Tour ins Berner Oberland

[299] Dem Rathe folgend, machte er sich, dessen Füße kaum die Strapazen der ersten Gebirgstour verschmerzt hatten, auf, um die Herrlichkeit der Alpenwelt noch einmal und dießmal in größerer Nähe zu beschauen.

Wir geben die Beschreibung der Tour wieder mit seinen eigenen biographischen Notizen.


»– – Den 16. um 9 Uhr auf den See gegangen, und den Führer Johann Tschokuler angenommen: auf dem sehr romantischen See sieht man rechts, das Stockhorn, den Riesen, links den Beaten Berg mit seiner Höhle. in Neuhauß angekommen um 1 Uhr. Eine Stunde mit bis Interlaken gegangen. Mittag gemacht und v. Schiller und die Grafen von Giech getroffen. dann über das Galgenhügeln etc. durch das Lauterbrunner Thal. ein wilder herrlicher Weg an der Weiß Lutschien (?) die wild durch Felsen daher tobt. Die Abendsonne vergoldete unaussprechlich schön die Jungfrau mit dem Silberhorn. Den Staubbach aus dem Fenster des Hr. Pfarrer bei dem ich einkehrte gesehen. er ist blos 900 Schuh hoch. Die Hörner Rufe im Thal, zu Abend gegessen mit den 3 Töchtern des Pfarrers Luz von Gestein, bezahlt 2 Fr. 42 Btz. 3 Stunden durchs Thal. 2 paar hölzerne Besteck von Eichholz für Bärman und Wibeking gekauft. – – – –[299]

D, 17. früh um 7 Uhr abgereißt, den Staubbach besucht und denn die sehr steile Wengers Alp oder kleine Scheideck bestiegen. Anblick des kleinen und großen Tschingel des Mittags- oder Gletscherhorn. Breithorn, die Jungfrau, der kleine Eicker, der Mönch, der große Eicker, das Schreckhorn auf dem Mettenberg in der Sennhütte Milch, die so fett war daß ich mir den Magen verdarb.

Dem Buben für Schwingen und Singen 6 Batzen. an der Eis-. kalten Quelle getrunken die periodisch aus dem Boden sprudelt. mehrere Lawinen gesehen und gehört. um 3 Uhr in Grindelwald bei Hr. Pfarrer Lehmann angelangt. Dem Hause gegenüber den Mettenberg die Fischerhörner dann das Wetterhorn, von dem ich Abends eine prächtige Lawine kommen sah. Das Zeichen des guten Wetters, kommt sie in der Früh' vom Gegentheil. Der große Eicker. Gems Fleisch gegessen. gut geschlafen. bezahlt. – 3 Fr. 42 Btz. Trinkgeld 10 Btz. Einem armen Hirten der 2 Beine gebrochen hatte 21 Btz. d. 18. früh 2 Uhr abgetrollt. Den vordern Gletscher gesehen den hintern Gletscher bestiegen, unbeschreiblich das schöne Blau, unter den Füßen wie Glas Fluß, in die Wölbung gegangen, ganz Himmelblau. Blümchen in der Nähe am Gletscher gepflückt. Die Bettelei ist sehr groß, aber sehr überraschten mich Kirschen, die man mir bot, und bis auf den Gletscher nachtrug, wo ich eine wahre Wollust darein setzte auf ihm Kirschen zu essen. Almosen Kirschen etc. 1 Fr. 3 Btz. Den Schwarzwald Gletscher passirt, das Wallhorn und dann in das Wirthshaus im Schweizer gekommen. Milch und Butter Käse etc. – 21 Btz.

Dann den Rosenlaui Gletscher gesehen, er ist der reinste von allen, weil er nicht so von Lawinen bedeckt wird. hinter ihm das Eismeer, wohl 15 Stunden lang. Die Engelhörner rechts. aufs Zwirgi gekommen, und da die ganze Aussicht auf das Haslithal. einziger Anblick. von da zum Reichenbach. und seine 5 Fälle besucht. Er ergriff mich weit mehr als der Staubbach, besonders d. 1. 3. und 4. komisches Gesicht im Felsen das ich entdeckte. Die ganze Reise ging über die große Scheidecke 7 Stunden. um 1/24 Uhr[300] in Meiringen im wilden Mann angelangt. Da fand ich einen Stud. aus Heidelb. C. F. Droysen von der Insel Rügen. komisches Abendessen etc.

Dem Reichenbach gegenüber sind noch 3 Wasserfälle. der Muli-Alp- und Dorf Bach. wovon letzter erst vor 3 Wochen das Dorf verheerte.

Bezahlt im Wilden Mann 2 Fr. 11 Btz.

Den 19. um 7 Uhr nach Brienz gefahren 1 Fr. 24 Btz.

links der Falchern-Wandel- und Atschi-Bach. um 9 Uhr in Brienz angekommen. ein Schiff genommen und über den Brienzer See gefahren. Der Gießbach im See links. Das schöne Lisbethle. Brief von Hrn. v. Balk an Sie etc. etc.!! Fuhrlohn – 2 Fr. 45 Btz. unterwegs fangen die Maideli das Alpenlied. um 12 Uhr in Interlaken angekommen. – –«

Es ist in Weber's Leben bemerkenswerth, daß, in Folge von Perioden, wo die Reception von der Außenwelt sehr bedeutend war, sich meist ein starker, oft fast unwiderstehlicher Drang zur Produktion geltend machte, obwohl das Wesen des Aufgenommenen und des Producirten äußerlich sehr häufig nicht in der entferntesten Beziehung zu stehen schien. So schreibt er, aus der gewaltigen Alpennatur nach Bern und auf die Besitzung des Gesandten D'Ollory, Jegisdorf, zurückgekehrt und dort einige Tage in beschaulicher Ruhe verlebend, sich ganz von der Gesellschaft, bis zum Beleidigen, isolirend, und nur im Verkehr mit seinem Wirthe und dessen liebenswürdigem Gaste, der schönen, jungen Frau Peyermann, für diese die glänzende Scene und Arie aus »Athalia« (Op. 50) und, angestrengt arbeitend, Menuett und Allegro zu einem Clarinett-Quintett und endlich das schöne, so jugendfrische, körnige Lied: »Künstlers Liebesforderung«, zu dem er den Text selbst dichtete und nachher ausrief: »Der Dichtungsteufel war in mich gefahren, es stak mir zwischen den Rippen, ich mochte wollen oder nicht, ich mußte Verse machen.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 299-301.
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