aber sie stehen im Konversationsbuche und dürfen daher bei dieser Frage von uns nicht verwertet werden. [Sollte nicht doch die zweite Einzeichnung der definitive Abschied sein, auf welchen Beethovens Abschiedsgruß die Antwort bildet? Wie eigentliche Konversation sieht dieselbe nicht aus. H. R.]


100 Nach Rellstabs »Garten und Wald« (Leipzig 1854, Bd. IV S. 109) bei Nohl Br. B. Nr. 329. Auch in der Neuen Wiener Musikzeitung 1855, 11, März., Thayer chron. Verz. 249. Die Worte sind aus Matthissons Opferlied, welches Beethoven kurz vorher in seiner letzten Fassung komponiert hatte.


101 Kalischer S. 547.


102 Er steht an zwei Stellen stückweise bei Nohl Br. Nr. 330 und N. Br. Nr. 287, das erste Stück nach dem Faksimile in der Cäcilia (VII 66). Ich habe den Brief in Mainz verglichen. Das Datum ist von anderer Hand geschrieben und nach Vergleichung mit dem Briefe Johanns wohl unrichtig. Die Ähnlichkeit des Anfangs mit dem Briefchen an Rellstab deutet auf den 3ten.


103 So im Original. Das dis (die letzten drei Noten) ist wohl ein Irrtum (statt fis, vgl. Bd. IV S. 470); die Gesamtausgabe (Serie 22 S. 64) läßt aber in der höheren Variante auch das h weg:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

104 Unter der Anrede »Euer Wohlgeboren« steht dann noch mit dem Zeichen ⌗ »NB. Es ist auch nachzusehen, ob beim Chor des Opferliedes auch bei der Violonschellsti ie tutti i violoncelli angezeigt ist, wo nicht, muß es geschehen.«


105 Das war der Musikdirektor Scholz in Warmbrunn, den er auch in einem Briefe an Schindler aus dem Jahre 1823 einmal erwähnt. Vgl. Kalischer, N. B. Br. S. 11 ff., Nohl Br. B. Nr. 266, Schindler 2. Aufl. S. 136.


106 Die Unterschrift fehlt.


107 Ob es einmal dazu kommen wird, die ganzen Konversationsbücher bekannt zu machen, müssen wir abwarten. Ich muß mich auf besonders wichtiges beschränken und halte mich an Thayers Abschriften.


108 Der Arzt Dr. Braunhofer schreibt einmal zur Zeit der Krankheit: »Wo ist Ihr Neffe den ganzen Tag? In Wien ist ein junger Mensch übel daran ohne Aufsicht.« Und noch 1826 schreibt einmal Johann: »Was hat er denn im ganzen Jahr 1824 gethan – spatzieren gegangen.«


109 Anhang I B.


110 Hierher kann man beziehen, was Schindler II S. 120 erzählt.


111 Breuning schreibt einmal im K. B.: »Wie macht sich der junge Mann? Zu welchem Fache? Heut zu Tage immer beschränkter. – Alles läuft heut dem Militär zu; denn die Jugend will sich nicht unterrichten.«


112 Er wünscht nach dem K. B. einmal die Messe zu erhalten. Beethoven liebt es den Namen Reißig zu schreiben. Zu Karls Lehrern hier gehört auch Dr. Ignaz v. Sonnleithner, der ebenfalls Beethoven kannte.


113 Das war nicht, wie Vancsa schreibt, der langjährige Kopist Beethovens; dieser lebte nicht mehr (vgl. S. 115).


114 Beethoven ist hierin gewiß zu weit gegangen und bemaß die Fähigkeiten des jungen Mannes sicherlich zu hoch. Von der Notwendigkeit eines zusammenhängenden Studiums für einen jungen Studierenden machte er sich wohl keine klare Vorstellung.


115 Wir teilen alles hierauf bezügliche im Anhang I mit.


116 S. den Brief aus dem September, im Anhang I.


117 Die Zeit dieses Umgangs ist nicht bestimmt zu begrenzen. Hier wird er nur des Zusammenhangs wegen erwähnt. Noch zur Zeit des Selbstmordversuchs (s.u.) verkehrt Karl mit Niemetz.


118 Es war die Arbeit am A-Moll-Quartett.


119 Bach erscheint in dieser Zeit auch im Konversationsbuch. Da schreibt er: »Sind Sie schon in Baaden. – Wir lassen Sie noch nicht fort. – Sie werden schlecht behandelt. – – – Im August werde ich nach Baaden kommen. – –«


120 Wollte der Bruder für ihn sorgen, ihm bei irgend einem abenteuerlichen Plane behilflich sein?


121 Der Brief ohne Datum war in G. A. Petters Sammlung und ist danach von Nohl (Br. B. Nr. 332) mitgeteilt. Abschrift in Thayers Nachlaß. – Bestimmt ist natürlich die Zeit dieses Briefes nicht anzusetzen, er kann auch etwas später, nach einem erneuten Aufenthalt in Wien, geschrieben sein.


122 Unter Beethovens persönlichen Notizen aus dem K. B. aus Ende September heißt es einmal: »Weg nach dem Institut wie lange.« Danach wollte er sich also erkundigen; um selbst hinzugehen, oder um es wegen Karls festzustellen, mag jeder entscheiden. Ein Bekannter hatte einmal bemerkt, daß Karl einen weiten Weg habe.


123 Diese Worte können den Gedanken nahe legen, daß Beethoven zu der Zeit, als dieser Besuch stattfand, dauernd wieder in der Stadt war, also nach seiner Rückkehr nach Mitte Oktober. Das kann auch nach dem Inhalt recht wohl sein; doch etwas bestimmtes chronologisches können wir nicht feststellen.


124 Im K. B., etwa im August, sagt der Bruder einmal: »Im Winter will ich ihn zu mir nehmen, wenn es dir recht ist, und da soll es dich nichts kosten.« »Den Neffen natürlich« schreibt Schindler hinzu.


