Letzte Arbeiten in München

[305] Nach nur kurzer Ruhepause bei Freund Baron Hoggner auf Wolfsberg, kehrte Weber über Lindau, Immenstadt, Kempten und Landsberg nach München zurück, wo ihn, neben manchen Verdrießlichkeiten, die ihm aus angeknüpften zu nahen Beziehungen erwachsen waren, die freudige Nachricht erwartete, daß Bärmann, der »eben so treffliche Clarinettist als Mensch«, ihn auf seinen ferneren, bedeutungsvollen Kunstreisen durch Norddeutschland begleiten werde. Alle Beschwerden der Reise verschwanden damit wie Schatten und alle Freuden erschienen im doppelt goldigen Lichte. Mit allem Eifer wurden die Vorbereitungen zu derselben, die ihm nun eine wahre Lustreise schien, betrieben. Vor Allem war, um Empfehlungsbriefe von dem Königspaare erhalten zu können, die Vollendung der Canzonetten und Duetten erforderlich, deren Dedication die Königin genehmigt hatte, und das vom Könige für den Fagottisten Brandt bestellte Concert war noch zu schreiben. Sodann sollte noch ein großes Concert mit Bärmann in München gegeben und darin neue Compositionen vorgeführt werden, die kritischen Blätter drängten um die Besprechung des »Unterbrochenen Opferfestes«, welches kürzlich neu inscenirt worden war; kurz, es gab alle Hände voll zu thun.

Kräftig angefaßt, brach aber unter den Händen der rüstigen Künstler rasch Glied an Glied von der Kette, die sie an München band.

Der Aufsatz über »Das Opferfest« wurde am 5. Nov. vollendet und die drei Canzonetten (Duette), die an den 6 für die Königin von Bayern bestimmten, fehlten, (das Erste aus C dur: »Mille volte mio tesoro«, das Zweite aus G moll: »Va ti consola addio«, das Dritte aus F: »Ninfe se liete«) am 19., 20. und 21. fertig gemacht, nebst den[305] anderen auf der Reise geschriebenen Canzonetten schnell abgeschrieben und am 26. der Königin in einer Privataudienz überreicht. Carl Maria entschuldigte sich, daß er ihren Namen solchen Kleinigkeiten vorgesetzt habe, sie aber rief lächelnd aus: »Still! Still! da ist Nichts klein, Nichts groß! Was von Ihnen kommt, kann nicht anders als schön sein! –«

Von dem Tag und Nacht Thätigen, wurde auch das schöne Fagot-Concert für Brandt am 27. November vollendet. nachdem er ein brillantes Rondo (in Es dur) für sein Concert geschrieben und die Ouverture zum »Rübezahl« total umgearbeitet und ihr jetzt den Titel zum »Beherrscher der Geister« gegeben hatte.

Das Concert, das amt 11. November stattfand, war eines der gelungensten, die Weber noch gegeben. Die Elite der Gesellschaft von München, das Königspaar an der Spitze, war zum Kunstfeste des jungen, beliebten und geachteten Künstlers, dessen baldiges Scheiden bekannt geworden war, geeilt und die besten Künstler: Direktor Fränzel, Concertmeister Moralt, Bärmann, die Sänger Weichselbaum und Mittermaier, die ganze Capelle unterstützten ihn aufs Trefflichste.

Die Ouverture zum »Beherrscher der Geister«, auf die Weber selbst viel Werth legte, die aber von allen seinen schönen Ouverturen, die wenigst melodisch packende ist, wurde unvergleichlich schön gespielt, Frau Regina Lang sang die für Madame Peyermann in Jegisdorf geschriebene Arie aus »Atalia« und Weber, dem endlich die Königin selbst als Thema für die freie Phantasie die Romanze aus Joseph in Aegypten: »Ich war Jüngling noch an Jahren« gab, spielte und erfand mit ganz ungewöhnlichem Feuer und Glück, so daß es nicht möglich genesen wäre, rühmlicher von München zu scheiden, wie es hier die beiden befreundeten Künstler thaten, besonders da auch Bärmann noch am 25. November in einer, vom Sänger Weichselbaum gegebenen Akademie; das Weber'sche Clarinettconcert aus Es, unter nicht enden wollenden Beifalle, blasen konnte.

Weber berichtet an Gottfried über diese Erfolge am 15. November:[306]


»Lieber Bruder!


