Die Lebensrettung

[103] Inzwischen arbeitete und schwärmte der junge Künstler fort und Rhode, an dessen »Rübezahl« er componirte, Berner, mit dem er sich gern berieth, Ebell, Klingohr, Miller und andere Kunst- und Fachgenossen gingen zu allen Stunden in der kleinen Wohnung am Salzring aus und ein, die er mit dem kränkelnden und eingezogen lebenden Franz Anton bewohnte. Eines Tages forderte er Berner beim Mittagsessen, das sie häufig gemeinschaftlich genossen, auf, ihn jedenfalls am Abende noch zu besuchen, da er ihm die Ouverture zum »Rübezahl«, die gerade fertig geworden sei, vorspielen wolle. Berner sagte zu, verspätete sich aber und kam erst nach eingebrochener Nacht zum Freunde. Auf sein Anklopfen an dessen Thür folgte nicht das so freundlich einladende »Herein«, das er gewohnt war, und auf das er rechnen durfte, da er Carl Maria's Fenster erleuchtet gesehen hatte. Endlich öffnet Berner, die nicht verschlossene Thür, – – – die Lampe steht auf dem Tische, das Piano ist offen, aber sonst das Zimmer leer. Berner will sich niederlassen und schreitet nach dem Sopha – da strauchelt er über den Körper seines leblos daliegenden Freundes – daneben liegt eine zerschlagene Flasche, aus der scharfer Dunst aufsteigt. Entsetzt richtet er den Freund auf, schreit um Hilfe, Franz Anton eilt aus dem Nebezimmer herbei und erkennt die Flasche, in der er Salpetersäure zu seinen Kupferstecher-Arbeiten aufzuheben pflegte, und die thörigter Weise unter die Weinflaschen gestellt worden war. Aerzte werden herbeigerufen, mit Mühe Carl Maria zum Leben zurückgebracht, die Stimmorgane zeigten sich vollständig gelähmt, das ganze Innere der Luftröhre und des Mundes verbrannt. Nach mehrwöchentlichem Krankenlager erst kehrte eine leise Sprechstimme zurück, die nie ihre volle Kraft wieder erhielt, die schöne Singstimme war für immer auf den dritten Theil ihrer Ausgiebigkeit reducirt. Er erzählte dann, daß er, fröstelnd bei der Arbeit, einen Schluck Wein hätte nehmen wollen, im Halbdunkel die Säureflasche ergriffen und einen guten Zug genommen habe. Gewiß ist, daß ohne Berner's Dazwischenkunft, die[103] Säure bis zum andern Morgen gewirkt und Carl Maria »Freischütz«, »Oberon« und »Euryanthe« mit in sein junges Grab genommen hätte. Seine Krankheit dauerte fast zwei Monate. Mit Vorliebe und ihn selbst erquickender Dankbarkeit, denn er war, wie alle edle Naturen, gern dankbar, nannte er immer Berner den Retter seines Lebens.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 103-104.
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