Erste Idee zum »Freischütz«

[202] Merkwürdig genug ist es, daß damals schon der Stoff des »Freischütz«, in dem ja doch das Grund- und Lebenselixir von Weber's Genius ausgegohren hat, gleichsam vorspukend über seinen Pfad schritt.[202]

Es war im Sommer 1810 und auch auf dem Schlosse zu Neuburg und das Suchen nach einem Operntexte war eben lebhafter als je gewesen, als Dusch und Weber eines Morgens über die auf dem Tische im Gesellschaftszimmer aufgelegten Novitäten geriethen und da unter andern Apel's »Gespensterbuch« fanden. Sie durchblätterten es gemeinschaftlich, und als sie die Freischützengeschichte überblickt hatten, riefen Beide gleichzeitig: »Hier ist ein superber Text!« Am selben Nachmittage nach Mannheim zurückgereist, saßen sie noch beim Grauen des andern Morgens auf dem Sopha bei Dusch, rastlos mit bleichen Wangen und Stirnen, aber leuchtenden Augen beisammen, und das Scenarium zu dem Operntexte, das Dusch sofort bearbeiten sollte, war fertig und bald auch einige Scenen niedergeschrieben. Dringende Arbeiten hinderten indeß Dusch am Vollenden, Carl Maria gewann wieder Stimmung für den »Abu Hassan«, und so blieb die Arbeit, zum Glücke für die Kunst, liegen, denn der Weber'sche »Freischütz« von 1810 wäre nimmermehr der von 1821 geworden und wer weiß, ob sein gereifter Genius dann einen Stoff gefunden hätte, aus dem er sich einen so passenden Leib hätte gestalten können, wie aus dem des »Freischützen«.

Dusch's Meinung stimmt hiermit überein, der die damals besprochene Behandlung und Verlebendigung des Stoffes überdieß als weit hinter der Kind'schen zurückstehend, bezeichnete.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 202-203.
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