[154] Das Theater war ein Lieblingsinstitut des Königs Friedrich, der es aus den Händen der Pächter, in die es seine Vorgänger Ludwig Eugen und Friedrich Eugen gelegt hatten, in die Hofverwaltung zurücknahm. Er liebte reich ausgestattete Vorstellungen und hatte selbst Napoleon durch die Aufführung des »Don Juan« geblendet. Die Capelle, an deren Spitze s.Z. Jomelli, Zumsteeg und andere Celebritäten gestanden hatten, war gut dotirt, und des berühmten Noverre Geist lebte noch in der Anordnung der Ballette. Die von Herzog Carl gestiftete, einzig in ihrer Art dastehende dramatische Akademie wirkte fort; sie hatte Musiker, Schauspieler, Sänger und Tänzer geliefert, und 1808 besaß Stuttgart eine vortrefflich ausgestattete Bühne, deren Personal nur mit etwas zu viel Rücksicht auf körperliche Schönheit der Künstler und Künstlerinnen rekrutirt wurde, so daß in der That der Blick auf die Bühne mit das Anziehendste bei einer ganzen Vorstellung war.

Vier Mal wurde wöchentlich in Stuttgart, abwechselnd zwischen Oper und Schauspiel, ein Mal in Ludwigsburg, wenn der Hof dort war, gespielt und selten versäumte der Hof eine Vorstellung. Je eifriger aber die Bühne von oben her gepflegt wurde, um so kühler verhielt sich das Publikum gegen diese, besonders aber gegen die nicht dramatische Musik. Virtuosen brachten keine Concerte zu Stande, wenn ihnen nicht ein großer Ruf voranging und die Versuche der Bühnendirektion, große Concerte im Redoutensaale des Theaters zu arrangiren, scheiterten an der absoluten Theilnahmlosigkeit des Publikums.[154]

Die Leitung des Instituts lag in den Händen des wohlwollenden Ministers Graf Winzingerode, unter dem Kammerherr von Röder als Intendant fungirte. Die musikalische Direktion der Bühne war durch Capellmeister Danzi, den als Compositeur von »Peter und Aennchen« bekannten Abeille als Concertmeister, durch den trefflichen Sutor als Chordirektor, durchaus genügend vertreten, wiewohl dem letzteren außerordentlich wenig gute Mittel zu Gebote standen, da, wie erwähnt, bei Anstellung der Choristinnen Schönheit erste Bedingung war; prächtige Dekorationen lieferte Hofbaumeister Hötsch.

Nach und nach lernte Weber, bei eifrigem Besuche von Theater und Bühne, die Darsteller näher kennen und begann auch im Privatleben mit ihnen zu verkehren. Theils durch ihre künstlerische Individualität, theils durch Rath und Besprechung der ihnen zugedachten Partien, indem sie dieselben sich so recht auf den Leib gearbeitet zu sehen wünschten, worin Weber, dem vor Allem an einer gelungenen Darstellung seiner in Arbeit befindlichen Oper gelegen war, ihnen nach Kräften entgegenkam, wirkten diese gestaltend auf die Oper selbst zurück, so daß dieselbe, als sie fertig war, eine ganz andere und nicht zu ihrem Gunsten veränderte Physiognomie gegen den Entwurf erhalten hatte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 154-155.
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