125 Dieses Ereignis erzählt Frimmel (Beethoven S. 75) und verlegt es in das Jahr 1824, wohin es nicht paßt. Die beiden Briefe an den Neffen (Anh. I B Nr. 32, 33) nehmen offenbar Bezug auf ein solches Ereignis. Mit diesen Briefen brachte es auch Vancsa (S. 17) in Verbindung. Die Frage, wo der Neffe gewesen sein kann, beim Oheim oder der Mutter oder bei einem gleichgesinntem Freunde (Niemetz?) ist müßig; wir können sie nicht beantworten; ebenso wenig was einen derartigen Versuch des Neffen hatte hervorrufen können.


126 Es bezog sich vielleicht auf Behandlung des Gehörleidens. S. auch den Begleitbrief an den Neffen, Anh. I, Br. Nr. 16.


127 Das Original befand sich bei Artaria in Wien. In Thayers Nachlaß befindet sich ein Faksimile des Briefes, welches ich benutze. Vgl. den Abdruck bei Nohl Br. Nr. 357. Die Übermittlung des Briefes ging durch die Hand des Neffen (s. die Briefe im Anhang I Nr. 16), von dem auch Bericht über das Buch erwartet wird. Die Adresse ist nicht von Beethovens Hand.


128 Des schreiben richtig Nohl und Thayer. Im Original Du. Dann im Original Buche. So mußte in Beethovens eiliger Schrift manches stillschweigend verbessert werden.


129 S. den Brief Nr. 22 im Anhang I.


130 Das Original besaß Theodor Reuter in Wien, der es Thayer lieh. Die Adresse ist nicht von Beethovens Hand.


131 Ein Beethovenscher Scherz; er umgeht das Du.


132 Ein Stück abgerissen.


133 Karl Gottlieb Freudenberg, Erinnerungen eines alten Organisten, bearb. von Viol, Breslau 1870 S. 40 ff.


134 Seit 1831 (Thayer).


135 Auch andere Stellen des Heftes zeigen, daß Beethoven in Baden war, doch noch nicht allzulange.


136 Auf das betr. Heft schrieb Schindler »vom Jahr 1825 in Baden«. Thayer nahm den August dieses Jahres an. Da in demselben auf die Arbeit am A-Moll-Quartett und dessen bevorstehende Aufführung, auf den brieflichen Verkehr mit Schlesinger, auf die Aufsätze über Haslinger und die Kanons in der Cäcilia u.a. hingedeutet wird, so wird Thayers Annahme das Richtige treffen.


137 Es scheint, daß Beethoven wegen einer Stellung in Holland für den Neffen gefragt hat.


138 Der Kanon befand sich nach Nohl im Besitz des Autographenhändlers O. A. Schulz in Leipzig. Er lautet nach Nohl so:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

139 »Bis Ende August bleiben wir noch hier« im K. B. Anfang September schreibt ihm Schlesinger auf: »Sind Sie nicht kürzlich mit Czerny im Park spazieren gegangen? – Die Frau v. Poreira sagte mir heute, daß sie sie beyden da gesehen, und er Ihnen gesagt, Sie seien so glücklich, weil Kopf und Herz bei Ihnen im Einverständniß leben. Sie hat es gehört, Sie gingen bei ihr im Gespräch vorbei.«


140 »Zmeskall hat sich lange unnütz geplagt. – Jetzt hat er sich selber mit lauem Wasser und vomiren kurirt, und es soll ihm besser gehen. – Er hat bereits alle Bade-Orte, auch die stärksten, gebraucht, aber alles umsonst.« (K. B.)


141 Nottebohm II. Beeth. S. 582. Er hatte es schon vorher in der Allg. Mus. Ztg. vom 9. Febr. 1870 mitgeteilt.


142 + »welches mir auch schon dafür gebothen, jedoch aus andern Rücksichten«, Zusatz am Rande, wieder gestrichen.


143de [so nach Beethovens Sitte am Rande beigefügt], »wie ich würde ihnen aber gern den Vorzug geben«.


144 + (am Rande von Beethoven beigefügt) »wie ich denn von Ries weiß, daß Ihr Sohn in Paris auch schon früher meine Kompositionen dahin gegeb.«


145 Das Eingeklammerte ist wieder durchstrichen.


146 Hier ist zu bemerken, daß das eine der Quartette noch nicht fertig war, die vierhändige Sonate aber immer ein nicht ernstlich aufgegriffener Plan geblieben ist.


147 x »niemanden andern geben«, Zusatz, wieder gestrichen.


148 Gestrichen, wie die übrigen durch [] eingeklammerten Stellen.


149 Mit Peters in Leipzig, an den Beethoven einen Brief entworfen hatte (Anhang I Nr. 26), den dann Karl später in Beethovens Namen schrieb (s. Nohl N. B. Br. S. 278), kam kein Geschäft zu Stande. – Auch an Haslinger wurde gedacht, wie wir den Konversationen entnehmen.


150 Vgl. den Brief an Karl vom 11. August, Anhang I Nr. 25.


151 Den Brief teilt Nottebohm mit, Allg. Mus. Ztg. 1870 S. 69. Holz hatte dazu geschrieben: »Diesen Brief erhielt ich aus Baden im August 1825, als ich die Abschrift des eben beendigten Quartetts in A-Moll besorgte, wovon er mir die eigenhändige Partitur anvertraute.« Nach Nottebohm auch Nohl, Leben B. III S. 634.


152 Nach Jahns Nachlaß in Berlin von Kalischer N. B. Br. S. 81 herausgegeben. Abschrift bei Thayer. Vgl. den Brief an den Neffen vom 11. Aug. (Anhang I Nr. 25).


153 Die folgenden Worte beziehen sich auf den Haslinger-Scherz und sind bereits früher (S. 172 f.) mitgeteilt.


154 Der Scherz, den sich Beethoven hier erlaubt, ist so derb, daß er nicht mitgeteilt werden kann.


155 Abschrift des Briefes war in Jahns Nachlaß und ist jetzt in Berlin. Darnach hat ihn Kalischer abgedruckt, N. B. Br. S. 75. Ich folge einer Abschrift dri Thayer, auch nach Jahn. Von ihm sind auch die Seitenzahlen am Rande. Eine zelne Lücken im Texte sind dadurch verursacht, daß etwas Papier mit dem Siegel weggerissen ist.


