Emil Leopold August von Sachsen-Gotha

[321] Emil Leopold August, der Compositionen des jungen Componisten, welcher sich so schnell einen bedeutsamen Ruf zu machen begann, gehört, Aufsätze von ihm gelesen, dem der Kronprinz Ludwig von Bayern von dessen eminenter Geistesgabe geschrieben hatte, und dem vielleicht eine kleine Reminiscenz an seines berühmten Verwandten, Carl August, Freundschaft mit Göthe in der Seele lag, forderte ihn durch einen seiner wunderbaren geistvollen Briefe, dringend auf, nach Gotha zu kommen und dort einige Zeit bei ihm zuzubringen.

Der geistige Reichthum des Briefes gewann, neben dem Rufe des Herzogs, als ein Fürst, den Napoleon selbst unter die geistvollsten, die er kenne, gerechnet hatte, schnell Weber's Sinn, und da ihn in Gotha nichts band und er immer zur Ausführung seiner Plane nach Leipzig zurückkehren konnte, folgte er der Einladung des Herzogs, nachdem er am 14. Januar noch mit Bärmann ein Concert gegeben hatte, dessen Vortragstücke, bis auf eine, von Schicht's Tochter gesungene Arie von Righini, sämmtlich von Weber's Compositionen waren. Auch hier errang die Ouverture zum »Beherrscher der Geister« die vollste Anerkennung, der »Erste Ton« erregte das Interesse und die Vorträge der Concertgeber versetzten, nach Rochlitz's Ausdruck, »das Publikum nicht allein in Begeisterung, sondern wußten es auch darin zu erhalten.«

Den 17. Jan. 1812 reiste Weber mit Bärmann nach Gotha ab.[321]

Der Herzog Emil Leopold August, der ihn zu sich rief, gehört zu den geistvollsten und interessantesten, aber auch wunderlichsten und zerfahrensten Persönlichkeiten, die jemals auf einem Throne gesessen haben.

Ein glühender und schwärmerischer Verehrer der Kunst, hatte er, trotz der strengen, ihm vom Stuttgarter Militärakademiker, Ernst von der Lühe, gewordenen Erziehung, es doch nie zu der consequenten Sammlung seines reich ausgestatteten und mit den vielseitigsten Kenntnissen geschmückten Geistes bringen können, die zu einer Leistung in derselben erforderlich ist. Glücklich in seiner Verwaltung, durch die ihm von seinem Vater, Herzog Ernst, hinterlassenen braven Räthe Thümmel, Trützschler, Lindenau, wendete er mit geistvoller Humanität sein Hauptaugenmerk auf Verschönerung seines lieblichen Ländchens, die Verbesserung der Straßen, des Unterrichts und der Verkehrsanstalten, hielt seine treuen Diener hoch und verwendete keine Summen auf das Spiel mit dem Militärwesen, über das er, als in kleinen Staaten eine reine Last, oft spottete. Klug besorgt und umsichtig lavirte er, ohne seiner Würde Etwas zu vergeben, durch die schwierigen politischen Verhältnisse, die Deutschland einen andern Charakter gaben, so daß Napoleon ihn selbst, wie erwähnt, einen der geistvollern deutschen Fürsten nannte. Aber außerhalb des Bereichs der ernsten Geschäfte seines Fürstenberufes war Herzog August voll der wunderlichsten Excentricitäten, die, je nach Laune und Stimmung, ihre Natur auf's Schnellste wechselten, heute voll poetischer Gluth und Schöpferdranges, schrieb er Tage lang an Gedichten und Idyllen, die, bei aller Schwülstigkeit einer ungebändigten Phantasie, doch von entschiedenem Talente zeugen, und von denen eine Anzahl, unter dem Titel »Kyllenion, ein Jahr in Arkadien«, im Jahre 1808, ohne Nennung des Namens des Verfassers, zum Theil mit von ihm selbst componirten, musikalischen Begleitungen, erschienen sind, oder er diktirte dem alten Jacobs, zu dessen Schrecken, eine Reihe Capitel aus einem Kunstromane, »Pandenone« (die Alllust) betitelt, der, sich endlos fortspinnend, unvollendet von ihm hinterlassen wurde, oder er correspondirte in der geistvollen, an Gedankenblitzen reichen und gemüthvollen, oft sogar sentimentalen[322] Form mit seinen Geistesfreunden, unter denen Jean Paul und Ernst Wagner oben an standen. Die Briefe an diese Männer sind Muster des Ausdrucks einer edeln, großen, oft fast überreichen, für Freundschaft tief empfänglichen Seele. Am andern Tage gefiel er sich darin, die Geißel seines seinen und scharfen Witzes, der ihm schlagend zu Gebote stand, über alles ihn Berührende zu schwingen, oder seine Hofgesellschaft durch unglaublich barocke Einfälle zu verblüffen. Wohl dem, den er bei solchen Gelegenheiten beleidigte, er versöhnte ihn gewiß durch Huldbeweise.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 321-323.
Lizenz:
Kategorien: