[120] Würtemberg hatte die harte, nur durch Franziska von Leutrum's wunderbaren Einfluß zuletzt etwas gemilderte Schule des Regiments Herzog Carl's durchgemacht. Bei aller Rauhheit und Despotie, die oft Grausamkeit wurde, dieser Regierung, hatte sie doch 1770, durch den sogenannten Erbvergleich, Friede zwischen Volk und Krone geschlossen, durch welchen den Ständen des Landes die Stimme bei Verwaltung desselben wieder gegeben worden war. Würtemberg hatte damit seine Verfassung wieder erhalten, aber der Preis, um den es dieselbe erkaufte, war ein schwerer gewesen. Die Landschaft hatte, Jahrzehnte lang, ihre Rechte in Wien auf dem Wege suchen lassen müssen, auf dem damals, bei der Reichsverwaltung, überhaupt nur etwas zu erlangen war, nämlich dem der Bestechung, der Geschenke, der Corruption aller Art, in allen Sphären dieser Administration, vom Canzler an, bis zum Schreiber herab. Millionen wanderten aus dem Säckel der Landschaft nach Wien, flossen durch unzählige Hände, rannen aus einer Kasse in die andere. Würtembergische Beamte zahlten geheime Gelder an Kaiserliche, diese zahlten Rückvergütungen; die oben in eine Behörde geschüttete Summe sickerte durch alle ihre Dikasterien durch; überall fanden die edeln Tropfen aufgehaltene Hände, überall blieb das glänzende Metall kleben, in allen Regionen der Beamtenwelt gewöhnte man sich daran, unrechtmäßig Geld für ungesetzmäßige Dienste zu geben und zu empfangen, oder gesetzmäßige Dienste sich ungesetzmäßig bezahlen zu lassen. Dazu kam der von dem spitzbübischen Rothgerbergesellen, später vom Herzoge Carl zum Kirchenrathsdirektor[120] ernannten Wittleder erfundene und von dem schurkischen Freunde des Herzogs, Samuel von Montmartin, auf's schändlichste begünstigte Handel mit den Staatsdienststellen, den der Herzog dann selbst, als einträglichstes Geschäft, unter Betheiligung Wittleder's mit zehn Procent, für eigene Rechnung betrieb. Kein Amt wurde fortan mehr durch Verdienst und Fähigkeit erworben, sondern nur durch Zuschlag an den Meistbietenden durch hündische Höflinge vergeben. Die dadurch erzeugte Demoralisation des Beamtenstandes war eben so tief als allgemein, ja das Bewußtsein für Recht und Un recht im ganzen Volke begann nachgerade sich zu verschieben, die Empfindung für die Gemeinheit der Bestechung verschwand vor der Allgemeinheit derselben und der erhabenen Stellung ihrer Begünstiger.

Zu gleicher Zeit fraßen des Herzogs unsinnige Feldzüge, die rasende Verschwendung, mit der er seiner Leidenschaft für Jagd und Theater fröhnte, die Einkünfte des Landes, die, zum großen Theile für diese Zwecke designirt, in einem außerordentlich starken Procentsatze, auf Seitenkanälen von ihren Zwecken abgelenkt, in die Hände gemeiner Günstlinge flossen, welche sich nicht schämten, die Früchte eines schamlosen Druckes zu genießen und jüdelnd den Ertrag des Judashandels mit dem Marke des Landes einstrichen. Die Uebertreibungen in des Herzogs Gelüsten, die Seen mit gewärmtem Wasser zu seinen Winter-Sumpfjagden, die wochenlang dauernden, halbe Quadratmeilen Ackerland verwüstenden. Krankheit und Elend über die Tausende armer, zum Treiben gepreßter Bauern verbreitenden Sauhetzen, die selbst Kaiser Joseph's Staunen erregenden Aufführungen auf seinen Theatern zu Ludwigsburg und Stuttgart, das luxuriöse Ballet, die ungeheuern Gagen der Tänzer und Sänger, der unsinnige Hofstaat, in dem 20 fremde Fürsten und Großen, ein Heer von adligen Damen diente und in den prächtigsten Hofanzügen und Livreen glänzte, die Orangengärten zu Ludwigsburg, die Tonnen Goldes kostenden Feuerwerke des Italieners Veronese u.s.w., waren sämmtlich den Lüften des Herzogs schmeichelnde Ausgeburten ihrer Speichelleckergehirne.

In den Sphären eines solchen Regiments war das grausame[121] Schicksal Moser's, Huber's, Lenz's und Schubart's eine natürliche Pilzvegetation der allgemeinen Fäulniß.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 120-122.
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