Männergesang 1812

[341] Mit diesem Vereine Zelters's war das Saatkorn für den deutschen[341] Männergesang in die Erde gelegt, eine Gattung der musikalischen Produktion, die, an und für sich voll hoher und im Volkscharakter begründeter Berechtigung, in neuester Zeit bis zum Ueberdrusse und bis zur Herabstimmung des seinen Gefühls für den completten vierstimmigen Gesang und bis zum Zurückdrängen von dessen Pflege cultivirt, die Welt mit einer wahren Fluth von Gesängen überschwemmt hat, die meist eine edle Gesinnung athmend, doch mehr oder minder in Geist der Dichtung, Klangfarbe und musikalischer Behandlung monoton, die Sphäre des Gesangs einschränken, in der das Bewußtsein des Volkes lebendig ist.

Es war ein Andres im Jahre 1812, wo der Genius der That, der im Jahre 1813 in Scharnhorst's, York's und Stein's Aufrufe drommetentönende, allbeseelende Sprache fand, in der Brust aller wackern, vaterlandsliebenden Männer erwachend, schüchterne Mittel suchte, bei verwandten Herzen in einem, von den fremden Unterdrückern und ihren einheimischen, schurkischen Helfershelfern unverstandnen Idiome, anzufragen, ob sie auch unter der Asche Funken bewahrten, die den Namen »Vaterland«, »eigner Herd«, »Freiheit«, »Männerwürde« trügen.

Damals fand dieser »Genius der That« dieß gesuchte Idiom im deutschen, von deutschen Männern gesungenen Liede.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 341-342.
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