Tiefe seelische Verstimmung

[483] So viel es seine moralische und körperliche Depression gestattete, beschäftigte er sich mit den Vorbereitungen zu seinem Spielen bei Hofe, wozu ihm der Brief der Prinzessin Maria Anna an die Königin, den er durch die Fürstin Taxis übersandt, den Weg bahnen sollte, und dem zu gebenden öffentlichen Concerte, ertheilte der, von einer mit ihren Aeltern unternommenen Reise, durch schlechtes Wetter zurückgetriebenen Fanny Wiebeking, auf's Neue Unterricht, und fand in den Häusern des Minister Mongelas, v. Flad, Baudirektor Gärtner und des, kürzlich zum Baron v. Eichthal gemachten Banquier Seeligmann, liebenswürdige Geselligkeit, wo man freundlich bestrebt war, den Trübsinn des jungen Meisters zu zerstreuen, der so oft diese Kreise durch seine Kunst erfreut hatte. Wie sehr er fühlte, daß diese Depression auf seine schöpferische Kraft den tiefsten Einfluß übte, davon geben viele Stellen in seiner damaligen Correspondenz Zeugniß. So schreibt er z.B. an Caroline:


»Den 30. Juni.


– – Manchmal glaube ich beinah alles Schöpfungsvermögen verloren zu haben; das wäre denn doch hart, wenn ich so als totales Nichts in der Welt stehen sollte! Ist es denn nicht genug in mir und für mich vernichtet zu sein? Doch pfui, da wär ich beinah in's Klagen gekommen. – –«


»9. Juli.


– – Ich kann dir nicht sagen meine liebe Seele, wie angegriffen ich war, und welchen Eindruck es auf mich machte, mich so ermattet von einer sonst so spielend überwundenen Anstrengung zu sehen, ich habe ja aber einmal mein Leben darein gesetzt, und meine Bestimmung darin gesehen, für andere zu leben, und ihnen meine Kunst zur freudigen Beute zu geben. Also heißt es: erfüllen und ohne Murren. – –«


»Den 22. July. Nachts 1/212 Uhr.


– – Ich zog mich erst gegen 6 Uhr Abends an, besah wilde Thiere und ging dann ins Vorstadt-Theater die Prinzessin Dudel zu sehen. Dummes Zeug! – aber ich hätte es um keinen Preis länger zu Hause aushalten können. Ich dachte heute muß ein Brief kommen. Es kam[484] auch einer aber nicht von Dir. Ich war in einer gewissen Spannung, daß ich gewaltsam Zerstreuung suchen mußte. – Das Höchstnothwendige zum Concert ist also nun fertig und den 27. soll es sein, wenn nichts dazwischen kommt. Ich kann nicht sagen, wie viel Ueberwindung es mich kostet, um die nöthigsten Anstalten, Visiten, Bitten etc. zu machen, und es ist doppelt Unrecht von mir, da ich lügen müßte, wenn ich nicht sagte, daß mir alles halb auf den Händen entgegen getragen wird. Doch ich muß mich ja wieder daran gewöhnen. Was mich auch oft an mir schmerzt, ist die Kälte gegen meine Arbeiten, sobald sie vollendet sind, trotz der Theilnahme, die andere ihnen beweisen, können sie mir gar keine Freude ablocken. – –«


»Den 10. August 1815. in München. Nachts.


– – O, ich möchte mich so in mich selbst einhüllen können, daß ich allen Wesen als ein undurchdringlicher kalter Nebel da stünde. Die wärmsten Annäherungen meiner Freunde sind mir meist die wehethuensten. Wenn sich so gar Niemand um mich bekümmert, ganz allein, oder in recht großer Gesellschaft da ist mir am wohlsten. Wenn ich all das Gaukelspiel der Menschen um mich herum tanzen sehe, ihre Träume und Nichtigkeit belächeln muß, wie sie einander Dinge sagen, von denen sie eigentlich schon in dem Augenblick nichts wissen, wie sie sich mit Formen und Höflichkeit plagen, Erbärmlichkeit zum Wichtigsten machen, und so endlich von dem Tummelplatz abfahren, ohne je geahndet nur zu haben, zu was sie der Schöpfer schuf. – Wenn ich dann so auf mich selbst zurückgehe, mit allem meinem Streben mit allem Willen gut und vollkommen zu werden, doch auch sehe, daß ich vielleicht auch nur ein Narr bin, der sich um seine Chimäre dreht, dann wird's mir oft heiß vor der Stirn, und nur manch lichter Augenblick, in dem ich fühle, daß doch einst wenigstens eine tröstende Beruhigung durch mein Streben in eine Seele in jenem entscheidenden Augenblicke fließen muß, – giebt mir wieder den Muth fortzuwandeln. – –«


Später schreibt er an Rochlitz in gleicher Richtung und Stimmung:[485]


»Prag, den 20. November 1815.


– – Wie wohlthuend ist es mir, mein theurer Freund, daß auch Sie unsere Trennung als eine Lücke in unserem Leben betrachten. Unzählige Male habe ich dies schmerzlich gefühlt, und doch kann ich Sie in Ihren Umgebungen glücklich preisen, da hingegen die Meinigen mich so verödet in jeder Hinsicht stehen lassen, daß zuweilen ein unglaublich bitterer Unmuth mich ergreift, der daraus theils entspringt, daß ich unzufrieden mit mir selbst bin, nicht Kraft genug zu haben, trotz der tödtenden Kälte von Außen, meinen Geist gehörig zur Arbeit erheben zu können, – und anderen Theils werde ich wieder recht weich, und habe eine Art von Mitleiden mit mir selbst, so gestellt zu seyn, und das Herrlichste und Unwiederbringliche, die Zeit, so ungenutzt dahin strömen zu sehen. Wenn ich so den ganzen Vormittag geschulmeistert habe in den Proben, und ganz abgespannt bin, so bin ich den übrigen Tag, selbst wenn ihn keine Dienstgeschäfte mehr füllen, todt für die Kunst, oder vielmehr für das Schaffen. Meine Cantate geht einen wahren Schneckengang. Täglich peinigt mich mehr der Gedanke, daß sie doch als eine Art von Gelegenheitssache, je eher, je besser in die Welt treten sollte, ja daß das nächste, beste Ereigniß in unserer bunten Zeit sie ganz wirkungslos machen kann – aber das hilft alles nichts. Der freie Genius will nichts von dem hofmeisternden Verstande in solchen Fällen wissen, und wird höchstens ärgerlichpeinlich und kricklich dadurch. – –«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 483-486.
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