156 Vgl. den Brief an Holz vom 10. Aug. (S. 230) sowie oben im Text S. 172.


157 Peters (nach dem gleichzeitigen Brief) und wahrscheinlich Schlesinger.


158 Mit diesen Worten sollen, dem Zusammenhange nach, die Musikalienverleger bezeichnet sein. S. Nohls Anm., nach Castelli (?).


159 So Thayer, Kalischer »das erste«. – Beethoven meint hier (wie auch Kalischer sah), das B-Dur-Quartett. S. den Brief an den Neffen vom 24. Aug. (Nr. 26), nach welchem es in 10 bis 12 Tagen fertig sein sollte.


160 Diese neugeschaffenen Wörter (Verdeutschungen musikalischer Ausdrücke) findet man bei Nohl N. Br. B. S. 277 Anm.


161 Bei dem »Direktor« vermutet Kalischer Piringer. Ich verzichte darauf, eine Deutung dieser Worte zu versuchen.


162 Den Brief gab Nohl Br. B. Nr. 361 (das Original nach Nohl bei Petter in Wien). Nohl überschreibt ihn unrichtig »an den Copisten«, hat diesen Irrtum aber später berichtigt.


163 Hier waltet ein Gedächtnisfehler bei Holz ob. Das Quartett war bei Beethovens Übersiedelung noch nicht fertig.


164 »Dies war unten an der Seite des Briefes wo man umwenden mußte.«


165 Holz macht dazu folgende Anmerkungen: (a) »Bei dem öffentlichen Quartett des Schuppanzigh war ich damals Secundarius, Weiß spielte Viola und Linke Violoncell. Zu einem Beneficeconcert, welches Linke veranstalten wollte, hatte ihm Beethoven die Ueberlassung des besprochenen Quartettes in A moll zugesagt.« (b) »So hieß der Copist.« (c) »Soll gelesen werden: ›wo ein Punkt über der Note, darf kein Strich statt dessen stehen‹.« – (d)»Um diese Zeit fuhren täglich die Gesellschaftswagen von Baden nach Wien.« (e) »Beethovens Neffe.«


166 S. den Brief an den Neffen vom 6. September (Nr. 28 im Anhang I). »Auf Wunsch des Verlegers M. Schlesinger,« sagt Schindler. Schon am 18. Juli will er es zum Abschreiben geben. (S. den Brief Nr. 19.) Etwa im August schrieb Karl im K. H.: »Ich werde beachten mit dem Tobias hierherzukommen. – Das weiß ich schon zu verhüten. – Alle glauben es wäre am besten das Quartett zu spielen. Correctur könnte dann leicht gemacht werden ohne daß du dich zu bemühen brauchst; auch wäre es gut, daß Haslinger hört. – Warum? – Haslinger würde dazu kommen. – Deswegen weil es nicht gespielt; er braucht es auch nicht zu wissen, wenn du nicht willst. Es kommt niemand dazu, als etwa ich; es bleibt also ganz verschwiegen; gut ist es immer wenn sie es spielen. Blahetka.« Nicht alles ist hier klar; doch soll das Quartett einmal gespielt werden, und Haslinger soll es hören. Daß Schlesinger später bei der Einrichtung mitwirkte, sehen wir aus den Konversationen; daß aber der Gedanke von ihm ausging, ist unwahrscheinlich.


167 Über Sellner, Oboist und Professor am Konservatorium, vgl. Hanslick, Konzertwesen S. 249. Haslinger im K. B.: »Sellner ist ja Professor beim Verein.« Holz im K. B.: »Das ist der Professor vom Verein, der einzige der etwas versteht. – Sellner heißt der Professor.« Über Kuhlau schreibt Schlesinger im K. B.: »Kuhlau ist ein Mann von Talent, nicht wahr? – Ein Ciclop. – Das Auge steht der Nase nahe; haben Sie nicht bemerkt.« Kuhlau war nach dem K. B. schon einige Zeit in Wien wie es scheint.


168 In dem betr. Heft (»Jahr 1825 in Baden« überschrieben von Schindler) ist eine Anzahl Blätter entfernt. Wurden die Scherze vielleicht zu derb?


169 Kuhlau hatte in der Allg. Mus. Ztg. 1819, S. 831, ein musikalisches Anagramm mit diesen Noten veröffentlicht. Ich finde diese Notiz in Nottebohms handschr. Bem. zu Thayer Nr. 253.


170 Fast genau so in seiner Abschrift. Das Original, welches ich nicht vor mir habe, scheint sehr unleserlich zu sein.


171 Seyfried a.a.O. S. 25. Vgl. Thayer chronol. Verz. Nr. 253. Ges. – Ausg. Serie 23 Nr. 256, 12.


172 Der Brief, ohne Adresse, befand sich in G. A. Petters Sammlung; ich gebe ihn nach Thayers Abschrift. Nohl hatte ihn Br. B. Nr. 364 als »an Zmeskall« gerichtet herausgegeben, hat diesen Irrtum aber in der Biographie (III S. 641) stillschweigend berichtigt. Auch Thayer hatte gesehen, daß er nur an Holz sein könne. So auch jetzt richtig Kalischer, N. B. Br. S. 78, nach Jahns Abschrift.


173 Nach Thayers Annahme der Klavierfabrikant Graf. Wird mit dieser Ankündigung der besprochene erste Besuch Kuhlaus gemeint (was wegen des »wiederkommen« zweifelhaft ist), dann waren jene Worte am 1. September geschrieben.


174 Man will also eine Nachfeier von Beethovens Namenstag begehen.


175 Vermutlich am Sonnabend den 3. oder Sonntag den 4. September.


176 Der Besuch von Kuhlau war am 2., am 3. erhält er den Kanon. »Gestern« erfuhr es von ihm Schlesinger. Da er nun nachher den angenehmen Tag (mit Kuhlau und den übrigen) als »vorgestern« bezeichnet, so fand also die jetzige Unterhaltung am 4. September (Sonntags) statt.


