[282] Die Reise nach der freien Schweiz begann, kaum angetreten, mit einem Abenteuer, das Weber in unangenehmster Weise an die Schlagbäume im deutschen Vaterlande und besonders an für ihn ganz speciell geschlossene Schlagbäume, erinnern sollte. Direkt nach den Ufern des Bodensees strebend, hatte Weber ein Stück Würtemberger Boden zu überschreiten, das er in dem kleinen, lieblich gelegenen Grenzstädtchen Ravensberg betreten wollte. Ob er den Bann, der auf ihm in Würtemberg lastete, in dem obscuren Grenzorte unbekannt, oder denselben erloschen meinte, kurz er beging die Unklugheit, sich in das für ihn verpönte Land zu wagen. Daß er sich in seinen Vermuthungen getäuscht hatte, zeigte der Verfolg. Als der den Paß visirende Beamte ihm denselben bereits zurückgegeben hatte und Weber sein Glück preisend in den Wagen steigen wollte, trat plötzlich der Ober-Verweser des Grenzamtes, ein ehemaliger Stuttgarter Beamter, Romig mit Namen, an ihn heran, fixirte ihn scharf, ließ sich den Paß noch einmal reichen und erklärte ihn dann kurz und bündig für »bis auf Weiteres« verhaftet, befahl ihm, seinen Wagen abpacken zu lassen und im »Lamme«, dem einzigen, kleinen Gasthofe des Ortes, ein Zimmer zu beziehen, welches er nicht ohne Erlaubniß zu verlassen habe und in dessen Gastzimmer, als er dem Befehl gehorsamt war, sich ein Gensd'arm, den man sonst dort nicht gewahrte, auffällig lange bei Bier und Brot aufhielt.

Weber packte ein gewaltiger Schreck! gegen ihn vom Könige Friedrich ausgestoßene Drohungen mochten, mit dem Bilde dieses gewaltthätigen Fürsten, vor den einsam seinen Träumen Hingegebenen, wie Gespenster auftauchen, er sah sich gefangen nach Stuttgart geschleppt, lebendig auf dem Hohenasberg begraben – die Erschütterung machte ihn krank und während eine Staffette nach Stuttgart geschickt wurde,[282] um Befehle über das mit ihm einzuschlagende Verfahren einzuholen, lag er fiebernd hülflos in dem kleinen Orte, bis sich der Postmeister Paur seiner annahm, den Bezirksarzt Dr. von Hornstein rufen ließ und ihm Trost zusprach. Zufällig erfuhren auch zwei in Ravensberg in Garnison liegende Offiziere, von Hohenhorst und von Flemmig, die in Stuttgart mancher Flasche mit Weber den Hals gebrochen hatten, von seiner Anwesenheit, besuchten ihn freundlich, erwirkten im die Erlaubniß, Billard spielen zu dürfen und vertrieben ihm die trüben Stunden und Bilder. Er erholte sich jedoch langsam. Leider sollte der arme Paur bald selbst des Trostes bedürfen, denn dieselbe Staffette, die fünf Tage später von Stuttgart Weber's Paß und den Befehl, ihn ungesäumt über die nächste Grenze zu schaffen, brachte, führte auch seine Entlassung aus dem Staatsdienste im Portefeuille.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 282-283.
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