Wenn Du höllisch böse auf mich bist, so kann ich Dir es gar nicht verdenken, denn lange genug habe ich Dich auf einen Brief warten lassen, aber ich kann, hol mich der Teufel, nichts dafür, höre nun selbst, wie es mir ging. den 10. October schrieb ich Dir von Basel aus. den 13. war mein Concert, welches sehr gut und brillant ausfiel, obwohl die Großherzogin Stephanie denselben Tag in Lörrach einzog und also vieles Volk dahin strömte, den 14. Abends reiste ich ab, und kam den 24. in München an, wo ich Deine Briefe vom 15. 8ber fand mit dem Einschluß von Beer. Hier mußte ich nun sogleich Anstalten zu meinem Concert machen, weil das Orchester bald abbonirte Concerte giebt. zu meinem Concert mußte ich noch eine große Ouverture aus D moll neu bearbeiten von meinem alten Rübezahl und wollte auch noch ein neues Concert für mich schreiben, wovon ich aber nur das Rondo fertig brachte Es dur und alles dieses mußte bis den 9. 9ber als Tag der Probe, componirt und abgeschrieben sein, die unzähligen Visiten abgerechnet. Du siehst ein, daß ich die Nächte zu Hülfe nehmen muß, um fertig zu werden, und hoffe somit auch bei Dir entschuldigt zu sein. Mein Concert fiel so brillant aus, wie noch nie in München vide beiliegende Zeitung. Die Ouverture wurde (wie alles) göttlich executirt, und sie ist gewiß das prachtvollste, und klarste, was ich geschrieben habe. Das neue Rondo (zudem ich das alte Allto und Adagio spielte) ist von einem ganz andern Character und noch viel brillanter und schwerer als das Erste, ein wahrer übermüthiger Sturm und Drang. Die Scene und Arie habe ich in der Schweiz geschrieben und halte sie für gut.

Damit Du nicht böse wirst, wenn ich Dir auch jetzt nicht so viel schreibe als Du erwartest, so muß ich Dir sagen, daß ich vor meiner Abreise noch ein ganzes Fagott Concert, 6 kleine Duette für die Königin und eine große Tenor Arie zu comp: habe. es ist unbegreiflich, wie ich in Arbeit sizze und schaudert mir die Haut, wenn ich an Alles noch zu vollenden denke. Das Thema, das mir die Königin gab, war die Romanze aus Joseph, C dur 2/4 ich war glücklich disponirt[307] und es mißlang nichts. Dieses Kunststück hat allgemein höllische Sensation erregt und meinen wenigen Feinden das Maul verleimt.« etc. etc.


Am 29. November schreibt er an ihn auf einen Brief, der ihm Unthätigkeit in Sachen der Vereinsmitglieder vorwirft, Folgendes, ohne indeß Gottfried ganz begütigen und überzeugen zu können:


»Lieber Bruder!


Deine Briefe vom 21. 8ber und 20. 9ber habe ich richtig erhalten. Dein letzter Brief ist etwas mit jener Bitterkeit erfüllt, die ich recht wohl fühle und begreife ergo auch nicht übel deute, weßhalb Du Dir die Erklärungen hättest sparen können. Daß Du mir, der sich in Hinsicht seiner Thätigkeit eben nichts vorzuwerfen zu haben glaubt – dergleichen schreibst – könnte ich übel nehmen, wenn ich nicht wieder fühlte, daß es einem wohl thut, wenn man seine Meinung einmal von der Leber weg sagen kann.

Mit Winter habe ich gesprochen und da ich ihm versicherte, daß Du keine Ansprüche auf ein Präsent machtest, so will er mit Vergnügen eine Deiner Messen in der Hofkirche aufführen. auch mit Fränzel habe ich deshalb gesprochen, der wünscht das Trichordium von Vogler sobald als möglich zu haben. ich habe es ihm in Deinem Namen versprochen, schikke es ihnen also so schnell wie möglich und eine Deiner Messen dazu, schreibe dann auch an Winter, sage ihm einige höllische Höflichkeiten, daß ich Dir geschrieben, daß er unter seiner Direction eine Deiner Messen aufführen wollte, daß Du sie bereits dem Hr. Direktor Fränzel geschickt und ihm empfiehlst etc. Dem größten Theil des Hofmusick Personals habe ich auch davon gesprochen, Du bist also kein Fremdling hier mehr. Du siehst, daß ich nicht müßig bin, versäume nun keine Zeit und wenn Du die Kosten nicht scheust so schikke sie schon ausgeschrieben, das befördert die Aufführung. Dies alles giebt freilich keine Gelegenheit zu öffentlicher Erwähnung aber Du wirst doch in der Kunstwelt bekannter und füllst den Dir gebührenden Platz.« etc. etc.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 305-308.
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