Musikleidenschaft Franz Anton's

[9] Durch Gunst und Heirath in ein Amt gekommen, dessen sachliches Wissen ihm bis dahin fern gelegen hatte, und zu dem ihn keine Neigung[9] trieb, bedurfte es in der That seiner bedeutenden geistigen Gaben, um ihm die Bewältigung der immerhin complicirten Geschäfte des Justiz- und Oekonomie-Amtes Steuerwald möglich zu machen, was ihm indeß, mit mehr oder weniger Unterstützung seiner Unterbeamten, 9 Jahre hindurch in unerwarteter Weise gelang, wenn auch hie und da der Baron Weichs, der ihm unwandelbar gewogen blieb, ein ausgleichendes Wort einlegen mußte. Nichts konnte indeß verhindern, daß das monotone Knarren des alternden Geschäftsmechanismus, dem er vorstand, und an dessen staubigen Papiergetrieben er sich täglich seine seelischen Gliedmaßen zu besudeln meinte, dem euphonischen Sinne des unruhigen und genialen Mannes immer unerträglicher werden mußte, so daß er mehr und mehr zu Versuchen kam, den inneren Mißton durch äußeren Wohllaut auszugleichen, Geige und Contrabaß wieder hervorsuchte und, als ob die Fluth der alten Leidenschaft für die Tonkunst jetzt alle Dämme durchbräche, mit solchem Fanatismus wieder zu musiciren anfing, daß die Amtsgeschäfte ernstlich zu leiden begannen.

Das konnte dem Fürstbischof Friedrich Wilhelm, dem Nachfolger seines Gönners Clemens August, der diesem nicht allein im Amte, sondern auch im Wohlwollen für Franz Anton von Weber succedirte, nicht verborgen bleiben, und es wollte dieser gütige und kunstliebende Fürst, um Franz Anton's Talente wenigstens nutzbar zu machen, ihm den Musikunterricht seiner Enkel übertragen. Franz Anton, die huldvollen Absichten ganz verkennend, die sein Fürst für ihn hegte, lehnte in der Meinung, daß man seine Stellung herabzuziehen beabsichtige, das Anerbieten auf das Schroffste ab. Zu gleicher Zeit steigerte sich sein musikalischer Eifer bis zu den wunderlichsten Ausschreitungen. Er verbrachte nicht allein den größten Theil seiner Zeit mit musiciren, sondern seine Geige begleitete ihn sogar auf seinen Spaziergängen, wo er dann oft, geigend vor seiner ziemlich zahlreichen Familie herschreitend, oder einsam im Felde wandelnd, der Gegenstand der Belustigung und des Spottes der Landbewohner wurde.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 9-10.
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