177 Wir übergehen, was auf Beethoven keinen direkten Bezug hat.


178 Also am 6. oder 7. – Mit dem 2ten muß hier das B-Dur gemeint sein.


179 Auf eine Äußerung Beethovens, die sich auf die in Aussicht genommene öffentliche Aufführung bezog.


180 Mit einem solchem Probieren vor Schlesinger war Beethoven anfangs gar nicht einverstanden, s. den Brief an den Neffen Nr. 28. Er sträubt sich gegen den Gedanken, daß Schlesinger das Werk zuerst kennen lernen wollte, bevor er es übernahm. Daher der Wunsch Schlesingers, auch das erste zu hören, er scheint sein rein musikalisches Interesse betonen zu wollen.


181 Hier hat Schindler an den Rand geschrieben: »Das Gegentheil davon ist wahr«, bezweifelt also, daß Cherubini so sich ausgesprochen habe.


182 In demselben Heft wie vorher Schlesinger. Schindler hatte es unrichtig mit 1826 bezeichnet.


183 Das wußte Beethoven schon durch den Neffen, und war mit der Aufführung in Wien einverstanden. S. den Brief Nr. 28 im Anhang I.


184 Anderswo erzählt Karl: »Ich habe vergessen Dir zu sagen, daß bei der Probe des 2ten Quartetts der Wolfmayer war; bei dem Choral konnte er sich der Thränen nicht enthalten. Dieses feierliche andächtige hat ihn sehr ergriffen.«


185 Hier wird über Karl gesprochen, was wir in anderem Zusammenhange bringen.


186 Allerdings ein starkes Versehen (letzter Satz T. 7–10;).


187 Part. S. 24 T. 15. Holz verwechselt wohl hier Viola und Violoncell.


188 Wilhelm Würfel, ein Böhme, Klavierspieler und Komponist, war längere Zeit Klavierlehrer am Konservatorium zu Warschau und seit 1826 Kapellmeister am Kärntnerthortheater zu Wien. Hanslick, Konzertwesen S. 224.


189 Würfel spielte später nicht; wir kommen darauf zurück.


190 »C. M. Weber soll gestorben sein.« – – »Ich habe ihm einmal zu verstehen gegeben was ich von ihm denke. Wir führten ihm zu Ehren Ihr Quartett inEs (das 10te) auf; das Adagio fand er zu lang; ich aber sagte, Beethoven hat auch ein längeres Gefühl und eine längere Phantasie als alle, wie sie dastehen und nicht dastehen. – Seit dieser Zeit kann ihn auch Linke nicht mehr leiden: das können wir ihm nicht vergessen.«


191 Diese Pläne kamen, wie wir wissen, alle nicht zur Ausführung; doch wären diese Äußerungen nicht möglich gewesen, wenn nicht Beethoven irgendwie eine Schaffensluft gezeigt hätte.


192 Von dieser ersten Darstellung spricht auch Schindler II S. 113, begeht aber den doppelten Irrtum, daß er die Aufführung in den August verlegt, und daß er Holz erste Violine spielen läßt, während es Schuppanzigh war.


193 Schon am 7. Sept. hatte Smart, wie er in seinem Tagebuch notiert, ein Gespräch mit Maysed er über Beethovens Chorsymphonie, wobei sie in ihren Ansichten übereinstimmten. »Bei der Aufführung in Wien dirigirte Umlauf die Chorsymphonie und Schuppanzigh war der Leiter. Alle Bässe spielten in dem Rezitativ; doch hätten sie eine Erzählung, daß es für Dragonetti geschrieben sei« usw. Man erkennt, daß die Darstellung nicht auf eigner Anschauung beruht.


194 Die Aufzeichnung ist englisch, ich gebe sie hier deutsch.


195 Im Tagebuch kurz: bought by Schlesinger.


196 Holz erzählte O. Jahn: »Beethoven nahm an dem Einstudiren seines Quartetts bis zuletzt Theil; die hohen Töne hörte er – wie man durch starkes Schreien ins linke Ohr sich ihm auch verständlich machen konnte – besonders sah er auf den Bogen und nahm Holz einmal die Geige aus der Hand und spielte ihm eine Stelle vor.« Der Klaviermacher Ries in Wien erzählte Thayer, daß er zusammen mit Schlesinger und Smart das Quartett, welches Schlesinger kaufte, gehört habe. Im Finale habe Beethoven eine Bewegung gemacht, als sei er mit einer Stelle unzufrieden. Nach Beendigung habe Schuppanzigh gefragt, welches die Schwierigkeit gewesen sei? Beethoven zeigte eine Stelle, wo Holz nicht den richtigen Bogenstrich angewendet. »Man sollte,« sagte er, »Holz unter den Stuhl legen und anzünden, damit Holz Feuer bekommt.« Da diese Szene, wenn ich Thayers Notiz richtig lese, in die Ungargasse (364) verlegt wird, so darf man Zweifel hegen. In der Ungargasse wohnte Beethoven im Vorjahre, wo diese Szene nicht stattgefunden haben kann.


