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[157] Inzwischen hat Adelhardt erfahren, daß der Bräutigam seiner Tochter ein schönes Mädchen bei sich beherbergt und dasselbe liebt. Kurz entschlossen will er sie, um der Sache ein Ende zu machen, tödten lassen, als sich in seinem Herzen das Vaterblut regt und als nun gar Rudolf und Mechthilde zu ihrem Schutze herbei eilen und der inzwischen im Walde gefangene Albert mit dem Einsiedler Ullrich erklärt, daß Sylvana seine Tochter sei, und diese zuletzt spricht, so vereinigt er[157] sie mit Rudolf und giebt Albert natürlich Mechthilden. Nach dieser, zu ermüdend lang ausgesponnenen Scene, schließt die Oper sehr brillant mit einem Fackeltanz und Chor, in welchen Musikstücken der ganze Zauber der Melodienfülle und instrumentaler Behandlung herrscht, durch die Weber's spätere Werke so zündend wirken, wie denn überhaupt die Technik dieser Oper in ihrer Ungleichheit so lehrreich für die Fortbildung Weber's, so sprechend für den raschen Fortschritt ist, den er als Künstler während der Arbeit an derselben machte, und den die zuletzt componirten Nummern, Trinklied des Krips, Fackeltanz, letzter Chor, Arie der Mechthilde und vor allem die reizende Ouvertüre bekunden, die schon ganz die für ihn charakteristische, melodiöse Gestaltung der Ideen zeigt, wenn sie sich auch in den harmonischen Formen und der Instrumentation noch sehr an ältere Meister anlehnt und besonders Vogler's Einfluß erkennen läßt. In dieselbe Periode von Weber's künstlerischer Entwickelung gehört ein Werk, dessen Composition mit den ersten Arbeiten an der »Sylvana« zusammenfällt. Der Jahrgang 1805 der Leipziger Musikzeitung brachte auf seiner ersten Seite eine poetische Phantasie von Rochlitz, die Begabung der Welt mit der Fähigkeit, sich tönend auszudrücken, darstellend, die wesentlich musikalische Elemente enthält, musikalische Behandlung eigentlich à priori verlangt und reich an Motiven für dieselbe ist. Dieß Gedicht, ungefähr 70 Verse enthaltend, benutzte Weber als Text zu einer kleinen melodramatischen Cantate, die er Mitte des Jahres 1808 vollendete und die unter dem Titel des Rochlitz'schen Gedichtes: »Der erste Ton« als Opus 14 bei Simmrock erschien. Die Idee der Behandlung war damals noch ziemlich ungewöhnlich. Der Text des Gedichtes wurde theils unter Musikbegleitung gesprochen, theils in Sätzen vorgetragen, denen dann Tonmalereien folgten. Die Schilderung der abwechselnden Situationen und Empfindungen ist ungemein gelungen, die Tonmalereien sind, ohne kindische Nachahmung von Naturlauten, reizend und geschmackvoll. Vorzüglich zeichnet sich der Eingang des Ganzen durch gute Haltung und Schönheit der Modulation aus. Ueberraschende Uebergänge erhöhen die Wirkung des Ganzen, in dem Würde und edler Charakter herrscht. Von besonders[158] durchschlagendem Effekte ist es, daß bei der Schlußstrophe, die den Jubel der Welt über die Schöpfung des Tons ausspricht, der volle Chor, mit kraftvoller orchestraler Begleitung, an die Stelle der deklamirenden Sprechstimme tritt. Dieß kleine aber schöne Werk ist überall, wo es aufgeführt wurde, in Mannheim, Prag, Leipzig, München, Frankfurt mit so großem und allgemeinem Beifalle aufgenommen worden, daß es von allen Werken der damaligen Lebensperiode Weber's bei weitem am meisten zur Schöpfung seines künstlerischen Rufs beitrug. Es ist daher verwunderlich, daß es jetzt so ganz vom Repertoir der Musikalischen Gesellschaften und spirituellen Concerte verschwunden ist, für die es sich so wohl eignet.
Die von Danzi gern gesehene Beschäftigung Weber's mit dem Theater hatte ihn, dessen Leben ohnehin schon am Verkehr mit Kreisen von zu toleranter Sittenanschauung krank war, einer Sphäre genähert, in der am wenigsten damals in Stuttgart, unter dem Regimente Königs Friedrich, dessen Günstlinge und Höflinge das Theater wie einen auf königliche Kosten gehaltenen Harem betrachteten, wo die allgemeine depravirte Lebens-Anschauung der Beamten- und Hofwelt die Form eines förmlichen Marktes mit Schönheit, Kunst, Reiz, Gunst und Geld angenommen hatte, Haltepunkte für eine Individualität gefunden werden konnten, die sich schon in dem alles verschlingenden, unwiderstehlichen Maelstrome der damaligen dortigen Zustände befand.
Das Unglück wollte, daß Weber für die Sängerin Margarethe Lang eine starke Leidenschaft faßte, der Zügel anzulegen, oder sie in gesetzliche Formen zu bringen, den Kreisen, in denen er lebte, eben so lächerlich als absurd und undankbar erschienen wäre.