Hans Wilh. und Moritz v. Thümmel

[324] Im Auftrage des für den Augenblick abwesenden Herzogs begrüßte Weber in Gotha, bei seiner Aufwartung bei Hofe, dessen jüngerer Bruder, Prinz Friedrich, ein schlichter, liebenswürdiger Fürst, und der[324] greise Minister Hans Wilhelm von Thümmel, bei dem Weber seinen Bruder, den noch ältern, aber auch in seinen hohen Jahren höchst anziehenden, schalkhaften Dichter der »Wilhelmine«, Moritz v. Thümmel, zu treffen das Glück hatte. »Ein herrlicher Mann!« ruft er in seinen, mit aller Expectoration so sparsamen Notizen aus, »voll Feinheit und Beobachtungsgabe. Ich freue mich auf seine nähere Bekanntschaft!« Weber war mehrere Tage in Gotha, die er theils im angenehm geistig-geselligen Verkehr mit dem Prinzen Friedrich, Superintendent Löffler, (bei dem er merkwürdiger Weise zufällig den Pfarrer aus Eutin traf, der ihn getauft hatte), den Thümmel's, Spohr's, Schlick's und Frau Scheidler, theils, um die Zeit auszufüllen, mit den Vorbereitungen zu seinem Concerte, bei dem ihm die letztere zu singen versprach, verbrachte, ehe der Herzog ein Lebenszeichen von sich gab.

Endlich kam er an und Weber erhielt sofort eines jener außerordentlich gewinnenden Billets, in deren Abfassung der Fürst Meister war, des Inhaltes, daß der Herzog sehr beklage, ihn jetzt nicht in Gotha genießen zu können, da ihn Geschäfte nach Erfurt riefen, er bäte ihn aber, zum Herbst längern Aufenthalt bei ihm zu nehmen und jetzt ihm, so bald als möglich, die Freude seiner Bekanntschaft zu verschaffen. Im Anfange fühlte sich Weber, der nur auf die Einladung des Herzogs nach Gotha gekommen war, verletzt, indeß die Ausdrücke des Billets waren zu verbindlich, er fuhr nach Hofe und – war bezaubert von der fast huldigenden Aufnahme, die er gefunden hatte und der ihm durch und durch sympathischen Individualität des Herzogs. – Diese Bezauberung hat niemals eine Abnahme erlitten, erneute sich bei jedem neuen Verkehr mit Leopold August und ist auch psychologisch vollkommen motivirt. Uebersetzt man nämlich das dichterische Element, das im Wesen des Fürsten einen so bestimmenden Theil ausmachte, in das Musikalische und zeichnet hiernach die künstlerischen Porträts beider Männer, so wird eine Aehnlichkeit unverkennbar zu Tage kommen, obwohl das des Herzogs die Charge des Weber'schen sein, dieses die Züge des sich entwickelnden und abklärenden Genius, jenes die Conturen der sich in's Maßlose treibenden, unheilbar unfruchtbaren, genialen Verworrenheit zeigen wird.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 324-325.
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