Brautreise

[132] Als nach der Traurede von der Orgel der Kirche herab, im gewaltigen Chor vierstimmiger Gesang, von seinem ganzen ehemaligen Opernpersonale ausgeführt, herabbrauste, kniete der Meister der Töne, wie niedergedrückt von den Fluthen, die er sonst zu beherrschen gewohnt war, mit seiner Braut nieder, bis der Gesang verhallte. Es war ein ergreifender Moment. Nach heiterem Mahl bei Dr. Jungh reiste das Paar am 5. November, in Begleitung der Mutter der Braut, über Eger, Berneck, Baireuth, Bamberg, Würzburg, Heidelberg, blos in Baireuth, Bamberg und Heidelberg Nachtquartier machend, bis Mannheim, wo sie am 14. Nov. Mittags ankamen. Eine selten starke, ununterbrochene Tour für eine Hochzeitsreise!

Hier in Mannheim begrüßte Lina, nach längerer Trennung, ihren Vater wieder, und ihre Mutter blieb bei diesem und ihrem Bruder Louis zurück. Nur nach unendlich schwerem Abschiede, trennte sich die bejahrte Frau von der vergötterten Tochter, den Vater sollte Caroline nicht wieder sehen.

Frau Brandt hat sich nie davon überzeugen können, daß durch Lina's Ehe mit Weber nicht deren Lebensziel verfehlt worden sei. Sie hielt das Talent ihrer Tochter so hoch, daß es ihr immer so vorkam, als stiege sie eigentlich zu Weber, dessen Werth sie nicht zu schätzen vermochte, herab, und dieser wünsche deshalb ihren Rücktritt von der Bühne, um seinen Ruhm nicht durch den seiner Frau beeinträchtigt zu sehen. Weber setzte der sonst braven Frau eine Pension von 100 Thlr. jährlich aus, die sie bis an ihren Tod bezogen hat.

Weber hatte, wie wir oben sahen, beim Entwurf seiner Reiseroute, vor Allem ein Wiedersehen mit seinem besten und ältesten Freunde, Gottfried Weber, der vor Kurzem als Staatsprokurator nach Mainz versetzt worden war, im Auge gehabt, sodann aber auch die zu berührenden Orte so gewählt, daß, durch möglicher Weise zu gebende Concerte, ein Theil der Reisekosten gedeckt werden könnte. Darmstadt[132] gehörte dazu. Von Darmstadt aus schreibt er an Gänsbacher in Wien:


»etc. Wie sehr erinnerte mich hier und in Darmstadt, wo ich den 15. Nov. hinging, alles an unsere Zeit und die vielen heitern schönen Tage, die wir da verlebten, und die nun da nicht mehr zu finden waren. Voll Sehnsucht, einen Theil der Trias wiederzuschauen, eilte ich nach Mainz zu Gottfried. Dieß war aber der trübste Punkt meiner Reise, denn ich kam mit dem alten Herzen voll Liebe an, und – er war nicht der Alte. Ich will nicht ungerecht sein, ich kam zu einem ungünstigen Zeitpunkte, er hatte täglich Criminalgeschäfte (Assisen), war eben ausgezogen, die Frau lag in Wochen etc., kurz wir sahen uns wenig und konnten nicht warm werden. Mir scheint, daß sich Gottfried zu viele Geschäfte aufgebürdet hat, das Theater etc., wodurch er dazu kommt an Nichts mehr rechten Antheil außer seinem Treiben zu nehmen und ein bischen rechthaberisch und absprechend geworden ist. Kurz es that mir unendlich wehe, ich hatte mich so sehr darauf gefreut, es war ein Hauptzweck meiner Reise gewesen. – Nun es können nicht alle gehofften Freuden in Erfüllung gehen. etc.«


Die Freunde lebten sich unter den Umständen wenig mit einander ein. Sechs peinliche Tage hindurch versuchten sie das alte Verhältniß herzustellen, gemeinschaftliche Spaziergänge, gemeinsames Musiciren, selbst die Heiterkeit der Kindtaufe wurde als Heilmittel angewandt, doch die Mittheilung der nach verschiedenen Richtungen hin fortgebildeten Kunst- und Lebens-Ansichten entfremdete immer mehr. Die beiden Weber schieden kühl und die alte Freundschaft hatte einen unheilbaren Riß erhalten.

Freundlich hatte Vitzthum, um Weber die Reise, durch Uebernahme eines Theils der Kosten derselben auf die Theaterkasse, erleichtern zu können, indem er zugleich Nutzen für das Theater zog, ihm Aufträge in Bezug auf Erwerbung von brauchbaren Orchester- und Bühnenmitgliedern mitgegeben. Weber war dieses Auftrages auch im Rausche der Brautreise eingedenk.

Er schrieb von Mainz aus an Vitzthum:[133]


»Mainz, den 21. November 1817.


