Verwickelung der Verhältnisse

[162] Er war unter den Schauspielern der einzige Mann von Stand, zudem vielvermögender Geheim-Secretär des Bruders des Königs und, eine Tendenz den Cavalier zu spielen, gehörte unter die Abnormitäten, die der Stuttgarter Aufenthalt, sein Umgang und seine Umgebung, damals in Carl Maria's Charakter erzeugt hatte. Ja dieß Bestreben verführte ihn zu der ihm durchaus übel anstehenden und bei seiner schwachen physischen Verfassung nur mit Schmerzen und Gefahren durchgeführten Thorheit, sich Reitpferde und Reitdiener zu halten und den Wagen der Damen cavaliermäßig auf den Streifereien nach Kannstadt, Schwieberdingen u.s.w. zu begleiten. Der von ihm engagirte Diener war ein gewisser Huber, der kaum ein Jahr später eine verhängnißvolle Rolle in Carl Maria's Leben spielte. Ferner haßte er es, Abrechnungen bei auf gemeinschaftliche Kosten gemachten Vergnügungs-Unternehmungen zu halten, war aber auch bei den meisten derselben unwillkürlich durch Geist, Stellung und Lustigkeit an die Spitze gedrängt, und somit der Kosten-Verleger, so daß er auch auf diese Weise, da die Künstler und Cavaliere gern das Bezahlen vergessen, in große Verluste kam. Vereint mit der ganzen Form seines Lebens verwickelte ihn dieß in eine Masse von Verbindlichkeiten, die, zusammen mit den in Carlsruhe noch nicht gelösten, ihn mit einem wahren Netze von Verpflichtungen umspannen, das er selbst nicht mehr zu überschauen, viel weniger zu entwirren vermochte.

Hülfe, ja nur eine Aenderung der Verhältnisse, durch die ein fortwährendes Anwachsen seiner Schuldenlast vermieden werden könnte, war nicht abzusehen, ja die Beziehungen zum Hofe, seine Dienstform selbst, erforderten Opfer, die schon an sich allein sein fixirtes Einkommen überstiegen. An einen Beistand durch den, verhältnißmäßig noch weit mehr als Weber selbst pekuniär brouillirten Herzog Ludwig, war nicht zu denken, dem Könige war der junge, allzu geheime Secretär seines Bruders fatal, der Verkauf einiger Compositionen ließ nur[162] Tropfen auf die heißen Steine fallen, auf denen Carl Maria stand und der Blick auf den viel zu hoch veranschlagten Ertrag der »Sylvana«, die unter den obwaltenden Verhältnissen verzweifelt langsam fertig wurde, war der einzig tröstliche im ganzen Umkreise dieses pekuniären Chaos.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 162-163.
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