197 Der Gastgeber war Schlesinger. Nach der Mitteilung Fischhoffs an O. Jahn gab Schlesinger 1825 Beethoven ein brillantes Diner, die Liste der einzuladenden Personen wurde B. vorgelegt, er strich Schindlers Namen aus. »Nach Tisch bat ihn der Instrumentenmacher Graff zu phantasiren und seinen Namen in das Instrument zu schreiben; er that es, man konnte wohl den Rhythmus aber nicht die Melodie erkennen«


198 Karl schreibt hier auf: »Sie machen das 2te Quartett weil viele da sind, die es nicht gehört haben; später das 1. –«


199 Etwas verschieden erzählt dies Castelli, Memoiren III S. 118: »Als der Musikalienhändler Schlesinger in Wien war, gab er ein glänzendes Gastmahl, wozu auch Beethoven und ich geladen waren. Nach dem Speisen wurde Beethoven angegangen, auf dem Pianoforte zu improvisiren, allein er weigerte sich. Man drang immer mehr in ihn, endlich sagte er: ›In's drei Teufelsnamen, aber Castelli, der keine Idee vom Pianofortespiel hat, muß mir darauf ein Thema angeben.‹ Ich trat zum Instrument, fuhr mit dem Zeigefinger drei Tasten nach einander hinab und die nämlichen wieder zurück, und er lachte, sagte ›Schon gut‹, setzte sich zum Klavier und phantasierte immer unter Einmischung dieser 4 Noten eine ganze Glockenstunde, daß alle Zuhörer in Entzücken geriethen.«


200 Die Cibbini war Klavierspielerin. Schlesinger schreibt im K. B.: »Man hat mir gesagt, Sie hätten die Cibbini einmal heirathen wollen, ist das wahr?« – Beethoven scheint das abzuweisen und Schlesinger zu sagen, daß er das Beispiel geben solle. Schl. antwortet: »Wenn ich heirathen sollte, so sollen Sie der erste sein, dem ich meine Braut vorstelle.«


201 Sedlaczek war namhafter Flötenvirtuose (Hanslick Konzertw. S. 251). Er reiste bald nachher nach Paris, später nach London. Bei seiner Abreise nach Paris (im November) bat er Beethoven um Empfehlungen an Cherubini und Kreutzer. Karl entwarf die Briefe; die Entwürfe stehen im K. B. Da heißt es


»A Mons. Cherubini.


Monsieur!


Le Porteur de la présente lettre, Monsieur Sedlatzek, desire ardemment vous rendre ses hommages. Je sui assez convaincu de l'estime, que vous manquez à des Artistes dignes de ce nom, pour lui faire espérer un accueil favorable de votre part.

Acceptez en même l'assurance de la plus haute consideration avec laquelle j'ai l'honneur d'être


Monsieur

votre tres humble S.

L. v. B


Und weiter:


»A Monsieur Kreutzer.


Monsieur!C'est dans l'espérance que Vous vous souvienez encore de votre ancien ami, que j'ose vous recommander le porteur de cette lettre, Monsieur Sedlatzek, un des Artistes les plus distingués, en vous priant de ne point lui refuser vos conseils ni votre

Je profite de cette occasion pour vous témoigner ma consideration et mon amitié perpetuelle


Je suis

Monsieur

votre tres humble S.

L. v. B


Ich gebe diese Schriftstücke wie ich sie finde, mit ihren Versehen und Lücken; das manquez im ersten Briefe, welches das Gegenteil des gewollten Sinnes enthalten würde, ist wohl unrichtig abgeschrieben und soll gewiß marquez heißen. Die Briefe gingen ab; denn Karl schreibt später im K. B.: »Sedlaczek läßt sich Dir empfehlen und bedanken. Er reist übermorgen.«


202 Vgl. IV S. 89 (und dazu die Korrektur das. S. IX).


203 Das soll Beethoven gesagt haben? er wäre mit sich selbst und mit den Tatsachen in Widerspruch getreten (vgl. S. 45 und 242).


204 Das wird sich auf den Entwurf der Messe in Cis-Moll beziehen.


205 Auf diese Erzählung brauchen wir wohl kein Gewicht zu legen.


206 »his chest and gout«. Thayer deutet hier einen Zweifel an.


207 Das erzählte auch Ries (der Klaviermacher) Thayer; er sei dabei gewesen, Smart habe Beethoven die Busennadel am Hemde befestigt. Beethoven habe sie anfangs nicht, annehmen wollen, habe sie aber doch, wie Ries meint, schließlich genommen.


208 Auf dieselben Worte hatte Beethoven für Hummel am 4. April 1816 einen Kanon aufgeschrieben, vgl. Thayer III S. 382. Nohl N. Br. S. 106. – In einem Konversationsheft vom Anfang 1826 liest man von Holz' Hand:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

»Ließe sich auch nicht [wohl] so geben. – Das haben Sie dem Smart aufgeschrieben.« – (Die Lösung ist sicher von Beethoven im Abstande eines Taktes im Einklang gemeint und zwar für 4 Stimmen, aber auch mit der fugenartigen Beantwortung Holz' im gleichen Zeitabstände für 4 gemischte Stimmen möglich. H. R.)


209 Die Hofkapelle war zur Krönung der Kaiserin nach Preßburg gereist, wie Karl erzählt. Holz' Worte im K. B.: »Wir haben es schon beschlossen für künftige Woche. Das Nähere wird ein Anschlagzettel von mir besagen«, die um die Zeit des 18. September (C-Dur-Messe in der Karlskirche) oder kurz vorher geschrieben sind, scheinen mir darauf hinzudeuten. Karl schreibt bald nachher: »Holz will versuchen, die Violine I im 2ten Quartett zu spielen, weil Schuppanzigh nicht hier ist« und später: »Ob es nicht möglich wäre, daß du Montag nochmahl in die Stadt kämst, um den Tag noch mit H. v. S. zuzubringen. Vor Tische wurde [würde?] ein Quartett arrangirt.« Das deute ich auf Montag den 26. »Montag sollst du doch kommen. – Um noch zusammen zu seyn. Kann etwas gemacht werden, so geschieht es. Czerny und Holz werden sorgen.« Und weiter: »Holz will wahrscheinlich Montag die erste Violine spielen«, und etwas später (2 Tage, meint Thayer): »Montags wird das erste Quartett [er meint doch wohl A-Moll] gemacht. Holz wird die prima und Leon St. Lubin aus der Josephstadt die 2te Violine spielen.« – Weiter: »Ich freue mich das erste wieder zu hören. Daß aber Holz die 1ma spielt ist mir nicht recht. – – Zu mir hat er gesagt: O, wir wollen es schon auch gut spielen.« – Wenige Zeilen nachher schreibt dann Karl: »Morgen ist die Krönung in Pressburg.« Die Krönung der Kaiserin Karoline Auguste in Preßburg fand am 25. September statt, nach Horvath, Fünfundzwanzig Jahre aus der Geschichte Ungarns, übers. von Novelti, I S. 129, und Meynert, Franz I. S. 25. – Es ist noch zu bemerken, daß nicht lange vor der Einladung, am »Montag« nach Wien zu kommen, von dem Tode des Grafen Dietrichstein im K. B. die Rede ist, der am 17. September starb. Nicht lange nachher erinnert ihn Karl an das Versprechen, für Schlesinger etwas zum Andenken zu schreiben, und schließt daran die Frage, ob er Montag noch einmal mit Schlesinger in der Stadt zusammen kommen wolle. »Schlesinger geht heut nach Preßburg« und gleich nach Erwähnung der Krönung: »Schlesinger fährt die ganze Nacht durch.« Und unmittelbar darauf, allerdings nach einigen persönlichen Notizen Beethovens, schreibt Karl: »Du solltest doch heut noch was für den Schlesinger schreiben.« Am 26. (Montag) erhielt Schlesinger den Kanon. Dann gleich nachher: »Jetzt wird der Schlesinger eben von Preßburg abfahren. – Die Ungarn müssen es noch als eine besondere Gnade ansehen, daß sie tüchtig zahlen dürfen.« Also der Krönung wegen war Schlesinger nach Preßburg gefahren. Alle diese Notizen machen klar, daß in Thayers Datierung ein Irrtum ist.


