Abt Vogler in Darmstadt

[196] Den Abt Vogler, der 1807 nach Darmstadt gekommen war, hatte der Großherzog, ohne ihm ein eigentliches Amt zu übertragen, blos um den berühmten Musiker an seinen Hof zu fesseln, den Charakter eines Geistlichen Geheimen Raths verliehen und seine Stelle mit 2200 Gulden Gehalt, freiem Mittag- und Abendessen aus der Küche des Großherzogs, freiem Holz und täglich vier Wachslichtern dotirt. Seine Talente lagen aber so gut wie brach, da der Großherzog weder seinen Rath hörte, noch ihm andauernd die Leitung musikalischer Aufführungen, die seiner eignen Werke ausgenommen, übertrug, so daß er ganz seinen wissenschaftlichen Arbeiten und Studien leben konnte. Dabei stand Vogler, als vom Großherzoge verehrter Mann, in hohem Ansehen; er war der fast tägliche Tischgenosse des Großherzogs, wobei er sich den Burgunder trefflich munden ließ und es gab bei Hof und in der Stadt keine bekanntere und populärere, aber auch kaum in ihrer Erscheinung eine auffallendere Figur, als den Abbé Vogler. Von Gestalt war er klein und korpulent, hatte auch[196] gedrungene und kräftige Gesichtszüge, deren Ausdruck selten ein freundlicher war. Er war zum Orgelspiel mit seinen langen Armen und so großen Händen, daß er zwei Octaven spannen konnte, wie geschaffen, obwohl ihm diese, für den genannten Zweck vortreffliche, Körperdisposition etwas affenhaftes gab. Er war eitler als je geworden und war stets mit einem höchst eleganten breitschößigen, schwarzen Fracke, schwarzatlassenen Beinkleidern, rothen Strümpfen und Schuhen mit gelben Schnallen angethan. Das Großkreuz des Ludwigsordens trug er links auf der Brust und rechts hinten das schwarzseidene Abbémäntelchen, das dem alten Herrn bis an die Kniekehlen reichte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 196-197.
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