Morlacchi erhält gegen den Willen seines Chefs einen achtmonatlichen Urlaub

[108] Die gehaßte Schleicherei sollte Weber und seinem verehrten »Chef Vitzthum« bald in ihrer verletzendsten und belästigendsten Form, jetzt, als unvermeidlich doppelt widrig, nahe treten.

Der Ritter Morlacchi, über dessen Leistungen und Erfolge in Deutschland aus bekannten und unbekannten Federn die bombastischsten Berichte in italienische Blätter, besonders das »Giornale del Regno delle due Sicilio«, gewandert waren, erhielt im Laufe des Monat Juni die Aufforderung, eine Oper für das Theater San Carlo zu Neapel zu schreiben und selbst aufzuführen. Er, den unablässiges Heimweh aus dem Barbarenlande nach dem blauen Himmel Italiens zog, unter dem er (bei Fortbezug seines Gehaltes) übrigens ziemlich die Hälfte seiner Dienstzeit am sächsischen Hofe zugebracht hat, ergriff eifrig diese Gelegenheit zu einer längern Reise dahin und verlangte von Vitzthum einen achtmonatlichen Urlaub, um »der Ehre, die der königl. sächsischen Capelle in ihm erzeigt werde, gerecht zu werden«. Vitzthum bedeutete ihn, mit dem Hinweise darauf, daß Weber für den Herbst bereits einen zweimonatlichen Urlaub zur Schließung seiner Ehe etc. zugesagt sei, von der Unthunlichkeit dieses Gesuches und bot ihm einen dreimonatlichen Urlaub. Nach heftiger Gegenrede Morlacchi's, der hiermit nicht zufrieden war, und scharfer Schlußbemerkung Vitzthums, ließ ersterer den Gegenstand fallen.

Bald darauf reiste Vitzthum in's Bad, übergab Weber und Hellwig die Leitung der deutschen, Morlacchi und Bassi die der italienischen Oper, während der Münzbuchhalter Großmann, in Abwesenheit Seconda's, das Oekonomiewesen zu besorgen hatte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 108.
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