210 Der Kanon bei Thayer Chronol. Verz. Nr. 352. Nohl Br. B. S. 316. Ges. – Ausg. Serie XXIII Nr. 256, 17. Der Kanon findet sich nach mehreren Skizzen zum B-Dur-Quartett, vgl. Nottebohm II. Beeth. S. 11. [Die wohl allein korrekte Fassung der Gesamtausgabe läßt zwei einwandfreie Auflösungen des Kanons zu, eine in der Obersekunde einsetzende in Gegenbewegung:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

und eine das Einsatzzeichen auch auf die Pause mitbeziehende in der Oberterz in gerader Bewegung:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

Beethoven dürfte wohl erstere gemeint haben. H. R.]


211 Etwas später steht im K. B.:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

Beethoven schreibt die Musik, Karl den Text; dazwischen steht noch eine Notiz Beethovens über Erfragung einer Wirtschafterin. Darunter schreibt irgend ein anderer: »Holz Christi ist Galgenholz«. So nach Thayers Abschrift. Das betr. Heft bezeichnet Schindler unrichtig »Im Sommer 1826« statt 1825.


212 Holz im K. B.: »Das Manuskript soll also Schlesinger auf keinen Fall bekommen, das wird einst ein Capital für Karl.«


213 Nach Karls Äußerung im K. B. gingen Schlesingers Absichten noch weiter. »Schlesinger kauft auch das 1te Quartett von dem Schott. Sie fürchten sich, wenn sie es nicht geben, daß ers nachsticht.«


214 Soll wohl Biedermann heißen, s. o. Schlesinger im K. B.: »Das 2. Quartett wird bei Biedermann abgegeben, dem ich den Auftrag zum zahlen gebe, er bezahlt es baar bey Ablieferung gegen Quittung.«


215 Aus dem Schwarzspanierhause S. 54. S. auch die Abbildung bei S. 64.


216 Das hübsche Buch »Aus dem Schwarzspanierhause« (Wien 1874, Neudruck von Kalischer Berlin 1907 mit Anmerkungen) ist für Beethovens letzte Lebenszeit eine Hauptquelle. Wenn man nicht alles Wichtige darin findet, so muß man eben bedenken, daß der Verfasser damals ein zwölfjähriger Knabe war und nicht in alles eingeweiht sein konnte.


217 Daß beim Suchen einer Wirtschafterin auch der Neffe eine Rolle spielte, entnehmen wir dem Konversationsbuche.


218 Der Brief stand schon in Wegelers Nachtrag S. 21 aber mit der unrichtigen Angabe: »Datum wahrscheinlich 1820«. Breuning (S. 60) bringt ihn im richtigen Zusammenhange. Vgl. Nohl, Br. B. Nr. 377.


219 Vgl. S. 256 (Clementis Klavierschule).


220 Der Brief, nach Thayer, bei Breuning S. 70; auch in Thayers Nachlaß nach Jahns Abschrift. Der Brief ist auf der Berliner Bibliothek, wo ich ihn ebenfalls abgeschrieben habe. S. auch Kalischer, Die Beethoven Autographe, S. 80.


221 Das scheint anzudeuten, daß der Brief während des Badener Aufenthalts geschrieben ist. Dann wäre die Verhandlung wegen der Klavierschule schon vor Beethovens Übersiedelung gewesen.


222 Die Jahreszahl 1826 für diesen Brief ist unmöglich, wie die Ereignisse dieses Jahres ergeben werden. Der unbekannte Schreiber hat sich im Jahre geirrt. Die Klavierschule kam wohl in diesem Jahre an.


223 (Vermutlich) 1888, Heft 5 S. 120. Wie Frimmel angibt, stammt das Briefchen »nach einer alten handschriftlichen Bemerkung« aus dem Jahre 1826 und ist an A. Schindler gerichtet. Die Zeit kann richtig sein, ebensowohl kann es noch in die letzte Zeit von 1825 gehören. An Schindler aber war es wohl nicht gerichtet, der in jener Zeit nicht in so naher Beziehung zu Beethoven stand. Ich vermute, daß es für Holz war.


224 Karl Maria von Bocklet, geb. 1801 in Prag, kam 1821 nach Wien und wurde schon damals Beethoven empfohlen. Er war anfangs Violinspieler und kam als solcher an das Theater an der Wien. Später ging er ganz zum Klavier über und nahm Jahrzehntelang eine geachtete Stellung in Wien ein. Vgl. Hanslick Konzertwesen S. 222. Nohl Br. B. Nr. 175 nebst Anm.


