In Carlsruhe geschriebene Werke

[113] Es sind dieß zunächst zwei Symphonien, beide im kurzen Zeitraume vom 14. December 1806 bis 28. Januar 1807 entstanden, deren eigenthümliche Instrumentirung sich aus der Zusammensetzung der Carlsruher Capelle construirt, deren beste Kräfte zur Geltung kommen sollten. Die erstere dieser Symphonien (Op. 19) (beide sind ans C) erinnert eben so an Vogler wie an Haydn, die andere schüchtere, aber noch melodienreichere, im Styl durchaus an Haydn. In ersterer, die er später bei ihrem Erscheinen Gottfried Weber dedicirte, macht sich, damals seinem Freunde Dautrevaux zu Liebe, die Tendenz auf Horneffekte geltend, durch die später Weber so außerordentliche Wirkungen erzielte, und das Adagio, Scherzo und Finale sind von höherm Werthe, als der erste Satz und voll schwellender Anmuth, Ausgelassenheit und Grazie; in der andern ist, vielleicht dem Herzoge zu Gefallen, die Oboe mit Vorliebe behandelt. Beide Symphonien aber sind, bei aller Besorgtheit ja fast Aengstlichkeit der instrumentalen Ausstattung und des Satzes doch so überreich an reizenden[113] und liebenswürdigen Melodien, an originellen harmonischen Wirkungen, daß sie bei jeder Vorführung auch jetzt noch, durch ihre Jugendfrische, alle, die nicht musikalische Allongenperrücken tragen, zu erfreuen pflegen.

Den Styl, in dem sie geschrieben sind, verdanken diese Werke indeß unbestreitbar den Verhältnissen, denn derselbe paßt durchaus nicht in den Fortgang der Entwicklung von Weber's Talent und sie bilden eine Episode in dem Abschnitte desselben, der zwischen der »Ouvertura Chinesa« und dem »Ersten Ton« und der umgearbeiteten »Peter-Schmoll«-Ouverture, ja selbst den süßen und ganz ihm eigenthümlichen Variationen über »Vien qua Dorina bella«, liegt, die er gegen das Ende seines Aufenthalts in Carlsruhe, nachdem der Herzog und seine Familie das Schloß verlassen hatten, schrieb.

Das vierte Werk, das Carl Maria in Carlsruhe producirte, ist das Concert für das Horn, das er für Dautrevaux bei Gelegenheit eines großen Concerts, dem mehre fremde Vornehme beiwohnten, componirte; dieß für den Executirenden schwere Stück ist sehr interessant, originell, worin besonders ein schönes Recitativ mit spannendem und imposantem Schlusse die Contratöne des Horns zu herrlicher Wirkung kommen läßt und die Polonaise des Finale die ganze Fertigkeit des Spielers in Anspruch nimmt.

Trotz diesem Glanze schließt es sich im Style dem Geschmack seines Gönners an.

Dieser Hornist Dautrevaux war ein seiner, scharfdenkender Kopf mit einem sehr ausgebildeten Hange zur Intrigue, dessen mehr als praktische, an's Laxe streifende Weltanschauung dem geraden Sinn Carl Maria's imponirte. Dautrevaux versprach sich von Carl Maria's Talent große Wirkung in der Welt und noch mehr von dessen Einfluß, wußte sich ihm auch bei seinen Geldverlegenheiten, in die er sich mehrfach verwickelt sah, durch Ertheilung von Rathschlägen, die sich meist als sehr wirksam erwiesen und Herbeischaffung von materieller Hilfe sehr nutzbar und zuletzt fast unentbehrlich zu machen. Noch enger waren die Beziehungen, in die er zu dem alten Herrn Franz Anton trat, dem die Hilfe noch gelegener kam, da er sich, trotz der vielfachen[114] und großmüthigen Unterstützungen des Herzogs, in der drückendsten Lage befand und alt und gebrechlich und an Geistesschärfe verlierend, alles gut hieß, was ihn aus der augenblicklichen fatalen Lage befreite. Sehr peinigende Schuldverschreibungen sind damals von den Weber's ausgestellt worden, die sie später zu desparaten Schritten veranlaßten, um ihre Verbindlichkeiten zu lösen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 113-115.
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