Ew. Excellenz


habe ich vor allem, um Nachsicht wegen später Beantwortung Ihres geehrten Schreibens vom 2. huj., welches ich den 5. in Prag erhielt, zu bitten, ich empfing es im Augenblicke meiner Abreise von da, und seitdem ward ich keines ruhigen Augenblickes habhaft. Das Rescript enthält freilich manches nicht ganz Erwünschte, doch hoffe ich mit Ew. Excellenz, daß die Zeit Rosen bringen wird. Wenn wir nur selbst erst wüßten, wo sie wachsen. Der Mangel an braven Künstlern ist wirklich auffallend. In Prag ist ein Haufen Menschen beisammen, von denen blos auf Mild. Schwarz, als jugendliche Heldin und Liebhaberin mit Recht zu reflectiren wäre, freilich ist sie vor der Hand noch ein Jahr gebunden. In Würzburg sehe ich eine elende, in Mannheim, Darmstadt und hier, sehr mittelmäßige Gesellschaft. Wild ist in Darmstadt engagirt, und überhaupt die Oper nicht schlecht. Mad. Krüger recht brav, aber für uns doch nicht zweckmäßig. In Mann heim war ich so frei eine sehr niedliche Oper von Ritter, der Zitterschläger für 10 # zu acquiriren. Den trefflichen Sänger Mittermayer aus München traf ich in Darmstadt, wo er nicht zum Gehör kommen konnte, und erweckte in ihm die Lust einmal nach Dresden zu kommen, das wäre eine herrliche Acquisition, eine Stimme wie Benincasa und Wild zusammen, und treffliche Methode.

Die Beilage giebt Ew. Excellenz die verlangte Auskunft über die Lampen-Beleuchtung von Hrn. Treitschke in Wien, von dem ich einen Brief hier vorfand, der Himmel und Ew. Excellenz mögen uns dazu verhelfen.

Ich habe eine große Sehnsucht nach Hause, und werde meine Reise beschleunigen, so viel mir möglich ist, sie war bisher sehr günstig und heiter. Mein junges Frauchen erkennt dankend Ew. Hochgeboren freundliches Andenken, und empfiehlt sich achtungsvollst. Am 4. war unser Hochzeitstag, den 5. reiste ich schon wieder ab, den 9. waren wir in Würzburg, den 11. in Mannheim, den 15. in Darmstadt,[134] seit dem 19. hier. Den 24. denke ich von hier abzureisen, und in den kurz möglichsten Absätzen nach Hause zu eilen. Sollte etwas Dringendes meine Anwesenheit vor Ende November erfordern, so bitte ich mir es gütigst nach Gotha poste restante anzuzeigen.

Ich hoffe zu Gott, daß Ew. Excellenz Gesundheit sich von den letzten gehäuften Geschäfts-Stürmen, gänzlich wieder erholt hat, und daß meine herzlichen Wünsche für Ihr Wohl und Ihre Zufriedenheit sich erfüllen mögen.

Genehmigen Sie die Ausdrücke meiner unwandelbarsten Verehrung und Anhänglichkeit, und gedenken Sie auch gütigst


Ew. Excellenz

treu ergebenem

C. M. v. Weber.«


Von Mainz kehrte Weber nach Darmstadt zurück, wo denn durch des Ober-Appellations-Ger.-Rath Hoffmann (bei dem er wohnte) und anderer Freunde Hülfe ein Concert am 1. Dec. zu Stande kam, dessen Ertrag sehr mäßig (68 Gulden) war, in dem aber Weber's Vortrag seiner Sonate in C und die Körner'schen Lieder mächtig wirkten. Etwas mehr brachte ein Concert in Gießen, am 5. Dec., ein wo Carolinen's lieblicher Vortrag der Arie der Susanne aus Figaro die alten Professoren wie die jüngsten Studenten enthusiasmirte und selbst Weber's Sonate in Schatten stellte, bis beide junge Gatten, durch gemeinschaftlich gesungene komische Lieder zu Guitarre und Piano, den Jubel aufs Höchste steigerten. Mit lebhafter Freude erinnerte sich Weber stets der wenigen Tage in der liebenswürdigen Universitätsstadt, wo Buchhändler Heyer, Professor Snell, Sekretär Merk, Geh. Rath Ebert wetteiferten, ihm gefällig zu sein und wo liebenswürdige Heiterkeit zu wohnen schien. Das Concert trug über 100 Gulden ein.

Wegen schlechten Wetters und rauher Jahreszeit das schöne Thüringen rasch durcheilend, wobei das junge Ehepaar in der Nähe von Eisenach der zum Glück ohne Schaden vorübergehende Unfall traf, mit der Postchaise in der Nacht umgeworfen zu werden, stellte Weber am 9. seine junge Gattin seinem hohen Freunde, dem Herzoge von[135] Gotha, in Gotha vor und fand die herzlichste Aufnahme. Er spielte am 11. mit dem, wie oben erzählt, auf seine Veranlassung, in Gotha angestellten Romberg im Hofconcert, wo die beiden trefflichen Meister den Herzog durch den unnachahmlichen Geist ihres Spiels entzückten, und fuhr schon am 12. nach Weimar. Die Großfürstin empfing das junge Paar auf das Huldreichste.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 132-136.
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