225 Der undatierte Brief hier nach Thayers Abschrift; diese, wie Thayer angibt, nach dem Original in Luibs Besitz. Früher hatte es, wie bei Nohl zu ersehen, Bocklet selbst. Dieser schrieb an Nohl, »daß er das Trio zusammen mit Holz und Linke im Jahre 1825 oder 26 bei Beethoven probirt habe.« Da wird wohl ein Irrtum der Erinnerung obwalten; im Konzert spielte es jedenfalls Schuppanzigh, der ja das Quartett spielte.


226 Der »Sammler« hatte es am 27. Okt. so angezeigt: »L. van Beethovens neustes Quartett in A moll wird Sonntag den 6. November 1825 im Saale des Musikvereins zum rothen Igel in einer von Herrn Joseph Linke veranstalteten Privat-Akademie aufgeführt werden. Auch wird Beethovens großes Trio in B dur für Pianoforte Violine u. Cello gegeben, wobei Hr. Carl Maria von Bocklet die Clavierstimme übernommen hat.«


227 »Das Quartett hat ihm viel getragen«, sagt Karl später von Linke.


228 Part. S. 11 (163) Takt 23. Beethovens Antwort wird wohl nein gelautet haben.


229 d.h. Beethovens. Schuppanzigh redet Beethoven immer mit er an.


230 Ich muß darauf verzichten, hier weiteres aus den Konversationsheften, was nicht unmittelbar hierher gehört, mitzuteilen. Insbesondere sehe ich von Äußerungen Schindlers ab, der ein paarmal plötzlich hineinschreibt, aber infolge des gelockerten Verhältnisses über die Einzelheiten dieser Zeit nicht genauer unterrichtet ist. Übrigens begeht auch Karl Irrtümer, er verwechselt einmal die Klavierspieler Bocklet und Würfel, wie es scheint.


231 Bemerkungen und kurze Skizzen, welche Beethoven in Baden, also nach der Genesung, ins Konversationsheft schrieb, sind für die Zeitbestimmung entscheidend.


232 Vielleicht schon im Juli, wenn wir annehmen, daß die Abschrift den August in Anspruch nahm. Die erste Aufführung war am 9. September.


233 Außer den Biographien verweisen wir auf Helms Schrift über Beethovens Streichquartette, S. 256 ff. (Der Herausgeber bittet noch, an seiner Analyse [Musikführer Nr. 238[nicht vorüberzugehen, sieht aber davon ab, dieselbe hier zu exzerpieren. H. R.)


234 Zu beachten sind auch hier Beethovens Vortragsbezeichnungen in dem Briefe an Holz (S. 233) wie sie auch in der Gesamtausgabe stehen.


235 S. 9 (169) T. 12 der Partitur.


236 Sollen wir es als Zufall nehmen, daß die beiden ersten Sätze mit denselben Noten gis–a beginnen? freilich mit ganz anderem Charakter. Hier wird die Tonart schnell festgestellt, dort wird sie langsam gesucht.


237 Vgl. Helm S. 267.


238 Früher in der Artariaschen Sammlung, dann beiDr. Prieger in Bonn, jetzt in der Königl. Bibliothek in Berlin.


239 Anm. des Herausgebers. Freilich hat aber die zweifellos hier reproduzierte ältere Idee eine rhythmische Veränderung erfahren, welche sie zu etwas ganz Neuem macht und so recht charakteristisch für die Gestaltungsweise des letzten Beethoven ist, nämlich die Verschiebung des Taktstrichs um ein Viertel, durch welche sämtliche Harmoniefortschreitungen auf die Auftakte gerückt sind:


2. Kapitel. Das Jahr 1825

sogar mit einem Bogen für das ganze Motiv, was die synkopische Wirkung sehr verstärkt. Bekanntlich hat Brahms diese Eigentümlichkeit des letzten Beethoven wiederholt aufgenommen.


240 Auf dem Heft findet sich außer der allgemeinen Aufschrift: »Jahr 825 in Baden« noch von Schindlers Hand, wie mir scheint, die Bemerkung »eigentlich in Guttenbrunn bei Baden«. Die Bemerkung steht auf der Rückseite von Bl. 27.


241 Das Wort ist nicht deutlich, kann aber nichts anderes heißen. An einer späteren Stelle, etwa im August, heißt es: »Heiliger Dankgesang eines Wiedergenesenen, – Beym 3/8 neue Kraft fühlend.« Etwas nachher: »Metronom höchst nöthig bis 3/8


242 Beethoven schreibt auf der Originalhandschrift hinzu: »Dieses Stück hat immer h


2. Kapitel. Das Jahr 1825

nie wie gewöhnlich


2. Kapitel. Das Jahr 1825

geht also selbst von der Vorstellung des F-Dur aus.«


243 Helm S. 271: »Beethoven wählt die lydische Tonart als alte Kirchentonart überhaupt, d.h. als etwas an und für sich Liturgisch-Religiöses.«


244 S. oben S. 22.


245 Vgl. I 2. Aufl. S. 138. Dort ist sie aber dem Neffen in den Mund gelegt, während Holz der Fragende war.


246 Etwas früher sagt Holz: »Mozart hätte sichs auch gefallen lassen, die Wiener Zeitung in Musik zu setzen. – Die Fuge in der Ouvertüre zur Zauberflöte soll eigentlich dem Händel angehören. – Er hat früher eine andere geschrieben, Schikaneder hat sie verworfen.« Das würde wohl Holz nicht haben beweisen können.


247 Pohl, Die Gesellschaft der Musikfreunde S. 14, aus dessen nicht ganz klarer Darstellung doch der obige Sachverhalt zu entnehmen ist.


248 Vgl. Hanslick Konzertwesen S. 355.


249 Darunter nennt ihm Karl den Direktor des Gymnasiums in Andernach; es wird aber nicht gesagt, daß ihn Beethoven gesprochen. Dieser Direktor hieß Jacob Richter.


250 S. das Datum des gleich folgenden Briefes.


251 Das Original war bei Artaria. Abschrift bei Thayer.


252 Vgl. Thayer chronol. Verz. Nr. 257. Gesamtausgabe Serie 25 Nr. 285, 5. Das Original besaß Molts Sohn, eine Abschrift hatte Thayer.


