Neue Theaterunternehmungen Franz Anton's 1788

[20] Franz Anton hatte kaum begonnen, die Pension wieder zu beziehen, als die Luft am Bühnen-Wander leben, die nur leise in seiner Seele geschlummert hatte, wieder erwachte und ihn zur Ausführung von Plänen trieb, die ihn, von da ab, rastlos bis zu seinem 78. Jahre durch die Welt führen, und seiner sanften, jungen Gattin edeln, stillen Sinn mit derselben tiefen Betrübniß füllen sollte, die Anna von Fumetti's Herz gebrochen hatte.

Die Liebe zur Musik, die Franz Anton bei Antritt seiner Beamtung am Eutin'schen Hofe in ganzer Reinheit zu pflegen die Absicht hegte, war allmälig wieder vergiftet worden. Er hatte die Musiken zu den theatralischen Aufführungen am Hofe geleitet, hatte wieder auf dem verhängnißvollen Dirigentensessel vor der Prosceniumsrampe gesessen, und hatte mit dem Staub der Bretter, dem Farbengeruch der Dekorationen, dem Dunst der Lampen wieder jenes unbegreifliche Opiat getrunken, das die Bühne übelriechend aushaucht und das ihr doch alle, die ihr jemals im Glück oder Unglück zu nahe kamen, unwiderstehlich zu Sklaven macht, hatte auf seinen Reisen wieder den Zauber großer Bühnen auf sich wirken lassen, und sich in jenem Jubelschalle zusammenschlagender Hände berauscht, der die Klugen bethört und die Thörichten wahnsinnig macht.

Franz Anton, mit seinem Sinne für äußern Glanz, Erscheinung und lauten Erfolg, erlag dem Zauber schneller als jeder Andre, wurde von dem Trunke taumliger als die Meisten. Seine Liebe für die körperlose Muse der reinen Musik verwandelte sich rasch in brennende Leidenschaft für die üppige Form des musikalischen Dramas, und mit[20] dem ihm eigenen rücksichtslosen Feuer, erblickte er bald die Zielpunkte aller Musikbestrebungen in der innigen und organischen Verknüpfung der körperlichen Handlung und Erscheinung mit der Tonwelt. Mit dem Aufhören der theatralischen Vorstellungen am Eutiner Hofe, die auch zum Theil seine Pensionirung als Capellmeister zur Folge gehabt hatten, mag er sich seiner neuen Leidenschaft erst völlig bewußt worden sein, wahrscheinlich stieg noch die Sehnsucht nach den lockenden Brettern, genährt durch seiner Söhne Edmund und Fridolin Briefe aus Wien, welche die Herrlichkeit der dortigen Theaterwelt schilderten, und so war die Uebernahme der Stadtmusikantenstelle zu Eutin eigentlich ein a priori mißglückter Versuch eine stille bürgerliche Existenz zu begründen.

Franz Anton sah sich von vier erwachsenen Kindern, drei Töchtern Eva, Josepha und Antonetta und einem Sohne, Franz Joseph Maria, umgeben, die sämmtlich musikalisch erzogen und wohlgebildet, wohl im Stande erschienen, den Kern einer dramatisch-musikalischen Gesellschaft abzugeben, zwei Söhne, die eben zu tüchtigen Musikern unter Haydn's Leitung herangebildet worden waren, konnten in gleicher Weise, mit ihm selbst vereint, den Stamm einer kleinen Capelle bilden, und so reiste denn der Plan in ihm, eine Operngesellschaft zu begründen und, mit ihr Deutschland durchziehend, die Meisterwerke dramatischer Musik, die sich der Leistungsfähigkeit der kleinen Truppe zugänglich zeigen würden, in musikalisch abgerundeter Form dem Publikum vorzuführen.

Hastig entschlossen, wie es seine Art war, setzte er den Plan unter den Thränen seiner Gattin und seiner Töchter ins Werk, welche letztern sich zwar schon auf des Herzogs Hofbühne mit Glück versucht und dadurch nicht wenig zum Reisen der Pläne Franz Anton's beigetragen hatten, aber doch vor dem Stande als Sängerinnen Scheu trugen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 20-21.
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