Drieberg über »Sylvana«

[345] Als nach unendlichen Mühen und Bestrebungen aller Art, die, vermöge der inzwischen von Weber in Berlin angeknüpften sehr vielfachen, geselligen Beziehungen, weit ausgedehntere Kreise der Gesellschaft berührten und verschiedenere Schichten derselben bewegten, als dieß bei solchen Gelegenheiten der Fall zu sein pflegt, wodurch beiläufig gesagt, der Zweck der Gegner Weber's mehr als sie irgend vermuthen konnten, vereitelt wurde, endlich eine erneute Probe der »Sylvana« durchgesetzt, unter Zudrang sehr vieler Kunstnotabilitäten Berlins und entschiedenem Beifalle der Mitwirkenden unter Bernh. Ans. Weber's Leitung am 16. Mai gehalten worden war, sprach sich Drieberg weit schärfer als selbst Weber's entschiedenster Gegner über die Mängel der Oper aus. Er sagte ihm geradezu, daß er nach Effekten hasche, die gesangliche über die instrumentale Seite des Werkes vernachlässige, die auch weitaus die brillanteste der Oper sei, ja oft an Unklarheit und Ueberladung laborire, während die Gesangspartien den Charakter des stiefmütterlich Behandelten, oft sogar Vernachlässigten trügen, und fügte dem die, den schöpferischen Künstler schmerzlichste Behauptung an, die Musikstücke der Oper sähen sich alle so ziemlich ähnlich und ein ermüdender Geist der Monotonie ruhe über dem Ganzen.

Weber war tief von dem Gehörten ergriffen. Nach Hause gekehrt schrieb er nieder:

»An seinen (Drieberg's) Bemerkungen finde ich viel Wahres. Mein ›Abu Hassan‹ ist bei Weitem klarer und gediegner und eine neue Oper, die ich schreibe, wird gewiß höchst einfach und mit wenigem Aufwande effectuirt. Manche Stücken, z.B. die erste Arie des Rudolph und die der Mechthilde haben durch das Streichen derselben ihren ursprünglichen musikalischen Zusammenhang verloren und sind nun bunt geworden etc. Die Instrumentation ist freilich stärker als ich sie jetzt machen würde, aber durchaus nicht mehr als eine Mozart'sche beladen. Die letzten Bemerkungen machten mich sehr traurig, weil ich ihre Wahr- und Unwahrheit nicht beurtheilen kann. Sollte ich keine Manichfaltigkeit der Ideen besitzen, so fehlt mir offenbar Genie[345] und sollte ich mein ganzes Leben hindurch all mein Streben, all meinen Fleiß; alle meine glühende Liebe einer Kunst geopfert haben, zu welcher Gott nicht den ächten Beruf mir in die Seele gelegt hätte? – Diese Ungewißheit macht mich höchst unglücklich! – Um keinen Preis möchte ich in der Mittelklasse von 1000 und 1000 Compositeurlein stehen – kann ich nicht eine hohe eigene Stufe erklimmen, möchte ich lieber gar nicht leben oder als Clavier-Professionist mein Brod mit Lectionen zusammenbetteln – doch ich will meinem Wahlspruch keine Schande machen: Beharrlichkeit führt zum Ziel! – Ich werde streng über mich wachen und die Zeit wird mich und die Welt belehren, ob ich ächte treue Meinungen von Freunden redlich benutzt habe.«

Welches klare Bild von Weber's ganzem edeln Streben geben diese wenigen, im stillen Kämmerlein, nicht in einem in die Welt hinauswandernden Briefe, geschriebenen Zeilen voll Demuth, Selbsterkenntniß und Vertrauen auf die Redlichkeit seines Strebens! Diese Worte wären werth von jedem jungen Künstler unablässig im Herzen getragen zu werden. – –

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 345-346.
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