253 Nottebohm II. Beeth. S. 1 und 13 (2stimm. Kanon im Einklang).


254 Theaterzeitung vom 24. Dez. 1825.


255 Er steht bei Nohl N. Br. Nr. 294, nicht ganz genau. Ich habe das Original in Mainz verglichen. Nur die beiden Unterschriften sind von Beethovens Hand.


256 dedicata bei Nohl.


257 »der Dedication« fehlt bei Nohl.


258 Auch dies wieder von fremder Hand, mit Ausnahme der Unterschrift.


259 Ich nehme das Datum von Nohl, da ich das Original des Briefes nicht gesehen haben. Es muß danach unter den Briefen Beethovens einer fehlen, in dem Briefe Anhang I Nr. 15, den ich in die erste Hälfte Juli setze, wird wie wir sehen auf diese zu schreibenden Briefe hingewiesen.


260 Den Brief entnehme ich Nohl N. Br. Nr. 293, der über den Verbleib des Originals nichts sagt. Was Beethoven hier fordert, deckt sich ungefähr mit dem Inhalt des im Anhang mitgeteilten Briefentwurfs. Er nimmt, soweit wir aus dem, was vorliegt erkennen können, Bezug auf den Brief des Neffen. Es handelt sich natürlich überall um das B-Dur-Quartett.


261 Wenn Peters das verlangt hat, so war es allerdings eine seltsame Zumutung an einen Meister wie Beethoven. Auch früher schon hatte sich Peters, zu Beethovens großem Mißvergnügen, ein Urteil über die Bagatellen erlaubt (IV S. 322).


262 Nach Abschrift bei Thayer. Vgl. Nohl N. Br. S. 279.


263 Den Brief besaß Frau van Beethoven. Gedruckt bei Nohl N. Br. S. 294 ff., Anm.


264 Auch daraus geht hervor, daß die Freundschaft schon zu Lebzeiten der Mutter Beethovens bestanden hat. Vgl. die Anm. Bd. I S. 205.


265 Dieser Sohn (Julius) kam auch nach Wien, aber erst 1831.


266 Vgl. Bd. I S. 208.


267 Schwester der Hofrätin v. Breuning.


268 Bd. I S. 207. Mitteilung St. v. Breunings im K. B., Ende Dez.: »Das größte Phlegma. Lebt noch mit 84 Jahren, war noch mit uns voriges [Jahr] in Kölln. [Wohl der Onkel.] Die Mama ist mit 76 Jahren viel galanter als jemals, kein Kleid ist ihr schön genug. – Die Frau sagte, Wegeler gleicht einem noch jungen Franzosen. Er macht den guten bonvivant, u. 1000 Liebhabereyen. – Die Frau spricht von Ries, der in Godesberg baut. Uebrigens gibt sie sich kaum die Ruhe zu schlafen, u. ist den ganzen Tag auf den Füßen.«


269 Der Name begegnet sonst nicht.


270 Bei dem Namen steht ein Fragezeichen; von Thayer?


271 Schuppanzigh bittet B. einmal im K. B., ihm die »Primstimme zu zeigen«. Und wiederum (etwa Neujahr) »Ich möchte doch meine Stimme ein bischen zu Hause übersehen können, bevor wir probiren.« Beides beziehe ich auf das B-Dur-Quartett. Das Einstudieren desselben begann nicht lange nachher, im folgenden Jahr lesen wir davon.


272 Vgl. Thayers chronol. Verz. Nr. 258. 259. Beide Stücke sind in die Gesamtausgabe aufgenommen, Serie 25 Nr. 304. 305.


273 Den Titel gibt Nottebohm in einer handschr. Bemerkung nach dem Rudolf. Verz. so an: »Musikalisches Angeb ände zum Neuen Jahre. Eine Sammlung 40 (sic) neuer Walzer von eben so vielen Tonsetzern sammt einem Schlußwalzer mit Coda von F. Lachner. Herausgegeben von C. F. Müller. Wien bei Th. Weigel.« Das ist wohl Verwechselung mit einer unter ähnlichem Titel schon früher erschienenen Sammlung. Karl sagt einmal im K. B.: »Der Müller hat den Walzer auf eigene Kosten stechen lassen, und alle Kunsthandlungen haben darauf subscribirt, jede auf 30 Exemplare. Jedes Exemplar bekommt er mit 3 fl. bezahlt.« In einer kurz darauf folgenden Bemerkung, eine Haushälterin betreffend, wird als Beethovens Wohnung noch die in der Johannesgasse (969) bezeichnet. Bezieht sich also obige Bemerkung auf unsern Walzer, dann müßte er schon früh im Jahre geschrieben sein; das muß unbestimmt bleiben.


274 In Nottebohms handschr. Bemerkung wird der Titel so angegeben: »Terpsichore. Eine Sammlung von 50 der neuesten deutschen Tänze für diesen Carneval, componirt für das Pfte. von eben so vielen Tonsetzern. Wien bey P. Mecchetti.« Das ist doch gewiß dieselbe Sammlung.


275 Unmittelbar vorher schreibt Karl: »Samstag müssen wir einige Neujahrsbillet kaufen, ich muß sie zu den Professoren etc. abgeben.« Und nachher Holz: »Ich werde heut mit den Neujahrswünschen nicht fertig.« Der Neujahrstag 1826 war ein Sonntag, –


276 Eine Reminiszenz aus seiner Lektüre. Das lateinische laudari a viro laudato des Naevius wird öfter angeführt, so bei Cicero epist. ad fam. XV 6 »Laetus sum laudari me, inquit Hector, opinor apud Naevium, abs te, pater, a laudato viro.« Ferner Seneca,epist. 102, 16 »cum tragicus ille apud nos ait magnificum esse laudari a laudato viro, laude digno, ait.« Aus welcher Schrift Beethoven das Wort hatte, können wir natürlich nicht wissen.


Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 5, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1908., S. 282.
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