Uebergabe des administrativen Theiles seiner Geschäfte an die Direktion

[532] Durchaus musterhaft und für seine wahre Liebe zum Institut, dem er bisher vorgestanden hatte, sowie zur Ordnung überhaupt, zeugend, ist die Art, wie er die Uebergabe der Geschäfte an seinen, ihm selbst unbekannten Nachfolger, vorbereitete. Nicht genug, daß dieser Bücher, Contrakte, Scenarien, Opern-Archiv und Cataloge über Decorationen, Requisiten etc. vollständig und genau vorfinden sollte, schrieb er auch für denselben, zur Erleichterung des Geschäftes, eine Anzahl Pläne und Vorschläge für neu einzustudirende Opern, eine künstlerische Charakteristik jedes einzelnen Bühnenmitglieds, der Chor-Einrichtung, der hauptsächlichsten Capellmitglieder und eine ausführliche Darstellung des Organismus seiner ganzen, eben so genial als wirksam angelegten, eben so fern von allem zopfigen Büreaukratismus als von komödiantischer Liederlichkeit gehaltenen Administration, nebst einer Masse nützlicher Beobachtungen und Bemerkungen, die sich theils auf das Wesen des Prager Publikums, theils auf die musikalische Richtung desselben bezogen, nieder. Diese Notizen gehen so gewissenhaft in das Detail, daß er z. B. den Eigenthümer jedes Instrumentes, das nicht der Verwaltung gehörte, aufführte.

Im Drange dieser Massen von Arbeiten schreibt er an Gottfr. Weber am 17. Sept.:


»– – Wenn Du gleich böse sein kannst lieber Bruder, daß ich wieder so lange still war, so kannst Du es mir doch für etwas anrechnen, daß ich jetzt in diesem Augenblicke schreibe. Der Himmel hat es sich vorgenommen, mir das Ende meines Dienstes recht schwer zu machen. Ich habe drei Sängerinnen im Wochenbett, dazu das Ordnen aller Papiere und Geschäfte für meinen Nachfolger. Methfessel aus Rudolstadt erhält meine Stelle – – ich condolire! Die Zeiten sind in jeder Beziehung zu traurig jetzt. – –«


In gleichem Sinne schreibt er am 22. Novbr. an Rochlitz von Berlin aus:[532]


»– – Die Beilage in der Rolle9 nehmen Sie freundlich an, und gönnen Sie ihm ein Plätzchen in Ihrem Familien Zimmer, damit Sie und Ihre verehrte Gattin – die liebe gute Tochter hat wohl schon das väterliche Haus verlassen – noch öfter sich den treuen, fernen Freund vergegenwärtigen mögen. Es ist einer der ersten Abdrücke.«

»Seit dem 11. July wo ich Sie in Konnewitz sah, bin ich beinah keinen Augenblick zu mir selbst gekommen, über dem Andrang der verschiedenartigsten zeitfressenden Dinge. Den 13. kam ich in Karlsbad an, und fand da so dringende Briefe von Prag, daß ich schon den 17. wieder abreiste und den 19. den Figaro dirigirte.«

»Nun mußte ich einen Katalog über alle dem Theater gehörige Musik entwerfen, und die Bücher zur Kenntniß und Notiz des ganzen Geschäftsganges für meinen Nachfolger vollenden; da ich die Sache in einem, eines redlichen Künstlers würdigen Zustande übergeben wollte, der nicht heimtückisch froh ist, daß man ihn überall vermissen, und alles ohne ihn stocken wird.«

»Spohr's Faust brachte ich noch auf die Bühne , und er gefiel. Leider war es mir bis jetzt unmöglich etwas darüber öffentlich zu sagen, und außerdem wird es wohl schwerlich geschehen. Ja, ihm selbst konnte ich noch nicht einmal diesen glücklichen Erfolg anzeigen, da ich auch nicht weiß wo er jetzt steckt. Eine Anzahl Concertgeber, Giuliani, Mlle. Schmalz etc., halfen mir den Kopf warm machen, und verzehrten das übrige bischen Zeit. Ende September legte ich meine Stelle nieder, und hatte die Freude jetzt erst recht zu sehen, wie geliebt und geachtet ich war, und wie ungern meine Untergebenen sich von mir trennten. Alle Arbeiten, die ich Schlesinger hier contraktmäßig bis 1. December zu liefern entschließen, eine Zeitlang still zu sitzen, und alle Concertgebereien an den Nagel hängend, zu arbeiten. Das thue ich denn auch im vollen Maaße, seit dem 13. October, wo ich hier bin, und hoffe also bis den 1. December mit einer guten Anzahl[533] Werke, zu denen längst die Materialien in meinem Kopfe kochten, und nur auf besonnenes Ordnen harrten – fertig zu werden.«

»Bei meiner Anwesenheit in Karlsbad sprach man mir von einer Stelle in Dresden; seit Kurzem hat man die Sache näher gelegt, obwohl es mir immer noch weitläufig erscheint. Wie steht es mit den Leipziger Theaterangelegenheiten? Ist es gegründet, daß Wohlbrück die Regie übernimmt? Ist es, so gratulire ich, obwohl ich wohl mündlich mehr mit Ihnen darüber sprechen möchte. Mein Plan ist vor der Hand, in der Hälfte Dezember von hier über Magdeburg, Braunschweig, Hannover etc., nach Hamburg und Kopenhagen zu gehen. Glauben Sie, daß ich in Leipzig (ohne ein neues Clavier Concert) ein Concert machen kann, das den Umweg vergütet, da ich leider jetzt auf das Erwerben auch sehen muß, so käme ich von hier aus zuerst dahin, und führte meine Cantate auf. – –«


Daß in diesen Drang-Zeiten künstlerisch quantitativ nicht sehr viel geleistet wurde, versteht sich wohl von selbst, und außer dem erwähnten Liede für Caroline in das »Sternenmädchen«, componirte Weber in der Zeit vom Anfang Mai bis October nur zwei (verlorene) Romanzen in »Diana von Poitiers«, dann das schöne Förster'sche Lied: »Mein Verlangen«, und dachte vollständig (wie er sehr charakteristisch für seine Compositionsweise sagt), mitten unter den staubigen Rechnungsbüchern und Akten des Geschäftsabschlusses sitzend (am 2. Sept.) das wundervolle Adagio in der As dur-Sonate, eines seiner herrlichsten Clavierstücke. Der Genius ist in seiner Arbeit an keinen äußern Einfluß gebunden!

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 532-534.
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